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Archiv "Reproduktive endokrine Störungen bei Frauen mit Epilepsie" (16.08.2002)

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pilepsien gehen nicht nur mit epi- leptischen Anfällen einher, sie können auch darüber hinausge- hende Störungen verursachen. Neben kognitiven Funktionsstörungen sind dabei auch endokrine Funktionsstö- rungen zu nennen. Nicht zuletzt des- halb ist die Geburtenrate bei Frauen mit Epilepsie im Alter zwischen 24 und 39 Jahren signifikant niedriger als die bei gleichaltrigen gesunden Frau- en (39).

Der Einfluss der Epilepsie begrün- det sich dabei in einer Störung der Hormonsezernierung aus Hypotha- lamus und Hypophyse, vermittelt durch iktale und interiktale epilepti- sche Aktivität. Aber auch die Durch- führung einer Behandlung mit Anti- epileptika (AED) kann reproduktive endokrine Funktionen beeinflussen (30, 37). Die Konsequenz, eine Zu- nahme anovulatorischer Zyklen, hat schließlich auch eine Rückwirkung auf die Anfallsfrequenz; der Mangel an Progesteron in solchen Zyklen fördert die Manifestation epileptischer Anfäl- le (21).

Die Kenntnis um die Zusammen- hänge zwischen Epilepsie, AED und reproduktiven Funktionen ermöglicht es bei vielen Frauen mit Epilepsie eine auch diesbezügliche adäquate Thera- pie zu etablieren.

Physiologie und Pathophysiologie

Eine ungestörte ovarielle Funktion zeigt sich klinisch am deutlichsten durch die regelmäßige Menstruation innerhalb eines zeitlichen Intervalls

von 26 bis 32 Tagen, die meist von ei- ner Ovulation begleitet ist. Kürzere Menstruationszyklen, die 21 bis 25 Ta- ge dauern, und längere Menstruati- onszyklen, die 33 bis 35 Tage dauern, können vorkommen. Davon abwei- chende Zykluslängen sind in der All- gemeinbevölkerung selten, sie kom- men bei weniger als zwei Prozent vor (20). Bei Frauen mit Epilepsien foka- len Ursprungs (bei denen eine Stö- rung der hypothalamisch hypophy- sären Hormonachse durch epilepti- sche Aktivität möglich ist) findet man Zyklen von weniger als 21 und mehr als 35 Tagen in 11 Prozent der Fälle (20). Auch die Rate anovulatorischer Zyklen überwiegt in der Gruppe die- ser Patientinnen mit 25 bis 39 Prozent diejenige von gesunden Frauen, die bei 8 Prozent liegt (7, 13, 20).

Gestört werden kann der Ablauf der Zyklen durch zentral oder peripher wirkende Einflussfaktoren. Kontrol- liert und gesteuert wird die im Zyklus- verlauf unterschiedliche Sezernierung ovarieller Steroidhormone (Östradiol und Progesteron) durch die Hypo- physenhormone luteotropes Hormon (LH) und follikelstimulierendes Hor- mon (FSH), deren Sezernierung durch das hypothalamische gonadotropin releasing hormone (GnRH) reguliert wird.

Die ovarielle Synthese von Testo- steron aus Cholesterol wird durch lu- teotropes Hormon, die Aromatisie- rung von Testosteron zu Östradiol durch follikelstimulierendes Hormon gesteuert (40). Die ovariellen Steroid- hormone üben wiederum eine Feed- back-Regulierung der Funktion von Hypothalamus und Hypophyse aus (40).

Die sexuellen Steroidhormone sind im Blut an Eiweiße gebunden und entfalten ihre Wirkung allein durch den freien, ungebundenen Anteil.

