Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 110|
Heft 7|
15. Februar 2013 A 253 ANNETTE SCHAVANNun auch Ehrendoktor in Gefahr
Nach ihrem entzogenen Doktortitel könnte Schavan auch noch eine
Ehrendoktorwürde verlieren. Die Universität zu Lübeck will jedoch an der Ehrung festhalten und verweist auf Schavans Engagement im Bereich der Medizin.
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ie Schlagzeilen um Annette Schavan (CDU) überschla- gen sich: Vier Tage, nachdem ihr die Universität Düsseldorf den Doktortitel entzogen hatte, trat die Bundesforschungsministerin zurück.Sie begründete diesen Schritt mit dem Respekt vor ihrem Amt und kündigte zugleich eine Klage gegen die Universität an.
Nun ist auch noch einer von Schavans Ehrendoktortiteln gefähr- det. Kurz nach der Aberkennung des Doktortitels durch die Universität Düsseldorf teilte allerdings das Prä- sidium der Universität zu Lübeck mit, an der geplanten Würdigung Schavans mit dem Ehrendoktortitel festhalten zu wollen. Offiziell verlie- hen ist der Titel nämlich noch nicht.
Der Akademische Rat der Universi- tät hatte ihn ihr vor gut einem Jahr – also Monate vor Bekanntwerden des Plagiatsverdachts – bereits zuer- kannt, die Überreichung jedoch auf- grund von Landtagswahlen auf die- ses Frühjahr verschoben.
Der Präsident der Universität zu Lübeck, Prof. Dr. Peter Dominiak, bleibt dabei: „2010 hat Schavan entscheidend dazu beigetragen, die Medizin als akademisches Fach an der Universität Lübeck zu erhalten.
Ohne die Medizin wäre die gesamte Lübecker Universität existenziell bedroht gewesen und damit auch die vor Ort betriebene Wissen- schaft“, argumentiert er. Seiner An- sicht nach ändert daran die Plagiats- affäre nichts. Die Ehrendoktor - würde sei schließlich kein akademi- scher Grad.
Unter Ärztinnen und Ärzten ist Schavan, die als eher „stille“ Minis- terin gilt, jedoch nicht nur durch ih- re „Rettungsaktion“ der Medizin in Lübeck bekannt, sondern vor allem durch eine neue strategische Aus- richtung der Förderung von medizi- nischer Forschung und durch die
Etablierung der Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung.
Den Grundstein für die Zentren legte Schavan mit dem 2010 ver - abschiedeten „Rahmenprogramm Gesundheitsforschung“. „Eine neue Ära der Gesundheitsforschung bricht an“, prophezeite sie im Sommer
vergangenen Jahres bei der offi- ziellen Vorstellung der Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung in Berlin. Alle sechs geplanten Zentren bestehen mittlerweile: das Deutsche Zentrum für Neurodege- nerative Erkrankungen, das Deut- sche Zentrum für Diabetesfor- schung, das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung, das Deutsche Zentrum für Lungenfor- schung und das Deutsche Konsor- tium für Translationale Krebsfor- schung. Erst vor wenigen Wo- chen, im Dezember vergangenen Jahres, wurde das Deutsche Zen- trum für Infektionsforschung er- öffnet. In den sechs Zentren arbei- ten Wissenschaftler aus insgesamt mehr als 120 universitären und außeruniversitären Forschungsein - richtungen an 39 Standorten zu - sammen.
Die Zentren sollen vordergründig optimale Forschungsbedingungen für den Kampf gegen die Volkskrankhei- ten schaffen und Deutschland inter- national konkurrenzfähig halten. Mit ihrem Projekt verfolgte Schavan aber auch noch eine andere Intention: Sie wollte die „Versäulung“ in der medi-
zinischen Forschung abschaffen. Da- bei setzte sie auf eine Koppelung von präklinischer und klinischer For- schung sowie auf eine (unter den Akteuren nicht unumstrittene) Ko- operation von universitärer und au- ßeruniversitärer Forschung. Dies hat sie sich einiges kosten lassen: Bis 2015 stellt das Bundesforschungs - ministerium etwa 700 Millionen Euro dafür zur Verfügung.
Für Schavans Nachfolgerin, die 61-jährige CDU-Politikerin und Mathematikerin Dr. Johanna Wanka, bleibt im Gegensatz zu Schavan, die sieben Jahre Bundesforschungs- ministerin war, bis zur Bundestags- wahl im September nicht mehr viel Gestaltungsspielraum. Wanka leite- te von 2000 bis 2009 in Branden- burg und ab 2010 in Niedersachsen das Hochschulressort.
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Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann
Kampf um Titel:
Der akademische Doktortitel ist Schavan vorerst aberkannt, der Doctor honoris causa (Dr. h. c.) von der Universität zu Lübeck zuer- kannt, aber noch nicht verliehen.
Foto: dapd