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Archiv "Pathogenese und Klinik der Hyperurikämie" (19.08.1976)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin ÜBERSICHTSAUFSATZ

Gichttheorien

Bei Hyperurikämie und Gicht steht eine recht einheitliche Klinik einer pathoätiologischen Vielfalt gegen- über. Dem am häufigsten vorkom- menden renalen Ausscheidungsde- fekt wird eine vermehrte Harnsäu- resynthese gegenübergestellt, bei der unterschiedliche Enzymdefekte aufgedeckt werden konnten. In vie- len Fällen ist jedoch nach wie vor keine Klärung des pathogenen Mechanismus gefunden wor- den (34)"*).

Die renale Gichttheorie, von Gar- rod (9) inauguriert und später be- sonders von Thannhauser (31) und Zöllner (35) vertreten, geht von ei- ner enzymatisch bedingten Sekre- tionshemmung in den Nierentubuli aus. Von Zöllner konnte zudem nachgewiesen werden, daß bei Gichtkranken auch eine Ausschei- dungsstörung von Harnsäure im Speichel besteht, woraus er eine allgemeine epitheliale Insuffizienz der Harnsäureelimination folger- te (35). Später wurde von Benedict die Überproduktionstheorie gegen- übergestellt; diese begründet sich darauf, daß bei einem Teil von Gichtkranken ein vermehrter und beschleunigter Einbau von Harn- säurebausteinen gefunden wur- de (4). Die ausschließlich enzymati-

sche Genese einer besonderen Form der Hyperurikämie konnte unlängst beim Lesch-Nyhan-Syn- drom aufgeklärt werden. Bei die- sem rezessiv vererbten Leiden ist anzunehmen, daß die Bildung der

„messenger-RNS" der Hypoxan- thin-Guanin-Phosphoribosyltrans- ferase an das 6. Chromosom ge- koppelt ist.

Auf Grund neuerer Mitteilungen wird angenommen, daß bei der Ge- nese der primären Hyperurikämie in 75 bis 80 Prozent eine renale Ausscheidungsinsuffizienz vorliegt und nur in 20 bis 25 Prozent der Fälle die Steigerung der „de-novo- Synthese" Ursache der positiven Harnsäurebilanz ist (37).

Sekundäre Hyperurikämie

Zwischen 3 und 7 Prozent der Fälle von Hyperurikämie sind den sekun- dären Formen zuzurechnen. Ein vermehrter Harnsäureanfall mit er- höhtem Harnsäurespiegel im Blut und vermehrter Ausscheidung über die Niere ist bei allen pathologi- schen Zuständen mit vermehrtem Zelluntergang zu erwarten. Derarti- ge symptomatische Hyperurikämi- en werden bei einer Reihe von hä- matologischen Erkrankungen gese- hen, wie zum Beispiel bei der aku-

ten und chronischen Leukämie, bei der Polycythaemia vera, beim mul- tiplen Myelom, bei der Paraprotein- ämie, der hämolytischen Anämie, in der Remissionsphase der perni- ziösen Anämie, beim akuten Lym- phoblastom, bei Neugeborenen, bei Hochgebirgsbewohnern mit einer symptomatischen Polyglobu- lie, bei Mononukleose, bei Osteo- myelosklerose, bei der Cooley-An- ämie, bei Sarkoidose, bei zytostati- scher Therapie und bei Mongoloi- den (Störung der Granulozytenbil- dung).

Die Psoriasis vulgaris ist mit einer Hyperurikämierate von 25 Prozent, die Spondylitis psoriatica sogar mit einer von 50 Prozent belastet.

Dabei wird die Hyperurikämie auf einen Defekt im Kohlenhydratstoff- wechsel bezogen und die vermehrt anfallende Harnsäure als ein Abfall- produkt des Androgenstoffwech- sels angesehen (Abbildung 3).

Organisch renale Störungen Verständlicherweise erhöht sich der Harnsäurespiegel im Blut mit zunehmender Dauer eines akuten Nierenversagens. Dagegen entwik- kelt sich die Hyperurikämie ledig- lich bei einem Teil der Fälle von chronischer Niereninsuffizienz, gleich welcher Genese (13). Man führt diese kuriose Erscheinung auf eine stark erhöhte tubuläre Re- jektion bei nierenkranken Patien- ten zurück. Es bestehen Anhalts- punkte für eine verminderte Syn- theserate von Harnsäure durch eine erhöhte Konzentration im Se- rum von Guanidinbernsteinsäure bei Patienten mit Niereninsuffizienz.

