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Das Anpassungsproblem
inder Physiologie der Gegenwart.
Ein Essay
von
Professor Dr.
Armin
Tsclieriliak (Halle a. S.).Her
BegriffderAnpassung
als einer allgemeinen Eigenschaftder lebendigen Substanz ist heute zu einer der führenden Ideen in der Biologiegeworden, nicht bloss in der botanischenund
zoologischen Morphologie, in der Entwicklungs- mechanikund
Phylogenetik; jener Gedanke beherrscht in der Gegenwart ganz wesentlich auch dio Lehre von den Lebensfunctionen, die Physiologie.
Von
sehr verschiedenen Seiten her ist
man
auf dieses Gebiet gelangt. DiesenWerdegang
zu schildern, die umfassendeBedeutung
des Problems überhaupt kurz zu kennzeichnen, sei dio Aufgabe dieser Skizze, welche schon zufolge der gebotenenKürze
nur unvollständig ausfallen kann.Der Kernpunkt
des Fortschrittes lag aufdem
Felde der allgemeinenPhy-
siologie
, in der Reizlehre. Hier brach zunächst die subjectivistische Sinnes- physiologie mit der Vorstellung, dass Beiz
und
Keizeffect, Artund
Grösse der Einwirkungund
derErregung
identisch seien oder in einer einfachen,constanten Beziehung stünden. SchonJob. Müller
1) hatte die „Natur“ der gereiztenund
erregten lebendigen Substanz als mitentscheidend erkannt, ja alsdas für dio Erregungsweise alleinBestimmende
erklärt: der Satz von derUnabhängig-
keit der Effectqualität von der Reizqualität, die Lehre von der specifischen Energie.
—
Erinnert sei auchan die geistvollenBetrachtungenRob.
Mayer’s2)
ebenso CI.
Bcrnard’s
3) über Auslösungen, in welch letzteren der Anstoss, der „Reiz“ wohl die Ursache abgibt für dieUmwandlung
einer Energieform in die andere, nicht aber die Ursache derEndwirkung
ist.Ostwald’s
und1
2
Bredig’s
4) bedeutsame Studien über Katalyse, als z. Th. specifisclie Beschleu- nigung- spontaner Reactionen, schliessen sich hier au.Auf
der anderen Seite hat die neuere Physiologie, speciell durch die Ver- dauungsstudien I. P.Pawlow’s
5) mit der älteren Vorstellung gebrochen, dass alle möglichen Reizqualitäten oder wenigstens eine sehr grosse Zahl derselben aufdie einzelne lebendige Substanz wirksam sei.Es
ward vielmehr eine oft sehr erhebliche Beschränkung der qualitativen wie quantitativen Reizbarkeits- breite als Thatsache erkannt. Die elective oder specifisclie Reizbarkeit der Magendrüsen gegenüber bestimmten nervösen, psychischenund
bestimmten che- mischen Erregern, ihre Unerregbarkeit— im
Gegensätze zu den Schleimzellenund
der Magenmusculatur—
gegenüber mechanischen Reizen hat unsPawlow
als classisches Beispiel kennen gelehrt.
Die Erkenntnis, dass die„Natur“ des Reizobjectes zeitlebens schwankt, dass der Reizeffect auch von
dem
jeweiligen Zustande bestimmt wird, ja dass der Reiz selbst eine Zustandsphase zerstörtund
eine neue schafft—
diese speciellvonE. Hering
6)begründete Erkenntnis führte alsbaldzum
Anpassungsproblem.Hering
gab die classische Formulierung: der Reizvermag
je nach seiner Qua-lität
und
Quantität, je nach der Naturund dem
Zustande des Reizobjectesdessen autonomesStoffwechselgleichgewicht in bestimmten Richtungenund
in bestimm-tem Ausmaasse
zu stören— dem
Reizkommen
inBezug
auf ein gegebenes Reizobject, also nicht absolut, sondern correlativ bestimmte Reiswerflie oder Valenzen zu.Während
der Einwirkung des Reizes, also während der Stoff- wechsel nach bestimmten Richtungen d. h. in seinen assimilatorischen wie dissimilatorischen Componenten gesteigert oder gemindert wird, sinktdurch eine eigenartige Selbststeuerung dieErregbarkeitund
damit die Grösse derErregung
nach eben diesen Richtungen hin.Im
Falle einer antagonistischen Organisa- tionsweise*), wie sie z. B.im Auge
inForm
der Componentenpaare Weiss- Schwarz, Roth-Grün, Gelb-Blau,im
Temperatursinne alsWarm und
Kalt ge- geben ist—
auch aufdem
Gebiete von Geruch, Geschmack, Bewegungsempfin-dungen
fehlt es nicht an Analogien,—
in diesem Falle wächst in gleichem Maasse die Erregbarkeit nach der gegensinnigen Richtung.*) Dieselbe bedingt die Erscheinungen der Compensation oder Subtraction, d. h.des Einanderaufhebens gewisser Reizvalenzen oder Erregungscomponenten. So ergeben nach
Hering
sog. complementäre Lichter darum unter gewissen Bedingungen eine farblose Mischung, weil dann ihre farbigenValenzen geradeaequivalentsind und sich gewissermaassen binden, während die farblosen Reizwertheder beiden Lichter vereint allein zurEmpfindungs- wirkungkommen. Trotz Addition der physikalischen Reize resultiertinfolge einerangeborenen Einrichtungdes Sehorganseine physiologische Subtraction der gegenfarbigen Erregungen. Der unzulässige Analogieschluss aus der Beschaffenheit der Reizeaufjene der Reizeffecte istder principielle Mangel aller Additionstheorien der sog. Farben- d. h. Lichtermischung, speciell der Erzeugungdes Weiss7).—
Dieselbe Subtraction findetstattzwichender durchContrast er- zeugtenSchwarzerregungundderWeisserregungseitens des verstreuten Lichts—
einbiologisch hochbedeutsamesVerhalten,welches speciell durch die Erscheinungender Irradiationillustriertwird [Mach,Hering8)].
