Differentialgleichungen f¨ ur Ingenieure WS 06/07
5. Vorlesung, korrigierte Fassung Michael Karow
Themen heute:
1. Gew¨ohnliche Lineare Differentialgleichungen 1. Ordnung mit konstanten Koeffizienten
(a) Die Eigenwertmethode (b) Reelle L¨osungen
(c) Anwendung auf das Federpendel (d) Ansatz vom Typ der rechten Seite
L¨ osung von y ˙ ( t ) = A y ( t ) mit der Eigenwertmethode Problem: Finde die L¨ osungen der homogenen DGL
˙
y (t) = A y (t), y (t) ∈ C
n, A ∈ C
n×n. Ansatz:
y (t) = e
λ tv mit λ ∈ C , v ∈ C
n( ∗ )
Aus dem Ansatz folgt:
e
λ tλ v = y ˙ (t) = A y (t) = A (e
λ tv ) = e
λ tAv
⇔ Av = λ v
In Worten: Der Ansatz ( ∗ ) gibt genau dann eine L¨ osung, wenn
λ Eigenwert von A und v der zugeh¨ orige Eigenvektor ist.
L¨ osung von y ˙ (t) = A y (t) mit der Eigenwertmethode Seien v
1, . . . , v
r∈ C
nund λ
1, . . . , λ
r∈ C so dass
Av
k= λ
kv
k.
Dann sind (wie auf der vorige Seite gezeigt) die Funktionen y
k( t ) = e
λk tv
kL¨ osungen von y ˙ ( t ) = A y ( t ).
Superpositionsprinzip ⇒ Alle Funktionen der Form y ( t ) = c
1y
1( t ) + c
2y
2( t ) + . . . + c
ry
r( t )
= c
1e
λ1tv
1+ c
2e
λ2tv
2+ . . . + c
re
λrtv
r, c
1, c
2, . . . , c
r∈ C sind ebenfalls L¨ osungen. Die Koeffizienten c
ksind beliebig w¨ ahlbar.
In den meisten praktischen F¨ allen sind auf diese Weise alle L¨ osungen
gegeben. Genaueres auf den folgenden Seiten.
L¨ osung von y ˙ ( t ) = A y ( t ) mit der Eigenwertmethode
Angenommen, es gibt zu A ∈ C
n×neine Basis v
1, v
2, . . . , v
n∈ C
nvon Eigenvektoren, so dass
Av
k= λ
kv
k.
Dann bilden die Funktionen y
k(t) = e
λk tv
kein Fundamentalsystem (ei- ne L¨ osungsbasis) der obigen DGL, d.h. alle L¨ osungen sind von der Form
y ( t ) = c
1y
1( t ) + c
2y
2( t ) + . . . + c
ny
n( t )
= c
1e
λ1tv
1+ c
2e
λ2tv
2+ . . . + c
ne
λn tv
n, c
1, c
2, . . . , c
n∈ C . Grund: Es ist y (0) = c
1v
1+ c
2v
2+ . . . + c
nv
n.
Um ein gegebenes AWP y ˙ ( t ) = A y ( t ) , y (0) = v , l¨ osen muss man die c
kdaher so bestimmen, dass
v = c
1v
1+ c
2v
2+ . . . + c
nv
n.
Wenn die v
keine Basis des C
nbilden, ist dies stets m¨ oglich (siehe n¨ achste
Seite). Die c
ksind die Koordinaten von v bez¨ uglich der Basis v
1, . . . , v
n.
