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Archiv "Diagnostik und Therapie des Morbus Wilson" (24.01.2003)

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A

A192 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 424. Januar 2003

M

orbus Wilson wurde erstmals 1912 als familiäre chronische Erkrankung der Leber und des zentralen Nervensystems (hepatolen- tikuläre Degeneration) beschrieben.

Später wurde die Assoziation mit dem Kayser-Fleischer-Ring hergestellt (9, 17, 34, 35). Bei dem Kayser-Fleischer- Ring handelt es sich um eine in der Pe- ripherie der Kornea gelegene Kup- ferablagerung mit konsekutiver bräun- licher Pigmentierung. Diese Manife- station stellt ein charakteristisches, jedoch nicht obligates Symptom beim M. Wilson dar, insbesondere bei den Verlaufsformen mit überwiegend neu- ropsychiatrischer Beteiligung (Abbil- dung 1). Beim M. Wilson handelt es sich um eine autosomal rezessiv ver- erbte Störung des Kupfermetabolis- mus, die mit den klinischen Folgen der Kupferüberladung verschiedener Or- gane, insbesondere der Leber, der Ba- salganglien, der Augen, der Nieren und des Blutes, einhergeht (20, 27, 31).

Die Krankheit manifestiert sich in der Regel nicht vor dem 5. und selten nach dem 32. Lebensjahr. Der Altersgipfel der Erstmanifestation liegt in der zweiten und dritten Lebensdekade.

Die Prävalenz des M. Wilson in Deutschland und auch weltweit liegt bei etwa 1 : 30 000. Für Heterozygote errechnet sich daraus eine Häufigkeit von etwa 1 : 87. In manchen ethnischen Gruppen, zum Beispiel in der Bevölke- rung Sardiniens, ist jedoch die Präva- lenz höher (1 : 10 000 bis 1 : 30 000) (13).

Mithilfe von Kopplungsanalysen gelang Frydman und seinen Mitarbei- tern 1985 die Lokalisation des ent- sprechenden Gens auf dem langen Arm des Chromosoms 13 (10). 1993 wurde das Gen durch verschiedene Arbeitsgruppen kloniert und identifi- ziert (3, 24, 32). Es besteht aus 21 Exons und erstreckt sich mit allen sei- nen intronischen Sequenzen über ei- ne Länge von ungefähr 100 Kiloba- sen (kb) (24, 25, 32). Wegen seiner Homologie zu dem kurz zuvor identi- fizierten Gen der Menkes-Erkran- kung (ATP7A) wurde es als ATP7B bezeichnet. Beide Gene kodieren für eine kupfertransportierende ATPase.

Mittlerweile wurden mehr als 250 Mu- tationen im ATP7B-Gen identifiziert (Wilson Database: www.medgen.med.

ualberta.ca/database.html).

Klinisch variable Verläufe

Die klinischen Manifestationen des Morbus Wilson sind durch die Kup- ferablagerung in den unterschiedli- chen Geweben bedingt. Die diskutier- ten toxischen Wirkungen des Kupfers sind im Textkasten aufgeführt. Das Spektrum der Symptome ist vielge- staltig (Tabelle 1). Die hepatischen Manifestationen lassen sich in akute und chronische Verlaufsformen unter- teilen. Das akute oder subakute Le- berversagen tritt eher bei jüngeren weiblichen Patienten auf und entsteht zumeist aus völliger Gesundheit. Oft ist es innerhalb kurzer Zeit letal. Be- gleitet wird das Versagen häufig von einer Coombs-negativen hämolyti- schen Anämie (30). Außerdem beste- hen oft gleichzeitig eine Koagulopa- thie und eine Niereninsuffizienz. Die- ser Zustand lässt sich nur schwer mit konservativen Methoden behandeln.

