Aus dem Institut für Funktionelle und Angewandte Anatomie und der Klinik für
Pädiatrische Pneumologie, Allergologie und Neonatologie der Medizinischen Hochschule Hannover
angefertigt im Rahmen der strukturierten Doktorandenausbildung StrucMed
Pränatale LPS -Applikation potenziert die Verzögerung
der morphologischen Lungenausreifung und die pulmonale Entzündungsreaktion
in transgenen
E rb B 4 heart−/− -Mäusen.
Dissertation
zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin in der Medizinischen Hochschule Hannover
vorgelegt von
Jan Behrens
aus Braunschweig
Hannover 2011
Präsident: Professor Dr. med. Dieter Bitter-Suermann
Betreuer der Arbeit: Professor Dr. med. Dr. rer. nat. Andreas Schmiedl Kobetreuerin: Professor Dr. med. Christiane E. L. Dammann
Referent:
Koreferent:
Tag der mündlichen Prüfung:
Prüfungsausschussmitglieder:
Für meine Eltern
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung 1
1.1 Anatomische und funktionelle Grundlagen der Lunge 1
1.2 Die Entwicklung der Säugetierlunge . . . 2
1.3 Das Surfactantsystem der Lunge . . . 5
1.3.1 Das Surfactantsystem im Rahmen respiratori- scher Funktionen . . . 5
1.3.2 Die Surfactantproteine im Rahmen immuno- logischer Funktionen . . . 7
1.4 LPSund Lungenentwicklung . . . 11
1.4.1 Reaktionskaskade nachLPS-Exposition . . . . 11
1.5 ErbB4-Rezeptoren und Neuregulin . . . 13
1.5.1 Aufbau und Funktion . . . 13
1.5.2 ErbB4-Deletion im murinen Tiermodell . . . . 16
1.6 Fragestellung und Ziel . . . 18
2 Material und Methoden 19 2.1 Experimentelles Design . . . 19
2.1.1 Versuchstiere . . . 19
2.1.2 LPS-Injektion . . . 20
2.1.3 Operation und Probengewinnung . . . 22
2.2 Histologie . . . 25
2.2.1 Cytospots . . . 25
2.2.2 Kryostatschnitte . . . 27
2.2.3 H. E.-Färbung . . . 28
2.2.4 Orcein-Färbung . . . 29
2.2.5 ImmunhistochemieCD11b . . . 29
2.3 Western Blot . . . 32
2.4 TNF-α-Bestimmung . . . 34
2.5 qRT-PCR . . . 34
2.6 Morphometrische Methoden . . . 36
2.6.1 Sampling. . . 37
2.6.2 Stereologische Parameter . . . 38
2.6.3 Bestimmung der Zelldichte . . . 41
2.6.4 Statistische Analyse . . . 42
3 Ergebnisse 43
3.1 Cytospots des Muttertierbluts . . . 43
3.2 Fetale Gewichte und Körperform . . . 44
3.3 Histologie . . . 45
3.3.1 Qualitative Befunde . . . 45
3.3.2 Stereologische Befunde . . . 50
3.3.3 Verteilung und Form der elastischen Fasern . 56 3.4 Immunhistochemie – Entzündungsstatus der Lunge . 63 3.4.1 Qualitative Befunde . . . 63
3.4.2 Morphometrische Befunde . . . 70
3.5 TNF-α-Konzentrationen im Lungenparenchym . . . . 72
3.6 Entzündungsstatus der Plazenta . . . 73
3.7 Surfactantprotein-Expression auf mRNA- und Protein- ebene . . . 73
4 Diskussion 77 4.1 Methoden . . . 77
4.2 Lungenentwicklung,ErbB4-Rezeptoren undErbB4- Deletion . . . 79
4.3 LPSund Lungenentwicklung . . . 81
4.3.1 Aspekte einerLPS-induzierten Chorioamnio- nitis als Ausgangsfaktor für Retardierungen der Lungenreife . . . 81
4.3.2 Retardierung der fetalen morphologischen Lun- genausreifung in Kombination mit chronisch- persistierenden, endzündlichen Reaktionen im Lungenparenchyms durchLPS-Exposition . . 83
4.3.3 Interaktionen zwischenLPS,TLR-4-Signalweg und Mesenchym . . . 84
4.3.4 Forcierte Induktion des Surfactantsystems durchLPS . . . 86
4.3.5 Effekte der Chorioamnionitis auf die Morpho- genese der fetalen Lunge und ihre klinische Relevanz . . . 87
4.4 Wirkungen vonLPSundErbB4-Deletion auf die Lun- genentwicklung, Surfactantproteinexpression und Ent- zündungsreaktion in fetalen Lungen von Mäusen . . 89
4.4.1 Strukturelle und entzündliche Veränderungen in Lungen von adulten und fetalenErbB4heart−/−- Mäusen nach NaCl-Behandlung . . . 89
Inhaltsverzeichnis 4.4.2 Strukturelle und entzündliche Veränderun-
gen in Lungen von fetalen Wildtyp- und
ErbB4heart−/−-Mäusen nachLPS-Behandlung . . 90
4.4.3 Verstärkung der entzündlichen Prozesse in ErbB4-deletierten Lungen als Folge einer Her- abregulation der SP-Aund SP-D-mRNA nach LPS-Behandlung . . . 91
4.4.4 Verminderte Aggregation des alveolärenLPS durch Herabregulation derSP-AundSP-D-mRNA 92 4.4.5 Einfluss von LPS auf die mRNA-Expression und Proteinexpression vonSP-BundSP-C . . . 93
4.4.6 Einwanderung von Entzündungszellen in das Lungenparenchym als Folge erhöhter alveolä- rerLPS-Konzentrationen . . . 93
4.4.7 CD11b-bedingte Migration von Entzündungs- zellen und Aktivierung des Komplementsys- tems viaCD11b undLPS . . . 94
4.4.8 Erhöhte Expression vonTNF-α mit Gewebe- destruktion und Persistenz der Entzündungs- reaktion . . . 96
4.4.9 Zusammenhang zwischen erniedrigtenSP-A- und erhöhtenTNF-α-Konzentrationen . . . . 98
4.4.10 Dysformation und Destruktion elastischer Fa- sern durch Proteasen und Cathepsin . . . 98
4.5 Vergleiche zu Studien anderer Spezies . . . 103
4.6 Ausblick . . . 103
5 Zusammenfassung 105 5.1 Fragestellung und Ziel . . . 105
5.2 Material und Methoden . . . 106
5.3 Ergebnisse . . . 107
5.3.1 Morphologische Entwicklung . . . 107
5.3.2 Inflammatorischer Status . . . 108
5.3.3 Elastische Fasern . . . 108
5.3.4 Auswirkungen auf das Surfactantsystem . . . 109
Literaturverzeichnis 111
Abbildungsverzeichnis
1.1 Entwicklungsstadien der Säugetierlunge . . . 3
1.2 Surfactantzyklus . . . 7
1.3 Surfactantprotein A . . . 8
1.4 Surfactantprotein D . . . 8
1.5 Immunologische Funktionen vonSP-AundSP-D. . . . 10
1.6 Prä- und postnatale Einflussfaktoren auf die fetale Lunge . . . 12
1.7 Elemente derLPS-Signalkaskade . . . 13
1.8 Struktureller Aufbau desErbB-Rezeptors . . . 14
1.9 Rezeptordimerisierung durch Bindung vonNRG-1β an ErbB4-Rezeptoren . . . 16
2.1 Versuchsaufbau . . . 20
2.2 Intraamnionale Injektion derLPS-Patentblau V-Lösung 21 2.3 Verteilung der LPS-Patentblau V-Lösung durch die Amnionhöhlen . . . 22
2.4 Testfeld nach Baddeley et al. . . 37
3.1 Cytospots des maternalen Bluts . . . 43
3.2 Fetale Gewichte . . . 44
3.3 OP-Situs: Fetus nach Behandlung mit NaCl . . . 45
3.4 OP-Situs: Fetus nach Behandlung mitLPS . . . 45
3.5 Lungenparenchym eines NaCl-behandelten Wildtyp- Fetus . . . 46
3.6 Lungenparenchym eines NaCl-behandeltenErbB4heart−/−- Fetus . . . 47
3.7 Lungenparenchym eines LPS-behandelten Wildtyp- Fetus . . . 48
3.8 Lungenparenchym einesLPS-behandeltenErbB4heart−/−- Fetus . . . 49
3.9 Detailaufnahme eines mesenchymalen Areals . . . . 50
3.10 Volumendichten des Mesenchyms . . . 51
3.11 Volumendichten der Lufträume . . . 52
3.12 OberflächendichteSv . . . 53
3.13 Volumendichte der Alveolarsepten . . . 54 3.14 Septendicke . . . 55 3.15 Elastinfasern in Blutgefäßwänden eines NaCl-behan-
delten Wildtyp-Fetus . . . 56 3.16 Alveolarseptum eines NaCl-behandelten Wildtyp-Fetus 57 3.17 Pulmonales Blutgefäß im Lungenparenchym eines