Eine Zunahme von Bindungsglobuli-

Reproduktive endokrine Störungen bei Frauen mit Epilepsie

Zusammenfassung

Epilepsien fokalen Ursprungs können durch die Fortleitung epileptischer Aktivität die Leistung der hypothalamisch-hypophysären Funktions- achse stören. Reproduktive Funktionen können dadurch beeinträchtigt werden. Klinischer Aus- druck hiervon sind anovulatorische Zyklen, die sich bei etwa 30 Prozent der Frauen mit fokalen Epilepsien nachweisen lassen. Die ovariellen Steroidhormone können in ihrer, während des Menstruationszyklus fluktuierenden Serumkon- zentration immer dann die Manifestation epilep- tischer Anfälle fördern, wenn das Verhältnis zu- gunsten des prokonvulsiven Östradiol verscho- ben ist. Eine hierdurch bedingte Anfallszunahme (periovulatorisch oder [prä]menstruell) bezeich- net man als katameniale Anfallshäufung. Anti- epileptika beschleunigen oder verlangsamen den Abbau der ovariellen Steroidhormone und nehmen damit Einfluss auf endokrine Funktio- nen, etwa durch den Anstieg der Testosteron- Serumkonzentration infolge einer Inhibition he- patischer Enzymsysteme.

Schlüsselwörter: Epilepsie, Steroidhormone, Menstruationszyklus, Antiepileptika

Summary

Reproductive Endocrine Functions in Women With Epilepsy

Epilepsies with focal seizures may disturb the functioning of the hypothalamic-pituitary axis.

This is caused by the propagation of epileptic activity from the cerebral cortex to hypothalamic neurons. As a consequence the number of ano- vulatory cycles is increased to about 30 per cent in women with focal epilepsy. Sexual steroid hor- mones, released during the menstrual cycle, may have impact on neuronal excitability, especially in preexisting epileptic foci. Neuronal excitability is increased by estradiol and is decreased by progesterone. Consequently, seizure frequency may be increased during the days of ovulation or menstruation (catamenial seizures). Finally, antiepileptic drugs (AED) may have influence on steroid hormones. Hepatic metabolisation of the hormones may be increased or decreased due to the interaction with the metabolic pathway of AEDs. The latter effect will lead to an increase in serum testosterone levels. This may contribute to a disturbance of reproductive endocrine func- tioning.

Key words: epilepsy, steroid hormones, men- strual cycle, antiepileptic drugs

1 Klinik für Epileptologie (Direktor: Prof. Dr. med. Christian E. Elger), Universitätsklinikum Bonn

2 Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie (Direktor:

Prof. Dr. med. Hans van der Ven), Universitätsklinikum Bonn

Jürgen Bauer

1

Benjamin Rösing

2

(2)

nen (etwa dem Sexualhormon bin- denden Globulin, SHBG) vermindert zwangsläufig die Wirksamkeit der Hormone.

Unter dem Einfluß der Induktion des hepatischen P450-Enzymsystems steigern einige AED (etwa Carba- mazepin, Phenytoin, Oxcarbazepin, Phenobarbital und Primidon) die Bil- dung von SHBG. Andere AED (so Valproat) beeinflussen die Wirkung der Steroidhormone durch eine Ver- zögerung ihres hepatischen Abbaus, da sie eine Inhibition des hepatischen P450-Enzymsystems bewirken. Von klinischer Relevanz kann dies zum Beispiel durch den Anstieg der Testo- steron-Serumkonzentration sein (34, 35, 37, 38).

Einfluss der

Epilepsien auf reproduktive Funktionen

Epilepsien werden im Wesentlichem in zwei Gruppen eingeteilt. Dies sind Epi- lepsien mit fokalem Anfallsursprung im Neokortex (fokale Epilepsien) und Epilepsien mit initial diffusem Anfalls- beginn, meist idiopathischer Genese (generalisierte Epilepsien).

Im Zusammenhang mit der Beur- teilung endokriner Störungen ist dies insofern von Bedeutung, als die epi- leptische Aktivität bei generalisierten Epilepsien nur in geringem Maße zur hypothalamisch hypophysären Funk- tionsachse fortgeleitet wird, während dies bei fokalen Epilepsien immer dann zu erwarten ist, wenn die epilep- tische Aktivität ihren Ursprung im limbischen System hat oder diese Strukturen (zum Beispiel Amygdala und Hippocampus) sekundär miter- regt. Je nach Epilepsieform erwartet man somit endokrine Störungen (bei fokalen Epilepsien) oder sieht kei- nen Zusammenhang mit der Erkran- kung (bei generalisierten Epilepsien) (3, 6).

