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Archiv "Streit um Krankenhausrechnungen: Der Gesetzgeber soll es richten" (21.10.2011)

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A 2190 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 42

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21. Oktober 2011

STREIT UM KRANKENHAUSRECHNUNGEN

Der Gesetzgeber soll es richten

Der Konflikt zwischen den Krankenhäusern und den Krankenkassen über die Qualität der Rechnungsstellung in den Kliniken eskaliert.

O

ft kommt es anders, als man denkt. Das gilt auch für die Wirkungen der unteren Grenzver- weildauer im DRG-System, dem ab 2004 eingeführten neuen Abrech- nungssystem für die Krankenhäu- ser. Eigentlich sollte die untere Grenzverweildauer den Patienten in dem auf Fallpauschalen beruhen- den Entgeltsystem davor schützen, dass ihn das behandelnde Kranken- haus früher als es seiner Genesung zuträglich ist, nach Hause entlässt.

Unterschreitungen der unteren Grenzverweildauer führen daher im DRG-System zu Kürzungen der Fallpauschale. In der Praxis wird die Intention, damit eine „blutige Entlassung“ zu verhindern, jedoch von den Krankenkassen konterka- riert. Denn diese präsentieren sich zwar gerne als Sachwalter der Pa- tienten, drängen aber die Kliniken, die Patienten möglichst schnell zu entlassen. So werfen sie den Kran- kenhäusern in vielen Fällen vor, Pa- tienten ohne medizinische Notwen- digkeit bis zum Überschreiten der unteren Grenzverweildauer im Krankenhaus zu behalten, um eine Rechnungskürzung zu verhindern.

Nach der „medinfoweb“-Früh- jahrsumfrage 2011, an der sich 222 Krankenhäuser beteiligten, war die vermeintlich nicht gerechtfertigte Überschreitung der unteren Grenz- verweildauer im Jahr 2010 mit 29,4 Prozent der häufigste Grund für eine Einzelfallrechnungsprüfung durch den MDK. Es folgte die an- geblich unbegründete Überschrei- tung der oberen Grenzverweildauer mit 16,8 Prozent. Der Vorwurf, dass die Hauptdiagnose nicht korrekt ko- diert war, löste in 16,6 Prozent der Fälle die MDK-Prüfung aus. In 15,9 Prozent der Fälle handelte es um eine primäre Fehlbelegungsprü- fung – strittig war also, ob über- haupt eine stationäre Behandlungs-

notwendigkeit vorlag. Die Frage, ob die Nebendiagnosenkodierung korrekt war, löste in 15,6 Prozent der Fälle die MDK-Prüfung aus.

„Von den zwei Millionen Einzel- fallprüfungen im Jahr 2010 betrafen also rund 0,3 Millionen das ambu- lante Potenzial, rund 0,9 Millionen die Verweildauer des Patienten und rund 0,6 Millionen die ICD-Kodie- rung“, resümierte Michael Thieme, der die medinfoweb-Frühjahrsum- frage am 11. Oktober in Berlin bei der DKG-Veranstaltung „Kranken- hausabrechnungen im Fokus“ vor- stellte. Die vorrangige Überprüfung der primären und sekundären Ver- weildauer lasse sich eindeutig mit der guten Erfolgsquote für die Krankenkassen erklären, erläuterte der Medizincontroller und Leiter der medizinischen Unternehmens- entwicklung des Qualitätsmanage- ments der Kliniken Landkreis Biber- ach GmbH, der die Umfrage zum fünften Mal durchgeführt hatte. So seien 40,2 Prozent der Prüfungen in Bezug auf die untere Grenzverweil- dauer, 25,3 Prozent der Prüfungen in Bezug auf die obere Grenzverweil- dauer und 20,1 Prozent der primären Fehlbelegungsprüfungen zugunsten der Kostenträger ausgegangen. Der nicht repräsentativen Umfrage zu- folge unterzog der MDK im vergan- genen Jahr 11,1 Prozent der Kran- kenhausrechnungen einer Einzel- fallprüfung. 2007 waren es noch 10,3 Prozent gewesen.

„Immer wieder werden die Kran- kenhäuser beschuldigt, ihre Leis- tungen systematisch falsch abzu- rechnen. Behauptungen der Kassen, wonach nahezu die Hälfte aller Krankenhausrechnungen falsch sein sollen, sind faktisch aber nicht haltbar“, hatte Dr. Rudolf Kösters, Präsident der Deutschen Kranken- hausgesellschaft (DKG), zum Auf- takt der Veranstaltung betont. Le-

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21. Oktober 2011 A 2191 diglich 0,5 Prozent aller Kranken-

hausbehandlungsfälle müssten we- gen der Komplexität der Abrech- nungsregeln korrigiert werden.

Um die anhaltende Kritik der Krankenkassen an Klinikrechnun- gen zu entkräften, hat die DKG ein Gutachten bei der Wirtschaftsprü- fungsgesellschaft BDO in Auftrag gegeben. Das Ergebnis: „Die Veröf- fentlichungen der Kostenträger und des MDK zum Thema Falschab- rechnung im Krankenhaus sind sachlich nicht begründet.“ Vor al- lem sei die Aussage falsch, dass nur zehn bis zwölf Prozent der Rech- nungen geprüft würden, berichtete Joachim Müller von der BDO. „Im Rahmen eines mehrstufigen Verfah- rens werden vielmehr sämtliche Rechnungen auf Auffälligkeiten hin überprüft“, betonte der Wirtschafts- prüfer und verwies auf die ausge- tüftelte Vorselektion durch IT-ge- stützte Prüftools. Letztlich würden nur knapp mehr als vier Prozent al- ler Rechnungen nachträglich geän- dert. Müller: „Bei den meisten die- ser Korrekturen handelt es sich zu- dem um systembedingte und mit der Kasse oder dem MDK ausge- handelte, konsentierte Rechnungs- kürzungen.“ Nicht selten machten

die Kliniken dabei auch nur Zuge- ständnisse, um lange Gerichtsver- fahren zu vermeiden. Insgesamt binde die Prüfungsbürokratie Per- sonal, das woanders besser einge- setzt wäre, folgert die BDO und be- ziffert die Kosten für die Bearbei- tung der MDK-Anfragen auf 700 Millionen Euro jährlich.