Diagnostik und Therapie des Morbus Wilson

Zusammenfassung

Morbus Wilson (hepatolentikuläre Degenerati- on) ist eine seltene, autosomal rezessive Störung des Kupfermetabolismus. Die toxische Kupferakkumulation und die damit einherge- henden Funktionsstörungen betreffen beim Menschen insbesondere die Leber, das zentrale Nervensystem, die Augen und die Nieren. Das ATP7B-Gen wurde 1993 als Locus des M. Wilson identifiziert. Das Mutationsspektrum ist sehr heterogen. Im mitteleuropäischen Raum, und damit auch in Deutschland, kommt die H1069Q- Mutation häufig vor (bis zu 40 Prozent aller Mu- tationen). Die Diagnose eines M. Wilson ist meist einfach, vorausgesetzt, man hat einen Verdacht auf die Erkrankung. Unbehandelte Pa- tienten entwickeln spezifische Symptome. Die Therapie mit Penicillamin ist infolge der Ne- benwirkungen und äquipotenter alternativer Therapiemöglichkeiten (Zink, Trien[tine]) meist

nicht mehr indiziert. Eine Progredienz kann un- ter regelrechter Therapie und Compliance des Patienten meist verhindert werden. Die Leber- transplantation ist bei rechtzeitiger Diagnose und Therapieeinleitung in der Regel nicht erfor- derlich. Im Falle einer Lebertransplantation wird der genetische Defekt korrigiert. Die Un- tersuchung der Geschwister von Patienten mit M. Wilson ist sinnvoll.

Schlüsselwörter: Morbus Wilson, Kupfer, Mole- kularbiologie, Mutation, ATP7B

Summary

Diagnosis and Therapy of Wilson’s disease Wilson’s disease (hepatolenticular degenera- tion) is a rare, autosomal recessive disorder of copper metabolism, resulting in overload and dysfunction of several organs such as liver,

CNS, eyes, and kidneys. In 1993 the 21 exons spanning ATP7B gene was identified as the re- sponsible gene. The mutational spectrum is het- erogeneous. In Central Europe the H1069Q mutation is the only common mutation (up to 40 per cent of all mutations). The diagnosis of Wilson´s disease is usually easy, once the dis- ease is considered. Untreated patients develop regularly symptoms. Treatment with penicill- amine is usually not indicated anymore due to its side effects and potent alternative drugs (Zinc, Trien[tine]). Once adequate therapy and patient compliance is given the progress of the disease can usually be stopped. Early diagnosis and adequate treatment avoid the need for liver transplantation. The genetic defect is cor- rected by liver transplantation. The examina- tion of siblings of index patients is indicated.

Key words: Wilson´s disease, copper, molecular biology, mutation, ATP7B

Medizinische Klinik mit Schwerpunkt für Gastroenterolo- gie, Hepatologie und Endokrinologie (Direktor: Prof. Dr.

med. Herbert Lochs), Campus Charité Mitte, Berlin

Hartmut H.-J. Schmidt

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Therapeutisch bleibt meistens nur die Lebertransplantation (29). Ein Groß- teil des in der Leber gespeicherten Kupfers wird aus den nekrotischen Hepatozyten freigesetzt. Dieses geht dann in die Blutzirkulation über und zerstört Membranphospholipide der Erythrozyten, Hämoglobin und Enzy- me. Bei ungefähr einem Viertel der Patienten besteht zum Zeitpunkt der Erstmanifestation eine akute Hepati- tis. Sie tritt meistens bei älteren Pati- enten auf und kann spontan in einen inaktiven Zustand übergehen. Sowohl die akute als auch die chronische He- patitis können mit einem Ikterus, mit Abgeschlagenheit und einer Trans- aminasenerhöhung einhergehen. Wird zu diesem Zeitpunkt nichts unternom- men, kann sich das Vollbild einer Zirr- hose mit den typischen Komplikatio- nen, zum Beispiel portaler Hyperten-

sion, Ösophagusvarizen und Hyper- splenismus, entwickeln.