NaCl-behandeltenErbB4heart−/−-Fetus . . . 58 3.18 Alveolarseptum eines NaCl-behandeltenErbB4heart−/−-
Fetus . . . 59 3.19 Pulmonales Blutgefäß und Lungenparenchym eines
LPS-behandelten Wildtyp-Fetus . . . 60 3.20 Blutgefäßwand einesLPS-behandeltenErbB4heart−/−-Fetus 61 3.21 Lungenparenchym einesLPS-behandeltenErbB4heart−/−-
Fetus . . . 62 3.22 CD11b-positive Makrophagen in Alveolarlichtung . . 63 3.23 CD11b-positiver neutrophiler Granulozyt im Alveo-
larseptum . . . 64 3.24 Immunhistochemische Darstellung des Lungenparen-
chyms eines NaCl-behandelten Wildtyp-Fetus . . . . 65 3.25 Immunhistochemische Darstellung des Lungenparen-
chyms eines NaCl-behandeltenErbB4heart−/−-Fetus . . 66 3.26 Immunhistochemische Darstellung des Lungenparen-
chyms einesLPS-behandelten Wildtyp-Fetus . . . 67 3.27 Immunhistochemische Darstellung des Lungenparen-
chyms einesLPS-behandeltenErbB4heart−/−-Fetus . . . 68 3.28 Immunhistochemische Detailaufnahme des Lungen-
parenchyms einesLPS-behandeltenErbB4heart−/−-Fetus 69 3.29 Zelldichte derCD11b-positiven Makrophagen im Lun-
genparenchym . . . 70 3.30 Zelldichte derCD11b-positiven neutrophilen Granu-
lozyten im Lungenparenchym . . . 71 3.31 TNF-α-Konzentrationen im Lungenparenchym . . . . 72 3.32 Plazenta einerLPS-behandelten Maus . . . 73 3.33 PCR: Surfactantprotein-mRNA-Expression in Lungen
LPS-behandelter Mäusefeten . . . 74 3.34 Western Blot:Surfactantprotein-Expression in Lungen
LPS-behandelter Mäusefeten . . . 76 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse zum Einfluss der De-
letion pulmonalerErbB4-Rezeptoren in fetalen Lungen von Mäusen . . . 101
Abbildungsverzeichnis 4.2 Zusammenfassung der Ergebnisse zumErbB4-Rezeptor-
abhängigen Einfluss vonLPSauf die morphologische murine Lungenentwicklung . . . 102
Tabellenverzeichnis
2.1 Anzahlen der untersuchten fetalen Lungen . . . 20
2.2 Aufteilung der fetalen Lungen für histologische und molekularbiologischeUntersuchungen . . . 23
2.3 Aufarbeitung der linken Lungen für histologische Un- tersuchungen . . . 23
2.4 Aufarbeitung der rechten Lungen fürWestern Blots undPCR . . . 24
2.5 Aufarbeitung der Plazenten . . . 24
2.6 Zellaufarbeitung für Cytospots . . . 25
2.7 Schema zur Herstellung von Cytospotpräparaten . . 26
2.8 Färbeprotokoll – Diff-Quick®-Färbung zur Herstel- lung von Cytospotpräparaten . . . 26
2.9 Schnittprotokoll für Kryostatschnitte . . . 27
2.10 Definition der Schnittebenen . . . 28
2.11 Färbeprotokoll –H. E.-Färbung . . . 28
2.12 Färbeprotokoll – Orcein-Färbung . . . 29
2.13 Färbeprotokoll – Immunhistochemischer Nachweis fürCD11b . . . 31
2.14 Primerfürβ-Actin und Surfactantproteine . . . 35
Abkürzungsverzeichnis
AE I Alveolarepithelzellen TypI AE II Alveolarepithelzellen TypII ANOVA Analysis of Variance
AZ Aktenzeichen
BAL Bronchoalveoläre Lavage
BPD Bronchopulmonale Dysplasie
BSA Bovine Serum Albumin
C1q KomplementkomponenteC1q
C3b KomplementkomponenteC3b
C5a KomplementkomponenteC5a
C5b KomplementkomponenteC5b
CD11b Cluster of Differentiation 11b
CD14 Cluster of Differentiation 14
CD18 Cluster of Differentiation 18
CD91 Cluster of Differentiation 91
cDNA complementary Desoxyribonucleine Acid
CR1 Complement Receptor 1
CRD Carbohydrate Recognition Domain
CTGF Connective Tissue Growth Factor
DAB 3,3’-Diaminobenzidintetrahydrochlorid
DNA Desoxyribonucleine Acid
DPPC Dipalmitoylphosphatidylcholin
EGF Epidermal Growth Factor
EGFR Epidermal Growth Factor Receptor(synonym:ErbB1 oder
HER1)
ER Endoplasmatisches Retikulum
ErbB Erythroblastic Leukemia Viral Oncogene Homolog synonym:HER(Humaner Epidermaler
Wachstumsfaktor-Rezeptor), Rezeptorfamilie der Tyrosinkinasen
ErbB1 synonym:EGFRoderHER1-Rezeptor (Humaner Epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor 1), Rezeptorfamilie der Tyrosinkinasen
ErbB2 synonym:HER2-Rezeptor (Humaner Epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor 2), Rezeptorfamilie der Tyrosinkinasen
ErbB3 synonym:HER3-Rezeptor (Humaner Epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor 3), Rezeptorfamilie der Tyrosinkinasen
ErbB4 synonym:HER4-Rezeptor (Humaner Epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor 4), Rezeptorfamilie der Tyrosinkinasen
FcR Fc-Rezeptor (Membranrezeptor für Immunglobulin-Isotypen)
FCS Fetal Calf Serum
G. C. Glukokortikoide
GD Gestation Day gp-340 Glykoprotein 340
HDL High Density Lipoprotein
H. E. Hämatoxylin / Eosin
HER Humaner Epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor (Rezeptorfamilie der Tyrosinkinasen, synonym:
ErbB-Rezeptor)
HER1 Humaner Epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor 1 (synonym:EGFRoderErbB1)
HER4 Humaner Epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor 4 (synonym:ErbB4)
HRP Horseradish Peroxidase
ICAM-1 Inter-Cellular Adhesion Molecule 1
IgG Immunglobulin G
IgG2b Immunglobulin G2b
IL-1 Interleukin 1
IL-6 Interleukin 6
IL-8 Interleukin 8
IRDS Infant Respiratory Distress Syndrome
IUFD Intra-Uterine Fetal Death
IUGR Intra-Uterine Growth Retardation
Lk Lamellenkörperchen
LBP Lipopolysaccarid Binding Protein
LPS Lipopolysaccarid (synonym: Endotoxin)
Mac 1 synonym:CD11b, einβ2-Integrin mRNA messengerRNA
mvK multivesikuläre Körperchen
NFκB Nuclear Factor ‘kappa light chain enhancer’ of activated B-cells
Abkürzungsverzeichnis
NRG Neuregulin
NRG-1 Neuregulin 1
NRG-2 Neuregulin 2
PAMP Pattern-Associated Molecular Pattern
PBS Phosphat Buffered Saline
PCR Polymerase Chain Reaction
PMN polymorphkernige neutrophile Granulozyten
POX Peroxidase
PRR Pattern Recognition Receptor qRT-PCR quantitative Real-TimePCR
rER raues endoplasmatisches Retikulum
RNA Ribonucleine Acid
R. O. S. Reactive Oxygen Species
sCD14 soluble Cluster of Differentiation 14
SDS Sodium Dodecyl Sulfate
SEM Standard Error of the Mean
SIRP Signal Inhibitory Regulatory Protein
SIRP-α Signal Inhibitory Regulatory Protein α
SP Surfactantprotein
SP-A Surfactantprotein A
SP-B Surfactantprotein B
SP-C Surfactantprotein C
SP-D Surfactantprotein D
SSW Schwangerschaftswoche
TBST Tris-Buffered Saline Tween
TGF-α Transforming Growth Factor alpha
TNF-α Tumornekrosefaktor alpha
TLR Toll-Like Receptor
TLR-2 Toll-Like Receptor 2
TLR-4 Toll-Like Receptor 4
ZNS Zentralnervensystem
. Kapitel 1
Einleitung
1.1 Anatomische und funktionelle Grundlagen der Lunge
Jede Lunge besteht funktionell aus luftleitenden und gasaustauschen- den Anteilen. Zu den luftleitenden Anteilen gehören die Bronchien und Bronchioli. Der Gasaustausch erfolgt in denDuctus alveolares, welche ein weitlumiges Gangsystem mit dicht nebeneinander lie- genden Zugängen zu den Alveolen darstellen und in Gruppen von Alveolen(Sacculi alveolares)enden.