Erinnerung and die 4. Vorlesung
Linearkombinationen in Matrixschreibweise:
v = c
1v
1+ c
2v
2+ . . . + c
nv
n= [ v
1, . . . , v
n]
c
1...
c
n
= V
c
1...
c
n
,
wobei V = [ v
1, . . . , v
n] ∈ C
n×n. Um die Koeffizienten c
kzu bestimmen, muss man das lineare Gleichungssystem
V
c
1...
c
n
= v ( ∗ )
l¨ osen. Dies ist genau dann stets eindeutig m¨ oglich, wenn die Spaltenvek- toren v
keine Basis bilden. Genau dann ist auch V invertierbar, und es gilt
c
1...
c
n
= V
−1v . ( ∗∗ )
Nachteil der Formel ( ∗∗ ): Das Berechnen von V
−1ist aufwendig. Direktes
L¨ osen von ( ∗ ) ist schneller, wenn man die c
knur f¨ ur einen oder wenige
einzelne Vektoren v bestimmen will.
Das bisherige Ergebnis in einer geschlossenen Formel
Bisheriges Ergebnis: Wenn der C
neine Basis v
1, . . . , v
nbesitzt, so dass A v
k= λ
kv
k, dann hat das AWP y ˙ (t) = A y (t), y (0) = v , die L¨ osung
y ( t ) = c
1e
λ1tv
1+ c
2e
λ2tv
2+ . . . + c
ne
λn tv
n,
c
1...
c
n
= V
−1v , wobei V = [ v
1, . . . , v
n]. Umformung:
y (t) = c
1e
λ1tv
1+ c
2e
λ2tv
2+ . . . + c
ne
λn tv
n= [ v
1, . . . , v
n]
e
λ1tc
1...
e
λn tc
n
= V
e
λ1t. . .
e
λnt
c
1...
c
n
= V
e
λ1t. . .
e
λnt
V
−1| {z }
=exp(At) (siehe n¨achste VL)
v
Matrizen ohne Basis von Eigenvektoren
Wenn es zu jeder Matrix A eine Basis von Eigenvektoren geben w¨urde, dann k¨onnten wir mit der Eigenwertmethode stets alle L¨osungen von y˙ = Ay finden. Leider ist dies nicht der Fall, wie folgendes Beispiel zeigt:
Jordanblock der Dimension 4:
J4(λ0) =
λ0 1
λ0 1
λ0 1 λ0
∈ C4×4, λ ∈ C.
Der einzige Eigenwert ist λ0. Der Eigenraum ist 1-dimensional, denn die einzigen Eigenvektoren sind die Vielfachen des ersten Standard-Basisvektors:
λ0 1
λ0 1
λ0 1 λ0
z 0 0 0
= λ0
z 0 0 0
z ∈ C.
F¨ur diese Matrix gibt es also keine Basis von Eigenvektoren. ⇒
Es gibt L¨osungen der homogenen DGL y˙ = J4(λ0)y welche sich nicht als Linearkombi- nation von Eigenvektorl¨osungen darstellen lassen.
Frage: Wie sehen diese L¨osungen aus? (Antwort auf der n¨achsten Seite) Bemerkung: Das charakteristische Polynom von J4(λ0) ist
χ(λ) = det(λ I − J4(λ0)) = (λ − λ0)4
Somit ist λ0 4-fache Nullstelle des charakteristischen Polynoms. Die Eigenvektoren zum Eigenwert λ0 bilden aber einen 1-dimensionalen Raum. Es ist also
geometrische Vielfacheit von λ0 = 1 < 4 = algebraische Vielfachheit von λ0.
Falls es zu wenig Eigenvektoren gibt . . .
Falls es zur Matrix A keine Basis von Eigenvektoren gibt (z.B. wenn A ein Jordanblock ist), dann braucht man Hauptvektoren, um alle L¨ osungen von y ˙ (t) = A y (t) zu bekommen.
Definition: v ∈ C
nheisst Hauptvektor von A ∈ C
n×nzum Eigenwert λ ∈ C , falls
( A − λ I )
kv = 0 f¨ ur eine k ∈ N ( ∗ )
Bemerkung: Eigenvektoren sind auch Hauptvektoren. Denn
Av = λ v ⇔ 0 = Av − λ v = ( A − λ I ) v = ( A − λ I )
1v . Hauptvektorl¨ osungen: Wenn ( ∗ ) gilt, dann ist die Funktion
y ( t ) = e
λ tk−1 X j=0
t
jj ! ( A − λ I )
jv
die L¨ osung des AWP y ˙ ( t ) = A y ( t ), y (0) = v . Beweis: siehe Ferus-Skript.