Als neurologische Manifestation kann der M. Wilson mit geringgradi- gen Veränderungen wie einem leich- ten Tremor, Sprachschwierigkeiten oder einer Mikrographie beginnen (15). Später entwickeln die Patien- ten Bewegungsstörungen wie Ataxien oder eindeutige Dysarthrien, die oft von Dysphagien begleitet werden. Zu den weiteren frühen neurologischen Manifestationen zählen die Hypersali- vation und die Hypomimie. Ohne Be- handlung verschlechtert sich der neu- rologische Zustand der Patienten bis- weilen derart, dass sie bei nicht oder nur geringfügig geminderter Intelli- genz und vollem Bewusstsein auf- grund progredienter Bewegungsstö- rungen mit Dystonie, Spastiken und Rigidität bettlägerig werden, Beuge- kontrakturen entwickeln, die Sprach- fähigkeit verlieren und nicht mehr selbständig essen können. Die früher häufigen epileptischen Anfälle treten heute aufgrund wirksamer Therapeu- tika nur noch selten auf. Weitere pa- thologische Veränderungen können eine Dilatation des Ventrikelsystems, eine Basalganglienatrophie und eine generelle Kortex- und Hirnstamm- Atrophie sein. Häufig können im CT oder MRT Veränderungen im Thala-

mus, im Nucleus dentatus, in der Cap- sula interna oder der grauen Substanz dargestellt werden (16). Allerdings korrelieren die radiologisch nachweis- baren Veränderungen nicht unbedingt mit dem Ausmaß der neurologischen Störungen.

Die wichtigsten psychiatrischen Symptome sind Persönlichkeitsverän- derungen (erhöhte Reizbarkeit, ag- gressiver oder gefühlsbetonter Habi- tus, Wutanfälle). Zusätzlich tritt oft ei- ne Abnahme der Leistung in der Schu- le oder am Arbeitsplatz in Erschei- nung. Manche Betroffene neigen zu Depressionen, manisch depressiver Symptomatik, Exhibitionismus, Neuro- sen oder Psychosen. Bei einer primär psychiatrischen Manifestation besteht die Problematik, dass die zugrunde lie- gende Erkrankung oft verkannt wird

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Abbildung 1a) und b): Kayser-Fleischer-Ringe in der Peripherie der Kornea (Abdruck der Ab- bildung a) mit freundlicher Genehmigung von Herrn Prof. Dr. Brewitt, Medizinische Hoch- schule Hannover).

Toxische Wirkungen des Kupfers

>Bildung freier Radikale

>Lysosomale Toxizität

>Mitochondriale Toxizität

>Lipidperoxidation

>Inhibierung der Proteinsynthese

>Reduktion der Konzentration von Antioxidanzien Textkasten

´ Tabelle 1C´

Mögliche Symptome des Morbus Wilson

Organe Klinische Manifestation

Leber Steatosis hepatis, Fibrose, Zirrhose mit portaler Hypertension, chronisch-aktive Hepatitis, fulminantes Leberversagen

Neurologisch Bradykinesie, Rigidität, Tremor, Ataxie, Dyskinesie, Dysarthrie, Hypo- mimie, Hypersalivation, Krampfanfälle

Psychiatrisch Verhaltensauffälligkeiten, kognitive Schwäche, affektive Störungen, Psychose, Apathie

Auge Kayser-Fleischer-Kornealringe, Sonnenblumenkatarakt

Blut Hämolyse, Blutungs-/Thromboseneigung, Leuko-/Thrombozytopenie Niere Tubulusdefekte, Nephrokalzinose, Nephrolithiasis

Herz-Kreislauf-System Kardiomyopathie, Arrhythmie, Überleitungsstörungen, autonome Dysfunktion, schwere Hypotonien

Bewegungsapparat Osteomalazie, Osteoporose, degenerative Gelenkerkrankungen Verdauungssystem Cholelithiasis, Pankreatitis, spontane bakterielle Peritonitis Endokrin Amenorrhoe, Spontanaborte, Pubertas tarda, Gynäkomastie Kutan Blaue Lunulae, Hyperpigmentierung, Acanthosis nigricans

Abbildung 2: Sonnenblumenförmiger Katarakt als seltenes Symptom eines Morbus Wilson.

