DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT WIRTSCHAFT
Börsebius: Anlegerfalle Anguilla
D
er Arzt im Praktikum (AiP) kann keine großen finanziellen Sprünge machen. Das wissen auch die Versicherungsunter- nehmen. Aus der Branche kommen einige Angebote, die auf den schmalen Geld- beutel des AiP abgestimmt sind.Nach jetzigem Stand kann sich der AiP von der Kran- kenversicherungspflicht be- freien lassen. Der Antrag auf Befreiung ist innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht bei der zuständigen Pflichtkran- kenkasse zu stellen. Ein formloses Schreiben genügt.
Der Nachweis einer beste- henden privaten Krankenver- sicherung ist für die Befrei- ung nicht erforderlich. Um den vollen Arbeitgeberanteil zu erhalten, braucht man je-
doch eine Vollversicherung einschließlich Tagegeld.
Einige Versicherungen bieten ein „Rundum-Paket".
Der Spezialtarif eines großen Versicherers übernimmt alle medizinisch notwendigen am- bulanten Kosten sowie die Regel- und Wahlleistungen im Krankenhaus. Ferner wer- den die Kosten für Zahnbe- handlung zu 100 Prozent, die Kosten für Zahnersatz zu 50 Prozent erstattet. Ein AiP (männlich) zahlt 62 DM Mo- natsprämie.
Um den Arbeitgeberzu- schuß zu bekommen, muß er Verdienstausfallversicherung nachweisen. Die Höhe des Tagessatzes orientiert sich am Verdienst des AiP (höchstens 80 Prozent des Bruttoeinkommens). Ein Ta- gegeld ab 43. Tag in Höhe von 50 DM kostet für einen 29jährigen AiP monatlich 6,25 DM (männlich) oder 8,75 DM (weiblich). Aber auch eine Krankenhaustage- geldversicherung (KHT) wird vom Arbeitgeber bezu- schußt. Beispiel: Ein KHT von 100 DM (Leistung ab 1.
Kliniktag) kostet 21 DM im Monat; davon würde der Ar- beitgeber die Hälfte überneh- men.
Wer bei der gesetzlichen Krankenversicherung bleiben möchte, kann seinen Versi- cherungsschutz durch eine stationäre Zusatzpolice er- gänzen. Dann werden 100 Prozent der Wahlleistungen im Ein- oder Zweibettzim- mer übernommen. Monats- beitrag einer derartigen Poli- ce: 11,90 DM (männlich), 27 DM (weiblich).
Zur Grund-Versiche- rungsausstattung gehören noch zwei weitere Sparten:
die Haftpflicht- und Unfall- versicherung. Junge Ärzte benötigen eine Berufshaft- pflicht — am besten mit gleichzeitigem Einschluß der privaten Haftpflicht. Das Versicherungspaket sieht für
die ersten beiden Versiche- rungsjahre, d. h. für die Dau- er der AiP-Zeit von 18 Mona- ten und für ein weiteres hal- bes Jahr Assistenzarzt-Zeit, einen Jahresbeitrag von 75 DM vor, ab. 3. Versiche- rungsjahr erhöht sich die Prä- mie auf 150 DM.
Die Deckungssummen be- tragen jeweils 2 000 000 für Personenschäden, höchstens 1 000 000 für die einzelne Person, 300 000 für Sach- schäden und 50 000 für Ver- mögensschäden. Eine Unfall- police ist für den AiP wichtig.
Die gesetzliche Unfallversi- cherung bietet lediglich eine Basisversorgung. Deshalb wurde speziell für den AiP ei- ne private Unfallversiche- rung mit Infektionsschutz entwickelt. Versichert sind Berufsunfälle ohne Weg. Es kann alternativ eine Versi- cherungssumme für Invalidi- tätsleistungen mit verbesser- ter Gliedertaxe in Höhe von 100 000 DM zu einem Ein- malbeitrag von 26 DM oder 75 000 DM zu einem Einmal- beitrag von 20 DM vereinbart werden. BE
Kennen Sie Anguilla, ei- nes der „letzten echten"
Steuerparadiese? Wenn Ih- nen dieses in Britisch West Indien gelegene Fleckchen Erde nichts sagt, dann ist Ih- nen sicher auch die dort behei- matete Inter Capital Bank nicht geläufig. Dieses Geldin- stitut offeriert über die Züri- cher Inter Capital Finanz AG Kapitalanlagemöglichkeiten, die — will man den Prospekt- aussagen Glauben schenken—
absolut sicher sind und hohe Gewinne abwerfen.