~<3 3
—
Das
Reizobject geht aus der Störungsphase, sei sieErregung im
engeren Sinne oderHemmung,
in einen neuen Zustand über, in ein allonoraes Stoff- wechselgleichgewicht (E.Hering). Der
Reiz.wird durch die specifische Anpas- sung der Erregbarkeit, durch Adaptation scheinbar unwirksam: er wird zur spociellenBedingung
für den neuen Zustand. Energieverschiebungen in der Aussenwelt vermögen also bei gewisser Qualitätund
Intensität den Stoffwechsel der lebendigen Substanz in bestimmterWeise
zu stören, reizend zu wirken.Durch
dieAdaptation werden sie weiterhin zu Lebensbedingungen, zu Erhaltern eines bestimmten Adaptationszustandes, den wir auchTonus im
allgemeinsten Sinne nennen könnten.Beispiele für dieses Hervorgehen eines speciellen Zustandes oder
Tonus
aus einer Erregung oderHemmung
bietet der Hell-Dunkeladaptationszustand desAuges
mit Steigerung der Weisserregbarkeit bis zu einem gewissen Maxi-mum
beiLichtabschluss,Minderung
derselbenjenach denBeleuchtungsgraden7).Ein
Bleiches gilt von der chromatischenStimmung
des Auges, von der Stim-mung
des Temperatursinnes, von den beiden gegensätzlichen Arten des Elektro- tonus, wie sie der constanteStrom am
Nerven hervorbringt, fernervom
Be- lastungszustand des SkeletmuskelsEd. [Weber,
thermische Parallele vonHeidenhain und
Ad.Fick
9)]—
mitdem
eineAenderung
derLeistungsfähig- keit in der ganzen Muskelfaser einhergeht, auchwenn
die Belastung nur eine locale ist [barynogene Allodynamie, A.Tschermak
10)].Des
weiteren sei ange- führt der Füllungszustand derHohlmuskeln (Straub
11)—
alsBedingung
der automatischenRhythmik am
SchneckenherzerkanntvonBiedermann
12).Auch
die vagotonischen Zustände des Herzmuskels, specielldessen neurogene Allodynamie (F. B.Hofmann
13),und
damit der Innervationstonus überhaupt, sei er auto- matisch oder reflectorisch, können hier genannt werden, obzwar es sich hiebeium
Adaptation an einen sog. inneren Reiz handelt.Damit
ist auch der tiefere Sinn angedeutet für die Unterscheidung von zweierleiInnervationsverhältnissen, der tonischen oder Zustandsinnervation [z. B. des Herzvagus, des Nervus de- pressor als Reflexnerv der Aorta nachKöster-Tschermak
14), desSympa-
thicus für Pupille
und
Ohrgefässe]und
der vorübergehenden Alterationsinner- vation, beispielsweise der willkürlichen Innervation der Skeletmuskeln.Die Geschwindigkeit, mit welcher die Adaptation eintritt, sowie das Aus- maass der Zustandsänderung ist speciell verschieden je nach
dem Ausgangs-
zustande.Man
denke an die anfänglicheVerlangsamung
desDunkeladaptations- vermögens desAuges
durch vorangegangene hochgradige Helladaptationund
Blendung, an die Ermüdbarkeit des Dunkeladaptationsvermögens überhaupt (A.Tschermak
15). Die Adaptationscurve bezw. die Grenzcurve, in welcher der Reiz eben noch anwachsen darf ohne eine sinnfälligeErregung
oderHemmung
auszulösen, liesse sich wenigstens auf gewissen Gebieten angenähert bestimmen.
— Von
besonderem Einflüsse auf den zeitlichen Ablauf derAnpassung
der Er- regbarkeit ist weiterhin die Individualität, eventuell nachTypen
abgestuft,und
2
—
S3-4
-65—das Lebensalter.
Im
allgemeinen bedeutetJugend
raschereund
'weitergehende Adaptationsfähigkeit.Durch
die geänderte Reaction auf neuerliche Reize, durch dienunmehr
geänderten Valenzen derselben Reize wie zuvor verräth der neue Zustand seine Besonderheit, die wirim
Detail charakterisieren nach den phaenomenalistisch zunächst gesonderten Einzelvermögen wie Anspruchsfähigkeit für natürliche wie künstliche Reize, Leistungsfähigkeit, Leitungsvermögen, Rhythmik, nach Vertheilung der elektrischen Spannung, welch letztere wir, allerdings nicht einfach parallel, mit der Leistungsfähigkeit des Muskels sich ändern sehen[Bernstein und Tschermak
9)].Das
bisherige Bestehen eines neuen Zustandes documentiert sich nicht weniger deutlich dadurch, dass eineweitereAenderungderäusseren Bedingungen,speciell der Wegfall des „überwundenen“ Reizes eine neuerliche Störung, eine Oeffnwngsrcadion zur Folge hat
— und
zwar auch dann,wenn
die voraus—
gehende Adaptation noch keine vollkommene oder vollendete war.