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und es dann aufgrund einer fehlenden Therapie zu einer Progredienz der Er- krankung kommt. Insbesondere wer- den die bei jugendlichen Patienten auf- tretenden Stimmungsschwankungen und Apathien nicht selten als alters- typisch angesehen und es wird ihnen daher keine pathologische Bedeutung zugeschrieben.

Die 1 bis 3 mm breiten, grünlich- braunen, rötlichen oder goldbraunen Kayser-Fleischer-Ringe liegen am Rand der Kornea im inneren Drittel der Descemet-Membran und folgen streng deren Verlauf (1, 9, 17) (Abbil- dung 1). Für sich gesehen, besitzen sie keinen Krankheitswert, das Sehver- mögen ist nicht eingeschränkt. Sie be- stehen aus schwefel- und kupferrei- chen, elektronendichten Granula. Cir- ca 80 Prozent der Patienten weisen Kayser-Fleischer-Ringe auf. Bei neu- rologischer Symptomatik sind sie fast immer vorhanden, seltener sind sie bei hepatischer Manifestation anzutref- fen, dann vor allem im späteren Krankheitsverlauf. Die Kayser-Flei- scher-Ringe sind zwar typisch für M.

Wilson, aber nicht pathognomonisch, da sie bisweilen auch bei cholestati- schen Lebererkrankungen, zum Bei- spiel der primär biliären Zirrhose, nachzuweisen sind. Selten können auch sonnenblumenförmige Katarak- te vorkommen (Abbildung 2).

In seltenen Fällen können eine primäre oder sekundäre Amenorrhoe oder wiederholte unerklärte Spontan- aborte die Erstmanifestation anzei- gen. Gelegentlich führt eine routi- nemäßige ophthalmologische Unter- suchung über den Befund von Kayser- Fleischer-Ringen zur Diagnose eines M. Wilson.

Diagnostik

Bei Patienten mit einer bislang unge- klärten Lebererkrankung oder neuro- psychiatrischen Symptomen sollte nach dem Ausschluss der häufigeren Ursachen neben einer ophthalmologi- schen Untersuchung mit der Spaltlam- pe zur Detektion des Kayser-Flei- scher-Rings eine Bestimmung der Kupferstoffwechselparameter (freies Kupfer im Serum, Coeruloplasmin im

Serum und Kupferauscheidung im 24- Stunden-Sammelurin) durchgeführt werden. Für den M. Wilson ist eine er- höhte Konzentration des freien Kup- fers, eine erniedrigte Konzentration des Coeruloplasmin im Serum und ei- ne Erhöhung der Kupferausscheidung im Urin typisch. Sowohl das Kupfer im Serum als auch das Coeruloplasmin im Serum können jedoch im Normbe- reich sein.

Pathognomonisch, aber nicht obli- gat vorhanden, ist eine transiente Er- niedrigung der Aktivität der alkali- schen Phosphatase. Außerdem lassen sich im Verhältnis zum Bilirubin nur mäßig erhöhte Transaminasen mes- sen. Eine Leberbiopsie mit der quanti- tativen Bestimmung des hepatischen Kupfergehalts hat für die Diagnose ei- nen hohen Beweiswert. Eine Kupfer- konzentration von mehr als 250 µg/g Trockengewicht einer Leberbiopsie er- fasst auch präsymptomatische Patien- ten (Tabelle 2). Demgegenüber sind hi-

stologische Kupferfärbungen keine zu- verlässigen Hilfsmittel, da diese zum Beispiel auch bei cholestatischen Le- bererkrankungen auffällig sein kön- nen. Bestehen weiterhin diagnostische Probleme, können als zusätzliches Kri- terium die Ergebnisse einer Testbe- handlung mit Penicillamin oder eines Radiokupfertests zur Hilfe genommen werden.

Aufgrund des autosomal rezessiven Erbgangs des M. Wilson sind ein Vier- tel der Geschwister eines Patienten ebenfalls betroffen. Da die Geschwi- ster meist klinisch unauffällig bezie- hungsweise subjektiv gesund sind, handelt es sich um eine prädiktive ge- netische Diagnostik. Einer derartigen Diagnostik sollte eine genetische Be- ratung vorausgehen, damit die Unter- suchten sich mit dem möglichen Er- gebnis und dessen Konsequenzen, zum Beispiel im Hinblick auf Kranken- und Lebensversicherungen, vorher auseinandersetzen können. Wenn kei- ne Blutsverwandtschaft vorliegt, sind die Kinder eines Patienten mit M. Wil- son nur mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 1 : 175 betroffen.