Exemplarisch wurde der Einfluss epileptischer Aktivität bei fokalen Epilepsien durch die postiktale Be- stimmung von Hypophysenhormonen demonstriert. Nach zwei von drei An- fällen kann ein deutlicher Anstieg der Hormone gemessen werden, meist ge-

zeigt an der Bestimmung von Prolak- tin (3, 6, 14). Für das Verständnis endo- kriner Störungen ist es jedoch wichtig zu beachten, dass der Hormonanstieg nach einem epileptischen Anfall nur eine kurzfristige Schwankung darstellt (Grafik 1a). Weitaus einflussreicher ist die permanente interiktale Akti- vität, die man im Wesentlichen für Störungen der hypothalamisch hypo- physären Achse verantwortlich macht.

Untersuchungen zum Tagesverlauf

des Prolaktinspiegels bei gesunden und an Epilepsie erkrankten Frauen zeigen eine erhöhte Prolaktinkonzen- tration bei den Patientinnen (3, 6, 32) (Grafik 1b). Der Einnahme von Antie- pileptika kommt dabei kein relevanter Einfluss auf die hypothalamisch hypo- physäre Funktionsachse zu (15). Ge- neralisierte Epilepsien haben ebenso keinen Einfluss auf die Hypophysen- funktion, da ihre Entladungen dorthin nur in geringem Maße propagieren.

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A2194 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 33½½½½16. August 2002

Grafik 1

Postiktaler, passagerer Anstieg der Serumkonzentration von Prolaktin (PRL), a) nach komplex- partiellen Anfällen (KPA). b) Erhöhte interiktale Serumkonzentration von Prolaktin bei Patien- tinnen mit Temporallappenepilepsie (Grafik 1b modifiziert nach Bauer J, Stefan H, Schrell U et al.: Serum prolactin concentrations and epilepsy: a study comparing patients in presurgical evaluation with healthy persons and circadian with seizure related variations. Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci 1992; 241: 365–371).

(3)

Ein postiktaler Prolaktinanstieg konn- te so auch nach Absencen nicht de- monstriert werden (12).

Die endokrinen Folgen fokaler epi- leptischer Aktivität wurden in Unter- suchungen bei Patientinnen mit un- behandelter Temporallappenepilepsie (TLE) belegt. Polyzystisches Ovarien- syndrom (PCOS) (20 Prozent versus fünf Prozent in der Allgemeinbevölke- rung) und hypothalamischer Hypogo- nadosmus (HH) waren gehäuft nach-

weisbare endokrine Syndrome bei die- sen Frauen (23). Pathophysiologisch betrachtet wird angenommen, dass die epileptische Aktivität entweder zu ei- ner Steigerung der LH-Sezernierung (mit der Konsequenz eines PCOS) oder zu einer Minderung der LH-Se- zernierung führt (mit der Konsequenz eines HH) (22, 23) (Grafik 2).

Die Möglichkeit der Reversibilität solcher krankheitsbedingter Störun- gen deuten Untersuchungsergebnisse an, die zeigten, dass bei einigen Frauen nach einer erfolgreichen epilepsiechir- urgischen Operation zuvor irregulä- re Zyklen einen regulären Rhythmus annahmen (8). Man postuliert dabei, dass die postoperativ entfallende in- teriktale Einflussnahme der epilepti- schen Entladungen eine ungestörte

Funktion von Hypothalamus und Hy- pophyse wieder erlaubt. Mit einer me- dikamentösen antikonvulsiven Thera- pie ist, auch bei klinischer Anfallsfrei- heit, ein solcher Effekt nicht zu erzie- len.

Die dauerhafte Störung der zen- tralen Kontrolle der ovariellen Stero- idsynthese mag auch dazu beitragen, dass bei Frauen mit Epilepsie die Me- nopause gehäuft vorzeitig eintritt.

Während die Menopause bei Frauen

in den USA durchschnittlich mit 50 Jahren eintritt, besteht nur bei einem Prozent der Frauen in der Allgemein- bevölkerung eine Menopause bereits im Alter von 40 Jahren. Dies war je- doch bei Frauen mit Epilepsie bei 14 Prozent der Untersuchten der Fall (28).

