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Archiv "Osteoporose der Wirbelsäule: Therapieoption und Präventionsstrategien" (25.04.2003)

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D

ie Osteoporose ist eine systemi- sche Skeletterkrankung, charak- terisiert durch Verminderung der Knochenmasse und Verschlechte- rung der Mikroarchitektur des Kno- chengewebes, mit hierdurch reduzier- ter Festigkeit und erhöhter Frakturge- fahr (Definition der WHO von 1993).

Osteoporose bedeutet, dass zu we- nig normales Knochengewebe vorhan- den ist bei gleichzeitiger Störung der Trabekelstruktur. Es wird daher mehr Knochen abgebaut als aufgebaut.

Nach einem Substanzverlust von circa 40 Prozent ist die klinische Manifesta- tions- beziehungsweise Frakturgrenze erreicht, es kommt bei mehr als 50 Pro- zent der Betroffenen (29) schon unter geringer Beanspruchung zu Fraktu- ren, vornehmlich an der Wirbelsäule, aber auch am Schenkelhals, den Rip- pen und dem Radius.

Die zwischen dem 20. und 30. Le- bensjahr erreichte größte Knochen- masse wird als maximale Knochen- masse oder Gipfelknochenmasse („peak bone mass“) bezeichnet. Die von der WHO publizierte Definition der Osteoporose basiert auf dem mess- baren Knochenmineralgehalt (unter

Verwendung der DXA-Messung) und dem Mittelwert dieser maximalen Knochenmasse einer Population kau- kasischer Frauen. Liegt der Knochen- mineralgehalt der Wirbelsäule (L2 bis L4), altersunabhängig, niedriger als -2,5 Standardabweichungen (SD) von diesem Mittelwert, so spricht man von einer Osteoporose. Diese Standardab- weichungen bezeichnen den so ge- nannten T-Wert.

Einteilung und Häufigkeit

Entsprechend den derzeitig in Erstel- lung befindlichen Leitlinien erfolgt die Einteilung in drei Hauptgruppen.

Dies sind die postmenopausale Osteo- porose, die Altersosteoporose und die Glucocortikoid-induzierte Osteoporo- se. Eine weitere Einteilung ist möglich anhand der Ursachen wie einer zu niedrigen Calciumzufuhr, hormonel- len Veränderungen, Malabsorptions- syndromen, metabolischen Erkran- kungen und körperlicher Inaktivität.

Derzeit sind in Mitteleuropa im Laufe ihres Lebens jede dritte Frau und jeder fünfte Mann betroffen.

Ätiologie und Pathogenese

Im Knochen finden ständig Auf- und Abbauprozesse statt. Diese werden durch mechanische Faktoren wie kör- perliche Belastung, Hormone, Wachs- tumsfaktoren und lokal produzierte Zytokine gesteuert. Zudem spielen genetische Faktoren und die Ernäh- rung eine Rolle. Bis zum dritten Le- bensjahrzehnt überwiegt der Kno- chenaufbau, die erreichte maximale Knochenmasse nimmt danach ab.

Dementsprechend wird das Osteo- poroserisiko von der erworbenen ma- ximalen Knochenmasse und der Kno- chenverlustrate im Alter bestimmt.

Wirbelkörperfrakturen sind die häu- figste Komplikation der Osteoporose.

Bei fortgeschrittener Osteoporose können diese Frakturen auch ohne größere Traumen bereits beim Husten, Rumpfbeugung oder Drehbewegun- gen auftreten. In der Europäischen Union werden pro Jahr mehr als

Osteoporose der Wirbelsäule

Therapieoption und Präventionsstrategien

Zusammenfassung

Die Osteoporose ist eine systemische Skeletter- krankung mit einer Verminderung der Kno- chenmasse und erhöhtem Frakturrisiko. Mit der ersten Fraktur steigt das Risiko, dass weite- re Frakturen auftreten. Die resultierende De- formierung der Wirbelsäule führt zu statischen Veränderungen mit häufig chronischen Be- schwerden am Bewegungsapparat. Ziel der Therapie ist es, Frakturen zu verhindern, die Aktivierung der Betroffenen und die möglichst achsgerechte Ausheilung bereits eingetretener Frakturen. Hierzu dienen neben der medika- mentösen Therapie, physikalische Anwendun- gen, Krankengymnastik, lokale Injektionen, Orthesen und operative Maßnahmen. Ob das perkutane Einbringen von Knochenzement in den eingebrochenen Wirbelkörper langfristig effektiv ist, kann derzeit noch nicht beurteilt

werden. Das Ziel der Prävention besteht darin, in jungen Jahren eine optimale Knochenmasse aufzubauen und den späteren Knochenverlust zu reduzieren. Hierzu sind eine ausgewogene Ernährung mit ausreichender Zufuhr von Calci- um und Vitamin D, körperliche Aktivität und die Reduktion von Risikofaktoren sinnvoll.

Schlüsselwörter: Osteoporose, Wirbelsäule, Dia- gnostik, konservative Therapie, operative Thera- pie

Summary

Osteoporosis of the Spine: Therapeutic Options and Strategies of Prevention Osteoporosis is a systemic disease of the skele- ton with decreased bone mass and increased risk of fracture. After the first fracture the risk

for further fractures increases. The resulting deformity of the spine leads to changes in statics and often chronic complaints. Therapy aims at preventing fractures, activating the patient, and healing of existing fractures with- out axial deformity as far as possible. This can be achieved through drugs as well as physico- therapy, physiotherapy, local injections, orthotic devices, and surgery. At present it cannot be decided whether the internal application of bone cement to the vertebral body is effective in the long run. The aim of prevention is to obtain a maximum of bone mass during youth and reduce loss of bone thereafter. This can be achieved through a balanced diet including sufficient amounts of calcium and vitamine D, physical activity, and reduction of risk factors.