Jeder menschliche Lungenflügel besteht unter anderem aus ca. 300 Mil- lionen Alveolen mit einem durchschnittlichen Einzeldurchmesser von 250–300 µm. Die Gesamtheit aller Alveolen vergrößert die innere Oberfläche der Lunge bei mittlerer Atemtiefe auf etwa 140 m2. Die jeweils zwischen zwei benachbarten Alveolen ausgebildeten Wände (Alveolarsepten) werden von Alveolarepithelzellen TypI(AE I), TypII
(AE II) und Bindegewebe gebildet, in dem sich zahlreiche Kapillaren und elastische Fasern befinden.AE Isindflach ausgezogene, dünne Plattenepithelzellen, die eine kontinuierliche Zelllage bilden und 90 % der Alveolaroberfläche bedecken.AE IIsind kubische Zellen und fun- gieren als Stammzellen für zugrunde gegangeneAE I. Sie synthetisie- ren, speichern und reabsorbieren ein Protein-Phospholipid-Gemisch (Surface active agent;Surfactant), welches die gesamte Oberfläche der Alveolen gleichmäßig benetzt und die Oberflächenspannung herab- setzt (Clements 1997).
Als weitere, zelluläre Bestandteile enthält das Lungenparenchym Ma- krophagen, Leukozyten und Fibroblasten. Letztere sind nicht nur ein integraler Bestandteil der Alveolarwand, sondern haben nach
Verletzungen der Lunge mittels Sekretion und Expression verschiede- ner Enzyme, Proteine und Wachstumsfaktoren auch entscheidenden Anteil an der zellulären Reperatur und Regeneration sowie der Stabi- lisierung der extrazellulären Matrix (Kuang et al. 2005). Der Gasaus- tauschper diffusionemerfolgt über die Blut-Luft-Schranke, welche von Endothelzellen der Kapillaren, den miteinander verschmolzenen Basallaminæ des Kapillarendothels und Alveolarepithels sowie Sur- factant gebildet wird. Hier ist die Barriere zwischen Alveolarlumen und Kapillarnetz stark reduziert, so dass die Diffusionsstrecke für die Atemgase zwischen Alveolarlichtung und Kapillarlumen durch- schnittlich 2,2 µm beträgt und dadurch einen effizienten Gasaustausch ermöglicht (Schiebler & Korf 2007).
1.2 Die Entwicklung der Säugetierlunge
Die Entwicklung der Säugetierlunge erfolgt in Phasen, die spezies- spezifisch in ihrer zeitlichen Länge variieren. Während der pränatalen Lungenentwicklung unterscheidet man eine frühe, embryonale und eine fetale Periode. Die fetale Periode unterteilt sich wiederum in drei Stadien: pseudoglandulär, kanalikulär und sacculär. Diese drei Stadien überlappen sich zeitlich und sind somit nicht determiniert voneinander abgrenzbar (Burri 1984). Vergleicht man die Lungenent- wicklung des Menschen mit der von Mäusen, so zeigen sichUnter- schiede.Während die alveoläre Phase beim Menschen bereits pränatal in der 36. Schwangerschaftswoche (SSW) beginnt, erfolgt die Alveola- risierung bei Ratten (Burri 1974) und Mäusen (Amy et al. 1977) erst postnatal. Die im Folgenden beschriebenen Entwicklungsphasen sind in Abb. 1.1 dargestellt.
Während der embryonalen Phase, die beim Menschen zwischen der 1. und 7.SSWund bei der Maus zwischen Schwangerschaftstag (Gesta- tion Day,GD) 1 und 9 liegt, bildet sich eine Lungenknospe als ventrale Ausstülpung aus dem Vorderdarm und wächst nach distal. Simul- tan erfolgt der Anschluss an das Gefäßsystem. Die Pulmonalarterien entspringen aus dem 6. Aortenbogen und wachsen in das die em- bryonale Lungenanlage umgebende Mesenchym ein, wo sie vaskuläre Plexus bilden. Von der humanen Lunge werden während dieser Phase ca. 15 mℓ/kg Körpergewicht Amnionflüssigkeit produziert, die über
1.2 Die Entwicklung der Säugetierlunge
Lungen- knospe
Lungen- knospe
embryonal pseudoglandulär kanalikulär sacculär alveolär
Abbildung 1.1:
Entwicklungsstadien der Säugetierlunge. Die Entwicklung der Lunge glie- dert sich in eine embryonale, pseudoglanduläre, kanalikuläre, sacculäre sowie alveoläre Phase. Die vollständige morphologische Ausreifung der humanen Lunge dauert mindestens bis zum zweiten Lebensjahr, während die Entwicklung der murinen Lunge am Ende der vierten Woche postnatal abgeschlossen ist. Bild modifiziert nach Whitsett et al. (2004).
die Trachea und den Mund nach außen abfließen oder geschluckt werden (Burri 1984).
Während des folgenden, pseudoglandulären Stadiums, welches bei menschlichen Lungen zwischen der 5. und 17. SSW, bei murinen Lungen zwischen dem 9. und 16. GD liegt, ähnelt die Lunge einer tubuloazinären Drüse. Die Tubuli sprossen unter dem wachstums- und verzweigungsfördernden Einfluss des umgebenden Mesenchyms weiter in die Peripherie aus. So entstehen die luftleitenden Anteile der Atemwege, welche proximal von einem hochprismatischen und distal von einem kubischen Epithel ausgekleidet werden (Burri 1984).
Das kanalikuläre Stadium, das die menschliche Lunge zwischen der 17. und 26.SSW, die Lunge der Maus zwischen dem 16. und 18. GD
durchläuft, ist durch eine Weitung und die voranschreitende, distale Verzweigung der luftleitenden Tubuli sowie einer Epithelabflachung mit Ausdifferenzierung vonAE IundAE IIcharakterisiert. Infolge des-
sen kommt es zur Ausbildung der ersten dünnen Blut-Luft-Schranken, die von einer Kapillarisierung des Gefäßsystems begleitet wird. Mit der Differenzierung zu AE IIlässt sich auch die Aufnahme der Sur- factantproduktion durch die Entwicklung von Lamellenkörperchen nachweisen (siehe Abschnitt 1.3) (Burri 1984).
Das sacculäre Stadium der Lungenentwicklung beginnt beim Men- schen zeitlich betrachtet in der 24. SSW. Es erstreckt sich bis zum Zeitpunkt der Geburt. Bei Mäusen beginnt dieses Stadium zwischen
GD 18 und Tag 3 postnatal. Dabei entstehen traubenförmige, luft- leitende Aussackungen (Sacculi) am Ende des Bronchialbaums, die ausAE IundAE IIaufgebaut sind. Auch das Gefäßsystem proliferiert weiterhin im Zuge der Entwicklung (Burri 1984). Die als primäre Septen bezeichneten Wände zweier benachbarter Sacculi enthalten noch einen großen Anteil an Bindegewebe sowie ein doppeltes Kapil- larbett. Das Mesenchym ist insgesamt sehr zellreich und weist einen geringen Anteil an Kollagen und elastischen Fasern auf.
An das sacculäre Stadium schließt sich letztlich die alveoläre Phase an, welche beim Menschen mindestens bis zum zweiten Lebensjahr andauert (Burri 2006). Bei Geburt sind die menschlichen, luftleiten- den Bereiche und Verästelungen des Bronchialbaums vollständig ausdifferenziert, es kommt postnatal aber noch zu gravierenden Ver- änderungen des Lungenparenchyms. In einer neugeborenen Lunge finden sich ca. 20 Millionen Alveolen, die vollständig ausgereifte humane Lunge besteht durchschnittlich aber aus 300 Millionen Al- veolen, so dass ersichtlich wird, dass insgesamt mehr als 90 % aller Alveolen postnatal ausgebildet werden. Durch die Bildung von Sekun- därsepten, die aus den Primärsepten aussprossen, wird die Oberfläche der gasaustauschenden Areale stark vergrößert. Durch apoptotische Reduktion des Bindegewebes zwischen den Lufträumen jedoch ver- ringert sich die Dicke der Septen (Bruce et al. 1999), die zusätzlich an Höhe gewinnen und den Alveolen so ihre typische Form verlei- hen. Ein weiterer, zeitgleich ablaufender Prozess ist die Ausbildung des einfachen Kapillarbetts durch multiple, fokale Fusionen zweier Kapillarschichten, in Kombination mit bevorzugtem Wachstum der verschmolzenen Kapillarareale (Burri 2006). Die bei Mäusen erst am vierten postnatalen Tag einsetzende Alveolarisierung erstreckt sich bis zum Ende der zweiten postnatalen Woche. Gegen Ende der dritten postnatalen Woche ist hier die Ausreifung des Kapillarbettes wei- testgehend abgeschlossen und gegen Ende der vierten postnatalen
1.3 Das Surfactantsystem der Lunge Woche ist die Lunge der Maus morphologisch vollständig ausgereift (Burri 1974, Deak et al. 2005, Hilfer 1996).