Ein urikosurischer Faktor im Serum urämischer Patienten wird disku- tiert (6). Die sekundäre Hyperurik-

*) Die klinischen Untersuchungen wurden von 1972 bis 1975 an der II. Medizini- schen Abteilung des Städtischen Kran- kenhauses München-Harlaching durch- geführt. Damaliger Chefarzt Prof. Dr.

Adolf Schrader, Direktor der Neurologi- schen Universitätsklinik München. Zu- letzt kommissarischer Leiter: Oberarzt Dr. med. H. Begemann.

**) Die Klammerzahlen beziehen sich auf das in den Sonderdrucken mitveröffent- lichte Literaturverzeichnis.

Pathogenese und Klinik der Hyperurikämie

II. Klinik

Ingo Neu

Aus der Neurologischen Klinik und Poliklinik der Universität München, Klinikum Großhadern (Direktor: Professor Dr. A. Schrader)*)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 34 vom 19. August 1976 2169

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Hypoxanthin Inosinsäure Xant hin --I'

t

Vorstufen a) Normal Nukleinsäuren

t

Polynukleotide

t

Hypoxanthin

Inosinsäure t Vorstufen

b) Chronische Myelose Nukleinsäuren

t

Polynukleotide Inosinsäure I

Xanthin Nukleinsäuren

Polynukleotide

t t

Abbildung 3:

Schema der Nukleinsäuren- und Harnsäure- synthese nach Harnsäure Krakoff und

Galis, 1964, a) bei Normalen, b) bei chro- nischer mye- loischer Leuk- ämie, c) bei chronischer lymphatischer Leukämie

Xanthin Harnsäure

Harnsäure

Vorstufen

c)Chronische Lymphadenose Zur Fortbildung

Aktuelle Medizin Hyperurikämie

ämie allgemein und die symptoma- tische Hyperurikämie bei Nieren- insuffizienz im besonderen sind praktisch ungeachtet der Höhe des Serumharnsäurespiegels nur selten mit Gichtanfällen weiter kompli- ziert.

Hyperurikämie

bei verschiedenen Krankheiten und Stoffwechselstörungen

Seit langem ist bekannt, daß die Harnsäure auch bei verschiedenen andersartigen, wohldefinierten Er- krankungen erhöht sein kann. Dazu gehören: Akromegalie, Myxödem, im hämorrhagischen Schock mit Hypoxie, Diabetes mellitus, essen- tielle Hypercholesterinämie (Typ II der Hyperlipoproteinämie), chroni- sche Blei-, Beryllium- und Kohlen-

monoxidvergiftung, Natriumlaktat- und Fruktoseinfusionen, Fasten, vererbte renale Azidose, Zystin- urie, chronische angeborene Lakt- azidose, Alkoholintoxikation, Hoch- leistungssport und schwere Mus- kelarbeit, Schwangerschaftstoxiko- se, Glykogenspeicherkrankheit und respiratorische Azidose.

Hyperurikämie durch Saluretika und andere Medikamente

Der hyperurikämisierende Effekt von Thiaziden wurde schon 1958 am Beispiel des Chlorothiazid auf- gedeckt und gewinnt in Fällen von Langzeittherapie zunehmende Be- deutung, wenn man bedenkt, daß in Westdeutschland der Jahresver- brauch derartiger Medikamente bei einer halben Milliarde Tabletten

liegt. Die kaliumretinierenden Di- uretika wie zum Beispiel der Aldo- steronantagonist Spirolactone greift dagegen nicht signifikant in den Harnsäurestoffwechsel ein. Neben Pyrazinamid wirken andere Tuber- kulostatika, wie Isoniacid und Cycloserin, ebenfalls hyperurikämi- sierend. Weiterhin wurde unter der Behandlung mit Nikotinsäure eine leichte Erhöhung der Serumharn- säurewerte, jedoch ohne Auftreten von Gichtanfällen oder Nierenkom- plikationen, beobachtet. Anderer- seits können Gaben von Salyrgan und Cumarinpräparate wegen ihres urikosurischen Effektes sehr selten einen Gichtanfall auslösen. Bei der Infusionstherapie mit Fruktose und kalorischen Lösungen, die ge- wöhnlich auch Äthylalkohol enthal- ten, sollte bei besonders gefährde- ten Patienten die häufig zu beob- achtende Hyperurikämie in Rech- nung gestellt werden. Bei der chro- nischen Alkoholzufuhr kann sich eine Hyperketonämie als Folge ei- ner vermehrten Ketonkörperpro- duktion (aus Fettsäuren in der Le- ber) entwickeln, während bei der kurzfristigen und einmaligen Äthyl- alkoholzufuhr die hyperurikämisie- rende Wirkung durch eine Vermin- derung der renalen Harnsäureaus- scheidung infolge einer Hyper- laktazidämie durch Alkoholoxyda- tion hervorgerufen wird (vgl. Abbil- dung 4).