Bemerkung: Die Vektoren v
j:= ( A − λ I )
jv bilden eine Jordankette.
(siehe LinA-Vorlesung.)
Beispiel zu Hauptvektorl¨ osungen:
Betrachte die Matrix
A =
2 1 0 0
0 5/2 1/2 0 0 −1/2 3/2 0
0 0 0 7
.
Das charakteristische Polynom von A ist χ(λ) = (λ − 2)3 (λ − 7).
Seien e1,e2,e3,e4 die kanonischen Basisvektoren. Das ge¨ubte Auge erkennt sofort:
e1 ist Eigenvektor zum Eigenwert 2, e4 ist Eigenvektor zum Eigenwert 7.
Nachrechnen ergibt aussserdem:
Alle Eigenvektoren zum Eigenwert 2 sind Vielfache von e1.
Man braucht also zwei linear unab¨angige Hauptvektoren zum Eigenwert 2. Zuf¨alligerweise sind e2 und e3 solche Hauptvektoren, denn es gilt (A− 2I)3e2 = (A − 2I)3e3 = 0.
Eine L¨osungsbasis f¨ur die DGL y˙ = A y ist also y1(t) = e2te1,
y2(t) = e2t
e2 + t(A − 2I)e2 + t2
2(A − 2I)2e2
,
y3(t) = e2t
e3 + t(A − 2I)e3 + t2
2(A − 2I)2e3
, y4(t) = e7te4.
Rezept zur allgemeinen L¨ osung von y ˙ ( t ) = A y ( t ).
1. Bestimme die Eigenwerte λ ∈ C von A, d.h. die Nullstellen des charakteristischen Polynoms χA(λ) = det(A− λI).
2. Ist λ einfache Nullstelle, dann berechne einen Eigenvektor v, d.h. eine L¨osung des Gleichungssystems (A−λI)v = 0, v 6= 0. Die zugeh¨orige Basisl¨osung ist y(t) = eλtv. 3. Ist λ eine k-fache Nullstelle, dann finde so viele linear unabh¨angige Eigenvektoren v1, . . . ,vr wie m¨oglich. Es ist r ≤ k. Die zugeh¨origen Basisl¨osungen sind yj(t) = eλtvj, j = 1, . . . , r. Ist r = k, dann ist nichts weiter zu tun. Ist r < k, dann finde zus¨atzli- che, voneinander und von den schon gefundenen Eigenvektoren linear unabh¨angige Hauptvektoren vr+1, . . . ,vk. Diese sind L¨osungen des linearen Gleichungssystems
(A − λI)kv = 0. Bilde die Hauptvektorl¨osungen
yj(t) = eλ t
k−1
X
j=0
tj
j!(A− λI)j vj, j = r + 1, . . . , k.
4. F¨uhre die Schritte 2,3 f¨ur jeden Eigenwert durch. Man erh¨alt auf diese Weise eine Basis v1, . . . ,vn des Cn und zugeh¨orige Basisl¨osungen y1(t), . . . ,yn(t). Zur L¨osung des AWP y˙(t) = A y(t), y(0) = v berechne c1, . . . , cn ∈ C, so dass
v = c1 v1 + c2v2 + . . . + cnvn, und setze
y(t) = c1y1(t) + c2y2(t) + . . . + cnyn(t).
Auf den n¨achsten Seiten werden folgende Notationen und Identit¨aten f¨ur komplexe Zahlen benutzt.
1. Sei z = zr + i zi, zr, zi ∈ R.
Der Realteil von z ist ℜ(z) = zr.