1.3 Das Surfactantsystem der Lunge
1.3.1 Das Surfactantsystem im Rahmen respiratorischer Funktionen
Die transmurale Druckdifferenz einer Gasblase beziehungsweise Al- veole(ptm)hängt nach dem Laplace’schen Gesetz von der Oberflächen- spannung der Flüssigkeit an der Grenzfläche(T)sowie dem Radius(r) der Kurvatur ab. Der Durchmesser ausdifferenzierter Alveolen beträgt 250–300 µm. Die Alveolen hätten, bestünde die Phasengrenzschicht aus reinem Wasser, aufgrund einer transpulmonalen Druckdifferenz von ca. 3 kPa während der Ventilation die permanente Tendenz zu kollabieren. Diesem potentiellen alveolären Kollaps wirkt das oberflä- chenaktive Surface active Agent oder Surfactant entgegen (Clements 1997, Botas et al. 1998), indem es die Oberflächenspannung in den Alveolen in Abhängigkeit von ihrer Größe an der Grenzschicht von Luft und Flüssigkeit reduziert. Aufgrund dieser funktionellen Eigen- schaft wird das Surfactant auch als Antiatelektasefaktor bezeichnet (Clements 1997).
Eine weitere wichtige Funktion des Surfactant ist unter anderem die Senkung der Filtrationsdruckdifferenz zwischen Interstitium und Alveolarraum, durch die dem Surfactant eine Funktion als Antiödem- faktor zukommt (Morgenroth 1986). Surfactant, welches über die bronchoalveoläre Lavage (BAL) gewonnen werden kann, besteht zu 90 % aus Lipiden; innerhalb des Lipidanteils überwiegt dabei Dipalmi- toylphosphatidylcholin (DPPC). Der Proteinanteil des Surfactant aus derBALbeträgt insgesamt 10 %, von welchen 8 % auf Serumproteine und 2 % auf Surfactantproteine (SP) entfallen (Griese 1999).
Die Surfactantproteine werden entsprechend ihres abnehmenden Molekulargewichts als SP-A(32 kD),SP-B(8 kD) undSP-C (4 kD) be- zeichnet. Surfactantprotein D (43 kD) wurde erst später entdeckt (Possmayer 1988). Eine weitere Einteilung berücksichtigt die chemi- schen Eigenschaften der Surfactantproteine: SP-AundSP-D weisen
hydrophile,SP-BundSP-C hingegen hydrophobe Eigenschaften auf (Johansson et al. 1994).
Surfactant wird von Alveolarepithelzellen Typ II (AE II) produziert, se- zerniert, gespeichert und wieder aufgenommen (Wright & Clements 1987, Jung et al. 2006). Die Bestandteile des DPPC gelangen dabei über den Blutweg in die AE II, wo das DPPC anschließend syntheti- siert wird (Morgenroth 1986). Innerhalb der AE II gelangt das neu synthetisierteDPPCvom endoplasmatischen Retikulum (ER) über den Golgi-Apparat in Vesikel, die über verschiedene Zwischenstadien zu Lamellenkörperchen (Lk) heranreifen (Chevalier & Collet 1972).
Alle Surfactantproteine werden am rauenER(rER) synthetisiert, wo- bei esUnterschiede in ihrer posttranslationalen Prozessierung gibt.
SP-BundSP-Cwerden als höhermolekulare Präproproteine syntheti- siert und anschließend im Golgi-Apparat sowie in multivesikulären Körpern (mvK) zu fertigen Proteinen prozessiert (Jung et al. 2006, Fehrenbach et al. 1998, Korimilli et al. 2000). Die mvKkönnen mit un- reifen, wachsenden Lamellenkörpern zucomposite bodiesfusionieren.
Aus dieser Fusion entstehen Lamellenkörper, die dann die reifenSP-B
undSP-Csowie alle anderen funktionell wichtigen Surfactantkompo- nenten enthalten (Brasch et al. 2003).
Die hydrophilenSP-AundSP-Dwerden nach ihrer Synthese am rER
posttranslational durch Glykosylierung, Prolinhydroxylierung und Oligomerisierung modifiziert und in die mvKverbracht (Hawgood
& Poulain 2001). Lamellenkörper gelangen nach Exozytose in den Alveolarraum, mvKgeben konstitutiv SP-A undSP-D in den Alveo- larraum ab. Dort wird in der Hypophase über aktiveVorstufen ein 3 nm dünner Oberflächenfilm gebildet, der sich durch seinen Sprei- tungsdruck auf der energiereichen Hypophase ausbreitet (Malloy et al. 2002). Unter Beteiligung vonSP-BundSP-C werden Phospho- lipidlamellen an der Phasengrenze beschleunigt aufgenommen und adsorbiert (Oosterlaken-Dijksterhuis et al. 1991). Dabei ist der hy- drophobe Lipidanteil direkt in der Hypophase verankert, während der hydrophile Teil der Gasphase zugewandt ist (Morgenroth 1986).
Die Oberflächenspannung der Hypophase, welche einer atemabhän- gigenVariabilität unterliegt, kann jetzt durch die Surfactantwirkung, welche hauptsächlich auf die Eigenschaften des beteiligtenDPPCzu- rückzuführen ist, drastisch reduziert werden (Griese 1999).
1.3 Das Surfactantsystem der Lunge
Luft Surfactantfilm Hypophase
Recycling
Abbau
Makrophage
Typ-I-Zelle LB
Anlagerung
Exozytose
Speicherung Synthese
Typ-II-Zelle Interstitium
Kapillare
Abbildung 1.2:
Surfactantzyklus. Die Synthese und Speicherung des Surfactant geschieht in Alveolarepithelzellen Typ II (AE II). Nach Exozytose des Surfactant in den Alveolarraum bildet es dort einen 3 nm dünnen Oberflächenfilm, wel- cher das alveoläre System durch Reduktion der Oberflächenspannung vor einem potentiellen Kollaps schützt. Der Abbau des Surfactant geschieht vorwiegend inAE II(90 %) sowie Makrophagen (10 %). Bild modifiziert nach Christmann et al. (2009).
Der Abbau von Surfactant geschieht unter Beteiligung vonAE II, die einen großen Teil der inaktiven, proteinarmen Surfactantkomponen- ten aufnehmen und recyceln (siehe Abb. 1.2). Weitere 10 % werden von Alveolarmakrophagen resorbiert (Malloy et al. 2002). Mithilfe von radioaktiv markierten Surfactantbausteinen konnte nachgewiesen werden, dass etwa 85 % der Surfactantbestandteile recycelt werden, so dass eine Neusynthese der Substanzen nur in geringemUmfang nötig ist (Morgenroth 1986).
1.3.2 Die Surfactantproteine im Rahmen immunologischer Funktionen
Die Surfactantproteine SP-AundSP-D sind Bestandteil des angebo- renen Abwehrsystems. Neben ihrer Expression im Lungenparen- chym sind beide Proteine auch in weiteren Organen nachweisbar:
SP-A-Expression konnte in Zellen von Trachea, Prostata, Pankreas, Thymus und Kolon nachgewiesen werden (Madsen et al. 2003),SP-D-
Expression in Zellen von Vagina, Plazenta undUterus (Chaby et al.
2005, Brogden et al. 1986).
SP-AundSP-Dgehören zur Familie der Kollektine, welche eine Kolla- gen-ähnliche N-terminale Region sowie eine gegenüberliegendeCRD- Region(Carbohydrate-recognition-domain)besitzen. DieCRD-Region weist eine hohe Affinität zu Oligosaccaridclustern auf und ist an den Bindungen der Surfactantproteine an Oberflächenstrukturen von grampositiven und gramnegativen Bakterien sowieViren, Pilzen und Allergenen beteiligt (Wright 2005). Jeweils drei monomere Proteine la- gern sich zu einer Tripelhelix zusammen, die durch Oligomerisierung die unterschiedlichen Formen desSP-AundSP-Dausbildet:SP-Azeigt dabei eine bouquetähnliche Gestalt (siehe Abb. 1.3), SP-D schließt sich in Form eines Dodecamers aus vier Trimeren zusammen (siehe Abb. 1.4) (Yamada et al. 2006).
BeideSPkönnen im Zuge ihrer immunmodulatorischen Funktionen mit verschiedenen Zellen des Abwehrsystems wie Makrophagen, Neu- trophilen, Eosinophilen und Lymphozyten interagieren. Es kann aber auch eine direkte und spezifische Bindung an Mikroorganismen wie Klebsiella pneumoniæ, P. aeruginosaundE. colierfolgen. Die Bindung
10 nm
Abbildung 1.3:
Surfactantprotein A. SP-A ist Be- standteil der angeborenen Abwehr und an zahlreichen immunmodula- torischen Prozessen sowie an der direkten Abwehr von in den Alveo- larraum eingedrungenen Mikroor- ganismen beteiligt. Bild modifiziert nach Wright (2003).
30 nm
Abbildung 1.4:
Surfactantprotein D. SP-D ist Be- standteil der angeborenen Abwehr und an zahlreichen immunmodula- torischen Prozessen sowie an der direkten Abwehr von in den Alveo- larraum eingedrungenen Mikroor- ganismen beteiligt. Bild modifiziert nach Wright (2003).