Es
sei nur an die subjective Erscheinungsweise der Oeffnungsreaction als Nachbild inner- halb des Gesichtssinnes erinnert, mit seinem selbsständigen Ablaufe der farb- losen und der farbigen Compouenten (C.Hess
16), mit seinem wesentlich ge- gensätzlichem Charakter an Helligkeit, Farbe, Bewegungsrichtung nach länger- dauernder Reizung. Analoge Nachbilder bieten die Temperatur-, dieDrehungs-und
Fortbewegungsempfindungen.Auch
der interessanten Erscheinung seigedacht, dass die bei Dauerreizung eintretende Steigerung der gegensinnigen Erregbarkeit schliesslich, noch bei Fortbestehen des Reizes, zu einer „spon- tanen“ gegensinnigen
Erregung
selbst führen kann: das Hervortreten des nega- tiven Nachbildes nochwährend
der Betrachtung des Vorbildes, die simultane Lichtinduction oder gleichfarbige Induction nachHering
17).Dass die Oeffnungszuckung bei
Anwendung
des constanten Stromes, die elektrotonisehen Nachwirkungen, ebenso die noch genauer zu studierenden Folgeerscheinungen beiAufhebung
eines tonischen Innervationsverhältnisses sich derselben Betrachtungsweise fügenund
dadurch ein weiteres allgemein- physiologisches Interesse gewinnen, sei nur kurz erwähnt.Haben
wir doch gerade in derAnwendung
des constanten Stromes aufNerv und
Muskel ein vorzügliches didaktisches Mittel,um
die Grundbegriffe der allgemeinen Reiz-und
Adaptatiouslehre zu veranschaulichen lind einzuprägen.Am
bestendemon-strieren wir als Gegenstück zugleich die
Wirkung
eines mässig satten Farb- glases auf das Auge: die Phase der Reizwirkung, individuell verschieden lang,und
dadurch erinnernd an die verschiedenrasche Adaptation des Praeparatesvom Warmfrosch und
Kaltfrosch an den constantenStrom —
weiterhin das Stadium der vollendeten Adaptation, endlich den gegensinnigen Oeffnungseffect.Nicht minder lehrreich ist die Parallele des subjectiven
und
des objectiven Er- scheinungsgebietes für dasPhaenomen
des Einschleichens d. h. desAusbleibens einer sinnfälligen Reizwirkung,wenn
der Reiz so langsam anwächst, dass das—
3- 5Adaptationsvermögen folgen
kann —
gleichwohl hat auchnunmehr
Wegfalldes „Reizes“ eine gegensinnige Oeffnungswirkung. Analoges gilt
vom Aus-
schleichen, also
vom
Ausbleiben eines sinnfälligen Oeffnungseffectes.Zum
optischen Versuche schiebt
man
zweckmässig successive eine schwach tingierte Glasplatte vor die andere oder benützt einen Keil farbigen Glases.Der
Anpassungscharakter in der automatischen Regulierung der Erreg- barkeit,im
Adaptationsvermögen tritt uns allerdings erst deutlich entgegen,wenn
wir die Fälle von Adaptation an die naturgemässen, sog. adaequaten Factoren—
so desAuges
an Licht, des Muskels an Last—
genauer analy-sieren.
Auch
hier hatHering
die grundlegende Thatsacheam
Sehorgan fest- gestellt, dass es in einem gewissen „mittleren“ Helladaptationszustande die höchste Leistung an Unterschiedsempfindlichkeit für Helligkeitund
Farbe so- wie anFormensinn
oder Sehschärfe aufweist (vgl. auch S.Garten
18). Schon dadurch war der Ermüdungsbegriff in seiner altenFassung
beseitigt.—
DieArt
und
dasAusmaass
eines localen Reizeffectes wird bei den als Mosaikfunctio- nierenden Sinnesorganen, so für den optischen Licht-, Farben-und Bewegungs-
sinn, für den Temperatursinn
und
den haptischen Bewegungssinn, auch noch gegensätzlich mitbestimmt vondem
jeweiligen Verhalten derUmgebung, vom
sog. simultanen Contraste.
Auch
für diese Seitenwirknng besteht Adaptation der Erregbarkeit.Doch
sei dies hier nur nebenbei bemerkt.Die allgemeine Nutzleistung der Hell-Dunkeladaptation wie der chro- matischen
Stimmungsänderung
desAuges
erkannteHering
darin, dassDank
dieser Einrichtung der subjective Eindruck der Aussendinge an Helligkeit
und
FarbeinnerhalbweiterGrenzen derseZ&ebleibt,wenn
auch dasbeleuchtendegemischte Licht, speciell das Tageslicht, sich an Intensitätund
Qualität sehr erheblich ändert.Nur
aufGrund
der resultierenden „Unabhängigkeit“ von Eindruckund
Beleuchtung schreiben wir den Aussendingen eine ihnen eigenthümliche, constante Helligkeitund
Farbe zuund vermögen
sie nach dieser wieder- zuerkennen.Kaum
ein anderes Beispiel illustriert so handgreiflich denAnpassungs-
vorgang als eine specißsch „nützliche“Veränderung
oder, allgemeiner gesagt, als eine auf einen specifischen Nutzeffect gerichtete exogene Variation; dieselbekommt
ja nicht selten, zumal alsAnpassung
an pathologische Veränderungen noch vor Erreichen des Nutzeffecteszum
Stillstand. Dieser Nutzeffect besteht entweder in der Erhaltung der normalen Leistung trotz geänderter, speciellmindergünstiger Verhältnisse oder
im Auf
bringeneinerneuenLeistung,sei sie ein Surrogat für die normale oder entspräche sie erst den neuenBedingungen
(anpassungsmässiger Functionswechsel). Endlichkann
es sichum
blosseBeseitigung oder Compensation einer eingetretenen schädlichen Veränderung handeln.