In ihrer Information für Kunden und Geschäftspart- ner unterstreicht die Inter Capital Finanz AG, daß sie auf gar keinen Fall hochris- kante OTC-Aktien vermit- telt, sich von Warentermin- geschäften fernhält und jed- wede Finanzgeschäfte speku- lativer Art meidet. Das hört sich vielversprechend an. Das gilt erst recht für die „Pro- dukte" der Inter Capital Bank. Da werden zunächst einmal Anlagen mit einer Verzinsung von wenigstens 7 Prozent p. a. angeboten, bei denen durch den Abschluß einer Versicherung das einge- setzte Kapital absolut ge- deckt sei. Auch Festgeldanla- gen in DM, Schweizer Fran- ken und US-Dollar sind mög- lich; bei einer Laufzeit bis zu fünf Jahren seien Renditen von 7 bis 11 Prozent erziel- bar. Schließlich gibt es noch Zinsdifferenz-Anlagen — oh- ne Währungsrisiko, mit einer attraktiven Gewinnquote von bis zu 14 Prozent, je nach Laufzeit, so das Angebot. Al- so, was will man mehr?
Wie Heinz Gerlach vom Kapitalanlageinformations- zentrum Oberursel mitteilt, handelt es sich bei der im so- genannten Steuerparadies Anguilla gelegenen Inter Ca- pital Bank um ein Institut, das zwar in Anguilla seinen rechtlichen Sitz hat, gleich- wohl dort aber keinerlei Bankgeschäfte tätigen darf.
Unter den Initiatoren und Hintermännern tauchen alt- bekannte Namen des „grau-
en" Kapitalmarktes auf. Di- rektor der Inter Capital Bank ist Rudolf E. Ruch, der auch gleichzeitig einziger Verwal- tungsrat der Inter Capital Fi- nanz AG ist. An der Bank sind außerdem Hans Anton Keller und die Pharma In- vestment Holding AG mitbe- teiligt. Und just die Pharma Investment beziehungsweise Ruch boten 1983 „streng ver- traulich" Anlegern an, sich an einer Bank zu beteiligen, eben der Inter Capital Bank.
Aus den Hochglanz- prospekten, die dem Interes- senten zugeschickt werden, geht nicht hervor, wo die Gelder angelegt werden und mit welcher Versicherung die Bank bei den Hochzinsanla- gen zusammenarbeitet, Vor- sicht ist also geboten. Auffal- lend ist ferner, daß in den Prospektunterlagen die Na- men und Anschriften der Ge- schäftsführer nicht angege- ben sind, ebensowenig wie die Höhe des haftenden Ei- genkapitals. Ganz bedenk- lich: der Gerichtsstand ist Anguilla, womit eine allfälli- ge Durchsetzung rechtlicher Ansprüche so gut wie unmög- lich sein dürfte. Angaben über eine Mittelverwen- dungskontrolle fehlen. Wenn aber eine unabhängige Mittelverwendungskontrolle fehlt, besteht die Gefahr, daß die Gelder nicht vertragsge- mäß angelegt werden. Ein glänzendes Geschäft machen jedenfalls die Anlagevermitt- ler, darunter zum Beispiel der Kieler Manfred Hansen, die für Abschlüsse Provisio- nen je nach Laufzeit von 2 bis 8 Prozent kassieren. Mir scheint, es verdienen hier die falschen Leute.
Börsebius
Leserservice: Wenn Sie ei- ne möglicherweise dubiose Kapitalanlage prüfen lassen wollen, können Sie sich gerne an den Autor wenden: Diplom-Ökonom Reinhold Rombach, Ru- dolfweg 3, 5000 Köln 50
Die „richtige" Versicherung für den/die „AiP"
A-3270 (74) Dt. Ärztebl. 85 , Heft 46, 17. November 1988