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Archiv "Universitäten: Hochschulmedizin im Umbruch" (09.08.2010)

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A 1502 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 31–32

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9. August 2010

UNIVERSITÄTEN

Hochschulmedizin im Umbruch

Die Forschung an den Universitäten steht im Wettbewerb – auch mit außeruniversitären Einrichtungen. Ein ungleicher Kampf, sagen Hochschulmediziner. Sie sehen sich durch die Föderalismusreform und die Finanznot der Länder geschwächt.

M

anche sprechen von einer

„Klassengesellschaft der Universitäten“, andere nennen es

„Ausdifferenzierung“. Wissenschaft in Deutschland findet auf unter- schiedlichem Niveau statt. Die Aus- stattungen der Hochschulen variie- ren, ebenso die Möglichkeiten der einzelnen Bundesländer zur Finan- zierung von laufenden Kosten und Investitionen. Das wirkt sich auf die Einwerbung von Drittmitteln aus und auch darauf, wie die Stand- orte im Wettbewerb untereinander abschneiden, etwa bei der Exzel- lenzinitiative.

Der Grundsatz, den Leistungs- starken weiter zu fördern, setzt sich auch in dem Konzept der Nationalen Gesundheitsforschungszentren fort.

Sechs dieser Zentren sollen in Deutschland entstehen. Sie werden zu 90 Prozent vom Bund finanziert.

Im Fokus stehen dabei die Volks- krankheiten (siehe Kasten). Für Bundesforschungsministerin Annet - te Schavan (CDU) ist das ein ent- scheidender Schritt, damit die Poten ziale der deutschen Wissen- schaft besser ausgeschöpft werden.

„Die Forschungskompetenz war in der Vergangenheit zergliedert“, sag- te Schavan beim Innovationskon- gress der deutschen Hochschulme- dizin in Berlin. Diese Fragmentie- rung müsse überwunden werden.

In den Gesundheitsforschungs- zentren sollen nun die besten Köpfe zusammenarbeiten. Einrichtungen aus ganz Deutschland werden über die Institutsgrenzen hinweg koope- rieren. Eine Sonderrolle wird das Deutsche Konsortium für trans - lationale Krebsforschung haben.

Denn mit dem Deutschen Krebsfor- schungszentrum (DKFZ) in Heidel- berg existiert bereits ein „nationales Zentrum“. Im Konsortium soll sich das DKFZ nun mit ausgewählten Partnern vernetzen. „Durch diese Interaktion wird es möglich, For- schungsergebnisse rasch aus dem Labor in den klinischen Alltag zu überführen“, heißt es in einem Fak- tenblatt des Ministeriums.

Zwei der sechs Zentren existie- ren bereits: das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankun- gen (DZNE) und das Deutsche Zen- trum für Diabetesforschung. Sie sind dezentral organisiert. So hat beispielsweise das DZNE seinen Kernsitz in Bonn, die Partnerstand- orte sind in Göttingen, Magde- burg, München, Rostock/Greifs- wald, Tübingen und Witten. Die vier noch fehlenden Zentren sollen 2011 entstehen. Für sie läuft zur - zeit die Bewerbungsphase. Die Aus - schreibung sei nach transparenten Kriterien gelaufen, sagte Prof. Dr.

med. Dieter Bitter-Suermann, Prä- sident des Medizinischen Fakultä- tentages (MFT). Der Prozess sei ein Beispiel für einen „konstruktiven Dialog“.

Hochschulen und Helmholtz:

unfairer Wettbewerb?

In den nationalen Zentren werden die leistungsstärksten Standorte in Deutschland vernetzt. Ein ganz wichtiger Punkt für Ministerin Schavan ist dabei: Universitäten und außeruniversitäre Einrichtun- gen sollen kooperieren. Das tra - ditionelle Nebeneinander müsse überwunden werden. „Die Versäu- lung des Wissenschaftssystems hat keine Zukunft“, betonte die CDU- Politikerin.