Key words: osteoporosis, spine, osteodensity, risk of fracture, therapeutic concept

Orthopädische Universitätsklinik (Direktor: Prof. Dr. med.

Jürgen Krämer) der Ruhr-Universität, Bochum

Roland E. Willburger

Holger Knorth

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400 000 Wirbelkörperfrakturen kli- nisch diagnostiziert. Nach der ersten Wirbelkörperfraktur steigt das Risiko für das Auftreten weiterer Wirbelkör- perfrakturen um mehr als das Fünffa- che (37). Die Europäische Osteoporo- sestudie (European Vertebral Osteo- porosis Study, EVOS) zeigte eine Prävalenz von radiologisch fassbaren Wirbelkörperdeformitäten bei 12 Pro- zent der Frauen und Männer im Alter von 50 bis 79 Jahren (33). Unbehan- delte postmenopausale Frauen mit be- reits einer Wirbelkörperfraktur erlei- den innerhalb eines weiteren Jahres zu 19,2 Prozent eine zweite Fraktur, bei zwei oder mehr vorbestehenden Frak- turen steigt diese Rate auf 24 Pro- zent (24). Besonders multiple Fraktu- ren können zu chronischen Rücken- schmerzen, Kyphosierung und Verkür- zung der betroffenen Wirbelsäulenab- schnitte führen. Die hieraus resultie- renden statischen Veränderungen be- dingen zahlreiche Beschwerdebilder (Grafik 1). Neben der reduzierten kör- perlichen Leistungsfähigkeit treten häufig auch psychosoziale Beeinträch- tigungen wie Ängstlichkeit, Depressi- on und soziale Isolation auf (12, 13), die Lebensqualität der Betroffenen nimmt ab (26, 32, 40).

Klinik und Diagnostik

Die Anamnese ist Grundlage für die Diagnosestellung. Die Familienanam- nese gibt Hinweise auf genetische Fak- toren, wenn zum Beispiel über eine Rundrückenbildung oder einen Kör- pergrößenverlust von mehr als 4 cm bei älteren Familienmitgliedern be- richtet wird. Die Eigenanamnese er- fragt weitere Risikofaktoren. Diese betreffen den Lebensstil (Nikotinabu- sus, Alkoholabusus, Mangelernährung, Bewegungsarmut), die regelmäßige Einnahme von Medikamenten (zum Beispiel Glucocorticoide, Schilddrü- senhormone, Antiepileptika), chroni- sche Erkrankungen (entzündlich rheu- matische Erkrankungen, entzündliche Darmerkrankungen, Malabsorptions- syndrome, chronische Niereninsuffizi- enz) und die hormonelle Situation (Menopause vor dem 45sten Lebens- jahr, Hypogonadismus, Hyperthyreo-

se, Hyperparathyreoidismus, Cushing- Syndrom). Aufgetretene Frakturen oh- ne adäquates Trauma sind ein deutli- cher Hinweis auf das Bestehen einer Osteoporose.

Bei der klinischen Untersuchung fällt auf, dass nach Wirbelkörperfrak- turen ein lokaler Klopfschmerz be- steht, und es wird häufig über einen Achsenstoß- und Fersenfallschmerz berichtet. Im weiteren Verlauf mit zu- nehmenden Wirbelkörperdeformie- rungen treten ein typischer Gestalt- wandel und eine Haltungsänderung auf. Durch die Verkürzung der Wirbel- säule werden die Rumpfmuskeln und die darüber liegenden Weichteile rela- tiv zu lang, am Rücken bilden sich hierdurch Querfalten der Haut, das so genannte Tannenbaumphänomen (Abbildung 1). Die Extremitäten er- scheinen im Vergleich zum Rumpf re- lativ zu lang. Die Rippenbögen nähern sich den Beckenkämmen an. Aufgrund der Annäherung von Ursprung und Ansatz der Bauchmuskulatur wölbt sich diese vor. Die Bauchmuskeln sind dann auch bei Anspannung nicht mehr in der Lage ihre Haltearbeit zu ver- richten, das Becken kippt nach vorne und die sich ohnehin entwickelnde Hyperlordose der Lendenwirbelsäule wird verstärkt. Mit zunehmender Brustkyphose muss, um den Blick ge- radeaus richten zu können, eine Hy- perlordose der Halswirbelsäule und Beugehaltung der Kniegelenke einge- nommen werden (Grafik 1).

Bei akuten Wirbelkörperein- brüchen treten Frakturschmerzen auf.