Ursachen des Gichtanfalls

Ungeachtet der vielen aufgezeigten Möglichkeiten, die im Rahmen ei- ner primären oder sekundären Hy- perurikämie zu einer positiven Harnsäurebilanz führen, ist ihnen doch allen gemeinsam, daß es zu einer sich allmählich entwickelnden Vermehrung des Harnsäurepools von normal 1 g auf 30 g und mehr mit Ausfällung von Uratkristallen bei Überschreitung der pH-abhän- gigen Löslichkeitsgrenze von 6,4 mg/100 ml kommt.

Die klinische Erscheinung des Gichtanfalles ist in ihrem Ablauf noch nicht völlig geklärt. Sicher ist, daß sie mit einem Schmerzan- fall auf dem Boden der Hyper-

2170 Heft 34 vom 19. August 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Bei

vermehrtem Anfall von Harnsäure (Polycythaemia vera, Polyglobu- lie, myeloproliferative Prozesse, Paraproteinämie, infektiöse Mononukleose, Thalassaemia major, Pneumonie, Psoriasis, Sarkoidose, radiologische bzw.

zytostatische Therapie, hämor- rhagischer Schock durch Ge- webshypoxie, Gabe von 2-Äthylamino-1,3,4-thiadiazol) verminderter renaler Uratausschei- dung

bei Niereninsuffizienz

Hyperlaktazidämie (i.v. Infusion von Laktat, Fructose oder Glucose, schwere Muskelarbeit, Alkohol- intoxikation, Schwangerschafts- toxikose, chronische angeborene Laktatazidose)

Ketose (Fasten, dekompensierter Diabetes mellitus, fettreiche Diät)

Adipositas

arterieller Hypertension respiratorischer Azidose Gabe von Sulfonamidsaluretika

(Azetazolamid, Thiazide, Chiorthalidon, Furosemid) —

„Paradoxeffekte", von Etacrynsäure von Pyrazinamid von Benzoesäure von lsoniazid von Cycloserin von Nikotinsäure Akromegalie

Hypoparathyreoidismus Hyperparathyreoidismus Glykogenspeicherkrankheit,

Typen I, III, VI

Hyperlipoproteinämie (bes.

Typ IV nach Fredrickson und Lees)

CO-Vergiftung

chronische Bleivergiftung chronische Berylliumvergiftung Myxödem

Fructose, Xylit, Sorbit Mongolismus

Abbildung 4: Mögliche Ursachen einer sekundären, nichtgichtigen Hyperurik- ämie (Nach Mertz 1971)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Hyperurikämie

urikämie und Uratpräzipitation in den badytrophen Geweben ent- steht. Zusätzliche physikome- chanische und enzymatische Ein- flüsse, wie pH, Laktazidose, Phagozytosevorgänge an Uratkri- stallen und Freisetzung von Schmerzstoffen, spielen sicherlich eine weitere Rolle. Sicher ist auch, daß die von Peters 1946 berechne- te Löslichkeitsgrenze der Harnsäu- re von 6,4 mg/100 ml überschritten werden muß, um primäre Gichtan- fälle zu ermöglichen. Mc. Carty und Hollander konnten an Hunden und im Selbstversuch zeigen, daß durch Injektion von phagozytierba- ren, das heißt ausreichend kleinen Uratkristallen in ein Gelenk ein Gichtanfall künstlich ausgelöst werden kann. So kann man bei- spielsweise die Pseudogicht mit Pyrophosphatkristallen auslösen.

Es ist anzunehmen, daß zunächst eine gewisse Harnsäureablagerung stattgefunden haben muß, bevor durch Ausfällung von Mikrokristal- len in der Nachbarschaft der Abla- gerung Schmerzanfälle auftreten können. So läßt sich auch die Ten- denz zu Gichtanfällen am Beginn und während einer erfolgreichen harnsäuresenkenden oder salureti- schen Therapie erklären, obgleich der Serumharnsäurespiegel schon normal sein kann. Zöllner nimmt an, daß die Hyperurikämie Depots von Harnsäure geschaffen hat, die nunmehr in der Wiederauflösung begriffen sind und an der Oberflä- che hohe Uratkonzentrationen er- zeugen, die sich nicht in dem aktu- ellen Harnsäurewert widerspie- geln (27).