Kooperation ist zunächst einmal eine gute Sache. Allerdings – so fürchten die Vertreter der Hoch- schulmedizin – ist der Wettbewerb zwischen universitären und nicht- universitären Standorten kein Kampf mit gleich langen Spießen. Es sei offen, ob unterfinanzierte Univer - sitäten mit bestens ausgestatteten au - ßeruniversitären Einrichtungen kon - kurrieren könnten. Gemeint sind damit unter anderem die Helm- holtz-Zentren, die zu 90 Prozent Sechs „Deutsche Zentren für Gesundheits -

forschung“ soll es künftig geben.

Bereits gegründet wurden:

Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (www.dzne.de), Kernzentrum in Bonn

Deutsches Zentrum für Diabetesforschung (www.dzd-ev.de), Geschäftsstelle in München.

Vier weitere werden 2011 entstehen:

Infektionsforschung

Herz-Kreislauf-Forschung

Lungenforschung

Konsortium für translationale Krebsforschung.

Die Zentren bestehen aus mehreren Einrichtungen.

Die besten Standorte in Deutschland kooperieren – universitäre und außeruniversitäre.

NATIONALE FORSCHUNGSZENTREN

Will die besten Köpfe fördern und vernetzen:

Bundesforschungs- ministerin Annette Schavan (CDU)

Foto: VUD

P O L I T I K

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 31–32

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9. August 2010 A 1503 vom Bund finanziert werden. Die -

se Ansicht vertritt die „Deutsche Hochschulmedizin“ – ein Zusam- menschluss von MFT und dem Ver- band der Universitätsklinika Deutsch - lands (VUD).

Schavan sieht in den Gesund- heitsforschungszentren hingegen vor allem „eine große Chance für die Stärkung der Hochschulmedi- zin“. Medizin und Gesundheit sei ein zentrales Thema der For- schungspolitik. Im Übrigen gehe ein Großteil der Fördermittel aus diesem Bereich an die Hochschu- len. „Die Universitäten sind das Herzstück des Wissenschaftssys- tems“, sagte sie. Sie ließ allerdings auch keinen Zweifel daran, dass sie eine Profilbildung für unerlässlich hält. Auch Prof. Dr. med. Otmar Wiestler, Vorstandsvorsitzender des DKFZ, sieht keinen anderen Weg.

Es gehe nicht um Konkurrenz zwi- schen Helmholtz und den Universi- täten oder Hamburg und Dresden.

Der Wettbewerb finde auf interna- tionaler Ebene statt.

Die Vertreter der Hochschulme- dizin fordern unterdessen faire Rah- menbedingungen. Und dabei geht es auch um Geld. Die Universitäten sehen sich geschwächt – nicht zu- letzt wegen der Föderalismusre- form. Durch sie änderte sich die Aufgabenverteilung von Bund und Ländern in der Finanzierung. Heute sind die Bundesländer allein für die laufenden Kosten von Forschung und Lehre sowie die Investitionen in der Hochschulmedizin zuständig.

„Das erweist sich für die Länder- haushalte zunehmend als Überfor- derung“, heißt es in einer Erklärung von MFT und VUD.

Welche dramatischen Folgen die Geldnot haben kann, zeigte sich am Beispiel Schleswig-Holsteins. Ende Mai war bekanntgeworden, dass das Land die Medizinische Fakultät in Lübeck aus Kostengründen schließen wollte. Die Empörung war groß. Für die Bundesfor- schungsministerin eine schwierige Situation: Lübeck ist ein Standort mit einem guten Ruf und nicht „ir- gendeine Klitsche“, wie Schavan sagte. Außerdem hatte ihr Kabi- nettskollege und Gesundheitsminis- ter Philipp Rösler (FDP) erst gerade

angekündigt, die Zahl der Medizin- studienplätze solle steigen. Nach wochenlangen Protesten wurde die Fakultät dann schließlich gerettet.

Und indirekt springt nun doch der Bund finanziell ein: Das Kieler Leibniz-Institut für Meereskunde wird in eine Einrichtung der Helm- holtz-Gemeinschaft umgewandelt.

Das Land trägt nun nicht mehr die Hälfte der Kosten, sondern nur noch zehn Prozent. Die Zahl der Medizinstudienplätze soll im Ge- genzug stabil bleiben.

