Zu dem Beitrag von
Prof. Dr. med. Franz Daschner et al.
in Heft 6/1989
Kostendämpfung
durch Krankenhaushygiene
1 Vorhandenes nutzen
Mit Interesse habe ich den Arti- kel von Daschner, Rüden und Rotter gelesen. Der Titel hätte vielleicht besser gelautet „Kostendämpfung durch sinnvolle Krankenhaushygie- ne", denn Krankenhaushygiene wird nicht erst seit wenigen Jahren betrie- ben. Scharf formuliert könnte man diesen Beitrag als eine Art Bankrott- erklärung der seitherigen Aktivitäten dieses Teilgebietes des Faches Hy- giene betrachten. Es werden nun von den Autoren Maßnahmen in Frage gestellt, die in ihrer Gesamtheit si- cherlich nicht nur von industrieller, sondern ursprünglich auch von kran- kenhaushygienischer Seite intentio- niert wurden. Hierzu gehören die er- wähnten baulichen Maßnahmen oder überflüssige Desinfektionspro- gramme.
Interessant ist auch die Analyse der Antibiotika-Therapie in Kran- kenhäusern. Es ist ohne jeden Zwei- fel richtig, eine perioperative Pro- phylaxe, wenn es eine solche sein soll, nur sehr kurz durchzuführen und die Indikation für geeignete Ein- griffe zu stellen. Was jedoch mit Ta- belle 7 zur Antibiotika-Therapie aus- gesagt werden soll, ist schwer ver- ständlich, da auch bei einer „Dosie- rung zu hoch/zu niedrig; Dauer zu kurz/zu lang" die Indikation durch den behandelnden Arzt richtig ge- stellt worden sein kann. Sehr pau- schal wird dann daraus eine Einspa- rungsmöglichkeit von 30 bis 70 Pro- zent abgeleitet.
Im Bereich antimikrobieller Chemotherapie würde ein „Kran- kenhausinfektionskontrollpro- gramm" durch den Krankenhaushy- gieniker unnötige Kosten verursa- chen. Anstelle der Nutzung vorhan- dener Infrastrukturen, wie sie an je-
dem Universitätsklinikum, an jedem größeren Krankenhaus vorhanden sind, soll eine neue Kontrollinstanz aufgebaut werden. Krankenhaushy- giene ist in weiten Bereichen auf die Daten der Medizinischen Mikrobio- logie angewiesen. Hier ist also schon eine Institution vorhanden, welche in der Lage ist, dem Arzt am Kran- kenbett die notwendigen Informatio- nen zur Indikation einer Antibioti- katherapie zur Verfügung zu stellen.
In den vergangenen Jahren hat die Medizinische Mikrobiologie Metho- den entwickelt, die eine kalkulierte Chemotherapie auf der Basis indivi- dueller Daten wie Station, Unter- suchungsmaterial, Erregerinzidenz und Resistenzverhalten ermöglicht.
Zusammen mit allgemeinen bakte-
II 2 Motivation des Personals
In dem Übersichtsartikel versu- chen Daschner, Rüden und Rotter zu begründen, warum sie die Kran- kenkassen als Bundesgenossen für ihre Intentionen gewinnen wollen, Personal in größerem Umfang für ei- ne Art „Hygienepolizei" zu rekrutie- ren.
Unbestritten ist, daß das Hygie- neverhalten in vielen Bereichen der Krankenhäuser zu wünschen übrig läßt, das betrifft gleichermaßen den ärztlichen wie den pflegerischen Be- reich. In früheren Jahren wurde von allen Beteiligten selbstverständlich auf die peinliche Einhaltung der Re- geln der Hygiene geachtet; das ge- samte Krankenhauspersonal fühlte sich gewissermaßen als Hygienefach- personal.
Unvermittelt wurde Mitte der 70er Jahre alles bis dahin Praktizier- te als unhygienisch auf das Schärfste
riologischen und pharmakologischen Daten sowie einer klinisch beraten- den Tätigkeit des Medizinischen Mi- krobiologen ist bei konsequenter Durchführung eine richtige Indika- tion und Dosierung von Antibiotika zu erwarten. Inwieweit Kosten ein- gespart werden können, muß — wie in dem Artikel von Daschner, Rüden und Rotter — der Spekulation über- lassen bleiben; zumindest wären die Ausgaben für neue Institutionen ein- zusparen.