Gelenkgicht

Die Gicht ist die häufigste Mon- arthritis des erwachsenen Mannes und beginnt in 90 Prozent der Fälle als Podagra, in abnehmender Fre- quenz sind Sprunggelenke, beson- ders das Kniegelenk, die Gelenke der Hände, das Daumengrundge- lenk — auch Chiragra genannt — und die Ellenbogen betroffen, wo- hingegen die stammnahen Gelenke höchst selten betroffen sind (19).

(Abbildungen 5 und 6)

Elektronenmikroskopisch fand Gie- seking in den Endothelzellen zahl- reiche Kapillaren in der kristall- freien Randzone von Gichtkno- ten lebhafte Pinozytosevorgän- ge. Vermutlich erfolgt dort ein Austritt von Uraten durch die Kapil- larwand in das umgebende Gewe- be. Das randnahe Fasergewebe zeigt aber auch schon in den Randzonen eines Gichttophus eine deutliche Fibrolyse. Es ist zu ver- muten, daß diese Fibrolyse eine di- rekte Folge einer durch Harnsäure- überschwemmung bedingten Ge- websazidose ist (10).

Die Hyperurikämie als Allgemeinkrankheit

Schon lange vor der Entwicklung der Hyperurikämie als Gelenkser- krankung ist eine Nierenbeteili- gung im Sinne einer Gichtnephropa- thie histologisch nachweisbar (21).

Sie ist ein komplexer Risikofaktor für eine ganze Reihe oft stumm

verlaufender Folgekrankheiten. Die Hyperurikämie — auch in ihrem scheinbar symptomlosen laten- ten Stadium — stellt einen kausa- len Störfaktor mit Begünstigung von Hypertonie, Arteriosklerose, Koronarkrankheiten und von zere- brovaskulären Prozessen dar, wo- bei die erhöhte Thrombozytenag- gregation und die Ablagerung von Mikrothromben in das Gefäßendo- thel seit den Untersuchnungen von Newland geläufig sind (24). Be- kanntlich findet man bei der Hy- perurikämie ein überzufällig häufi- ges Zusammentreffen mit Hyperli- poproteinämie, Diabetes mellitus und Fettleber (27, 28).

in weitgehender Übereinstimmung mit zahlreichen anderen Mitteilun- gen fanden wir (in einem Zeitraum von zweieinhalb Jahren) bei über 200 Patienten eines unausgewähl- ten Krankengutes ein Hyperurik- ämie (29 Prozent). In 50 Prozent der Fälle wurde zusätzlich eine Über-

DEUTSCHES.ARZTEBLATT Heft 34 vom 19. August 1976 2171

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Hyperurikämie

gewichtigkeit, in 20 Prozent eine Fettstoffwechselstörung vom Typ 4 und in 60 Prozent ein Diabetes mellitus gefunden. Der Diabetes mellitus war in 10 Prozent insulin- pflichtig, 35 Prozent wurden mit ei- nem oralen Antidiabetikum behan- delt, und 55 Prozent zählten zu den diätetisch kompensierten, asympto- matischen Formen. Das Verhältnis der Männer zu den Frauen war 3 :1, und der Altersgipfel lag zwi- schen dem 50. und 60. Lebensjahr.

Die Gruppe von 31 Patienten mit Hyperurikämie und konservativ be- handelter Niereninsuffizienz des gleichen Beobachtungszeitraumes zeigte noch weit höhere pathologi- sche Werte, wobei im Rahmen der Fettstoffwechselstörung die Hypercholesterinämie dominierte und häufig eng mit dem Grad der Niereninsuffizienz korrelierte (2).

Neurologische Komplikationen bei Hyperurikämie

Selbst auf neurologischem Gebiet rückt die Hyperurikämie zuneh- mend in das Blickfeld pathoätiolo- gischer Überlegungen verschie- denster Krankheitsbilder. Bis vor wenigen Jahren war im neurologi- schen Fachgebiet lediglich das Lesch-Nyhan-Syndrom geläufig, bei dem es durch den Mangel an ei- nem Enzym zu stark vermehrter Harnsäurebildung kommt. Bei die- ser geschlechtsgebundenen Erb- krankheit kommt es neben Urat- steinbildung und megaloblastischer Anämie (17) zu neuropsychiatri- schen Symptomen, wie Choreoathe- tose, Spastik und Selbstmutilatio- nen.