„Universitätsklinikum“ als begehrter Titel

Die Pläne, die Lübecker Fakultät zu schließen, waren mit Unverständnis aufgenommen worden. Zumal in anderen Städten neue akademi- schen Ausbildungsgänge geplant sind. Damit verbunden ist auch das Ziel, den Status eines Universitäts- klinikums zu erhalten. Es gebe re- gelrecht „einen Run“ auf diesen prestigeträchtigen Titel, erklärte der VUD-Vorsitzende, Prof. Dr. med.

Jörg Rüdiger Siewert. Auch um Zu- gang zum ärztlichen Nachwuchs zu bekommen. Oldenburg, Bielefeld und Augsburg haben solche Ambi- tionen – und auch die Asklepios- Kliniken in Hamburg. Erfolgaus- sichten gibt es mancherorts durch- aus. Aber was ist eigentlich ein Universitätsklinikum? Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten.

Mit der Föderalismusreform wurde es Ländersache, diesen Status zu vergeben. Eine bundeseinheitliche Instanz fehlt. Diese Rolle hatte zu- vor der Wissenschaftsrat.

MFT und VUD plädieren dafür, den Begriff Universitätsklinikum nicht inflationär zu verwenden, sondern bestehende Standorte zu stärken. Um die Uniklinik als „Mar- ke“ zu schützen, haben sie zudem gemeinsam einen Kriterienkatalog aufgestellt. Er sieht unter anderem eine Zahl von mindestens 150 Stu- dierenden pro Jahr vor und 60 hauptamtliche Professoren. Diese Kriterien sind für Prof. Dr. med.

Hans-Rudolf Raab, Klinikum Olden- burg, allerdings völlig willkürlich gewählt. Er warb auf dem Innovati- onskongress dafür, das Medizinstu- dium insgesamt neu zu konzipieren.

In Kooperation mit der Universität im niederländischen Groningen sol- len in Oldenburg künftig Ärzte in einem Bachelor-/Masterstudiengang ausgebildet werden.

Für VUD und MFT steht unter- dessen fest: Zwischen den „wider- sprüchlichen Ansätzen“ in For- schungs- und Gesundheitspolitik werden die Fakultäten und Unikli- niken aufgerieben. Sie plädieren unter anderem dafür, dass Bund und Länder das kostenintensive Medi- zinstudium wieder als gemeinsame

Aufgabe sehen. ■

Dr. med. Birgit Hibbeler

Wo soll in Deutschland Spitzenforschung stattfin- den? Wie viele Universitätsklinika brauchen wir?

Muss die Zahl der Studienplätze erhöht werden?

Auf der Suche nach Antworten, landet man am

Ende bei einer Grundsatzfrage: der Aufgabenver- teilung zwischen Bund und Ländern. Die Födera- lismusreform hat die Rolle der Länder in der Hochschulmedizin gestärkt. Aber nicht zum Null- tarif: Sie tragen nun allein die laufenden Ausga- ben für Forschung und Lehre sowie Investitionen.

Sind die Kassen leer, gibt es keinen Spielraum.

In dramatischer Weise zeigte sich das in Schleswig-Holstein: Aus Kostengründen wollte das Land die Medizinische Fakultät in Lübeck schließen. Gestoppt wurde das Vorhaben nur, weil der Bund einsprang. Dem blieb auch keine ande- re Wahl, hatte doch Gesundheitsminister Rösler angekündigt, mehr Studienplätze zu schaffen.

Das Ende der Lübecker Medizin wäre völliger Irrsinn gewesen – nicht zuletzt, weil andere Bun- desländer neue Fakultäten planen. Ein solcher Föderalismus ist Bürgern nicht mehr vermittelbar.

Das gilt auch, wenn der Begriff „Universitätsklini- kum“ in Bayern etwas anderes bedeutet als in Niedersachsen. Für manche Fragen braucht man ein bundesweites, schlüssiges Gesamtkonzept.

KOMMENTAR

Dr. med. Birgit Hibbeler

Föderaler Irrsinn

P O L I T I K

Referenzen

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