Sexuelle Steroidhormone und die Manifestation von Anfällen

Das Gehirn verfügt über Rezeptoren für Steroidhormone, die sich in gro- ßer Dichte insbesondere im Tempo- rallappen nachweisen lassen (11). Ihre Aktivierung hat dabei, insbesonde- re im Falle eines vorbestehenden epi-

leptischen Fokus, eine Steigerung (die durch Östradiol erreicht wird) oder ei- ne Minderung (die durch Progesteron hervorgerufen wird) der neuronalen Exzitabilität zur Folge (2).

In der Konsequenz davon kann es sein, dass epileptische Anfälle sich in unterschiedlicher Frequenz während des Menstruationszyklus manifestie- ren. Sie treten gehäuft dann auf, wenn das Verhältnis zwischen Östradiol und Progesteron ansteigt. Dies kann perio- vulatorisch (Östradiolpeak), prämen- struell und menstruell (prämenstru- eller Abfall der Progesteronkonzen- tration) oder diffus im Verlauf eines anovulatorischen Zyklus (durch Feh- len einer durch Ovulation induzier- ten Progesteronbildung) auftreten (7, 21) (Grafik 3). Diese, als katameniale Anfallshäufung bezeichneten Verläu- fe erweisen sich als medikamentös nur schwierig behandelbar und kommen bei 10 bis 20 Prozent der Frauen mit fokalen Epilepsien vor.

Versuche die katameniale Häufung der Anfälle durch eine Behandlung mit Hormonen zu beeinflussen sind unterschiedlich erfolgreich und zum Teil aufgrund von möglichen Neben- wirkungen der Therapie nur in Ein- zelfällen realisierbar (18–20). Eine pe- riovulatorische und perimenstruelle Anfallshäufung kommt bei ovulato- rischen Zyklen vor, die allein durch eine zentrale Supprimierung der ova- riellen Steroidsynthese mittels synthe- tischer Antagonisten des hyopthala- mischen gonadotropin releasing hor- mone (GnRH) unterdrückt werden kann (5).

Die damit einhergehende, der Me- nopause entsprechende Steroidhor- monsituation, ist langfristig unter an- derem wegen eines erhöhten Osteo- porose- und Herzinfarktrisikos nicht unproblematisch. Bei einer solchen Behandlung, antikonvulsiv durchaus erfolgreich, müssen daher Nutzen und Risiko gut gegeneinander abgewo- gen werden. Bei insuffizienter Luteal- phase kann hingegen durch eine Sub- stitution von Progesteron die Fre- quenz der epileptischen Anfälle ge- mindert werden. In der bislang um- fangreichsten Studie konnte dadurch die durchschnittliche Anfallsfrequenz bei 72 Prozent der Patientinnen um Grafik 2

Einfluss interiktaler epileptischer Entladungen des rechten (R) und linken (L) Temporallappens (TL) auf die Sezernierung von Hormonen der hypothalamisch hypophysären Funktionsachse.

Ein Anstieg des gonadotropen releasing hormone (GnRH) und des hypophysären luteotropen Hormons (LH) induzieren ein polyzystisches Ovariensyndrom (PCOS). Ein hypothalamischer Hy- pogonadismus (HH) ist Folge der Supprimierung dieser Hormone.

(4)

58 Prozent gesenkt werden (19) (Ta- belle 1). Die Kopplung der Anfallsfre- quenz an hormonelle Zyklusschwan- kungen lässt vermuten, dass mit dem Eintreten der Menopause bei den be- troffenen Frauen die Anfallsfrequenz abnehmen sollte. Einige, methodisch allerdings angreifbare Untersuchun- gen, scheinen dies zu belegen (1, 17).

Zu beachten ist, dass die (post)me- nopausale Substitution von Östrogen bei Frauen mit Epilepsie durchaus zu einer Zunahme der Anfallsfrequenz führen kann (A. Herzog, persönliche Mitteilung).

Die in einer Schwangerschaft er- höhte Konzentration von Progesteron und Östradiol könnte einen Einfluss auf die Anfallsfrequenz bei Frauen mit Epilepsie haben. Eine Zunahme der Anfälle wird bei 25 bis 30 Prozent der schwangeren Frauen mit Epilepsie be- obachtet (41). Hierzu tragen sicher verschiedene Faktoren (etwa die unre- gelmäßige oder in der Dosis vermin- derte Einnahme von Antiepileptika) bei. Denkbar aber ist, dass sich bei ein- zelnen Frauen auch ein Überwiegen der Östradiolkonzentration prokon- vulsiv auswirkt.