2*
—
53- 6*—
Nicht minder fruchtbar als für die allgemeine Physiologie hat sich die
Anpassungsidee in der speciellen oder Organphysiologie erwiesen. Ja, das einschlägige Material und Detail ist so umfangreich, dass hier nur wenige
Andeutungen
bezüglich einzelner Arbeitsrichtungen gegeben werden können.Die centrale Stellung gebührt der neuen Aera der Verdauungslehre, wie sie I. P.
Pawlow
5) begründet hat. Ich darf mich gerade hier mit wenigen Hinweisen begnügen. Die anpassungsmässige Abstufung nach Quantität und Qualität des Secretes, speciell nach Concentration,Wirkungsbedingungen und
absoluter
Menge
der Fermente (berechnet nachdem Schütz-Borissow’schen
Gesetz), ward zunächst für die Arbeit der Magendrüsen
und
des Pankreas (be- sonders durch A. A.Walther
19) festgestellt, dann aber auch fürdie Speichel- drüsen, die Drüsen desDünndarms und
für die Abscheidung wie Secretion der Galle.Doch
nicht bloss für die chemisch angeregte Magensecretion, auch be- reits für den psychogenen oder Appetitssaft, wie er bei Scheinfütterung er- halten wird, hat sich eine zweckmässige Variation je nachdem
Futtermittel ergehen(Sokolow
20). Gewiss ist die Bedeutung zahlreicher Einzelheitenim
Secretionsverlaufe noch unklar,manche
sind vielleicht nur correlativ noth- wendige Begleiterscheinungen zu den eigentlichenAnpassungsvorgängen. Ebenso fehlt es nicht an Beispielen für die Individualitätund
Begrenztheit des Anpas- sungsvermögens, welche aber doch z. B. das Wiederauftreten des milchzucker- spaltendenFermentesim
Pankreassafterwachsener ThierebeiMilchregimegestattet[Weinland
21), F. A.Bainbridge
22)].— Auf
die zweite führende Ideeindem
Werke
derPawlow’schen
Schule, die Feststellung einer electiven oder speci- fischen Reizbarkeit der einzelnen Abschnittedes Digestionstractus5) wurde schon Eingangs hingewiesen. Als Hauptpunkte seien hervorgehoben die Erkenntnis der psychischen Erreger (des Appetits, des Eckels, der Ueberreizung) für die Arbeit der Speichel-und
Magendrüsen, die Feststellung ganz bestimmter che- mischer Erreger, speciell der Wirksamkeit des Secretes des höherenMagendarm
-
abschnittes auf den tieferen, andererseits der Nachweis eines activierenden Effects von Darmsaft
und
Galle (Kinasen) auf die Profermente des Pankreas, endlich die Beschränkung der mechanischen Reizwirkung (Trockenheitsreiz in derMundhöhle, Unwirksamkeit mechanischer Reizung an sich aufdie Secretion von Magensaftund
Pankreassaft).Der
Angriffsortund
derWeg
jener Fern-effecte ist noch Gegenstand detaillierter Studien: die Alternative lautet neuro- gene Wirkungsweise, also Chemoreflex oder haematogener Ferneffect, wie ihn speciell
Bayliss und Starling
23) für dieErregung derPankreassecretion durch ein inneres Secret („Secretin“) der directsgereizten Darmschleimhaut annehmen.Aehnliches wie von der Arbeit der Verdauungsdrüsen gilt wohl auch von den
Vorgängen
der inneren Secretion, welche nurzum
Theil genauer erforscht sind. Ich denke hier einmal an die Spaltungs- oder Verdauungsvorgänge in den Geweben, durch welche Material aus den circulierenden Körpersäften be- hufsAufnahme
in die einzelnen Zellen „aufbereitet“, also gewissermaassen in—s- 7
Bausteine zerlegt wird, welche
zum
speciellen Assimilationsprocesse in der be- treffenden Zelle geeignet sind.Im
Detail festgestellt ist bereits der anpas- sungsmässige, correlativVarianteCharakter jenerFermentationsvorgänge, welche die Mobilisierung der in den einzelnenGeweben
deponierten Reservesubstanzen, ihre Überführung in sog. Transmodificationen veranlassen. Als Beispiele seien genannt das wechselndeAusmaass
der Saccharificierung des Glykogens wie der Blattstärke, der abgestuft verschiedene Verbrauch der einzelnen Gewebsartenim
Hungerzustande—
ein Verhalten, welches dieVermuthung
nahelegt, dass ähnlich wie beim Lachs die Geschlechtsproducte sich auf Kosten der fettig de- generierendenRumpf-Muskeln
entwickeln(Miescher
24), so hier die lebens- wichtigen Organe durch eine anpassungsmässigeSteigerung des Verbrauches der minderwichtigen Organe, speciell des Fettgewebesund
der Drüsen, relativ ge- schont,die letzteren also zudem
stets nothwendigen„Nachbau“der ersteren ver- wendet werden.— Auf
der anderen Seite ist eine anpassungsmässige Variation nicht zu verkennen bezüglich derjenigen Secrete,welche in den Säftestrom abge- gebenwerden. DiesesVerhaltenistnochrelativwenigstudiertansolchen Secretorenund