Diese normalerweise starken Schmer- zen halten für circa vier bis sechs Wo- chen, bis zur Konsolidierung der Frak- tur, an. Typisch ist eine Erschütte- rungsempfindlichkeit und Schmerzen die gürtelförmig nach vorne ausstrah- len. Muskelschmerzen treten aufgrund der Überdehnung und verstärkten Haltearbeit infolge der statischen Ver- änderungen des Rumpfes auf. Die Ver- lagerung des Körperschwerpunktes nach vorne führt zu einer vermehrten Belastung der ventralen Skelettantei- le. Die Sternoklavikulargelenke unter- liegen einer höheren Belastung, die sich durch die nach vorne stehenden Schultern infolge der Pectoralisver- kürzung und Schwäche der Schulter-

blattrückzieher noch verstärkt. Der unterste Punkt der ventralen Bela- stungskette ist die Symphyse, auch dort kommt es zu reaktiven Reizer- scheinungen. Die Hyperlordose der Halswirbelsäule führt zu einer Einen- gung der Neuroforamina vor allem in den mittleren und unteren Abschnit- ten mit gegebenenfalls Nervenwurzel- reizerscheinungen in den Segmenten C5 bis C8. Die Kapselreizung der in- einander geschobenen Wirbelgelenke führt zu Nackenschmerzen mit Aus- strahlung zu den Schultern und Schul- terblättern. An der Lendenwirbelsäu- le entwickeln sich Hyperlordose- kreuzschmerzen mit pseudoradikulä- rer, flächenförmiger Ausstrahlung. Bei einer rasch verstärkten Hyperlordose der Lendenwirbelsäule können eine latente Spinalkanalstenose dekom- pensieren und mono- oder polyradi- kuläre Reizerscheinungen, meistens in den Segmenten L5 und S1, auftreten.

Durch Oberkörperseitneigung kann aufgrund der Periostreizung ein Rip- penbogenrandschmerz ausgelöst wer- den.

Vordere Knieschmerzen beruhen auf der Überlastung des Kniestreck- apparates und dem vermehrtem An- druck der Patella. In fortgeschrittenen Stadien liegt oft eine Mischsymptoma- tik vor. Die Blutuntersuchung dient

Grafik 1

Gestaltveränderung und typische Schmerzbil- der bei der Osteoporose

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dem Ausschluss anderer Erkrankun- gen. Das Routinelabor umfasst Blut- senkung, Blutbild, Elektrolyte, harn- pflichtige Substanzen, alkalische Phos- phatase und gegebenenfalls Immun- elektrophorese.

Nur 33 Prozent der osteoporoti- schen Wirbelkörperfrakturen werden klinisch diagnostiziert (38). Deshalb ist bei dem Verdacht auf eine Osteo- porose eine Bildgebung unbedingt er- forderlich. Typische röntgenologische Veränderungen sind eine vermehrte Strahlentransparenz mit Erweiterung der Trabekelabstände sowie Verfor- mungen der Wirbelkörper in Keil-, Fisch- oder Plattwirbel (Grafik 2) Die röntgenologische Diagnose ist schwie- rig bevor Verformungen eingetreten sind, weil sich eine Demineralisierung des Knochens erst dann nachweisen lässt, wenn circa 40 Prozent des Kalk- salzgehaltes verloren sind.

Das Computertomogramm (CT) er- möglicht die sichere Beurteilung der Wirbelkörperhinterkante und der Verhältnisse im Spinalkanal. Neben der Beurteilung des Spinalkanals er- laubt das Magnetresonanztomogramm (MRT) am besten die Altersbestim- mung einer Kompressionsfraktur. Mit dem Nachweis eines Knochenmark- ödems besteht der Hinweis auf eine akute oder subakute Kompressions- fraktur.

Die Knochendichtemessung dient der Frühdiagnose der Osteoporose und Verlaufskontrolle der Therapie.

Dem widersprechend wird derzeit die Knochendichtemessung erst nach ei- ner bereits nachgewiesenen Fraktur erstattet. Die Messung sollte in Regio- nen mit der Gefahr relevanter Fraktu- ren, also der Wirbelsäule und dem Schenkelhals durchgeführt werden (3). Somit kommen derzeit nur das QCT (quantitative Computertomo- graphie) und die DXA („dual-energy X-ray absorptiometry“) infrage. Das QCT hat den Vorteil, dass die trabe- kuläre und kortikale Dichte (in mg/cm3) bestimmt werden können, nachteilig ist die längere Untersu- chungsdauer und etwa 100-fach höhe- re Strahlenbelastung (1 bis 3 mSv) so- wie die beschränkte Verfügbarkeit.

Die DXA ist breit verfügbar und die von der WHO anerkannte Stan- dardmethode zur Definition der Osteoporose. Gemessen wird der Knochenmineralgehalt in Gramm.

Die Knochenmineraldichte in g/cm2 wird innerhalb einer definierten Fläche berechnet. Ein T-Wert über -1 SD (Standardabweichung) entspricht nach der WHO-Definition einer nor- malen Knochendichte, ein T-Wert von -1,5 bis -2,5 SD einer Osteopenie und ein T-Wert unter -2,5 SD einer Osteo- porose.

Differenzialdiagnosen

Bei den älteren Patienten müssen vor allem Knochenmetastasen und ein Plasmozytom ausgeschlossen werden.

Dies besonders, da die meisten Wirbel- säulenmetastasen ebenso wie die osteoporotischen Deformierungen im thorakolumbalen Übergang auftreten.

Der metastatische Plattwirbel zeigt normalerweise im Zentrum größere Sklerosierungsbezirke oder Struktur- auflösungen unter Einbeziehung der Kortikalis. In der a.p. Aufnahme kann ein Bogenwurzeloval ausgelöscht sein.