Therapie

Ziel einer Therapie des Morbus Wil- son ist die konsequente Entfernung des überschüssigen Kupfers aus dem Körper und das Erreichen einer Homöostase des Kupferhaushaltes.

Die Therapie sollte unmittelbar nach Diagnose unabhängig von den Sym- ptomen eingeleitet und dauerhaft fort- geführt werden. Als Optionen stehen dabei eine kupferarme Diät, mehrere pharmakologische Therapeutika und die Lebertransplantation zur Verfü- gung. Bei der medikamentösen Be- handlung wird eine Initial- und eine A

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´ Tabelle 2C´

Diagnostik des Morbus Wilson

> Spaltlampenuntersuchung (Kayser-Fleischer-Ring)

> Coeruloplasmin im Serum < 20 mg/dL

> Freies Kupfer im Serum > 50 µg/dL

> Kupfer im Urin > 100 µg/Tag

> Kupfergehalt der Leber > 250 µg/g Trockengewicht

Abbildung 3: Elastosis perforans serpiginosa als seltene Komplikation einer Penicill- amintherapie (Abdruck mit freundlicher Ge- nehmigung von Dr. Marta Deguti und Prof. Dr.

Eduardo Cancado, Department of Gastroen- terology and Pediatrics Hepatology of Sao Paulo, University School of Medicine, Sao Paulo, Brazil).

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Erhaltungsphase unterschieden. Die initiale Phase umfasst durchschnittlich 4 bis 6 Monate und ist beendet, wenn die Serumkonzentration des freien Kupfers im Normbereich ist. Die 24- Stunden-Kupferausscheidung im Urin sollte weniger als 500 µg betragen. Bis- her wurde in der Regel initial täglich 1 g Penicillamin per os, verteilt auf 1 bis 2 Dosen, verabreicht. Da Penicilla- min Wirkungen von Pyridoxin antago- nisieren kann, sollten zusätzlich 25 mg Pyridoxin täglich gegeben werden.

Die Abbildung 3 zeigt eine seltene dermatologische Nebenwirkung einer Penicillamintherapie.

Infolge der relativ häufigen Unver- träglichkeitsreaktionen von Penicill- amin wie Hautausschlag, Fieber, Leu- ko- und Thrombopenien, Lympha- denopathien, nephrotisches Syndrom, Goodpasture Syndrom, systemischer Lupus erythematodes und Myasthenie werden zunehmend Zink oder Trien eingesetzt. In Einzelfällen kann auch eine neurologische Progredienz bei der Gabe von Penicillamin beobachtet werden und bei einer Dauer von mehr als einer Woche zu einem Umstellen der Therapie führen. Die genannten Nebenwirkungen können auch Jahre nach erfolgreich eingeleiteter Thera- pie auftreten.

Zink ist nebenwirkungsarm und wirkt sowohl über die Hemmung der Kupferabsorption als auch über die Induktion des intestinalen Metallo- thioneins, welches Kupfer bindet und hierdurch dessen Absorption verhin- dert. In einer Dosis von 150 mg pro Tag, verabreicht als Acetat oder Glu- konat, ist die Einnahme von elemen- tarem Zink eine effektive Erhal- tungstherapie beim M. Wilson. Zink darf infolge möglicher Komplexbil- dungen nicht mit Trien oder Penicill- amin zusammen verabreicht werden.

Trien, auch als Trientine, Triethylen- tetramin-Dihydrochlorid und TETA bezeichnet, ist ein oral verabreich- barer Chelator. Mehrfach wurden als Nebenwirkungen eine Kontaktder- matitis und eine Eisenmangelanämie beobachtet. Deshalb wird bei der Ein- nahme von Trien eine Eisensupple- mentation empfohlen. Die verabreich- te Dosis bei Erwachsenen liegt zwi- schen 750 bis 1 250 mg verteilt auf 2 bis

4 Einnahmen pro Tag und wird indivi- duell eingestellt. Trien wird nüchtern gegeben und ist ein effektives Thera- peutikum.

