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Rosenbergstrasse 115

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Academic year: 2022

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Es ist nicht zu übersehen:Die Schweiz hat in den vergangenen Jahren ihren Ei- gensinn verloren, traut sich nicht mehr, bockbeinig zu sein, wenn von aussen Druck aufgesetzt wird. Früher waren wir politisch dickköpfig, dickschädelig, starrköpfig, stur, störrisch, widerspens- tig, aufmüpfig, halsstarrig, trotzig, ei- genbrötlerisch, widersetzlich, wider- borstig, unfolgsam, aber auch stand- haft und unnachgiebig. Querulanten, die vieles anders machten als die an- dern und meist besser. Und so ging es uns denn auch. Heute? Tempi passati.

Wenn Deutschland, die EU oder die USA grummeln und knurren, kuschen, so scheint es jedenfalls, unsere Unter- händler. Wie anders ist zu erklären, dass Vereinbarungen getroffen werden mit diesen «Partnern», die vor allem eine Wirkung haben: Die Schweiz (ge- nauer: die Schweizer Banken) organi- siert, treibt ein und bezahlt, fast ohne Gegenleistung.

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In Sachen Steuerstreitmit Deutschland kann man hierzulande nur noch auf die deutschen Sozialdemokraten hoffen.

Sie sind die einzigen, die den einseitigen Deal, der Deutschland nützt und der Schweiz nur schadet, noch kippen könnten. Gott sei Dank ist bald Wahl- kampf in Deutschland.

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Immerhin haben wir mit der neuen Weissgeld-Strategie (so man daran glaubt) die Moral auf unserer Seite. Die allerdings – ziemlich frustrierend – aus- ser uns kein Schwein interessiert. Sicher nicht die Finanzhandelsplätze London, Frankfurt und New York. Ob die Schweiz ohne Grossbanken (und ohne Pharmaindustrie, die man national zu disziplinieren versucht) DAS europäi- sche Erfolgsmodell bleiben wird, ist mehr als fraglich. Sicher ist: Spitzen- plätze in Sachen Solarenergie und Sozi- alhilfe kompensieren den wirtschaft - lichen Schaden nicht.

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Apropos Moral: Besuch aus Italien, dem Land, in dem die Politiker am meisten verdienen. Offiziell wenigs- tens. Inoffiziell verdienen sie noch weit mehr. An allerlei Vergünstigungen beim Essen, Autofahren und Wohnen bei- spielsweise und beim Privileg, Nichten, Neffen und anderen Verwandten zu ordentlich bis gut bezahlten Stellen ver- helfen zu können. Stellen, an denen die dankbaren Familienmitglieder und Freunde zwar nichts zu tun haben (und deshalb vernünftigerweise oft auch gar nicht erscheinen, da es andernorts mehr zu tun gibt), die ihnen aber we- nigstens die schwierigen Zeiten über- stehen helfen. Italien war der übrigen Welt schon oft voraus. Das erwerbs- (oder hier: arbeits-)unabhängige Ein- kommen ist bei uns erst ein politisches Projekt.

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Am 31. Januar 2008 erstarrten im New Yorker Hauptbahnhof etwa 200 Men- schen gleichzeitig für genau fünf Minu- ten. Am 4. April 2009 um 16 Uhr tra- fen sich mehrere tausend Jugend liche zu einer Kissenschlacht vor dem Kölner Dom. Und am Freitag, 23. März, strömten auf der Zürcher Pestalozzi- wiese wie auf Befehl etwa 200 Leute zusammen und begannen einen Line Dance nach der Melodie von «Like a star» (Ein Stern, der deinen Namen trägt, von DJ Ötzi). Flashmob nennt sich das Phänomen, bei dem es auf öf- fentlichen Plätzen zu kurzen, scheinbar spontanen Menschenaufläufen kommt, bei denen sich die Teilnehmer persön- lich nicht kennen und ungewöhnliche Dinge tun. (Video auf www.youtube.

com/watch?v=2DRClglqmmU&featu re=email).

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Humor bis zuletzt beweist die Grab- steininschrift: «Guck nicht so, ich läge jetzt auch lieber am Strand.»

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Auf diversen TV-Kanälen und in ver- schiedenen Zeitschriften gleich mehrere üble Geschichten über Haltung und Produktion von Tieren und tierischen Lebensmitteln. Folge: Das eine oder an- dere Steak will nicht mehr recht schme- cken. Täglich Fleisch? Muss ja nicht sein. Allerdings: Statt eines Wiener Schnitzels eines aus Tofu und statt einer Olma-Bratwurst eine halbe Aubergine auf den Grill? Auch nicht grad eine glücklich machende Vorstellung. Rüebli statt Salami? Fällt ziemlich schwer.

Dann wenigstens Salami von glückli- chen Schweinen? Falls es das gibt, wär’s eine Alternative. Andererseits: Glückli- che Schweinchen umbringen, um Wurst aus ihnen zu machen – auch nicht lo- gisch. Einfach nicht darüber nachden- ken und auf «Dr. House» umschalten?

Feige, aber ein gangbarer Ausweg.

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Werbung für Tabakwarenund Alkoho- lika verbieten? Die Frage kommt bei je der Gesundheitsgesetzrevision aufs Tapet.

Nicht selten mit dem «Argument», die Gegner von Verboten sollen gefälligst nachweisen, dass Verbote nichts nützen.

Ein wenig irritierend ist solches Argu- mentieren schon. Unaufgeregt zu Ende gedacht bedeutet es: Grundsätzlich darf (oder soll?) man alles verbieten, bis nachgewiesen ist, dass ein Verbot nichts nützt. Dabei dachte unsereiner, in einer toleranten, freiheitlichen Gesellschaft gelte genau das Umgekehrte: Ge- und Verbote sollen dann ausgesprochen wer- den, wenn nachgewiesen ist, dass sie etwas nützen. Aber zugegeben: dann liesse sich die Hälfte aller Ge- und Ver- bote ohne negative Folgen streichen.

Und wer will das schon?

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Und das meint Walti: Die einen kennen mich – die andern können mich.

Richard Altorfer

MEDIEN, MODEN, MEDIZIN

ARS MEDICI 8 2012

357

Rosenbergstrasse 115

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