Denkanstöße zur Kostensen- kung durch eine Vermeidung über- flüssiger Kosten ohne Nachteile für die Patienten sind äußerst wertvoll.
Doch ist nicht eine Vermehrung der Aktivitäten mit neuen Kosten not- wendig, sondern eine kooperative Nutzung der vorhandenen Einrich- tungen und Möglichkeiten. Um ei- nem solchen Vorgehen zum Erfolg zu verhelfen, ist allerdings auch eine Neuorientierung des Faches Medizi- nische Mikrobiologie notwendig.
Priv.-Doz. Dr. med. W. R. Heizmann Abteilung
Medizinische Mikrobiologie Hygiene-Institut der Universität Silcherstraße 7, 7400 Tübingen
beanstandet. Apodiktisch verlangt wurde nunmehr eine Vielzahl von zum Teil kaum begründbaren und einander widersprechenden Maß- nahmen, deren Folge unter anderem eine immense Kostenexplosion war neben den Problemen, die durch Berge von Einmalmüll heraufbe- schworen wurden.
In der Zwischenzeit wird die Be- seitigung dieser historischen Remi- niszenzen zum essentiellen Einspa- rungsverdienst der Krankenhaushy- giene deklariert. Die Autoren sollten sich einmal die Frage stellen, aus welchen Gründen im Krankenhaus die Krankenhaushygiene nach wie vor nicht ernst genommen wird, sie sollten sich auch die Frage stellen, aus welchen Gründen der erste und bisher einzige Universitätslehrstuhl für Krankenhaushygiene in Ham- burg, den im übrigen ein hervorra- gender Vertreter echter Kranken- haushygiene innehatte, nicht mehr besetzt worden ist. In allererster Li- Dt. Ärztebl. 86, Heft 43, 26. Oktober 1989 (73) A-3195
nie haben sich diejenigen diese Ent- wicklung zuzuschreiben, die durch einander widersprechende Forde- rungen für Kostenexplosion, Müll- berge, Bürokratie und unrealisierba- re Empfehlungen (auch des Bundes- gesundheitsamtes) gesorgt haben.
Niemand im Krankenhaus wird sich einer vernünftigen, begründba- ren und realisierbaren Krankenhaus- hygiene verschließen. Es ist jedoch schlichtweg falsch zu unterstellen, daß jede im Krankenhaus akquirier- te Infektion letztlich auf Nachlässig- keiten des Personals zurückzuführen ist und daß damit deren immense Folgekosten nur durch eine Art
„Hygienepolizei" verhindert werden könnten. Verweildauerverlängerun- gen sind nicht notwendigerweise nur auf nosokomiale Infektionen im Sin- ne der Krankenhaushygiene zurück- zuführen, sondern können unter Umständen auch durch immer noch vorkommende, anderweitige medizi- nische Zusammenhänge bedingt sein (Änderungen der Immunitätslage, metabolische Störungen, versagende Hämodynamik etc.), dies betrifft ins- besondere Patienten auf Intensivsta- tionen.
Daß bei Änderungsbauten oder Neubauten in einem Klinikum der Krankenhaushygieniker ein gewich- tiges Wort mit zureden hat, steht au- ßer Frage. Eine Schlüsselrolle kann ihm dabei jedoch nicht zukommen.
Die Autoren tragen meines Er- achtens wenig zur Klärung bei, wenn sie als „nicht notwendige bauliche Maßnahmen Umkleideschleusen für Intensivpflegestationen, Anlagen für Eingriffräume, Intensivpflege etc."
betrachten, wenn sie unterstellen, daß nur „in 12 Prozent die Indika- tion zur Antibiotikatherapie in Kran- kenhäusern richtig gestellt wird" etc.
Keine noch so schöne Einsparungs- tabelle wird — auch wenn sie aus den USA stammt — das Ansehen der Krankenhaushygiene verbessern, wenn diese nicht selbst durch ver- nünftige, mit einschlägigen Untersu- chungen belebte, einheitliche und realisierbare Vorstellungen das Ver- ständnis und die Motivation des Per- sonals im Krankenhaus hervorzuru- fen vermag. Daß dies möglich ist, be- legen einschlägige Beispiele. Mit dem Ruf nach einer zusätzlichen
Truppe von „Hygienepolizisten" ist dem Problem meines Erachtens nicht beizukommen.