Bei einem osteoporotischen Wirbel bleiben die äußeren Konturen des Wirbels und die Wirbelbögen norma- lerweise erhalten. Im Zweifelsfall hilft die laborchemische Untersuchung und gegebenenfalls eine Probenentnahme

zur histologischen Untersuchung wei- ter (30).

Die Osteomalazie ist gekennzeichnet durch eine vermehrte Strahlendurch- lässigkeit der Knochen und verwasche- ne Strukturen mit ungenügender Dar- stellung der Knochenbälkchen. Typisch sind im weiteren Verlauf Knochenver- biegungen und Loosersche Umbauzo- nen. Die alkalische Phosphatase ist er- höht.

Therapie

Ziel der Therapie ist es, Frakturen zu vermeiden und die Knochenbelastbar- keit zu erhöhen. Deshalb sollten nur solche Wirkstoffe verabreicht werden, die anhand kontrollierter, prospektiv randomisierter Studien belegt haben, dass unter ihrer Gabe die Frakturin- zidenz gesenkt werden kann. Diese Kriterien haben derzeit nur die beiden Biphosphonate Alendronat und Rise- dronat sowie der selektive Östrogen- rezeptorantagonist Raloxifen erfüllt.

Damit neuer Knochen aufgebaut wer- den kann, muss eine ausreichende Zu- fuhr und Verwertbarkeit von Calcium und Vitamin D gewährleistet sein. Um eine Mangelversorgung auszuschlie- ßen ist vor allem bei älteren Menschen als Basistherapie die Verabreichung von Calcium (1000 mg) und Vitamin D (800 IE) zu empfehlen.

Ist bereits eine Kompressionsfrak- tur eingetreten, muss eine adäquate Schmerztherapie durchgeführt wer- den, um die Patienten mobilisieren zu können. Hier reichen peripher wirk- same Analgetika, wie zum Beispiel nichtsteroidale Antiphlogistika, oft nicht aus. In diesen Fällen können vorübergehend Opiate verabreicht werden. Bei chronischen Schmerzen kann auch eine Dauertherapie not- wendig sein. Bei Verwendung der nichtsteroidalen Antiphlogistika muss vor allem auf die gastrointestinalen Nebenwirkungen, bei den Opiaten auf die gegebenenfalls reduzierte Vigilanz mit hierdurch erhöhter Sturzneigung geachtet werden.

Beschwerden, die von Muskeln, Knochen, Bändern und Gelenkkap- seln ausgehen, können mit physikali- schen Maßnahmen gut behandelt wer- Abbildung 1: Tannenbaumphänomen

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den. Frakturschmerzen, Gelenkkap- selreizungen und Insertionstendopa- thien lassen sich durch geeignete La- gerung lindern. Es hat keinen Sinn in der akuten Schmerzphase eine Fehl- haltung zu korrigieren, da es sich in der Regel um eine Entlastungshaltung handelt. Die entlastende Lagerung bei akuten Schmerzen ist normalerweise die Rückenlage mit um jeweils 90 Grad gebeugten Hüft- und Kniegelen- ken. Die Schulterregion sollte ebenso wie die oberen Anteile der Brustwir- belsäule gut unterpolstert werden, da- mit der Rundrücken breitflächig un- terstützt wird. Auch in der Seitlage sollten die Hüft- und Kniegelenke zur Entlordosierung der Lendenwirbel- säule um circa 90 Grad gebeugt wer- den.

Kälteanwendungen sich sinnvoll bei akut schmerzhaften Prozessen wie zum Beispiel frischen Frakturen. Kälte bewirkt eine lokale Analgesie und re- duziert durch Gefäßkontraktion die weitere Hämatom- und Ödembildung.

Bei der Kälteapplikation muss auf die richtige Dosierung geachtet werden, um Unterkühlungen und Kälteschä- den der Haut zu vermeiden.

Wärmeanwendungen dienen der Behandlung chronischer Beschwer- den. Wärme führt zur Hyperämie und Entspannung schmerzhafter hyperto- ner Muskelgruppen. Die Wärme muss mindestens eine halbe Stunde einwir- ken, da in den tiefen Gewebeschichten erst nach circa 20 Minuten eine Temperaturerhöhung eintritt. Sollte durch die Wärme eine Schmerzver- stärkung eintreten, muss die Diagnose überprüft werden, da bei Entzündun- gen und Tumoren die Hyperämie zu einer Beschwerdeverstärkung führt.

Massagen sind bei frischen Fraktu- ren kontraindiziert, sie sollten erst nach Abklingen der akuten Beschwer- den eingesetzt werden. Bei der Osteo- porose verkrampfen sich aufgrund der Haltungsänderungen insbesonde- re die lordoseunterhaltenden langen Streckmuskeln der Lenden- und Hals- wirbelsäule, die ischiokrurale Musku- latur und die schulterblattrückziehen- den Muskeln (vor allem die Musculi rhomboidei). Durch eine vorsichtige Massage dieser Muskelgruppen kann eine Schmerzlinderung erreicht wer-

den. Bei der Massage ist die richtige Lagerung wichtig. Auch hier gilt, dass eine entlastende Lagerung eingenom- men werden sollte. Nach der Massage sollte der Patient ein Wohlbefinden verspüren. Kommt es zu einer Schmerzverstärkung, so war der Pati- ent falsch gelagert oder diese Thera- pieform wurde zu früh eingesetzt.