Producten, welche eine bestimmte Beziehungzum
Stoffvvechel anderer Or- gane des Körpers besitzen, wie die Schilddrüse, die Hypophysisund
vielleichtauch die Zirbeldrüse
zum
Centralnervensystem, die Nebennieren zu den Blut- drucksregulatoren, das Pankreas zur Zuckerzerstörungim
Muskel (0.Cohn- heim
25).Auch
die Frage, inwieweitdie correlative AusbildunggewisserOrgane durch innere Secretion vermittelt wird, sei hier nur gestreift.—
Ein reiches Beobachtungsmaterial zudem
inRede
stehendenProblem
betrifft hingegen die Secretion der als Antikörper zusammengefassten Substanzen, mit denen uns eine neubegründete Specialwissenschaft, die Biochemie des Serums, unterEhrlich’s
26) genialerFührung
bekannt gemacht hat.Wir
finden hierspeci fisch verschiedene Reizbarkeit der einzelnen Gewebsarten für die von aussen einge- führten Reizmittel z. B. Bakterien oder Bakterientoxine, fremdes Blut, ferner anpassungsmässige Production ganz specifischer Secrete oder Antikörper seitens derselben Gewebsarten—
vonEhrlich
gedeutet als Überschussbildung für die mit Beschlag belegten Seitenketten, an welche das Reizmittel innerhalb der betreffenden Zellarten gebunden wird. Die betreffenden Theilmolekel, welche unterUmständen
selbstständig werdenund
als nunmehrige Schutzstoffe (zuvor hingegenVergiftungsvermittler!)im
Blute kreisen, sind nachEhrlich
Producte der normalen Zellthätigkeitund
stellenzum
Theil Receptoren der Gewebszellen zurBindung
ganz bestimmter Nahrungsstoffe dar.Schon die
Anpassung
des Allgemeinstoffwechels documentiert sich in der Erhaltung wesentlich gleicher Leistungen, speciell in der Production derselben Organbestandtheile trotz weitgehend variierter Nahrungsweise. Analoges giltvon der adaptativen Veränderung der Chromophylle, durch deren Vermittelung
die bunten Pflanzen die Sonnenenergie zur Assimilation verwerthen: die Alge Oscillaria
nimmt
unter farbiger Belichtung eine gegensinnige Farbe an d. h.—ss-
8
sie wird zurAbsorption
und
assimilatorischen Ausnutzung- des eben einfallenden farbigen Lichtes befähigt. DieseUmstimmung
dauert längere Zeit nach, ist sogar „erblich"(Engel mann und Gaidukow
27). Aehnliche Adaptationser- scheinungen bieten bezüglich Phototaxis (Lichtstimmung)und
Thermotaxis dieSchwärmsporen derAlgen sowie die
Myxomyceten
dar(Strasburger, Stahl
28).Auf
dieAnpassung
der Laubblätter an die Beleuchtung(u. a.Stahl,Wiesner),
zahlreicher Thierrassen an extrem hohe oder niedere Temperaturen (u. a.
Castle) sowie an die chemische
Zusammensetzung
des Mediums, speciell an dessen Salzgehalt (u. a.Mascart, Schmankewitsch),
ebenso auf die Bezie-hung
zwischen Fortpflanzungsweise und Temperatur hei Algen (G.Elchs) und
bei Thieren mit Generationswechselkann
hier nicht näher einge- gangen werden.— Es
schliesst sich an die Regulierung derWärmepro-
ductionund Wärmeabgabe
(M.Rubner),
des Gaswechsels(speciell Unabhängig- keit derO-Aufnahme vom
Partiardrucke— Pflüger,
A.Durig) und
der respiratorischen Ventilation, die Regulierung der Blutcirculation (u. a. durch locale activeAenderung
des Gefässlumens, Bayliss)und
desLymphstromes —
zugleich als eines Ausdruckes der Varianten Arbeit der Organe (cellular physio- logische Theorie der
Lymphbildung —
L.Asher
29).Specifisch nützliche Variationen wurden nicht weniger an der Muskulatur festgestellt [ähnlich an den Gelenken (R.
Fick
80), an den Sehnenund am
Bindegewebe, A.
Levy
31)].Einmal
inForm
der functioneilen Hypertrophieund
der Inactivitätsatrophie, in
Form
der Verkürzung bei dauernderAnnäherung
der Ansatzpunkte(Marey, Roux,
Strasser,Joachimsthal, Domoor
31).Dann
aber auch als regulirter Tonus, wie er z. B. auf
Grund
der angeborenen senso- rischen Verknüpfung, aufGrund
des Fusionszwanges die Präcisionseinstellung der beidenAugen
aufeinen gemeinsamen Fixationspunkt besorgt—
trotzgewiss oft erheblicher angeborener Differenzen in den beiden Hälften des oculimotori- schenApparates (F.B.Hofmann und
A.Bielschowskv
32). Andererseitskönnen sich gewisseMuskeln, dieman
aber nur schematisch alsAntagonistenbezeichnen kann (R.du Bois
-Reymond
33), sowohl für die vorübergehende, alterative z.B.willkürliche Innervation als bezüglich desTonus
gegensätzlich verknüpfen;sie regulieren dadurch einander, so dass Contraction des einen Muskels von Erschlaffung des anderen begleitet ist
(Sherrington, H.