Der Imagin¨arteil von z ist ℑ(z) = zi.
Die zu z konjugiert komplexe Zahl ist ¯z = zr − i zi = ℜ(z) − iℑ(z).
2. Man hat
ℜ(z) = 1
2(z + ¯z), ℑ(z) = 1
2i(z − z¯).
3. Die Polarkoordinatendarstellung von z ist
z = |z|eiφ = |z|(cos(φ) + i sin(φ)), wobei |z| = p
zr2 + zi2, tan(φ) = zi/zr.
4. F¨ur das Produkt zweier komplexer Zahlen z = zr +i zi, w = wr + i wi gilt:
ℜ(zw) = ℜ(z)ℜ(w) − ℑ(z)ℑ(w), ℑ(zw) = ℜ(z)ℑ(w) + ℑ(z)ℜ(w).
Dies gilt sinngem¨ass auch, wenn w ein Vektor mit komplexen Eintr¨agen ist.
Reelle Matrizen und nichtreelle Eigenwerte
Angenommen, die reelle Matrix A ∈ Rn×n hat einen nichtreellen Eigenwert λ = α + iω, ω 6= 0 mit Eigenvektor v:
Av = λv (∗).
Konjugieren dieser Gleichung ergibt:
Av = λv, (∗∗)
d.h.: auch λ = α − iω ist Eigenwert, und zwar mit dem Eigenvektor v. Die zugeh¨origen Basisl¨osungen sind
y(t) = eλt v, y(t) = e¯λtv.
Analog gilt f¨ur Hauptvektoren: (A− λI)k v = 0 ⇒ (A − λI)kv = 0. Die zugeh¨origen Basisl¨osungen sind
y(t) = eλ t
k−1
X
j=0
tj
j!(A − λI)j v, y(t) = e¯λ t
k−1
X
j=0
tj
j!(A− λI)j v.
Fazit: Die nichtreellen Eigenwerte einer reellen Matrix treten in konjugiert komplexen Paaren auf. Gleiches gilt f¨ur die zugeh¨origen Eigenvektoren, Hauptvektoren und Ba- sisl¨osungen.
Zu den reellen Eigenwerten einer reellen Matrix gibt es nat¨urlich stets reelle Eigenvek- toren, Hauptvektoren und Basisl¨osungen.
Im Folgenden nehmen wir an, dass die Matrix A ∈ Rn×n reell ist, und dass es zu A eine Basis von Eigenvektoren gibt. Dann m¨ussen keine Hauptvektorl¨osungen betrachtet wer- den. Seien λ1, λ1, . . . , λr, λr die nichtreellen Eigenwerte von A und seien λ2r+1, . . . , λ2r+p
die reellen Eigenwerte, 2r + p = n. Die zugeh¨orige Basis von Eigenvektoren sei v1,v1, . . . ,vr,vr,
| {z }
nichtreell
v2r+1, . . . ,v2r+p
| {z }
reell
.
Alle L¨osungen der DGL y˙(t) = A y(t) sind von der Form y(t) =
Xr
j=1
c2j−1 eλjt vj + c2j eλjt vj +
Xp
j=1
c2r+j eλ2r+jtv2r+j.
Dabei k¨onnen die cj, j = 1, . . . , n beliebige komplexe Zahlen sein. Im allgemeinen nehmen die Funktionen y(t) dann nichtreelle Werte an. Meistens ist man aber an L¨osungen interessiert, die nur reelle Werte annehmen. Damit y(t) stets reell ist, muss gelten
c2j = c2j−1, j = 1, . . . , r, c2r+j ∈ R, j = 1, . . . p.