Die Elektrotherapie dient der lo- kalen Durchblutungssteigerung und Beseitigung von Muskelverspannun- gen, Gelenkkapselreizungen und In-

sertionstendopathien. Bei der Osteo- porose kommen neben der Hoch- und Niederfrequenz vor allem Interferenz- ströme infrage. Bei der Interferenz- stromtherapie werden zwei mittelfre- quente, biologisch reizlose Ströme über je zwei Elektroden appliziert.

Die Frequenzen der beiden Ströme differieren bis zu 100 Herz (Hz).

Durch Superposition entsteht im Kör- per ein amplituden- und frequenzmo- dulierter Strom mit niedriger, das heißt biologisch wirksamer Frequenz.

Der Vorteil der Interferenzstromthe- rapie besteht darin, dass die schmerz- empfindliche Haut und die oberfläch- lichen Gewebeschichten durch rei- zunwirksame mittelfrequente Ströme überwunden werden, wohingegen die niederfrequenten Ströme zwischen 0

und 100 Hz erst in den tieferen Gewe- beschichten entstehen und dort thera- peutisch wirksam werden.

Die Krankengymnastik ist ein wich- tiger Bestandteil der Therapie, sie dient der Patientenmobilisierung.

Überforderte Muskelgruppen (zum Beispiel thorakale Rückenstrecker, Bauchmuskeln, Schulterblattrückzie- her) werden gekräftigt und verkürzte Muskelgruppen (zum Beispiel zervi- kale und lumbale Strecker, Brustmus- kulatur und Hüftbeuger) gedehnt. Bei chronischen Schmerzen sind isometri- sche Übungen in der Entlastungshal- tung sinnvoll. Zur Vermeidung von Immobilisationsschäden können bei starken Schmerzen durch den Thera- peuten geführte Bewegungen unter Abnahme der Eigenschwere ausge- führt werden. Bei Übungen im warmen Wasser wird der Auftrieb und Rei- bungswiderstand genutzt. Die durch Schmerzen und Bauchmuskelinsuffi- zienz beeinträchtigte Atmung sollte trainiert werden.

Die Schmerzen gehen vom Periost, irritierten Gelenkkapseln, Spinalner- ven, Muskeln und Bändern aus. Loka- le Injektionen dienen der Reduktion systemisch zu verabreichender Anal- getika und erlauben eine direkte Ap- plikation der Wirkstoffe am Ort der Schmerzentstehung. Lokalanästhetika führen zu einer reversiblen Ausschal- tung der afferenten Schmerzbahnen.

Die meisten Lokalanästhetika wirken vasodilatatorisch, und somit kommt es zu einer verbesserten Durchblutung im infiltrierten Bezirk. Um erhöhte Blutspiegel zu vermeiden, verwendet man pro Injektionsbehandlung maxi- mal 10 mL eines 0,5- bis 1-prozentigen Lokalanästhetikums (zum Beispiel Li- docain oder Mepivacain).

Bei radikulären Beschwerden und Symptomen der Spinalkanalstenose kann auch eine epidurale Injektions- behandlung sinnvoll sein. Hierbei wird bevorzugt Triamcinolon über einen in- terlaminären Zugang in den Spinalka- nal eingebracht. Das Triamcinolon dient der Entzündungshemmung und Abschwellung der gereizten Nerven- wurzel (20). Bei monoradikulären Be- schwerden hat sich in den letzten Jah- ren vor allem die epidural-perineurale Injektionstechnik (Grafik 3) bewährt Grafik 2

Typische Wirbelkörperdeformitäten

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(19). Orthesen sind orthopädische Hilfsmittel mit haltungskorrigieren- der und stützender Funktion. Sie die- nen der Schmerzlinderung und sollen eine Mobilisierung der Patienten er- möglichen.

Elastische Leibmieder (zum Bei- spiel das Leibmieder nach Linde- mann) reichen vom Becken bis zum unteren Drittel des Thorax. Durch all- seitige Kompression des Abdomens und des unteren Thoraxabschnitts wird der intraabdominale Druck er- höht und damit die Wirbelsäule entla- stet.

Dorsal sind in den Stoff Korsettstä- be eingeschoben. Die Leibmieder die- nen der Kompensation einer erhebli- chen Bauchmuskelschwäche. Sie üben jedoch keine wesentliche Stützfunkti- on aus und behindern sowohl die ab- dominale als auch die thorakale Atem- exkursion.

Ist bereits eine Fraktur eingetreten, so ist, abhängig von der Wirbelkörper- deformierung, der Lokalisation und Stabilität der Fraktur, eine weiterrei- chende Versorgung notwendig. Ge- wöhnlich handelt es sich bei der Osteoporose um stabile Frakturen oh- ne relevante neurologische Komplika- tionen.

Bei Frakturen der Lendenwirbel- säule und des thorakolumbalen Über- ganges können halbstarre Systeme mit breitflächiger Bauchpelotte und dor- saler Abstützung vom Beckenkamm zum Unterrand des Thorax verwendet werden. Durch eine individuelle An-

passung der Bauchpelotte kann hier zusätzlich eine abstützende Verbin- dung zwischen dem Rippenbogenrand und der Symphyse erzielt werden.