Einfluss der

Antiepileptika auf die Sexualhormone

Eine Beschleunigung oder eine Ver- zögerung der hepatischen Metabo- lisierung der sexuellen Steroidhor- mone kann die Folge einer Therapie mit Antiepileptika sein. Die Beein- flussung der hepatischen Metabolisie- rung ist durch einen verstärkten Ab- bau durch enzyminduzierende Anti- epileptika begründet, oder durch die enzyminhibierende Wirkung von Val- proat, wodurch zum Beispiel Testo- steron verzögert abgebaut wird (24, 25, 34, 37).

In einem Anstieg von Testosteron sehen einige Untersucher einen der Gründe warum sich eine ovarielle Funktionsstörung entwickeln und in ein polyzystisches Ovariensyndrom münden kann: Manifestiert sich näm- lich eine Testosteronerhöhung bei ei- ner Frau, die unabhängig davon poly- zystische Ovarien aufweist (ein Be- A

A2196 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 33½½½½16. August 2002

´ Tabelle 1 ´

Formen katamenialer Anfälle

Phase des Menstruationszyklus Pathophysiologischer Therapieempfehlung*

mit Anfallszunahme Zusammenhang

Periovulatorisch und/oder Präovulatorischer Östradiol- Passagere Benzodiazepingabe;

(prä)menstruell (Tage –2 anstieg bzw. prämenstrueller Meiden leberenzyminduzieren- bis 4 der Menstruation) Entzug von Progesteron in der Antiepileptika (vermehrter

einem ovulatorischen Zyklus hepatischer Abbau durch Progesteronabfall prämen- struell) (29, 36);

Zyklussupprimierung durch synthetische GnRH-Antago- nisten (in Einzelfällen, da relevante Nebenwirkungen möglich) (5)

Anfallszunahme in der Unzureichende Progesteron- Progesteronsubstitution in zweiten Zyklushälfte bildung bei der zweiten Zyklushälfte (als

Lutealinsuffizienz sinnvoll erachtet, wenn Anfalls- frequenz sich in zweiter Zyklus- hälfte verdoppelt) (19, 21).

Anfälle bei chronisch Fehlende Progesteronbildung Induktion ovulatorischer Zyklen

anovulatorischen Zyklen z. B. durch Clomiphen (cave:

mit Amenorrhö Mehrlingsschwangerschaften)

(18).

* Der Entscheidung zur Hormonbehandlung sollte eine exakte prospektive Dokumentation des menstruellen Zyklus und der zeitlichen Struktur der Anfallsmanifestation zugrunde gelegt werden.

Grafik 3

Ovarieller Zyklus mit Anstieg und Abfall der Steroidhormone Östradiol und Progesteron. Ein re- latives Überwiegen der Östradiolwirkung fördert die Manifestation epileptischer Anfälle (Pfeile) periovulatorisch (Anstieg von Östradiol) oder perimenstruell (Abfall von Progesteron) (modifiziert nach Bauer J, Hocke A, Elger CE: Katameniale Anfälle – eine Analyse. Nervenarzt 1995; 66: 760–769).

(5)

fund, der bei 20 Prozent aller Frauen nach der Pubertät vorkommt), dann kann sich, oft unterstützt durch eine Gewichtszunahme, ein polyzystisches Ovariensyndrom entwickeln, das heißt eine hyperandrogenämische Amenorr- hö (26, 27). Dieses, bereits oben er- wähnte Syndrom, kann somit bei Frau- en mit Epilepsie sowohl durch die Er- krankung, als auch durch die Behand- lung induziert werden (22, 26).

Ob die medikamentöse Therapie, insbesondere mit Valproat, de facto zu einer erhöhten PCOS-Inzidenz führt, bleibt zurzeit umstritten; Untersu- chungsergebnisse sprechen sowohl dafür, wie auch dagegen (9, 16, 26, 31).