Notationsvereinfachung: c2j−1 =: cj/2. Dann sind die reellen L¨osungen also von der Form:
y(t) =
Xr
j=1
(cj/2)eλjt vj + (cj/2)eλjt vj +
Xp
j=1
c2r+j eλ2r+jtv2r+j
=
Xr
j=1
1 2
cj eλjt vj + cj eλjt vj +
Xp
j=1
c2r+j eλ2r+jtv2r+j
=
Xr
j=1
ℜ cj eλj tvj +
Xp
j=1
c2r+j eλ2r+jtv2r+j
↑ ↑
komplex reell
Was bedeuten nichtreelle Eigenwerte und -Vektoren
Wir haben eben gesehen, dass die DGL f¨ur jeden nichtrellen Eigenwert λ = α+iω, ω 6= 0 mit Eigenvektor v ∈ Cn spezielle L¨osungen der Form
y(t) = ℜ c eλ tv
= ℜ
c e(α+iω)tv
, c = cr + i ci ∈ C
= crℜ eλ tv
− ci ℑ eλ tv hat. F¨ur diese L¨osungen gilt:
1. Die Komponenten des Vektors y(t) f¨uhren Cosinusschwingungen aus, die, falls α 6= 0, durch den exponentiellen Vorfaktor eαt abgeschw¨acht oder verst¨arkt werden.
2. Der Vektor y(t) macht eine spiralf¨ormige oder ellipsenf¨ormige Bewegung in einer Ebene (=2-dimensionaler Unterraum des Phasenraums Cn).
Beide Tatsachen werden auf den folgenden Seiten diskutiert.
Die Komponenten der L¨osung y(t) = ℜ(c e(α+iω)tv)
Seien yk(t), vk die Komponenten der L¨osung bzw. des Eigenvektors:
y(t) =
y1(t) ...
yn(t)
, v =
v1
...
vn
.
Wir stellen nun c und die Komponenten vk in Polarkoordinaten dar:
c = |c|ei ψ, vk = |vk|ei φk, Dann folgt:
yk(t) = ℜ( c e(α+iω)tvk )
= ℜ( |c|ei ψ e(α+iω)t|vk|eiφk )
= ℜ( |c| |vk| eiψ eαteiω t eiφk )
= eαt|c| |vk| ℜ( ei(ω t+φk+ψ) )
= eαt|c| |vk| cos(ω t + φk + ψ).
⇒
1. Imagin¨arteil ω des Eigenwerts → Kreisfrequenz.
2. Realteil α des Eigenwerts → Verst¨arkungs- oder D¨ampfungsfaktor.
3. Betrag von c → Amplitude
4. Argument ψ von c → Phasenverschiebung.
Die Bahn der L¨osung y(t) = ℜ(c e(α+iω)tv) im Phasenraum.
Setze
ξ(t) = ℜ(c e(α+iω)t), η(t) = ℑ(c e(α+iω)t). Dann
y(t) = ℜ(c e(α+iω)tv)
= ℜ(c e(α+iω)t)ℜ(v) − ℑ(c e(α+iω)t)ℑ(v)
= ξ(t)ℜ(v) − η(t)ℑ(v),
Re(v)
Im(v)
und
ξ(t) η(t)
=
"
ℜ(c e(α+iω)t) ℑ(c e(α+iω)t)
#
= eα t
ℜ(c eiω t) ℑ(c eiω t)
= eα t
ℜ(c)ℜ(eiω t) − ℑ(c)ℑ(eiω t) ℜ(c)ℑ(eiω t) + ℑ(c)ℜ(eiω t)
= eα t
ℜ(c) cos(ωt)− ℑ(c) sin(ωt) ℜ(c) sin(ω t) + ℑ(c) cos(ω t)
= eα t
cos(ωt)
−sin(ωt) sin(ω t) cos(ω t)
ℜ(c) ℑ(c)
Folgerung: Die Bahn y(t) liegt in der von den Vektoren ℜ(v) und ℑ(v) aufgespannten Ebene. Die Bewegung ist spiralf¨ormig (wenn α 6= 0) oder ellipsenf¨ormig (wenn α = 0).