Bei der akuten Gefahr weiterer Frakturen kommen Überbrückungs- orthesen (zum Beispiel nach Hoh- mann) zum Einsatz. Ein Teil der Last- übertragung erfolgt hier direkt vom Thorax zum Becken, die untere Brust- wirbelsäule und die Lendenwirbelsäu- le werden überbrückt. Eine breite Spange am unteren Thorax und am oberen Beckenrand wird durch längs- verlaufende stabile Kraftaufnehmer verbunden. Der ventrale Gegenhalt erfolgt durch ein festes Stoffteil, das mit Leibstützgurten an den dorsalen festen Rahmen gezogen wird.

Bei multiplen Frakturen der Brust- und Lendenwirbelsäule sollten diese in möglichst achsgerechter Stellung verheilen. Hierzu ist in der Anfangs- phase eine Ruhigstellung des gesam- ten Rumpfes einschließlich der obe- ren Brustwirbelsäule notwendig. Dies wird durch starre Thorakolumbalor- thesen erreicht. Diese dorsal und ven- tral stabile Orthese besitzt spezielle Reklinationsspangen, die unterhalb der Schlüsselbeine neben dem Brust- bein am Brustkorb anliegen.

Solitäre Kompressionsfrakturen im thorakolumbalen Übergang können auch mit der Dreipunktorthese ver- sorgt werden. Gepolsterte Ansatz- punkte am Brustbein, der Symphyse und dorsal am thorakolumbalen Über-

gang sorgen, im Sinne einer Mahnstüt- ze, für eine aufrechte Körperhaltung.

Dieses starre System wird jedoch, auf- grund von Druckbeschwerden vor al- lem am Brustbein, speziell von älteren Patienten wenig akzeptiert.

Für stabile Frakturen der Brust- und Lendenwirbelsäule stellen die so genannten Rucksackorthesen (Abbil- dung 2) eine neuere Entwicklung dar.

Ihr Wirkprinzip beruht auf einer indi- viduell formbaren Rückenschiene und Schultergurten die nach dem Ruck- sackprinzip den Oberkörper aufrich- ten. Der große Vorteil ist die leichte Anlage der Orthese und fehlende Ein- schränkung der Brustatmung. Die Ak- zeptanz dieser Orthesenform ist über- wiegend gut (11).

Rumpforthesen bei der Osteoporo- se müssen nicht nur die Statik ver- bessern sondern auch vom Patien- ten akzeptiert werden. Das Urteil über die Effektivität und den Tragekom- fort fällt der Patient. Nur wenn die Or- these den Schmerz lindert und die Handhabung einfach ist, wird sie auch getragen werden. Es muss also gege- benenfalls ein Kompromiss zwischen der notwendigen Stabilität und Flexi- bilität gefunden werden (31). Prinzipi- ell sollten Rückenorthesen nur vor- übergehend angewendet werden und sobald möglich eine Muskelkräftigung erfolgen.

Mehr als ein Drittel der Wirbel- körperfrakturen führen infolge der Wirbelsäulendeformität zu anhalten- Grafik 3

Technik der epidural-perineuralen Injektion

Abbildung 2: Orthese mit Rucksackprinzip

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den Beschwerden (36). Die konventio- nellen operativen Maßnahmen dienen der Dekompression des Spinalkanals und der abgehenden Nervenwurzeln sowie der Stabilisierung und Wieder- aufrichtung deformierter Wirbelkör- per. Die klinischen Ergebnisse der Spondylodesen mit Fehlstellungskor- rektur sind aber oft schlecht aufgrund des wenig belastbaren Knochens (41).

Häufig sind deshalb langstreckige, das betroffenen Segment überbrückende Stabilisierungen notwendig. Trotzdem kommt es auch dann aufgrund der schlechten Knochenqualität häufig zu Korrekturverlusten und Implantatver- sagen (42).

Langstreckige Stabilisierungen soll- ten auf Einzelfälle mit klinisch rele- vanten Fehlstellungen beschränkt bleiben. Dekompressionsoperationen des Spinalkanales sollten nur bei, nach osteoporotischen Frakturen eher selten, auftretenden, relevanten neu- rologischen Defiziten durchgeführt werden. Nur wenige, im CT oder MRT nachgewiesene Hinterkantenbeteili- gungen führen tatsächlich zu neu- rologischen Defiziten. Zur Schmerz- reduktion und Stabilisierung von eingebrochenen Wirbelkörpern kann Knochenzement in die Wirbelkörper eingebracht werden. Dies wird seit einigen Jahren auch perkutan durch- geführt (10). Wie biomechanische Un- tersuchungen gezeigt haben, ist hier weniger das Einbringen großer Füllvo- lumina (2) als die symmetrische Ein- bringung des Knochenzementes er- folgversprechend (23).

Basierend auf den Erkenntnissen der offen chirurgischen Ausräumung gutartiger Tumoren mit anschließen- der Auffüllung der entstandenen Hohl- räume mit Knochenzement (43) wurde die so genannte Vertebroplastie ent- wickelt (8). Die Patientenauswahl erfolgt anhand einer eingehenden kör- perlichen Untersuchung, der Bildge- bung und medizinischen Vorgeschich- te des Patienten.

Durch Perkussion über den Dorn- fortsätzen kann der betroffene, schmerzhafte Wirbelkörper identifi- ziert werden. Die Bildgebung (Nativ- röntgenbild, MRT oder CT) muss mit diesem Untersuchungsbefund verein- bar sein. Ausschlusskriterien sind zu-

grunde liegende Infektionen, beste- hende Koagulopathien, Allergien ge- gen die verwendeten Substanzen, in den Wirbelkanal ausgetretene Frag- mente oder Spinalkanaleinengungen, technische Schwierigkeiten der siche- ren Nadelplatzierung wie zum Bei- spiel bei Plattwirbeln (Vertebra pla- na), sowie nicht symptomatische oder deutlich in Besserung befindliche Kom- pressionsfrakturen.