Die Behandlung muss zeitlebens er- folgen. Mit einer Besserung zum Bei- spiel neurologischer Symptome ist frühestens ein halbes Jahr nach dem Abfall des Kupfers unter den toxi- schen Schwellenwert zu rechnen. Eine endgültige Genesung ist frühestens 1 bis 2 Jahre nach Behandlungsbeginn zu erwarten. Jedoch darf vom neurolo- gischen Status keinesfalls auf den Stand der Therapie geschlossen wer- den. Hermann et. al entwickelten dazu

ein Verfahren zur Therapiekontrolle, das auf einem standardisierten Score- verfahren zur Beurteilung des klinisch neurologischen Schweregrads basiert (15).

Im Falle eines akut beziehungswei- se subakut verlaufenden Leberversa- gens oder im Falle einer chronisch progredienten Leberzirrhose ist die Lebertransplantation indiziert. Die hepatozytäre ATP7B-Gen-Expression ist im Wesentlichen für das Krank- heitsbild des M. Wilson verantwort- lich. Die Lebertransplantation führt somit im Sinne einer somatischen Gentherapie zur Korrektur des geneti- A

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Grafik 1

Vermutete Sekundärstruktur der ATPase 7B mit den kupferbindenden Domänen (Cu 1 – Cu 6), den transmembranösen Domänen und der ATP-bindenden Domäne.

Grafik 2

Schematische Darstellung von durch die Autoren identifizierten Mutationen im ATP7B-Gen bei Patienten mit Morbus Wilson. Dargestellt sind die 21 Exons und die korrespondierenden Pro- teindomänen der Grafik 1 (kupferbindende Domänen, Cu 1 – Cu 6; transmembranöse Domänen, Tm 1–8; ATP-bindende Domäne).

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schen Defektes. Nach Lebertransplan- tation ist keine spezifische Therapie des M. Wilson mehr erforderlich. Den- noch sind, soweit die terminale Le- bererkrankung nicht im Vordergrund steht, die medikamentösen Thera- piemöglichkeiten auszuschöpfen. In- wieweit sich nach Lebertransplantation neuropsychiatrische Symptome bes- sern können, wird kontrovers disku- tiert. Fortgeschrittene neuropsychiatri- sche Symptome sind als Kontraindika- tion für eine Lebertransplantation anzusehen.

Pathophysiologie

Die Hauptaufgabe des ATP7B-Pro- teins besteht in der Aufrechterhaltung der Kupferhomöostase der Zelle. Da- zu befördert das ATP7B-Protein Kup- fer aktiv vom Zytosol in das exkretori- sche Kompartiment der Zelle, damit das Schwermetall dort in Apocoerulo- plasmin eingebaut und mit der Gal- lenflüssigkeit ausgeschieden werden kann. An der Bewegung der Kupfer- ionen durch die Membran der Gal- lenkanälchen ist das ATP7B-Protein wahrscheinlich auch direkt beteiligt.

Innerhalb der Leber wird das Protein an der Membran der Gallenkanälchen vermutet. Es wird angenommen, dass es in der Leber, vor allem aber am Trans-Golgi-Retikulum lokalisiert ist (2, 21, 33). Das Genprodukt des ATP7B-Gens kodiert 1 465 Ami- nosäuren (Grafik 1) (2, 19, 23). Der N- Terminus enthält 6 repetitive Metall- bindungsmotive, die jeweils ungefähr 30 Aminosäuren umfassen und alle ein Glycin-Methionin-X-Cystein-X-Serin- Cystein- (GMXCXSC-)Motiv enthal- ten, das homolog auch in Metallbin- dungsdomänen von Bakterien vor- kommt (X steht dabei für eine unspe- zifische Aminosäure).