1.3 Das Surfactantsystem der Lunge derSPgreift nachfolgend in Funktionen sowie Biosynthesewege der Zielzellen ein (Chaby et al. 2005, Arias-Diaz et al. 2000) und erfolgt über spezifische Rezeptoren, zu denen erstens dasSignal inhibitory regulatory protein(SIRP) (Ikegami et al. 2000) und gp-340, ein Mitglied der Svavenger-Rezeptorfamilie (Tino & Wright 1999), zweitens non- spezifische Kollektinrezeptoren (Calreticulin/CD91-Komplex), sowie die MembranmoleküleCD14 (Sano et al. 2000) undTLR-2 (Sano et al.
2006) gehören. Die Effekte einer Kollektinbindung an Zielzellen in Form einer pro- oder antiinflammatorischen Antwort hängen von verschiedenen Faktoren wie der Spezifität des mikrobiellen Liganden, dem Aktivationsstatus und Zelltyp sowie der Expositionsdauer ab (Wright 2005).
Surfactantprotein A ist bezüglich seiner Proteinstruktur homolog zur Komplementkomponente C1q. Bindet SP-A an Zelloberflächen von Mikroorganismen, wird die von den Rezeptoren FcR und CR1 vermittelte Phagozytose mit Hilfe der kollagenähnlichen Domäne von
SP-Adurch Aktivierung von Makrophagen stimuliert und verstärkt (Yamada et al. 2006). Zusätzlich verstärkt die Anwesenheit von SP- Adie Chemotaxis von Alveolarmakrophagen (Wright & Youmans 1993). Im Einklang mit diesen zellulären Funktionen weisen SP-A
defiziente Mäuse (SP-A-Knockoutmäuse) eine signifikant reduzierte Anzahl von durch Alveolarmakrophagen phagozytierten Bakterien nach intranasaler Instillation mitP. aeruginosaundH. influenzæauf (LeVine et al. 1997, 1998, Wert et al. 2000).
Bei Interaktionen vonSP-Amit membranständigem Lipopolysacca- rid (LPS) gramnegativer Bakterien resultiert ein direkter bakterizider Effekt. Dieser erklärt sich durch die Destabilisierung und Erhöhung der Membranpermeabilität der Mikroorganismen, welche zur Zell- Lyse führt (Chaby et al. 2005, Wu et al. 2003). SP-Abindet hierbei, kalziumabhängig, nur an bestimmteLPS-Formen (Rough-typeLPS, cha- rakterisiert durch ein kürzeres Kernpolysaccarid sowie den Verlust der O-Kette) (Yamada et al. 2006, Martin 2000) sowie verschiedene Glykolipide und Lipid A (Wright 2005, Crouch & Wright 2001). In Anwesenheit von SP-A mit einer nativen Form derCRD sowie Kal- zium wirdin vitroeine starke Aggregation von Re-LPSund Lipid A ausgelöst (Chaby et al. 2005, Van Iwaarden et al. 1994).
Die oben erwähnte Phagozytoseleistung von Makrophagen kann durch die Aggregation vonLPSundSPin vivogesteigert werden (Ike- gami et al. 2000) (siehe Abb. 1.5). InUntersuchungen konnte weiterhin
Aggregation of pathogens
Increased phagocytosis and killing
Lysis Antimicrobial activity
Phagocyte
Aggregation von Pathogenen durch
SP-AundSP-D
Direkte antimikro- bielle Aktivität
Steigerung der Phagozytose
Zell-Lyse
Makrophage
Abbildung 1.5:
Immunologische Funktionen vonSP-AundSP-D. Interaktion vonSP-Aund
SP-Dmit membranständigemLPSgramnegativer Bakterien führt zur Aggre- gation und forcierten Phagozytose der Mikroorganismen und kann deren Zelllyse durch einen direkten bakteriziden Effekt zur Folge haben. Bild modifiziert nach Wright (2006).
eine direkte Insertion vonLPSin Phospholipiddoppelschichten (Roth- field & Horne 1967, Takeuchi & Nikaido 1984, Weiser & Rothfield 1968) sowie eine Komplexbildung mit Liposomen und Phospholipiden nachgewiesen werden (Benedetto et al. 1973, Davies & Stewart-Tull 1981, Davies et al. 1978).
DieSP-A-Defizienz führt zu einer signifikant erhöhten Suszeptibili- tät der Tiere gegenüber verschiedenen Bakterien nach intranasaler Instillation. Ebenso verursacht die intrapulmonale Instillation von
LPSdeutlich stärkere Entzündungsreaktionen in Lungen von SP-A- Knockoutmäusen. Diese ist unter anderem durch Verlust derSP-A- bedingten Inhibierung einerLPS-induzierten, proinflammatorischen Zytokinproduktion (Borron et al. 2000) sowie dem Verlust der oben er- wähnten Mechanismen wie z. B. Steigerung der Phagozytoseleistung und Opsonierung zu erklären (LeVine et al. 1997).
SP-Dist genau wieSP-Aan der Abwehr pulmonaler Infektionen und an immunmodulatorischen Vorgängen beteiligt (Chiba et al. 2002).
Eine direkte Interaktion zwischenSP-DundLPSist hierbei ebenfalls möglich. Das Kollektin bindet dabei im Kontrast zuSP-Amit seiner
CRD-Domäne anCore-Regionen vonRough-typeLPS(s. o.) undSmooth
LPS(GlattesLPS, bestehend aus einer O-spezifischen Polysaccaridkette, komplettem Kernpolysaccarid und Lipid A als toxischer Effektorkom-
1.4 LPSund Lungenentwicklung ponente). Zusätzlich istSP-Dan der Abwehr von viralen Infektionen beteiligt. Die Bindung zwischen derSP-D-eigenenCRD-Region und Vi- rusbestandteilen wie Hämagglutinin und der viralen Neuraminidase hat deren Inaktivierung zur Folge (LeVine et al. 2002, Wright 2005).
Anhand des murinenSP-D-Knockout-Modells werden weitere Funk- tionen dieses Surfactantproteins deutlich.SP-D-Defizienz korreliert mit Beeinträchtigungen der Surfactanthomöostase in Form von verän- derten Phopholipidstrukturen, akkumulierten Lipidanteilen und em- physemartig veränderten pulmonalen Strukturen. InSP-D-defizienten Lungen wurden zusätzlich erhöhte Mengen schaumartig vergrößerter Alveolarmakrophagen gefunden (Botas et al. 1998, Korfhagen et al.
1998).
1.4
LPSund Lungenentwicklung
1.4.1 Reaktionskaskade nachLPS-Exposition
Während der fetalen Entwicklung wirkt eine Vielzahl von Faktoren in Form von hormonellen Einflüssen sowie externen Reizen auf den Fetus, seine Organogenese und somit auch auf die Entwicklung der fetalen Lunge ein. Auch postnatal kann die Entwicklung der Lunge durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden (siehe Abb. 1.6).
Aszendierende Infektionen des maternalenUrogenitaltraktes werden während der Schwangerschaft häufig von gramnegativen Bakterien oder zellwandlosen Erregern verursacht und können den Fetus direkt mit inflammatorischen Reizen konfrontieren (Saji et al. 2000).
Durch die intrauterinen Atem- und Schluckbewegungen des Fetus (Duenhoelter & Pritchard 1977) wird endotoxin- und cytokinhaltige Amnionflüssigkeit direkt resorbiert und kann die Homöostase des unreifen Organismus in gefährlicherWeise beeinträchtigen (Hallman 2001a, Hallman et al. 1997a, Harju et al. 2005). Hauptauslöser der Ent- zündungsreaktionen, infolge derer auch eine Beteiligung der fetalen Lunge möglich ist, stellt das in der äußeren Zellwand gramnegativer Bakterien lokalisierteLPSdar.
LPSexistiert in zwei Formen:RoughLPSundSmoothLPS(s. o.) und ist eine Substanz, die vom angeborenen Abwehrsystem in Form eines
20 24 28 32 36 40
SSW Intrauterine
Lungenentwicklung
Extrauterine Lungenentwicklung
Physiologische oder retardierte Lungenausreifung
• Chorioamnionitis
• Pränatale Cortisolgabe
• Überdruckbeatmung
• Sauerstoff-Gabe
• Cortisol-Gabe
• Infektion
✲ kanalikuläres Stadium
sacculäres Stadium ✲
✲ alveoläres Stadium
Frühgeburt
z }| {
❄ ❄
✲ ✲
Abbildung 1.6:
Prä- und postnatale Einflussfaktoren auf die fetale Lunge. Pränatale Ein- flüsse wie Chorioamnionitis und Cortisolgabe zur Lungenreifeinduktion sowie postnatale Manipulationen in Form von Überdruckbeatmung und Sauerstoffgabe nach Frühgeburt können zu einer gestörten intra- und ex- trauterinen Lungenentwicklung des Fetus führen. Bild modifiziert nach Jobe & Ikegami (2001).
pathogen-associated molecular pattern(PAMP) erkannt wird. Struktu- ren wiePAMPsind ausschließlich auf Mikroorganismen lokalisiert.