E.Hering
34).Ganz
besonderes theoretisches wie praktisches Interesse beanspruchen die Studien, welche die anpassungsmässigenForm-
und Structuränderungen behan- deln, von denen die mechanischenGewebe
bei Thieren entsprechendZug und
Druck, alsogemäss
der functionelleu Reizung betroffen werden [Jul.Wolff und Cnlmann, Roux, Gebhardt
35, 3G)]. Hierher gehört vor allem derUmbau
der foetalen Knochenarchitektur wie der mikroskopischen Structur
—
je nachden individuellen Belastungsverhältnissen beim normalen wie
abnormen
Stehen, Sitzenund Gehen —
während der zweiten Ossificationsperiode, der Periode des functioneil ausgelöstenKnochenwachsthums
(im Gegensätze zu der ersten—
a- 9«—
Periode des selbstständigen Knorpelwachsthums und der nachfolgenden Ver- knöcherung,
W. Roux): Anhäufung
von Knochensubstanz au den Stellen der grössten statischenDruckspannung im
Gegensatz zu den rein localen sog.Druckschwundvorgängen (Roux
37), Repräsentierung des Verlaufes der maxi- malen Zug-und Druckspannungen
als Spongiosaarchitektur—
nichtAusdruck dermaximalen Abschcrungssymmüngm (Gebhardt
38), wie in den passiv er- zeugten Liniensystemen massiver todter Versuchskörper
[Hartmann, Mohr, Martens
u. a.39)] u. s. w.—
Gegenüber der Lehre J.Wolff’s
einer so zu sagen ausschliesslich adaptativenFormbestimmung
wardallerdingsvonRoux
40),Triepel
41),
Gebhardt
38) gezeigt, dass mannigfacheAbweichungen
bestehen von der streng mathematischenForm,
speciellvom
Princip:Maximum
an Wider- standsfähigkeit— Minimum
an Material, wie das schon die Stossfestigkeit be- dingt. Die Structur desKnochens
selbst, speciell die Rundmaschenspongiosa begünstigt hinwiederum ausgebreitete, statische Belastungen bezüglich ihrer Fortleitung gegenüber localenund
kurzdauernden, sie bevorzugtdie Entstehung vonZug- und
Druckspannungen gegenüber anderen,speciellvorSchubspannungen(Gebhardt
38).— Neben
den Factoren der functioneilenAnpassung
sind jedoch weitgehende Vererbungserscheinungen bezüglich KnochengestaltundArchitektur nicht zu verkennen(Zschokke, Solger, Eimer, W. Roux, Gebhardt
42).Doch
sei damit der Excurs in das selbstständig entwickelte Gebiet der functio- neilen Morphologie der Thiereund
Pflanzen abgeschlossen;um
eine auch nur annähernd vollständige Übersicht desselben zu geben, wäre eine gesonderteDar- stellung erforderlich.Neben
der Verdauungslehre und der Lohrevom
Aufbau der mechanischenGewebe
hat specielldie neuere Sinnesphysiologie viel zur IllustrationundBearbei- tung des Anpassungsproblems beigetragen. Gerade hier, wieam
Nervensystem überhaupt, schaffen die erworbenen Anpassungseffecte gleichsam ein Gegenge- wicht gegen denReichthum
angeborener Anlagen.Für
das Nervensystemim
allgemeinen seien kurz genannt die erworbeneLösung
von Mitbewegungen, derErwerb
von Bewegungsassociationen, dieAenderung
der Reactionsweiso durchÜbung,
Gedächtnis43) wie sog. empirische Motive überhaupt.Es
seiauch erinnert an die vielbehandelte Frage, wie die oft staunenswerthe Regulie- rung oder Compensation nach experimentellen wie pathologischen Zerstörungen
im
Gehirnund Rückenmark
zu Standekommt
43“). Eintreten homologer Ge- bilde für einander z. B. der einen Hemisphäre für die andere, dann die aller- dings nicht gleichgearteteErsatzleistung durchVermittelung heterologer Gebilde—
z. B. Leitung derBewegungen
durch dasAuge
bei Verlust desMuskelsinns, endlich Selbständigwerden der tieferen Nervencentren (sudsidiäreAutomatie—
wie an den einzelnen Herzabschnitten) bilden hier die Haupfactoren.
Mit specieller Rücksicht auf die Sinnesorgane ward bereits oben die
An-
passung der Erregbarkeit behandelt.Auch
darf ich mich hierumso
eher kurz fassen, als ich bereits an einem anderen Orte eine Darstellung „Über physiolo-—
33-10
-S—gische
und
pathologischeAnpassung
desAuges“44)gegeben habe und die neueren Studien ganz vorwiegend eben dieses Sinnesorgan betreffen.Es
sei daher nur auf die reiche Ausbeute hingewiesen, welche das Studium der Anpassungser- scheinungen indem
pathologischen Falle des Schielens zu Tage gefördert hat.Dieselben betreffen in erster Linie das sensorische Zusammenarbeiten der beiden Augen, ihren relativen Antheil
am
Gesammteindrucke [Sachs,Gandenzi
45),
Tschermak’s
46) innereHemmung
der Eindrücke des Schielauges—
regional verschieden,Schlodtmann
47)]und
ihre Sehrichtungsgemeinschaft(Tscher-
mak
46). AdaptativeVeränderungen zeigt aber auch der oculimotorische Apparat, speciell bezüglich der tonischen Erhaltungund Aenderung
der Schieistellung [A.Bielschowsky
48),Schlodtmann
47)], sowie die Verknüpfung der sog.absoluten Localisationsempfindungen: Scheinbar Geradevorne, Scheinbar Gleich- hoch mit den
Augen
mit bestimmten Augenstellungen oder besser gesagt mit bestimmten unbewusstenund
complicierten Spannungsvertheilungen oder Spannungsbildern an denAugenmuskeln (Tschermak
49). Die abweichende Stellung des einen, schielendenAuges
bediugt es, dass identische Lichtreize nicht an correspondente, sondern an disparate Elemente in den beiden Recep- tionsflächen, den beiden Netzhäuten vertheilt werden. Dieses Verhalten führtin einer noch nicht aufgeklärtenWeise
unter gewissenBedingungen
zur Herstel- lung einer neuen, erworbenen Beziehung der beiden Netzhäute. Diese anomale Sehrichtungsgemeinschaft ist in mehrfacher Hinsicht deutlich verschieden von der angeborenen Beziehung oder CorrespondeDZ, welche auch dann noch so zu sagenim