Prof. Dr. med. Wolfgang Dick Leiter der Klinik
für Anästhesiologie Universitätsklinikum Langenbeckstraße 1 6500 Mainz
Schlußwort
BI
Zuerst einmal Dank den zahlrei- chen Kollegen, die zustimmend ge- schrieben haben; hier nun der kurze Kommentar zu den beiden einzigen kritischen Leserbriefen:1. Da die beiden Autoren der Leserbriefe aus Universitäten kom- men, die durch entsprechende kran- kenhaushygienische Abteilungen be- treut werden, dürfte es den Verfas- sern bekannt sein, daß die Beratung und Unterstützung des Klinikers durch den Krankenhaushygieniker nur so weit gehen kann, wie es die Klinik durch Bereitstellung von Sach- und Personalmitteln zuläßt.
2. An keiner Stelle fordern wir ei- ne Art „Hygienepolizei". Sie ist die schlechteste Form der Krankenhaus- hygiene. Allerdings verwundert es schon, wenn Qualitätskontrolle bezie- hungsweise Qualitätssicherung — wie von uns gefordert — automatisch mit Polizeifunktion gleichgesetzt wird.
3. An keiner Stelle haben wir geschrieben, daß „jede im Kranken- haus akquirierte Infektion letztlich auf Nachlässigkeiten des Personals zurückzuführen ist". Auch den Auto- ren ist bekannt, daß auch — übrigens im Artikel nachzulesen — mit den be- sten Methoden der Krankenhaushy- giene nur 30 bis 40 Prozent aller Krankenhausinfektionen zu verhü- ten sind, der Rest bleibt leider schicksalhaft. Eine Gleichsetzung von Krankenhausinfektion mit iatro- gener Infektion beziehungsweise durch Arzt- und Pflegepersonal ver- schuldeter Infektion wäre eine fatale Unterstellung und Desavouierung von Ärzten und Pflegepersonal.
4. Ebenso wie andere Fächer nimmt auch die Krankenhaushygie- ne für sich in Anspruch, ihre Lehr- meinung zu ändern, wenn neue wis- senschaftliche Daten vorliegen. Was beispielsweise in der Anästhesie vor
15 Jahren üblich war, gilt heute teil- weise als Kunstfehler.
5. Die Zahlen über die Antibio- tikaeinsparungen in deutschen Klini- ken entstammen einem Gutachten, welches das Arbeitsministerium in Bonn in Auftrag gegeben hat. Es gibt wenig Grund, daran zu zweifeln. Der Rechnungshof Baden-Württemberg hat kürzlich festgestellt, daß zumin- dest in einigen Universitätskliniken Baden-Württembergs noch ein ge- wisses Einsparungspotential bei An- tibiotika möglich wäre. Freiburg hat mit Abstand den geringsten Antibio- tikaverbrauch. Hier hat sich die Zu- sammenarbeit zwischen Kliniken, Mikrobiologie und Krankenhaushy- giene bestens bewährt.
6. Einen Satz des Leserbriefes von Herrn Dick können wir mit un- terschreiben: „Unbestritten ist, daß das Hygieneverhalten in vielen Be- reichen der Krankenhäuser zu wün- schen übrig läßt, das betrifft glei- chermaßen den ärztlichen wie den pflegerischen Bereich." Nicht mehr, aber auch nicht weniger wollten wir sagen. Packen wir es an — gemein- sam, kollegial, ohne Vorbehalte und Unterstellungen. Unsere gemeinsa- men Probleme werden in Zukunft eher größer als kleiner.
P. S.
In Tabelle 5 „Nicht notwendige bau- liche Maßnahmen" ist unter dem letzten Punkt ein entscheidendes Wort ausgelassen worden. Es muß vollständig heißen: „Raumlufttechni- sche Anlagen für Eingriffsräume etc." statt nur „Anlagen für Ein- griffsräume etc.".
Für die Autoren:
Prof. Dr. med. Franz Daschner Leiter der Klinikhygiene Universitätsklinikum Freiburg WHO Collaborating Institution for Appropriate Use of Antibiotics Therapy, Policy and Control Hugstetter Straße 55
7800 Freiburg im Breisgau Prof. Dr. H. Rüden Ärztlicher Direktor Hygiene-Institut der Freien Universität Berlin Prof. D. M. Rotter Hygiene Institut Universität Wien A-3196 (74) Dt. Ärztebl. 86, Heft 43, 26. Oktober 1989