Sie sind essentiell für deren Überleben und daher keinen bedeuten- den Mutationen unterworfen (Bochud & Calandra 2003). Gelangt
LPSsystemisch in den Körper des Wirts, kann eine akut einsetzende, inflammatorische Reaktion mit multiplen pathophysiologischen Ef- fekten resultieren (Magalhaes et al. 2007). Diese Reaktion läuft nach einer charakteristischen Reaktionskaskade ab. Die Koppelung mit demLPS/LBP-CD14-Komplex löst über denToll-Like Receptor 4(TLR-4) eine intrazelluläre Signalkaskade aus, in deren Folge es unter ande- rem zur Aktivierung des TranskriptionsfaktorsNFκBkommt, der die Expression von immunregulatorischen Genen steuert. Durch Aktivie- rung vonNFκBwerden Effektormoleküle in Form von proinflamma- torischen Cytokinen wieIL-1,IL-6,IL-8 undTNF-α synthetisiert und freigesetzt (Martin 2000, Bochud & Calandra 2003) (vgl. Abb. 1.7).LPS-
1.5 ErbB4-Rezeptoren und Neuregulin bedingt kann auf diesem Weg eine Chorioamnionitis (Entzündung der Amnionhöhle und der fetalen Membranen) induziert werden.
1.5
Erb
B4-Rezeptoren und Neuregulin
1.5.1 Aufbau und Funktion
Die vollständige Ausreifung der Lunge während der Organogene- se beinhaltet ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren.
Von zentraler Bedeutung sind dabei einerseits Differenzierungsprozes- se des Lungenparenchyms in Form einer koordinierten Alveologenese und Alveolarisierung, andererseits die Induktion der Surfactantsyn- these (s. o.).
ErbB-Rezeptoren und deren Liganden sind maßgeblich an diesen bei- den Prozessen beteiligt. Die Familie derErbB-Rezeptoren (synonym:
TLR-4 Cytokine
MAKROPHAGE
Zellen ohneCD14
Abbildung 1.7:
Elemente derLPS-Signalkaskade. GelöstesLPSbindet anLBP, derLPS-LBP- Komplex wird transferiert und bindet an membrangebundenesCD14 oder lösliches CD14 (sCD14). Die weitere Komplexbildung mitTLR-4 setzt die unten links dargestellte, intrazelluläre Signalkaskade in Gang und führt letztlich zur Ausschüttung proinflammatorischer Cytokine wieTNF-α,IL-1β,
IL-6 undIL-8. Bild modifiziert nach Martin (2000).
g
NH2
Extrazelluläre Domäne
Transmembranäre Domäne
Zytoplasmatische Domäne
Cysteinreicher Bereich Ligandenbindende Domäne
Cysteinreicher Bereich
Extrazellulärer Bereich
Zellmembran
Zytoplasma Juxtamembranregion
Tyrosinkinasedomäne C-terminaler Bereich mit Phosphorylierungsstellen COOH
Abbildung 1.8:
Struktureller Aufbau desErbB-Rezeptors.ErbB-Rezeptoren bestehen aus einer extrazellulären, ligandenbindenden Domäne, einer transmembranären Domäne sowie einer zytoplasmatischen Tyrosinkinasedomäne. Die basola- terale Lokalisation der Rezeptoren erlaubt dieVermittlung verschiedener Zell–Zell-Interaktionen. Bild in Anlehnung an Falls (2002).
HER-Rezeptoren) gehört zur Klasse der Rezeptor-Tyrosinkinasen und umfasst vier verschiedene Rezeptorsubtypen:EGFR(Epidermal Growth Factor Receptor,synonym:HER1 oderErbB1) sowieErbB2,ErbB3 und
ErbB4.
ErbB-Rezeptoren werden in verschiedenen Geweben wie Herz, Mam- ma undZNSexprimiert (Iwamoto & Mekada 2006). In der murinen fetalen Lungefinden sich alle vierErbB-Rezeptoren auf Fibroblasten und Typ-II-Alveolarepithelzellen (Liu et al. 2007).ErbB-Rezeptoren sind zusammen mit ihren spezifischen Liganden an intra- und inter- zellulären Kommunikationsprozessen (Hilfer 1996, Merkus et al. 1996, Price & Stiles 1996) im Zuge von Zellwachstum und Differenzierung während der Organogenese (Aida et al. 1994, Raaberg et al. 1995) und im Erwachsenalter (Yarden & Sliwkowski 2001) beteiligt.
Jedes der vierErbB-Rezeptorproteine ist strukturell identisch aufge- baut und entspricht einer transmembranären Tyrosinkinase mit zwei
1.5 ErbB4-Rezeptoren und Neuregulin cysteinreichen, extrazellulären Domänen sowie einer intrazellulä- ren Tyrosinkinasedomäne mit variablem zytoplasmatischen Schwanz (siehe Abb. 1.8).
Die basolaterale Lokalisation derErbB-Rezeptoren erlaubt die Vermitt- lung von Zell–Zell-Interaktionen zwischen Epithel und Mesenchym, welches als Speicher für verschiedene Liganden dient (Yarden & Sliw- kowski 2001).Unter den von Mesenchymzellen sezernierten Faktoren wie z. B.EGF,TGF-αund Epiregulin besitzen Neureguline (NRGs) als
ErbB-Liganden den größten Stellenwert. Sie können als Resultat dif- ferenzierter Spleißvorgänge in unterschiedlichen Isoformen (α- und β-Isoform) als membrangebundeneNRG-Proformen sowie als lösliche Proteine vorliegen (Talmage & Role 2004).
Eine Genexpression vonNRG-1 undNRG-2 konnte sowohl in der fe- talen als auch in der adulten Lunge nachgewiesen werden (Chang et al. 1997, Holmes et al. 1992). Dabei wird die IsoformNRG-1βlokal von fetalen Fibroblasten und Mesenchymzellen der Lunge syntheti- siert (Dammann et al. 2003). Nach parakriner Sekretion im Rahmen von Zell–Zell-Interaktionen bindetNRG-1βals bevorzugter Ligand anErbB4-Rezeptoren aufAE IIund stimuliert die Formation vonErbB- Homo- und Heterodimeren in der fetalen Lunge (siehe Abb. 1.9) (Prenzel et al. 2000).ErbB1 undErbB4 bilden in der fetalen Lunge nach Bindung vonNRG-1βdas prominenteste Heterodimer (Zscheppang et al. 2006).
Die Dimerisierung zweier ErbB-Rezeptoren verstärkt die folgende, intrazelluläre Signaltransduktion: Interaktion zwischen Rezeptor und Neuregulin aktiviert die intrinsischen Kinasedomänen des Rezeptor- dimers, welche die Phosphorylierung von spezifischen Tyrosinresten innerhalb des zytosplasmatischen Schwanzes auslösen (Chantry 1995, Zhang et al. 2007). Das biologischeoutcome und die Spezifität der zellulären Antwort dieser Signalkaskaden sind abhängig von der Iden- tität des Liganden sowie von der Art der Dimerkonstitution (Homo- oder Heterodimer) und -kombination (z.BErbB1/B4) (Yarden & Sliw- kowski 2001, Earp et al. 2003, Jones et al. 1999). Auf diese Weise fördert die Bindung vonNRG-1β anErbB4-Rezeptoren die Proliferati- on und Reifung von fetalen Typ-II-Alveolarepithelzellen (Leviton et al.
1999, Zscheppang et al. 2006). Die Ausbildung gasaustauschender Be- reiche der Lunge in Form von Sacculi und Alveolen wird begünstigt und demonstriert die Bedeutung des Rezeptors für die Differenzie- rung fetalen Gewebes (Srinivasan et al. 1998).
NRG-1β
ErbB4
ErbB-
Homodimer ErbB-Heterodimere
Dimerisierung
Abbildung 1.9:
Rezeptordimerisierung durch Bindung vonNRG-1β anErbB4-Rezeptoren.
Nach Bindung vonNRG-1β anErbB4-Rezeptoren in der Lunge werdenErbB- Homo- oder Heterodimere aufAE IIgebildet. Dieser Vorgang verstärkt die intrazelluläre Signaltransduktion. Bild modifiziert nach Zhang et al. (2007).
Die oben dargestellte parakrine Sekretion vonNRG-1β durch fetale pulmonale Fibroblasten und Mesenchymzellen und dessen Bindung anAE IIist neben den erwähnten Differenzierungsprozessen des Lun- genparenchyms direkt an der initialen Induktion der Surfactantsyn- these beteiligt (Dammann et al. 2003). Die Beendigung des Signalpro- zesses durch dasErbB-Netzwerk wird über die ligandenvermittelte Endozytose der Rezeptoren gesteuert. Die Kinetik dieses Prozesses ist dabei ebenfalls abhängig von der Art der Rezeptor-Dimerisierung (Schlessinger 2002, Yarden & Sliwkowski 2001).
1.5.2 ErbB4-Deletion im murinen Tiermodell
Transgene, ErbB4-deletierte Tiere erlauben als Modell für eine se- lektive Deletion körpereigener Rezeptoren spezifische Rückschlüsse auf biologische Funktionen einzelner ErbB-Rezeptorsubtypen. An- hand dieses Modells konnte gezeigt werden, dass aufAE IIlokalisierte
ErbB1/B4-Heterodimere an strukturellen Prozessen während der Lun- genentwicklung (Induktion derSP-C-Expression), Remodellierungs-
1.5 ErbB4-Rezeptoren und Neuregulin prozessen sowie pathologischen Vorgängen beteiligt sind (Sibilia et al.
2007, Purevdorj et al. 2008, Miettinen 1997).