Beispiel: Das unged¨ampfte Doppelpendel
0000000000000 0000000000000 0000000000000 0000000000000 1111111111111 1111111111111 1111111111111 1111111111111
00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 00 0
11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 11 1
000 111 000 111 000 111
0 0
m
m u
u2
1
2 s
s 1
1
2
Bewegungsgleichung in Matrixform:
u¨1
u¨2
| {z }
¨ u
= −
(s1 + s2)/m1 −s2/m1
−s2/m2 s2/m2
| {z }
G
u1
u2
| {z }
u
Mit der Geschwindigkeit v = u˙ ∈ R2 bekommt man DGL 1. Ordnung:
u˙
˙ v
=
0 I
−G 0
| {z }
A
u v
|{z}y
I=Einheitsmatrix
Die Matrix A ∈ R4×4 hat 4 rein imagin¨are Eigenwerte:
λ1 = i ω1, λ2 = i ω2, λ3 = λ1 = −i ω1, λ4 = λ2 = −i ω2. Die allgemeine L¨osung ist von der Form:
y(t) = ℜ
c1ei ω1t
u1
i ω1 u1 + ℜ
c2ei ω1t
u2
i ω2 u2
↑ ↑
komplexe Konstante Eigenvektor
F¨ur den Fall m1 = m2 = 1, s1 = s2 = 1 hat man zum Beispiel ω1,2 =
s
3 ± √ 5
2 , u1,2 =
2 1 ∓ √
5 Daraus liest man ab:
1. Fall: schnelle Schwingung, gegenphasige Schwingung der Massen 2. Fall: langsame Schwingung, gleichphasige Schwingung der Massen
Anwendung der Ergebnisse auf das ged¨ampfte Federpendel
Mit den Bezeichungen wie in der 4. VL lautet die DGL f¨ur die freie Schwingung des ged¨ampften Pendels:
˙
y(t) =
0 1
−s/m −d/m
| {z }
=:A
y(t), y(t) =
u(t) v(t)
.
Das charakteristische Polynom ist
χA(λ) = λ2 − spur(A)λ + det(A)
= λ2 − (d/m)λ + (s/m).
Die Eigenwerte sind die Nullstellen von χA, also λ1,2 = −1
2(d/m)± √
∆, ∆ = 1
4(d/m)2 − (s/m).
Die zugeh¨origen Eigenvektoren sind
v1,2 =
1 λ1,2
.
Die Gr¨oße ∆ ist die sogenannte Diskriminante. Sie entscheidet dar¨uber, von welchem Typ die Eigenwerte λ1,2 sind. Es gibt 3 F¨alle:
∆ < 0 : Eigenwerte sind nichtreell, Schwingfall
∆ = 0 : Eigenwerte sind gleich, aperiodischer Grenzfall
∆ > 0 : Eigenwerte sind reell und verschieden, Kriechfall.
Der Fall ∆ < 0 (Schwingfall):
Matrix f¨ur das ged¨ampfte Federpendel: A =
0 1
−s/m −d/m
. Eigenwerte und -vektoren:
λ1,2 = −δ ± √
∆, wobei ∆ = δ2 − (s/m), δ = 1
2(d/m), v1,2 =
1 λ1,2
.
Wir betrachten den Fall ∆ < 0. Setze ω := √
−∆. Dann
λ1 = −δ + iω, λ2 = −δ − iω = λ1, v2 = 1
¯λ1
= v1.
Die Eigenwerte und Eigenvektoren sind nichtreell und konjugiert komplex. Die allgemeine L¨osung der DGL ist daher:
y(t) =
u(t) v(t)
= ℜ c eλ1tv1
, c ∈ C
Einsetzen von λ1, v1 und Ausrechnen ergibt:
y(t) =
u(t) v(t)
= ℜ
c e(−δ+iω)t
1
−δ + iω
= e−δ t|c|
cos(
ω t + φ)
−δ cos(ω t + φ) + ω sin(ω t + φ)
.