Zusammen bilden die sechs repe- titiven Motive die Kupferbindungsstel- le. Es schließt sich der erste von ins- gesamt acht transmembranösen Berei- chen (Tm1-Tm8) an. In Analogie zu den anderen Mitgliedern der Familie der P-Typ-ATPasen verfügt das Protein über eine Transduktions-, eine Phosphorylie- rungs- und eine ATP-bindende Domä- ne. Die Transduktionsregion (TGEA-

Motiv) ist für die Nutzbarmachung der Energie, die bei der Hydrolyse des ATPs entsteht, verantwortlich. Die ATP-Bindungsstelle, relativ nahe dem Carboxy-Ende, ist ein in der Evolution hochkonservierter Bereich.

Molekulargenetische Forschung

Die am häufigsten gefundene Mutati- on in Europa ist H1069Q im Exon 14 (4, 5, 18), was eigene Untersuchungen bestätigten. Der Nachweis dieser Mu- tation ist zwar einfach, jedoch meist nur begrenzt aussagekräftig, da die Mutation nur bei etwa 15 Prozent der Patienten homozygot vorliegt (36).

Die bisher bekannten mehr als 250 Mutationen kommen in verschiede- nen Exons des Gens vor (Grafik 2) (8, 11, 12, 14, 28). Das erschwert den rou- tinemäßigen Einsatz der genetischen Diagnostik beim M. Wilson. Dennoch besteht bereits aktuell in speziellen Laboren die Möglichkeit einer umfas- senden genetischen Diagnostik.

Die Detektionsrate für Mutationen im ATP7B Gen mittels direkten Se- quenzierens aller Exons im untersuch- ten Kollektiv liegt bei 65 bis 85 Pro- zent. Diese Detektionsraten konnten die Autoren auch in Kollektiven aus Brasilien, Polen, China und Iran be- stätigen.

Die vorläufigen Interpretationen zu den genetischen Ergebnissen zeigen, dass die Mutationen sowohl das Alter der initialen Symptome als auch das Erscheinungsbild mitprägen können, obwohl weitere bisher unbekannte modifizierende Faktoren bei der Ex- pression der Erkrankung eine Rolle spielen (26). Wenn bei einem Patien- ten die Mutation im ATP7B-Gen auf beiden Chromosomen identifiziert ist, dann ist eine prädiktive genetische Diagnostik bei den Geschwistern ein- fach. Schwieriger ist es dagegen, das wenn auch relativ geringe Risiko für die Kinder eines Patienten auszu- schließen, da bei dem Partner jegliche Anomalie im gesamten Gen ausge- schlossen werden müsste. Diese Un- tersuchung sollte nur unter Mitwir- kung eines humangenetischen Bera- ters vorgenommen werden.

Momentan eröffnen sich vor allem in der molekulargenetischen Diagno- stik Möglichkeiten, Analysen renta- bler und schneller durchzuführen.

Die Identifizierung der die Krankheit verursachenden Mutationen ist insbe- sondere im Hinblick auf mögliche Genotyp-Phänotyp-Korrelationen von Interesse und spätestens dann erfor- derlich, wenn gentherapeutische Stra- tegien zur Anwendung verfügbar sind.

Die Gentherapie wird vermutlich zukünftig die Therapie der Wahl dar- stellen. Auf dem Wege dahin müssen jedoch noch viele Probleme des geziel- ten Gentransfers für den Einsatz der Gentherapie beim Menschen gelöst werden (6, 7, 22).

Manuskript eingereicht: 3. 7. 2002, revidierte Fassung angenommen: 23. 10. 2002

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2003; 100: A 192–197 [Heft 04]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Litera- turverzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit0403 abrufbar ist.

Anschrift des Verfassers:

Priv.-Doz. Dr. med. Hartmut H.-J. Schmidt Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie

Campus Charité Mitte

Schumannstraße 20/21, 10117 Berlin E-Mail: hartmut.schmidt@charite.de

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 424. Januar 2003 AA197

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Für Leserbriefe anderer Ressorts gelten keine be- sonderen Regelungen (siehe regelmäßige Hinwei-

se). DÄ/MWR

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