Betrachtet man die pathophysiologischen Konsequenzen einerErbB4- Deletion, so zeigt sich, dassErbB4-Knockout-Mäuse zwischen dem 9. und 11. Gestationstag aufgrund einer dilatativen Kardiomyopathie sterben. Diese Kardiomyopathie ist ursächlich auf eine aberrante Ent- wicklung des kardialen Trabekelsystems infolge derErbB4-Deletion zurückzuführen (Gassmann et al. 1995). Die kardialen Dysfunktio- nen sind morphologisch durch pathologisch dünne und ekzentrisch hypertrophierte Ventrikelwände charakterisiert, die funktionell eine reduzierte Kontraktilität mit Erregungsüberleitungsstörungen verur- sachen und dadurch limitierend sind (Sibilia et al. 2007, Gassmann et al. 1995, Garcia-Rivello et al. 2005). Aus diesem Grund werden in wissenschaftlichen Experimenten transgene,ErbB4-deletierte Tiere verwendet, welcheErbB4-cDNAunter einem herzspezifischen Myosin- promoter exprimieren und somit keinen kardialen Defekt aufweisen.
Diese transgenenErbB4heart−/−-Mutanten erreichen das Erwachsenen- alter, sind fruchtbar und zeigen neurologische Defekte in Form ei- ner aberranten Hirnnervenarchitektur sowie Fehlentwicklungen des mammären Systems (Tidcombe et al. 2003). Diese Tiere wurden auch in den Versuchen dieser Arbeit verwendet.
Die Deletion desErbB4-Rezeptors hat auch Auswirkungen auf die morphologische und funktionelle Entwicklung der murinen Lunge.
Untersuchungen an adulten ErbB4heart−/−-Mäusen zeigten, dass die Tiere im Vergleich zum Wildtyp erstens Verzögerungen der Lun- genausreifung, zweitens Entzündungen des Lungenparenchyms und drittens eine veränderte Expression der Surfactantproteine aufwiesen.
Insgesamt resultiert eine auf dieErbB4-Deletion zurückführbare uni- verselle alveoläre Simplifikation in Kombination mit einer latenten pulmonalen Entzündungsreaktion (siehe hierzu auch Abschnitt 4.2).
Diese Veränderungen in adulten,ErbB4-deletierten Lungen von Mäu- sen weisen pathophysiologische Ähnlichkeiten zum Krankheitsbild der humanen Bronchopulmonalen Dysplasie (BPD) frühgeborener Kinder auf (Purevdorj et al. 2008).
1.6 Fragestellung und Ziel
Basierend auf den oben dargestellten Zusammenhängen wurden da- her in der vorliegenden Arbeit folgende Hypothesen überprüft:
• ErbB4-Deletion führt bereits während derFetalzeitzu pathologi- schen Veränderungen im murinen Lungenparenchym, welche den beobachteten, strukturellen und entzündlichen Auffällig- keiten in Lungenadulter,transgenerErbB4-deletierter Mäuse vorausgehen.
• Die intraamnionale Gabe vonLPSführt in ErbB4heart−/−-Feten zu einer im Vergleich zum Wildtyp verstärkten Retardierung der morphologischen Lungenausreifung verbunden mit einer ausgeprägteren Entzündungsreaktion, da derErbB4-Rezeptor in inflammatorische Prozesse der fetalen Lunge involviert ist und ihm eineprotektiveRolle während derselben zukommt.
. Kapitel 2
Material und Methoden
2.1 Experimentelles Design
2.1.1 Versuchstiere
In den Versuchen, die dieser Arbeit zugrunde liegen, wurde Gewebe von transgenen,ErbB4-deletierten Mäusen verwendet, bei denen der letale, kardiale Defekt durch Expression humanerErbB4 (HER4) cDNA
unter dem kardiospezifischenmyosin heavy chain promotor aufge- hoben wurde (Tidcombe et al. 2003). Die Muttertiere wurden von Carmen Birchmeier und Martin Gassmann zur Verfügung gestellt und in den Räumen des Zentralen Tierlaboratoriums der Medizinischen Hochschule Hannover unter standardisierten Bedingungen (Specific pathogen free,Licht-Dunkel-Zyklus: 14h/10h) gehalten. Die Geneh- migung des Tierversuchsvorhabens erfolgte durch die Landesanstalt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit Oldenburg (Tier- versuchsantragAZ33.42 502-05/1004). Diese Studie wurde durch die Deutsche Forschungsgesellschaft (DFG-Antrag:DA378/3-1) gefördert.
In den Versuchen wurden insgesamt 12 Muttertiere behandelt. 7 Mut- tertiere erhielten eineLPS-Patentblau-Lösung, 5 Muttertiere erhiel- ten eine NaCl-Patentblau-Lösung und dienten als Kontrolltiere. Die Anzahl der entnommenen und untersuchten fetalen Lungen ist in Tab. 2.1 nach Genotypisierung aufgelistet.
Tabelle 2.1:
Anzahlen der in Hinblick auf morphologischen und Entzündungsstatus untersuchten fetalen Lungen. Auflistung nach Genotyp und Art der Injek- tionslösung.
ErbB4heart+/− ErbB4heart−/−
NaCl LPS NaCl LPS
Morphologischer Status 7 10 7 8
Entzündungsstatus 8 5 8 5
2.1.2 LPS-Injektion
Die intraamnionale Injektion der trächtigen Muttertiere erfolgte an Gestationstag 17 (siehe Abb. 2.1). Murine Amnionhöhlen sind unter- einander verbunden, so dass eine einmalige Injektion in eine Amnion- höhle (siehe Abb. 2.2) zur Verteilung der applizierten Lösung durch alle Amnionhöhlen führt.
Der Lebensmittelfarbstoff Patentblau V (E131) wurde als Indikator für die Verteilung derLPS-Lösung in den fetalen Amnionhöhlen benutzt.
INJEKTION LPS-Patentblau V-Lösung
intraamnional
• 4 µℓLPS(Konz. 1 mg/mℓ)
• 200 µℓ Patentblau V Gestationstag 17
↓
|
Lungenentwicklung
OPERATION
Entnahme der Lungen Gestationstag 18
↑
| ▶
Sacculäres Stadium Abbildung 2.1:
Versuchsaufbau. Injektion einerLPS-Patentblau V-Lösung anGD 17 und Operation mit Entnahme der fetalen Lungen anGD18 während des saccu- lären Stadiums der Lungenentwicklung.
2.1 Experimentelles Design
Abbildung 2.2:
Intraamnionale Injektion der LPS-Patentblau V-Lö- sung. Nach Platzierung der Kanüle wurde vor der In- jektion Amnionflüssigkeit aspiriert. So konnte eine korrekte intraamnionale La- ge der Kanüle sichergestellt werden, welche eine intra- korporale Injektion in einen Fetus ausschloss.
Patentblau V zeichnet sich durch seine geringe Partikelgröße sowie eine niedrige Resorption im Körper aus. Aufgrund der geringen Risi- ken für allergische Reaktionen und Wechselwirkungen mit anderen Substanzen sowie der pharmakologischen Eigenschaften eignet sich dieser Farbstoff intravital für einen Nachweis des Verteilungsvolu- mens.
Einer Gruppe trächtiger Versuchstiere wurden 300 µℓ einer Lösung bestehend aus 4 µℓLPSausE. coli1, Serotyp 0127:B8, Konzentration 1 mg/mℓ inPhosphat Buffered Saline(PBS), 96 µℓ NaCl und 200 µℓ Pa- tentblau V1durch das Peritoneum in die Amnionhöhle injiziert2. Einer entsprechenden Kontrollgruppe wurden in derselben Weise 300 µℓ einer Lösung bestehend aus 100 µℓ NaCl und 200 µℓ Patentblau V2 injiziert3(siehe Abb. 2.2).
Nach erfolgter Injektion wurden die Versuchstiere zurück in den Käfig4gesetzt undad libitummit Festnahrung5und Wasser versorgt.
Die Kontrolle der Tiere erfolgte innerhalb der ersten acht Stunden nach applizierter Injektion im Abstand von einer Stunde, nachfolgend im Abstand von sechs Stunden.
1Sigma-Aldrich ChemieGmbH,PF1120, 89552 Steinheim
2Guerbet, RoissyCdGCedex, Frankeich
3Injekt-F, 1 mℓ Einmalspritze, B. Braun MelsungenAG, 34209 Melsungen
4Biozone Integra 2L IVC, Käfiggröße: 30 × 15 cm
5Altromin, 1324TPF, Haltungsfutter Ratten/Mäuse (Rohprotein: 19 %, Rohfett: 4 %, Rohfaser: 6 %, Rohasche: 7 %, Calcium: 0,89 %, Phosphor: 0,70 % + Vitamine), Altro- min SpezialfutterGmbH&Co.KG, Lage
Abbildung 2.3:
Verteilung der LPS-Patentblau V- Lösung durch die Amnionhöhlen.