Immerhin ist es bei einzelnen Patien- tinnen ein durchaus möglicher, und nach dem Wechsel der Therapie re- versibler Pathomechanismus. Daher sollte bei Frauen, die während der anti- konvulsiven Therapie eine Irregularität ihres Menstruationszyklus entwickeln, eine diesbezügliche endokrinologisch gynäkologische Untersuchung durch- geführt werden.

Der Gewichtszunahme, die ein fa- kultatives Symptom des PCOS ist, kommt insofern eine Bedeutung zu, als es damit zum einen zu einer ver- mehrten Aktivierung ovarieller Re- zeptoren des insulin-like growth fac- tors 1 kommt (dies stimuliert die Testosteronbildung), zum anderen das Testosteron im Fettgewebe zu Östra- diol (wie auch Androstendion zu Est- ron) metabolisiert wird und im negati- ven Feedback die hypophysäre Kon- trolle der ovariellen Steroidsynthese stört (27, 33, 40) (Grafik 4).

Schlussfolgerung

Wenn auch die Prophylaxe epilepti- scher Anfälle das maßgebliche Ziel ei- ner medikamentösen Therapie von Epilepsien ist, so erlaubt es die Vielfalt der heutzutage verfügbaren Antiepi- leptika, die eine ähnlich gute anti- konvulsive Wirkung aufweisen, eine Therapie zu etablieren, die den indivi- duellen Faktoren der Patientin ge- recht wird.

Die Berücksichtigung endokriner Störungen ist Teil einer solchen, über die Anfallsbehandlung hinausgehen-

´ Tabelle 2C´

Klinische Symptomatik reproduktiver endokriner Störungen bei Frauen mit Epilepsie

Symptomatik Untersuchungsmethode Befunde Kommentar

Irreguläre Dokumentation der < 23 Tage: Endokrine Ursachen Menstruationszyklen Zyklusdauer für Polymenorrhö der Zyklusstörungen

mindestens 6 Monate > 35 Tage: sollten evaluiert werden Oligomenorrhö

Ohne Blutung > 6 Monate: Amenorrhö

Sterilität Klinische Angabe Keine Konzeption trotz Nachweis oder Aus- ungeschütztem Verkehr schluss menstrueller über 12 Monate. Aus- Zyklusstörungen. Bei schluss von männ- irregulären Zyklen lichen Fertilitäts- weitere endokrinolo- störungen gisch/gynäkologische Untersuchung veran- lassen zum Ausschluss/

Nachweis von Störun- gen wie PCOS, hypotha- lamische Amenorrhö, Hyperprolaktinämie, Schilddrüsen-Dysfunk- tion

Übergewicht oder BMI: Gewicht (in kg)/ Übergewicht: BMI Nachweis oder Aus- Gewichtszunahme Größe (in cm) zum > 25; signifikante schluss menstrueller Quadrat Gewichtszunahme bei Zyklusstörungen. Bei

Zunahme um > 5 kg irregulären Zyklen wei- WHR: Verhältnis des Körperstamm-Über- tere endokrinologisch/

Taillenumfangs zum gewichtigkeit: gynäkologische Unter- Hüftumfang WHR > 0,9 suchung veranlassen Hirsutismus Inspektion oder Männlicher Nachweis oder Aus-

Ferriman-Gallwey Behaarungstyp schluss menstrueller

Score Zyklusstörungen. Bei

irregulären Zyklen wei- tere endokrinologisch/

gynäkologische Unter- suchung veranlassen Galaktorrhö Anamnese Austritt von Milch Nachweis oder Aus-

bei nicht schwangeren schluss menstrueller Frauen Zyklusstörungen. Hirsu-

tismus oder Zeichen von Hypothyroidismus?