↑
c = |c|eiφ Daraus liest man ab:
Das Pendel f¨uhrt ged¨ampfte (δ > 0) oder unged¨ampfte (δ = 0) Schwingungen aus.
Der Fall ∆ > 0 (Kriechfall):
Matrix f¨ur das ged¨ampfte Federpendel: A =
0 1
−s/m −d/m
. Eigenwerte und -vektoren:
λ1,2 = −δ ± √
∆, wobei ∆ = δ2 − (s/m), δ = 1
2(d/m), v1,2 =
1 λ1,2
.
Wir betrachten den Fall ∆ < 0. Dann sind die Eigenwerte reell und verschieden. Die Eigenvektoren sind reell und linear unabh¨anging. Sie bilden daher eine Basis des R2. Die allgemeine reelle L¨osung der DGL ist:
y (t) = c
1e
λ1tv
1+ c
2e
λ2tv
2, c
1, c
2∈ R .
Beide Eigenwerte sind negativ, denn √
∆ < δ. Neue Bezeichnungen:
λ1,2 = −δ1,2 = −(δ ∓ √
∆). Damit bekommt man
y(t) =
u(t) v(t)
= c1e−δ1t
1
−δ1
+ c2 e−δ2t
1
−δ2
c1, c2 ∈ R.
Daraus liest man ab:
Die Bewegungen des Pendels enthalten 2 Anteile. Der eine f¨allt mit dem Faktor e−δ1t, der andere mit e−δ2t. Je gr¨osser ∆, desto kleiner ist δ2 = δ − √
∆, d.h. desto langsamer ist das Abklingen des 2. Anteils.
Der Fall ∆ = 0 (aperiodischer Grenzfall):
Matrix f¨ur das ged¨ampfte Federpendel: A =
0 1
−s/m −d/m
. Eigenwerte und -vektoren:
λ1,2 = −δ ± √
∆, wobei ∆ = δ2 − (s/m), δ = 1
2(d/m), v1,2 =
1 λ1,2
.
Wir betrachten den Fall ∆ = 0. Dann sind die Eigenwerte und Eigenvektoren identisch:
λ1 = λ2 = −δ, v1 = v2. Alle weiteren Eigenvektoren sind Vielfache von v1.
⇒ Es gibt keine Basis von Eigenvektoren. Man braucht Hauptvektorl¨osungen.
Alle Vektoren des C2 sind Hauptvektoren, denn (A − λ1I)2 =
δ 1
−δ2 −δ 2
= 0.
Ein vom Eigenvektor v1 linear unabh¨angiger Hauptvektor ist z.B. e1 = 1
0
. Die zugeh¨orige Hauptvektorl¨osung ist eλ1t( t(A − λ1 I)e1 + e1 ).
Die allgemeine L¨osung der DGL ist y(t) =
u(t) v(t)
= c1eλ1tv1 + c2 eλ1t( t(A− λ1I)e1 + e1), c1, c2 ∈ C
= e−δ t c
1 + c2 (δ t + 1)
−c1 δ − c2δ2t
.