Nach Öffnung der maternalen Bauchhöhle konnte die korrekte Verteilung der Injektionslösung durch die untereinander zusam- menhängenden Amnionhöhlen farblich dargestellt werden.
2.1.3 Operation und Probengewinnung
Die Feten wurden 24 Stunden später an Gestationstag 18 aus dem Mutterleib entnommen. Hierzu wurden die trächtigen Mäuse per In- jektionsnarkose betäubt. Für die Narkose wurden 120 µℓ einer Stamm- lösung bestehend aus 300 µℓ Ketamin1und 200 µℓ Rompun2verwendet.
Das Muttertier wurde einer Sternotomie unterzogen und intrakardial punktiert. Hierbei wurden je nach Tier zwischen 800 µℓ und 1200 µℓ Blut für Cytospots entnommen. Anschließend wurde die Bauchhöhle eröffnet. Die vollständige Exsanguination des Muttertiers geschah mittels Durchtrennung derAorta abdominalis.Die Feten wurden mit Amnionhöhle aus demUterus enfernt und in einer auf Eis befindli- chen Petrischale mitPBS(Phosphat buffered saline) zwischengelagert.
Die Amnionflüssigkeit wurde durch die zuvor erfolgte Injektion ho- mogen bläulich-grün angefärbt, was dieVerteilung der Injektions- lösung innerhalb aller Amnionhöhlen bewies (siehe Abb. 2.3). Die fetalen Membranen der zusammenhängenden Amnionhöhlen wur- den im Anschluss aufgetrennt, so dass die separate Entnahme der Feten möglich war. Nach Durchtrennung der Nabelschnur konnten die Plazenten abgelöst und präpariert werden. Anschließend wurden die Feten einzeln gewogen3und vor Präparation einzeln in eisgekühl-
1Ketamin Gräub, AlbrechtGmbH, 88326 Aulendorf
2Xylazinhydrochlorid-Injektionslösung, Bayer Vital, 51368 Leverkusen
3Feinwaage Kern 510-33, Ser.-Nr. 10908, Gotl. Kern & SohnGmbH, Albstadt
2.1 Experimentelles Design terPBSgelagert. Im weiteren Verlauf wurden die Schwänze der Feten abgetrennt, in Reagiergefäßen1 auf Eis gelagert und bis zur nach- folgenden Genotypisierung (PD Dr. Dirk Wedekind, Medizinische Hochschule, Zentrales Tierlaboratorium) bei −80°C eingefroren.
Die Präparation der Feten begann mit der Eröffnung der Abdominal- höhle und anschließender Exsanguination. Nach Eröffnung des Brust- korbs per Sternotomie wurde das Herz-Lungenpaket entnommen.
Nach Abpräparation des Herzens wurden die Lungen in Blöckchen geschnitten und differenziert weiter aufgearbeitet (siehe Tab. 2.2).
Tabelle 2.2:
Aufteilung der fetalen Lungen für histologische und molekularbiologische Untersuchungen
Linke Lunge, Verwendung: Rechte Lunge, Verwendung:
100 % Je 50 %
für histologische Verfahren für Western Blots undPCR
Die linken Lungen wurden für histologische Verfahren aufgearbeitet (siehe Tab. 2.3); die rechten Lungen wurden für molekularbiologi- sche Methoden konserviert (siehe Tab. 2.4). Die Plazenten wurden ebenfalls für histologische Verfahren aufgearbeitet (siehe Tab. 2.5).
Tabelle 2.3:
Aufarbeitung der linken Lungen für histologische Untersuchungen
Arbeitsschritt Zeitdauer
Fixation des Gewebes in 4 % Paraformaldehyd 2 Stunden und 0,1 % Glutaraldehyd in 0,2 MHEPES-Puffer2
Waschen in 0,2 MHEPES-Pufferlösung3 6 × 10 Minuten 30 % Saccharose-Lösung (Kryoprotektion) über Nacht Schockgefrieren der Lunge in 1,5 mℓ Reagier- Bis zur Weiter- gefäßen4inflüssigem N2, Lagerung bei −80°C5 verarbeitung
1Safe-Lock Tubes, 1,5 mℓ, EppendorfAG, Hamburg Fußnoten zu den Tabellen 2.3–2.5 siehe nächste Seite.
Tabelle 2.4:Aufarbeitung der rechten Lungen fürWestern BlotsundPCR
Arbeitsschritt Zeitdauer
Schockgefrieren der Lunge in Bis zum 1,5 mℓ Reagiergefäßen6inflüssigem N2 Versuchsende Lagerung bei −80°C5 Bis zur Weiter-
verarbeitung
Tabelle 2.5:Aufarbeitung der Plazenten
Arbeitsschritt Zeitdauer
Fixation des Gewebes in 4 % Paraformaldehyd 4 Stunden und 0,1 % Glutaraldehyd in 0,2 MHEPES-Puffer2
Spülen in 0,2 MHEPES-Puffer3 Über Nacht 30 % Saccharose inPBS(Kryoprotektion) 24 Stunden Schockgefrieren in Kryogefäßen6 kurzes
inflüssigem N2 Eintauchen
Lagerung bei −80°C5 bis zur Weiter-
verarbeitung
2Für 100 mℓ Fixans-Lösung: 5,2 gHEPES(2-[4-(2-Hydroxyethyl)-1-piperazinyl]-ethan- sulfonsäure Natriumsalz, Serva ElectrophoresisGmbH, Heidelberg) in 60 mℓAqua dest.lösen, 0,4 mℓ Glutaraldehyd 25 % (Serva ElectrophoresisGmbH, Heidelberg) und 20 mℓ Paraformaldehyd 20 % (Merck SchuchhardtOHG, Hohenbrunn) dazugeben und den pH-Wert auf 7,35 einstellen. MitAqua dest.auf 100 mℓ auffüllen.
3Für 1000 mℓHEPES-Pufferlösung: 52,0 gHEPES(2-[4-(2-Hydroxyethyl)-1-piperazi- nyl]-ethansulfonsäure Natriumsalz, Serva ElectrophoresisGmbH, Heidelberg) mit 800 mℓ H2O mischen, mit 1 N NaOH den pH-Wert auf 7,35 einstellen, auf 1000 mℓ auffüllen.
4Safe-Lock Tubes, 1,5 mℓ, EppendorfAG, Hamburg
5MDF-U72V, Sanyo Electric Biomedical Co., Ltd., Tokyo, Japan
6Cryotubes™ Vials, NuncA/S, Roskilde, Dänemark
2.2 Histologie
2.2 Histologie
2.2.1 Cytospots
Zur Beurteilung des Blutbildes und der Bestimmung der Zellzahl im maternalen Blut wurden Cytospots angefertigt. Dabei erfolgte zuerst die Aufarbeitung der Zellen (siehe Tab. 2.6).
Tabelle 2.6:Zellaufarbeitung für Cytospots
Arbeitsschritt Zeitdauer
1 mℓ Vollblut auf 25 mℓ Schwinzer Lyse1geben, 10 Minuten durchschwenken, bei Raumtemperatur inkubieren
Zellsuspension bei Raumtemperatur inkubieren 10 Minuten Zentrifugieren2mitPBSbei 400 × g, 10 Minuten je nach Pellet auf 1 mℓ resuspendieren
Um standardisierte Cytospots mit einer einheitlichen Zellzahl (in die- senVersuchen betrug die pro Spot eingesetzte Gesamtzellzahl 100 000) herzustellen, wurde die Zellmenge pro mℓ Zellsuspension mit Hilfe der Neubauer-Zählkammer bestimmt. Die Neubauer-Zählkammer besteht aus vier Großquadranten, von denen jeder ein Volumen von 0,1 µℓ aufweist. Das Volumen ergibt sich aus der Fläche von 1 mm2und einer Tiefe von 0,1 mm. Die gut durchmischte Zellsuspension wurde in einer Verdünnung von 1 : 10 mittels Pipette in die Zählkammer gebracht.Unter 100-facherVergrößerung wurden vier Großquadrate ausgezählt. Die Zellen wurden mit Trypanblau angefärbt, welches tote von lebenden Zellen differenziert.
Die ZellzahlNpro mℓ der untersuchten Zellsuspension errechnet sich aus den Zählwerten der vier QuadrateQ1bisQ4nach Gleichung 2.1.
N=
X4
i= 1
Qi
4 ·K·D·V (2.1)
1Schwinzer Lyse (Mengenangaben für 1 ℓ Lösung): 8,3 g NH4Cl (Ammoniumchlorid, Merck, Darmstadt) mit 0,1 gEDTA(Serva, Heidelberg) und 1,0 g KHCO3(Kaliumhy- drogencarbonat, Merck, Darmstadt) mischen und auf 1 ℓAqua dest.auffüllen.
2Cytospin 3, Shandon Anatomical Pathology, Runcorn, Chesire,UKund Pittsburgh,
PA,USA