Schrader, Lähoda und Ross weisen bei einer Vielzahl neurologischer Erkrankungen auf die Urikopathie als einen direkt oder indirekt wir- kenden pathogenetischen Faktor hin (16, 28). Vergleichsweise konn- ten wir vor kurzem eine Ka- suistik von fünf differenten Krankheitsbildern des zentralen und peripheren Nervensystems vorlegen, bei denen nach intensi- ver klinischer Diagnostik einzig ein signifikant erhöhter Harnsäurespie-

gel zu finden war. Bemerkenswert war dabei eine rasche und bleiben- de Beschwerdefreiheit nach konse- quenter harnsäuresenkender The- rapie (3). Im einzelnen handelt es sich dabei um einen partiellen Me- diaverschluß bei einem 19jährigen Patienten, um einen Fall von Hist- aminkopfschmerz, eine neuralgische Schultermyatrophie, eine Meralgia paraesthetica und eine sehr seltene Form der Phrenalgie, die jahrelang als rezidivierende Lungenembolie fehlgedeutet wurde.

Ophthalmologie

Augenbeteiligungen bei Gicht fin- den sich einmal in Form von Urat- ablagerungen in den Augengeweben mit oder ohne entzündliche Er- scheinungen und zum anderen als Entzündungen verschiedener Au- genabschnitte. Okuläre Gichtanfäl- le äußern sich in nächtlichen Schmerzen in einem oder beiden Augen, Auftreten einer Konjunktivi- tis, morgendliches Verklebtsein der Lider, Fremdkörpergefühl, Schwel- lungen der Lider und des Bulbus, mitunter begleitet von Iritis, Horn- haut- und Glaskörpertrübungen.

Heinz beobachtete an 63 Männern mit Gicht oder Hyperurikämie in 12,7 Prozent der Fälle Augenverän- derungen. Der gleiche Autor konn- te bei 53 Patienten mit klassischen Gichtanfällen dagegen nur in 5,7 Prozent Augenveränderungen fin- den (14).

Die Diagnose Hyperurikämie ist zwar zunächst nur eine Aussage über einen Laborwert. Präventiv- medizinisch ist jedoch zu beden- ken, daß die Auswirkungen dieser Stoffwechselstörung weit über die klinische Rolle der Gelenkgicht hinausgehen. Vergleichsweise ha- ben wir es bei der Urikopathie mit einer jener seltenen Situationen der Medizin zu tun, in der die Fort- schritte in Diagnose und Therapie Schritt gehalten haben. Diese Chance sollte genutzt werden.

Zusammenfassung

Nach einer kurzen medizinhistori- schen Betrachtung der Gicht wird

der Purinkörpermetabolismus bei verschiedenen Tierspezies darge- stellt und die mögliche Bedeutung der Harnsäure bei der Entwicklung der Primaten erörtert. Ein Zusam- menhang zwischen Hyperurikämie und Intelligenz beziehungsweise Sozialstatus wird anhand eigener Untersuchungen verneint. Neben genetischen, geschlechtsspezifi- schen und psychosozialen Aspek- ten wird der Epidemiologie dieser zweithäufigsten Stoffwechseler- krankung ein breiter Raum ge- geben. Nach eigenen Untersuchun- gen muß bei einem unausgewähl- ten internistischen Krankengut bei 29 Prozent des gesamten Kranken- kollektivs mit einer Hyperurikämie gerechnet werden, wobei die se- kundäre Hyperurikämie mit 7 Pro- zent anteilig vertreten ist; dabei zeigt sich eine Gelenksbeteiligung bei jedem 6. Mann und bei jeder 19.

Frau. Der Altersgipfel lag bei unse- ren Probanden mit Hyperurikämie zwischen dem 5. und 6. Lebensjahr- zehnt. Das Verhältnis von Männern und Frauen in der Menopause war

— übereinstimmend mit andern Mitteilungen — 3 zu 1. Auf die überragende Bedeutung von Be- gleitkrankheiten der Hyperurik- ämie, wie Diabetes mellitus, Hyperli- pidämie, Nephropathie, Arterioskle- rose, Hypertonie und Fettleber wird besonders hingewiesen. Im wei- teren wird neben den möglichen Ursachen der primären und se- kundären Hyperurikämie die Theorie des Gichtanfalles in Ab- hängigkeit von auslösenden Fakto- ren und vom Serumharnsäurespie- gel aufgezeigt. Schließlich wird an- hand einer eigenen Kasuistik auf mögliche pathoätiologische Zu- sammenhänge mit Erkrankungen des peripheren und zentralen Ner- vensystems hingewiesen und auf die

Manifestation der Gicht am Auge aufmerksam gemacht.

Literatur beim Verfasser Anschrift des Verfassers:

Oberarzt Dr. med. Ingo Neu Facharzt für Innere Krankheiten Neurologische Universitätsklinik Marchioninistraße 15

8000 München 70

2172 Heft 34 vom 19. August 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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