Hintergründe stehen bleibt. Die erstere documentiert sich als ein Anpassungssurrogat durch ihre unverkennbare Orientierung aufeinen spezifisch nützlichen Effect, nämlich auf Wiederherstellung zweiäugigen Einfachsehens trotz des Schielens. Die Minderwerthigkeit oder innereHemmung
der Ein-drücke des schielenden
Auges
erscheint darauf gerichtet das anfängliche, ja mitunter dauernde Doppeltsehen weniger störend zu machen.Doch mögen
hier diese
Andeutungen
genügen: sie sollen zugleich daran erinnern, dass aufdem
Gebiete der Pathologie eine Fülle interessanter Anpassungen an den gege- benen pathologischen Zustand zu constatieren ist [Thoma-, R. F.Fuchs
50),Roux
51), J.Wolff
52)Nothnagel
53)]. In der Verdauuugslehre hat I. P.Paw- low
5) auch solche Studien bereits eingeleitet.Bezüglich der physiologischen Anpassungsphaenomene
am Auge
sei noch daran erinnert, dass die Motive der individuellen Erfahrungzum
Theil darauf gerichtet sind die angeborenen Incongruenzen oder Discrepanzen zwischen sub- jectivem Localzeicbenund
geometrischer Lage der einzelnen Netzhautelemente zu compensieren. Ein hübsches Beispiel hiefür gibt folgende Beobachtung (M.Sachs und Meller
54), Die beiden lothrechten Meridiane unserer Augen, vonwelchersterendieangeborenerweisevertical-empfindenden Längsmittelschnitteum
einen bestimmtenWinkel
abweichen(Hering, Helmholtz),
vermitteln durchAnpassung
dieEmfinduüg
„rein vertical“ (ohne stereoskopischen Effect d. h.—
3- 11«-
ohne scheinbares Vor- oder Zurücktreten des oberen oder unteren Endes) für einen wirklich lothrechten Gegenstand. Dieser Eindruck „rein vertical
und
durchwegs einfach, ohne Spaltung derEnden
in Doppelbilder“ gilt sowohl für die gewöhnlichen Bedingungen desSehens als bei unbehindertem Binocularsehen für ein einzelnes leuchtendes Lothim Dunkeln
(so wenigstensbei Meller). Ein- äugig betrachtet erscheint jedoch die Linie nur dann vertical,wenn
auch noch andere,umgebende
Objecte sichtbar sind. Ebenso erscheint einanihrgewonnenes Nachbild des einenAuges
schief, sobald diesesAuge
geschlossenund nun
mitdem
anderenAuge
fixiert wird. Die praktischeBedeutung desVerticalerscheinens oder „Richtigsehens“wirklich lothr echterObjecte braucht nicht näher ausgeführt zu werden.Die
im
Vorstehenden angedeuteten Anpassungserscheinungen an den ein- zelnenOrganen
repräsentieren vielfach—
so besonders die erworbenenAbän-
derungenim
Nervensystemund
an den Sinnesorganen, ebensoam
Knochen-und
Muskelgewebe— primäre
locale Reactionen,mögen
solche auch secundäre All- gemeinveränderungen nach sich ziehen. Diesen Anpasssungseffecten stehen jene gegenüber, welche wir als einenwenn
auch localen Ausdruck einerGesammt-
veränderung oderUmstimmung
des Organismus ansehen unddemnach
als secundäre Localeffecte bezeichnen dürfen. Als Beispiele dieser Art seien nur herausgehoben die klimatischen Variationen an denWaldbäumen
in den Alpen (langsamerWuchs und
geringer Jahreszuwachs, Cieslar55)—
alpiner Nanis-mus
überhaupt, G.Bonnier
56),am
alpinen Lein (Verkürzung der Vegetations- periode), an Eiche, Kirscheund
Pfirsich in Brasilien (Immergrünwerden der Blätter statt des herbstlichen Laubfallesund Vermehrung
der Stengelinterno- dien,W
ettstein57).Hierhergehören auch mannigfacheernährungsphysiologischeAbänderungen
bei Bakterien, Hefen, Schimmelpilzen sowie die oben erwähnte gegensinnige Farbenänderung der Oscillarien unter farbigem Licht(Engel
-
mann und Gaidukow
27), nichtminderdieTemperaturvariationen derSchmetter- linge(Dorfmeister, Weismann, Standfuss,
E.Fischer,
u. a.58).Die begriffliche Scheidung der beiden Gruppen von Anpassungseffecten er- scheint mir speciell von Wichtigkeit mit Rücksicht auf das Problem der Verer- bung, welches kurz gestreift sei
—
auf die Gefahr hin den hier gewähltenRahmen
zu überschreiten. Die vielfältige Beobachtung lehrt unsimmer
wieder, dass directe oderprimäre
localeVeränderungen
aus äusseren Ursachen (wie auch Verletzungenund
Verstümmelungen) nicht vererbt werden,während
die localen Folgen exogener Allgemeinveränderungen, also secundäre Localeffecte bezw. Anpassungsreactionen häufig in der Tochtergenerationund
allmählich ab- klingendauchindenfolgendenGenerationen wiederkehren,nachdem
wirdieursprüng- lichen äusseren Ursachen entfernt haben.Das
unberechtigteZusammenfassen
—
sa- 12 •«—jener beiden Erscheinungsgebiete hat m. E. die Frage nach der Vererbung er-
worbener Eigenschaften nicht selten verwirrt*). Jener Erblichkeitsunterschied fügt sich, zugleich als eine weitere Stütze, sehr gut der neueren Vorstellung, dass nicht die Eigenschaften der Mutter die Ursache abgeben für die gleichen Eigenschaften der Tochter, dass keine Abbildung oder Reproduction des überge- ordneten Organismus in seinen Sexualzellen stattfindet, dass keine eigentliche Übertragung von
Merkmalen
auf eigenen Vererbungsbahnen durch den Körper hindurch auf die Keimzellen, nicht erst eine „Prägung“ an den Geschlechts- producten seitens der Elternindividuen geschieht. Die Übertragung oder Re- produktion eines primären Localeffectes würde eine solche Abbildung auf wasimmer
für einemWege
voraussetzen; selbstwenn
der erstere zu einer Allge- meinwirkung führt, z. B. Pankreasverlust zu Diabetes, könnte doch diese nicht wiederden ursächlichen primärenLocaleffectam
Tochterindividuum hervorbringen.Die Thatsachen sprechen überhaupt gegen die älteren Übertragungstheorien
und
für die Parallelitätstheorie der Vererbung.