Der überwiegende Teil der MDK-Prüfungen beziehe sich gar nicht auf die sachlich-fachliche Ab- rechnungsprüfung, sondern auf die nachträgliche Infragestellung der von den Kliniken in der akuten Pha- se der Patientenversorgung erbrach- ten medizinischen Leistungen, un- terstrich DKG-Hauptgeschäftsfüh- rer Georg Baum. Um den Kassen einen „sachlicheren Austausch mit den Krankenhäusern zu ermögli- chen“ (Baum), hat die DKG nun ei- ne gesetzliche Neuregelung für die Prüfungen der Krankenhausabrech- nungen nach 275 ff SGB V vorge- schlagen (siehe auch Kasten). Es gehe darum, das Prüfverfahren fairer auszugestalten, erläuterte Baum.

Dazu gehörten klare zeitliche Vor- gaben für die Durchführung und den Abschluss der Prüfungen und vor allem der persönliche Dialog zwischen MDK-Prüfern und Kran-

kenhausärzten. Zudem müsse ge- setzlich klarer geregelt werden, dass die Kassen noch offene Prü- fungsfälle nicht mit unbeanstandet erbrachten Leistungen verrechnen dürften. Baum: „Der Gesetzgeber muss sicherstellen, dass Einzelfall- prüfungen nicht zur Beschneidung von medizinisch notwendigen Leis- tungen missbraucht werden.“

„Das eigentliche Problem bei den Krankenhausabrechnungen ist die große Zahl von Falschabrech- nungen, nicht die Zahl der Prüfun- gen“, kommentierte Dr. Peter Pick, Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes des GKV-Spitzenverban- des, die DKG-Vorschläge. Diese zielten primär darauf ab, die Zahl der geprüften Fälle zu reduzieren, indem Hürden aufgebaut und Auf- wände der Prüfungen auf den MDK verlagert werden sollten: „Damit lenkt die DKG vom eigentlichen Problem mangelnder Abrechnungs- qualität in Krankenhäusern ab.“

Die Politik ist anscheinend be- reit, sich des Themas anzunehmen:

Am 26. Oktober wird es eine Anhö- rung des Gesundheitsausschusses des Bundestages zur Prüfpraxis des

MDK geben.

Jens Flintrop

Das derzeit praktizierte Verfahren der Einzelfallprüfungen in den Kliniken durch den Medizinischen Dienst der Kranken- versicherung (MDK) weise erhebliche strukturelle Schwächen auf, meint die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG). Sie schlägt folgende gesetzliche Änderungen vor:

Grundsätzliche Prüfung im Krankenhaus. Die Prüfung nach Aktenlage habe sich als ineffektiv erwiesen. Rück- fragen könnten im direkten Gespräch mit dem Klinikarzt schneller geklärt werden. Das lästige Kopieren von Be- handlungsunterlagen entfalle.

Schnellere Durchführung der Prüfung. Spätestens sechs Wochen nach Eingang der Rechnung bei der Kran- kenkasse soll die Prüfanzeige beim Krankenhaus einge- hen. Innerhalb von weiteren vier Wochen habe der MDK die Liste der zu prüfenden Fälle an das Krankenhaus zu übermitteln und einen Prüftermin abzustimmen. Maximal 24 Wochen nach Rechnungseingang soll dem Kranken- haus die abschließende leistungsrechtliche Entscheidung der Krankenkasse zugehen.

Aufrechnungsverbot. Die gängige Praxis, dass die Kran- kenkassen korrekte Rechnungen mit strittigen Rechnun-

gen verrechnen, soll verboten werden. Die Krankenkasse habe für die erfolgte Behandlung zu zahlen und könne im Zweifel klagen. Derjenige, der einen Anspruch geltend mache, müsse auch aktiv werden, dies durchzusetzen.

Die Krankenhäuser sollen nicht mehr ständig dem Geld hinterherlaufen müssen, argumentiert die DKG.

Durchschrift der MDK-Gutachten. Die Krankenhäuser wollen nach dem Gesichtspunkt der „Waffengleichheit“

im gleichem Maße über die Ergebnisse der Begutachtung informiert werden, wie die Krankenkassen. Das Gutachten müsse zudem eine medizinisch nachvollziehbare Begrün- dung für die Beurteilung enthalten.

Bindung des MDK an den Prüfauftrag. Erhält der MDK bei der Akteneinsicht zusätzliche Erkenntnisse, die nichts mit dem Prüfauftrag der Krankenkasse zu tun haben, so soll er diese nicht mehr verwenden dürfen.

Aufwandspauschale trotz Kürzung um den Investiti- onszuschlag. Wird die Rechnung nach der MDK-Prüfung nur um den Investitionszuschlag in Höhe von 5,62 Euro gekürzt, sei die an das Krankenhaus zu zahlende Auf- wandspauschale in Höhe von 300 Euro angebracht.

DER GESETZGEBUNGSVORSCHLAG DER DKG

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