In Bauchlage, unter Sedierung und Lokalanästhesie wird eine (11- oder 13-Gauge) Nadel perkutan, normaler- weise transpedikulär in den betroffe- nen Wirbelkörper eingebracht (Grafik 4). Alternative Zugänge sind postero- lateral in größere lumbale Wirbelkör- per und kostovertebral im Bereich der

oberen Brustwirbelkörper bei nicht ausreichend großen Pedikeln (45). Die Nadel sollte zunächst im ventralen Drittel des Wirbelkörpers platziert werden. Anschließend wird über diese Nadel Kontrastmittel injiziert und dessen Verteilung beurteilt. Der Kno- chenzement darf erst nach Erreichen einer zähflüssigen Konsistenz langsam unter ständiger Bildgebung einge- bracht werden. Es sollte zunächst das ventrale Drittel des Wirbelkörpers ge- füllt werden und dann retrograd gege- benenfalls unter Zurückziehen der Nadel der restliche Wirbelkörper auf- gefüllt werden.

Um eine möglichst gleichmäßige Füllung des Wirbelkörpers zu errei- chen erfolgt dies gewöhnlich über bei- de Pedikel. Bei aus dem Wirbelkörper austretendem Knochenzement sollte

die Injektion gestoppt werden. Der Pa- tient darf erst nach sicherem Aushärten des Knochenzementes umgelagert wer- den. Nach dem Eingriff muss auf neu- rologische Dysfunktionen, Lungenem- bolien, allergische Reaktionen und In- fektionen geachtet werden.

Entsprechend der publizierten Er- gebnisse berichten 70 bis 90 Pro- zent der mit Vertebroplastie behan- delten Patienten über eine deutliche Schmerzreduktion oder Schmerzfrei- heit innerhalb von 48 Stunden nach dem Eingriff (1, 5, 6, 7, 9, 15, 18, 27, 28, 46). Kontrollierte Studien liegen bis- her nicht vor. Die Komplikationsraten der Vertebroplastie wurden mit 1 bis 6 Prozent angegeben. Es wurde über neu aufgetretene Radikulopathien, Rückenmarkkompressionen, Lungen- embolien und Rippenfrakturen be- richtet (5, 18, 21, 34, 35).

Ein ungewollter Zementaustritt aus dem behandelten Wirbelkörper trat mit bis zu 20 Prozent deutlich häufiger auf, und zwar sowohl in die paraverte- bralen Weichteile und epiduralen Ve- nen als auch in den Spinalkanal (15).

Die bestehende Gefahr des Zement- austritts in den Spinalkanal und das dadurch, wenn auch geringe Risiko re- levanter neurologischer Komplikatio- nen macht die Möglichkeit einer un- mittelbaren operativen Revision des Spinalkanals unabdingbar.

Die Kyphoplastie ist eine Modifikati- on der Vertebroplastie. Diese Behand- lungsmethode wird in einem demnächst im Deutschen Ärtzeblatt erscheinen- den Beitrag vorgestellt. Hauptunter- schied ist die Verwendung von im Wir- belkörper aufblasbaren Ballonen mit dem Ziel den komprimierten Wirbel- körper wieder aufzurichten und die De- formität vor dem Einbringen des Kno- chenzements zu reduzieren. Die erste Kyphoplastie wurde 1998 durchgeführt.

Die Patientenauswahl erfolgt ent- sprechend den für die Vertebroplastie genannten Kriterien.

Der Eingriff wird in Bauchlage, in Lokalanästhesie oder Narkose, auf ei- nem röntgendurchlässigen Tisch durchgeführt. Der perkutane Zugang zum Wirbelkörper erfolgt transpedi- kulär (Th10-L5) oder extrapedikulär (Th5-12) in Abhängigkeit der anato- mischen Gegebenheiten und Pedikel- Grafik 4

Transpedikuläre Nadelplatzierung

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weite. Eine Mandrin-Nadel (11 Gau- ge) wird in den Wirbelkörper einge- bracht, der Mandrin entfernt, in der liegenden Nadel ein Führungsstab im Wirbelkörper platziert, die Nadel un- ter Belassung des Führungsstabes ent- fernt, über den Führungsstab ein stumpfer Dissektor eingebracht, der Führungsstab unter Belassen des Dis- sektors entfernt, eine Arbeitskanüle über den Dissektor eingebracht, der Dissektor entfernt und mit einem Handbohrer ein Loch bis zu einem Punkt 3 bis 5 mm von der ventralen Kortikalis entfernt gebohrt.

Das beschrieben Vorgehen erfolgt unter Röntgenkontrolle in zwei Ebe- nen. Bei Erreichen der endgültigen Bohrtiefe sollte in der ap-Bildgebung die Bohrerspitze mittig, ventral des Dornfortsatzes platziert sein. Um eine versehentliche Perforation der ventra- len Kortikalis zu erkennen, kann diese mit dem Führungsstab getastet wer- den. Hiernach wird über die Arbeits- kanüle das Ballonsystem in den Wir- belkörper eingebracht, der Ballon langsam und mit definiertem Druck unter Bildgebung mit einem Kontrast- medium aufgefüllt. Durch die norma- lerweise beidseitige Ballonaufweitung soll der komprimierte Wirbelkörper wieder aufgerichtet werden.