Nach
dieser besitzen Mutterund
Tochter wesentlich dieselben Eigenschaften, weil sieeben aus demselben speci- fiscbenPlasma
bestehen. Äussere Factoren vermögen unter gewissenUmstän-
den dasgesammte
Plasma, bezw. sowohl den Elternorganismus wie die abge- gliedertenSexualzellen zu einer wesentlich gleichartigen Reaction zuveranlassen, die sicham
Tochterindividuum relativ verspätet manifestiert. Ein solcherAn-
passungseffekt ist aber ein paralleller, kein eigentlich reproducierter oder über- tragener. Diese Betrachtungen würden weiterhin zu der Frage führen, in wie weit äussere Einwirkungund
sog. directeAnpassung
(„correlative Abänderung“nach
Wettstein
57) zur Quelle für die Artbildung, zumal für die Bildung sog.nützlicher Eigenschaften werden kann
—
also zudem
ProblemdesNeo-Lamar-
kismus hinleiten, dessen hochinteressante Bearbeitung wirWettstein
57)verdanken.
Bezüglich der Frage nach Erklärung der einzelnen Anpassungserscheinun- gen wie des specifisch nützlichen Reactionsvermögens der lebendigen Substanz überhaupt sei betont, dass die Feststellung
und
Analyse der teleologischen oder finalenBedeutung
selbst keine Erklärung bietet,und
dass die Verfolgung der Causalkette, die Forschung wenigstens nach den nächsten Ursachen niemals ausdem Auge
zu verlieren ist. Somanche Bemühung
in dieser Richtung wardim
Obigen angedeutet, so bezüglich der SeitenkettentheorieEhrlich’s26),bezüglich desUmbaus
der mechanischen Geivobeund
des Sehens Schielender.—
Die ur-sächliche Bedeutung der geänderten Function für eine eventuell
wahrnehmbare
*)Es sei nicht unterlassen auch hier dieUnterscheidungzu betonen, welchezumachen
istzwischen nachweisbaranpassungsmässigerAbänderungdesIndividuums sowie eventuell seiner Descendenz undangeborener Ausstattung mit sog. nützlichen, «angepassten» Eigenschaften. Man magsich diesedurchVariationbezw. Anpassungsreaction inderVergangenheit «erworben» und
«erblich übertragen» denken, eine Vermengung der beiden GruppenvonErscheinungen durch Bezeichnung beiderals «Anpassungsphaenomene» erscheintmir nichtempfehlenwerth.
18
•e—Aenderung
derForm
lind Structur hat speciellW. Roux
59) erkanntund
durchdie Bezeichnung „functioneile
Anpassung
oderAnpassung
durch dieFunction andie Function“ ausgedrückt: die geänderte Function begünstigt, speciell durch Ausbreitung des „functioneilen Reizes“, die Entstehung
und
Ausbildung der ehenpassendenFormänderung
vor anderen möglichen Variationen.—
SchonPflüger
59) hatte seine teleologische Mechanik aufdieVoraussetzunggegründet, dass die lebendige Substanz von vornherein dasVermögen
hesass in zweck- mässigerWeise
auf ihreUmgebung
zu reagieren. Andererseits hatte bereits A.Dohm
59) den Funktionswechsel (d. h. das Sinken der Hauptfunktionund
die Steigerung einer bestimmten Nebenfunction entsprechend einer geänderten, speciell parasitischen Lebensweise) als umgestaltendes Princip erkannt
und
dessen hohe Bedeutung erläutert für die correlativeVariationund
für die dege- nerative,zum Polymorphismus
führendeUmgestaltung
einzelner Körpertheile wie ganzer Organismen.Von
genealogischen Fragen knüpfte er hieran speciell dasProblem
des Ursprungs der Wirbelthiere.Auf
botanischem Gebiete vertritt vor allenWettstein
den Gedanken„functioneller Anpassung“, welcher uns unstreitig das Staunenswertlie
V
ermögen
einer spezifischnützlichen Reactionsweise, einer stricten
Anpassung
aufbestimmte äussere Reize hin verständlicher macht.Allerdings bedarf die rein phaenomenalistische Bearbeitung selbst noch dringend der vielseitigsten Inangriffnahme zur Ausfüllung der sehr zahlreichen