Wurzelortskurve:
Eigenwerte (gr¨un) des Pendels bei fester Masse (m = 1) und Steifigkeit (s = 1) und wachsender D¨ampfung d
d = 0 : Eigenwerte rein imagin¨ar, unged¨ampfte Schwingung
−2 −1.8 −1.6 −1.4 −1.2 −1 −0.8 −0.6 −0.4 −0.2 0
−1
−0.5 0 0.5 1
d= 0
imagin¨↑ are Achse
Wurzelortskurve:
Eigenwerte (gr¨un) des Pendels bei fester Masse (m = 1) und Steifigkeit (s = 1) und wachsender D¨ampfung d
d = 0.5 : Eigenwerte weder reell noch imagin¨ar, ged¨ampfte Schwingung
−2 −1.8 −1.6 −1.4 −1.2 −1 −0.8 −0.6 −0.4 −0.2 0
−1
−0.5 0 0.5 1
d= 0.5
imagin¨↑ are Achse
Wurzelortskurve:
Eigenwerte (gr¨un) des Pendels bei fester Masse (m = 1) und Steifigkeit (s = 1) und wachsender D¨ampfung d
d = 1.5 : Eigenwerte weder reell noch imagin¨ar, ged¨ampfte Schwingung
−2 −1.8 −1.6 −1.4 −1.2 −1 −0.8 −0.6 −0.4 −0.2 0
−1
−0.5 0 0.5 1
d= 1.5
imagin¨↑ are Achse
Wurzelortskurve:
Eigenwerte (gr¨un) des Pendels bei fester Masse (m = 1) und Steifigkeit (s = 1) und wachsender D¨ampfung d
d = 2 : Eigenwerte fallen zusammen, aperiodischer Grenzfall
−2 −1.8 −1.6 −1.4 −1.2 −1 −0.8 −0.6 −0.4 −0.2 0
−1
−0.5 0 0.5 1
d= 2
imagin¨↑ are Achse
Wurzelortskurve:
Eigenwerte (gr¨un) des Pendels bei fester Masse (m = 1) und Steifigkeit (s = 1) und wachsender D¨ampfung d
d = 2.1 : Eigenwerte reell, starke D¨ampfung, Kriechfall
−2 −1.8 −1.6 −1.4 −1.2 −1 −0.8 −0.6 −0.4 −0.2 0
−1
−0.5 0 0.5 1
d= 2.1
imagin¨↑ are Achse
Wurzelortskurve:
Eigenwerte (gr¨un) des Pendels bei fester Masse (m = 1) und Steifigkeit (s = 1) und wachsender D¨ampfung d
d = 2.3 : Eigenwerte reell, starke D¨ampfung, Kriechfall
−2 −1.8 −1.6 −1.4 −1.2 −1 −0.8 −0.6 −0.4 −0.2 0
−1
−0.5 0 0.5 1
d= 2.3
imagin¨↑ are Achse
Wurzelortskurve:
Eigenwerte (gr¨un) des Pendels bei fester Masse (m = 1) und Steifigkeit (s = 1) und wachsender D¨ampfung d
d = 5 : Eigenwerte reell, starke D¨ampfung, Kriechfall
−2 −1.8 −1.6 −1.4 −1.2 −1 −0.8 −0.6 −0.4 −0.2 0
−1
−0.5 0 0.5 1
d= 5
imagin¨↑ are Achse
Die inhomogene DGL y(t) = A y(t) + b(t) f¨ur spezielle Eingangsfunktionen b(t):
Ansatz von Typ der rechten Seite
Gesucht: eine partikul¨are L¨osung yp f¨ur die DGL
˙
y ( t ) = A y ( t ) + e
µ tb
| {z } b(t)
. ( ∗ )
Ansatz:
y
p(t) = e
µ tv .
Aus dem Ansatz folgt:˙
yp(t) = µ eµ tv
A yp(t) + eµ tb = eµ t(A v + b)
Gleichsetzen der linken und damit auch der rechten Seiten ergibt µv = A v + b.
Umstellen ergibt:
(µI − A)v = b. (∗∗)
(∗∗) ist ein lineares Gleichungssystem f¨ur die Eintr¨age von v. Wenn µ kein Eigenwert von A ist, dann ist (∗∗) eindeutig l¨osbar, denn det(µI − A) 6= 0.
Wenn µ ein Eigenwert ist (Resonanzfall), dann f¨uhrt der Ansatz in den meisten F¨allen nicht zum Ziel, und man braucht einen komplizierteren Ansatz der Gestalt:
yp(t) = eµt (v0 + v1 t+ . . . + vktk),
wobei k groß genug. Dies wird in dieser VL nicht weiter verfolgt.