ART BASEL
Ein Arzneischrank für 800 000 Dollar
Durch geschicktes gemeinsames Taktieren von Galeristen, Großsammlern und Künstlern hat der Markt für zeitgenössische Kunst einen ungewöhnlichen Aufschwung genommen.
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ür Ärzte dürfte das Angebot von Damien Hirst wohl kaum interessant gewesen sein, das die Galerie Ammann, Zürich, auf der diesjährigen Art Basel in ihrem Pro- gramm hatte. Warum sollten sie 800 000 US-Dollar für einen ganz normalen Arzneimittelhängeschrank, gefüllt mit handelsüblichen Präpa- raten ausgeben, wo sie doch zu al- lermeist ein Pendant in ihrer Praxis hängen haben – allerdings ohne die Signatur des Künstlers. Für ein wesentlich größeres Exemplar mit dem Titel „Nothingness“ forderte die Galerie White Cube, London, sogar 2,75 Millionen Pfund. Derar- tige „Ready mades“ sind auch 100 Jahre nach dem lediglich als Provo- kation gedachten und ausgestellten Urinoir von Marcel Duchamp nach wie vor en vogue. Ein weiterer Meister in diesem Metier ist Jeff Koons, der seine „Hanging Hearts“und „Luftballonhunde“ monumen- tal vergrößern und in Bronze gießen lässt. Dem Erfolg dieser beiden Künstler hat Michel Houellebecq in seinem Roman „Karte und Gebiet“
ein literarisches Denkmal gesetzt:
Eine tragende Rolle in dem Roman spielt ein Gemälde des fiktiven Ma- lers Jed Martin mit dem Titel „Da- mien Hirst und Jeff Koons teilen
den Kunstmarkt unter sich auf“.
Ganz aus eigener Kraft hätten diese beiden Künstler ihren kometenhaf- ten Aufstieg allerdings kaum ge- schafft. Durch geschicktes gemein- sames Taktieren von Galeristen, Großsammlern und Künstlern hat der Markt für zeitgenössische Kunst einen ungewöhnlichen Auf- schwung erlebt. Insider sprechen von einer Verdoppelung der Preise innerhalb von zwei Jahren. Selbst für junge Künstler vervielfachen sich sofort die Preise gegenüber ihrem Auftritt auf einer der Neben- messen vom Vorjahr.
Erschlagen von den Preisen für Warhol (bis zu 80 Millionen US- Dollar, Galerie Bischofsberger), für Cy Twombly (16 Millionen US- Dollar, Gagosian) und Francis Ba- con (60 Millionen US-Dollar, Marl- borough) flüchteten viele Sammler auf die Nebenmessen, wie etwa die
„Scope“, eine der neuesten Messen für junge Künstler. Auf Letzterer imponierten die farbigen Papierar- beiten von Farley Aguilar bei Spinel- lo Gallery, Miami. Auf die neuen, großformatigen Bilder von Eckart Hahn gab es gleich nach der Er - öffnung am Stand der Galerie Wag- ner und Partner, Berlin, (ebenfalls
„Scope“) einen Ansturm. Mit Mit-
teln der Verfremdung befragt der Künstler ins kollektive Bildge- dächtnis aufgenommene Bilder wie das Porträt Ludwig XIV. von Hya- cinthe Rigaud auf ihr ikonografi- sches Potenzial heute.
Einen Besuch wert war in Hal- le 1 die Schau „Art Unlimited“ mit vorwiegend großformatigen Arbei- ten meist arrivierter Künstler. Die Art Basel 2012 findet vom 13.
bis 17. Juni statt. Informationen:
www.artbasel.com.
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Dr. med. Helmut Jaeschke
Eckart Hahn vor seinem Bild
„Ludwig XIV.“
Foto: Gerda JaeschkeFoto: Courtesy of Art Basel
A 1807