Nach Entfernung des Ballonsystems verbleibt ein Hohlraum (Grafik 5) der anschließend mit einem unter Rönt- genkontrolle sichtbaren (barium- und antibiotikahaltigen) zähen Knochenze- ment von ventral nach dorsal aufgefüllt wird. Aufgrund der gewünschten zähen Konsistenz des Knochenzements wird dieser mit Stößeln durch die Arbeits- kanüle vorgeschoben. Dieses Vorgehen soll das Risiko einer Fehlplatzierung des Knochenzements mit Austritt aus dem Wirbelkörper verhindern. Auch hier darf der Patient erst nach sicherem Aushärten des Knochenzements umge- lagert werden, und es muss auf neuro- logische Dysfunktionen, Lungenembo- lien, allergische Reaktionen und Infek- tionen geachtet werden.

Es wird über symptomatische und funktionelle Besserungsraten von mehr als 90 Prozent berichtet (10, 45). Kon- trollierte Studien fehlen bisher. Die Komplikationsraten werden mit unter zwei Prozent pro Fraktur und unter

drei Prozent pro behandeltem Patien- ten angegeben (10, 45). Die Komplika- tionen beruhten vorwiegend auf Na- delfehlplatzierungen und unerwünsch- tem Zementaustritt aus dem behandel- ten Wirbelkörper. Laut der Publikation von Lieberman und Mitarbeitern (22) konnte bei 70 Prozent der behandelten Wirbelkörper (n = 70) durchschnittlich 47 Prozent der verlorenen Höhe wie- deraufgerichtet werden. Bisher liegen nur Kurzzeitergebnisse vor.

Trotz der bisher viel versprechen- den Ergebnisse, sowohl der Vertebro- plastie als auch der Kyphoplastie, soll- ten die hier dargestellten Anwen- dungsbeobachtungen kritisch betrach- tet werden, da keine kontrollierten Er- gebnisse vorliegen. Vor einer breiten Anwendung dieser technisch an- spruchsvollen Verfahren sollten an speziellen Zentren prospektiv rando- misierte Studien zur Bewertung von Risiken und Nutzen dieser Verfahren durchgeführt werden.

Rehabilitation und Prophylaxe

Die Rückenschule ist ein Haltungs- und Verhaltenstraining, sie dient der Vorbeugung von Überlastungen der frakturgefährdeten Skelettanteile. Im Vordergrund steht hier die Vermei- dung von Rundrückenbelastungen und extremen Stauchungen der Wir- belsäule. Neben dem Hinweis, das Skelettsystem kontrolliert und gleich- mäßig zu belasten, werden die richti- gen Körperhaltungen im Stehen, Sit- zen und Liegen sowie Hebetechniken mit gerade gehaltenem Rücken ver- mittelt.

Die Muskelkräftigung dient einer- seits der Stand- und Gangsicherheit, andererseits wird hierdurch das Ske- lettsystem stimuliert Knochen aufzu- bauen. Sowohl Aerobic als auch Ge- wichtheben und Übungen gegen Wi- derstand können die Knochendichte an der Wirbelsäule erhöhen (4, 17).

Mit den zuvor beschriebenen Übungen werden, auch wenn dies im Alter nur begrenzt möglich ist, zusätz- lich auch die koordinativen Fähigkei- ten geschult. Andere Sturzursachen wie zum Beispiel Kreislaufstörungen oder Fehlsichtigkeit sollten behoben werden. Vor allem auch die häusliche Umgebung muss altengerecht gestal- tet werden.

Für die Wirbelsäule kann bei beson- deren Belastungen auf Rumpforthe- sen zurückgegriffen werden. Hüftpro- tektoren erhöhen die Kontaktfläche und vermindern die auf die Hüfte ein- wirkende Aufprallkraft bei Stürzen (44), sie reduzieren signifikant die Ra- te der Schenkelhalsfrakturen (14, 39).

Aufgrund ihrer Unbequemlichkeit und des Auftragens im Hüftbereich ist ihre Akzeptanz allerdings einge- schränkt (16).

Ziel muss es sein, in jungen Jahren eine optimale Knochenmasse aufzu- bauen. Hierzu dient eine ausgewogene Ernährung mit ausreichender Zufuhr von Calcium und Vitamin D, körperli- che Aktivität und die Reduktion von Risikofaktoren wie zum Beispiel dem Rauchen und phosphatreicher Nah- rungsmittel (25). Bei bestehenden Ri- sikofaktoren wäre eine frühzeitige Knochendichtemessung sinnvoll, um rechtzeitig, vor dem Auftreten von Frakturen behandeln zu können.

Manuskript eingereicht: 10. 9. 2002, revidierte Fassung angenommen: 21. 1. 2003

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2003; 100: A 1120–1131 [Heft 17]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit1703 abrufbar ist.

Anschrift für die Verfasser:

Priv.-Doz. Dr. med. Roland E. Willburger Orthopädische Universitätsklinik

im St. Josef-Hospital Gudrunstraße 56 44791 Bochum Grafik 5

Hohlraum nach Ballonaufweitung des kompri- mierten Wirbelkörpers

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