Ggfs. weiterführende endokrinologische Untersuchungen BMI, Bodymass-Index; WHR, waist-hip-ratio; PCOS, polzystisches Ovariensyndrom

Modifiziert nach Bauer J, Isojärvi JIT, Herzog AG et al.: J Neurol Neurosurgery Psychiatry 2002 (im Druck)

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Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 33½½½½16. August 2002 AA2199 den Strategie einer moder-

nen antiepileptischen Phar- makotherapie. Dabei ist es von besonderer Bedeutung die Dokumentation endo- kriner Funktionen über- haupt in die Betreuung und Beratung der Patientin zu integrieren. Allein die Dau- er des Menstruationszyklus ist ein einfach zu erheben- des und orientierend aussa- gekräftiges Instrumentari- um. In einer jüngst publi- zierten Studie wurde ge- zeigt, dass die Zyklusdauer bei Frauen mit Epilepsie annähernd darüber Aus- kunft gibt, ob der Zyklus mit einer Ovulation einher- ging. Die Rate ovulatori- scher Zyklen war dabei entweder 75 Prozent (Zy- klusdauer 26 bis 32 Tage), 48 Prozent (Zyklusdauer 21 bis 25 oder 32 bis 35 Tage), oder 9 Prozent (Zyklusdau- er < 21 oder > 35 Tage) (20).

Eine kooperative Zusammenarbeit zwischen Neurologen sowie Gynäko- logen und/oder Endokrinologen wird die Behandlung, Beratung und Be- treuung der Patientinnen wesentlich verbessern und dazu beitragen Epilep- sien in ihrer komplexen Gesamtheit wahrzunehmen und die Behandlung nicht allein antikonvulsiv auszurich- ten. Die symptomorientierte endokri- nologisch gynäkologische Diagnostik ist in ihren Grundzügen in Tabelle 2 zusammengefasst (10).

Manuskript eingereicht: 18. 2. 2002, revidierte Fassung angenommen: 6. 5. 2002

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2002; 99: A 2193–2199 [Heft 33]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Jürgen Bauer Universitätsklinikum Bonn Klinik für Epileptologie Sigmund Freudstraße 25 53105 Bonn

E-Mail: Juergen.Bauer@ukb.uni-bonn.de Grafik 4

Steroidhormonstoffwechsel im Ovar. Die Aktivierung ovarieller Rezeptoren des insulin-like growth factor 1 (IGF-1) infolge einer Gewichtszunahme, zum Beispiel in- duziert durch Antiepileptika, fördert die Bildung von Testosteron. Ein negativer Rückkopplungsmechanismus von Östradiol (E2) zur Hypophyse stört zusätzlich die ova- rielle Steroidbildung (modifiziert nach Bauer J, Krämer G:

Polyzystisches Ovariensyndrom und Epilepsie: Eine aktu- elle Bestandsaufnahme. Aktuel Neurol 2000; 27: 50–53).

Als Reaktion auf eine Gastritis, die durch Helicobacter-pylori hervorge- rufen wurde, entwickeln sich im Laufe der Jahre Lymphfollikel, die in einem von 65 000 Fällen zu einem MALT- Lymphom weiter fortschreiten kön- nen.

Zumindest im Frühstadium der Er- krankung, wenn das Tumorwachstum noch auf Mukosa und Submukosa beschränkt ist, bildet sich dieses Non-Hodgkin-Lymphom nach einer Sanierung der Helicobacter-pylori-In- fektion in 75 Prozent der Fälle zu- rück. Diese Regression nimmt wenige

Wochen bis 18 Monate in Anspruch.

Die Autoren gingen der Frage nach, warum nicht alle MALT-Lympho- me auf die Beseitigung des Anti- gen-Stimulus reagieren. Dabei zeigte sich, dass t(11;18)(q21;q21)-positive MALT- Lymphome sich als therapie- resistent erwiesen.

Die Bestimmung dieser Trans- lokation mittels reverser Transkrip- tion-Polymerase-Kettenreaktion am AP12-MALT1-Transkript erlaubt es, die von dieser Krankheit betroffe- nen Patienten als voraussichtliche Therapieversager zu identifizieren

und einer gezielten Operation bezie- hungsweise Radio-Chemotherapie

zuzuführen. w

Liu H, Ye H, DU M-Q, et al.: T(11;18) Is a marker for all stage gastric malt-lymphomas that will not respond to H. pylori eradication. Gastroenterology 2002; 122:

1286–94.

Dr. Ming-Qing Du, Department of Histopathology, Roy- al Free and University College Medical School. Univer- sity College London, Rockefeller Building. University Street, London WCIE 6U, Großbritannien. E-Mail:

m.du@ucl.ac.uk

T(11;18)-positive MALT-Lymphome sprechen nicht auf Helicobacter-pylori- Therapie an

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