Die Information:
Bericht und Meinung NACHRICHTEN
Versorgungswerke:
Politische Gefahren, rechtliche Sicherungen
Die berufsständischen Versor- gungswerke wollen nicht nur ihre politischen Aktivitäten, sondern auch die Unterrichtung ihrer Mit- glieder intensivieren. Mit der Ar- beitsgemeinschaft berufsständi- scher Versorgungseinrichtungen, in der sämtliche Einrichtungen der Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte so- wie die meisten Einrichtungen der Apotheker, Notare, Rechtsanwälte und Architekten zusammengefaßt sind, besteht seit einigen Jahren ein Instrument gerade auch für die politische lnteressenvertretung.
Zur Information nach innen sind lnformationsveranstaltu ngen ge- plant. Die beiden ersten Veranstal- tungen dieser Art fanden in die- sem Jahr auf den Fortbildungs- kongressen in Grado und Meran statt; die Referenten: Dr. med.
Klaus Dehler (Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, Bezirksstelle Mittelfran- ken) und Dr. jur. Ulrich Kirchhoff (Geschäftsführer der Ärztekam- mer Niedersachsen in Hannover).
Sinn der Information nach innen ist es, um Dehler zu zitieren, "daß die bestehenden Versorgungsein- richtungen durch die verfaßten Berufsstände und vor allem auch durch die Mitgliedschaft voll ge- tragen und bejaht werden. Das schließt keineswegs eine Diskus- sion über bessere und beste For- men der Leistungsgestaltung aus, noch soll und kann es innere Kritik beeinträchtigen. Nichts schadet jedoch der Existenz und der Si- cherung der Versorgungswerke mehr als in den Bereich der Öf- fentlichkeit oder gar der Politik ge- tragene Unruhe und. Unfrieden."
Begehrliche Blicke auf die Versor- gungswerke sind in den letzten Jahren zunehmend häufiger ge- worden. Nach Dehler sind folgen- de mittel- bis langfristigen Zielset- zungen zur Strukturänderung der Altersversorgung zu erkennen:
..,. Einheitsversicherung für alle Staatsbürger im Sinne einer
"Volksversorgung"
..,. Pflichtmitgliedschaft für alle Beschäftigten
..,. Einbeziehung bestehender Ver- sorgungseinrichtungen in dieses System "integrierter Gesamtver- sorgung".
ln derartigen Forderungen wechs- le sich, so Dehler, die SPD mit dem DGB ab. Dieser habe zuletzt noch in seinem Grundsatzprogramm vom Frühjahr dieses Jahres fol- gende Forderungen aufgestellt:
I> Die verschiedenen Systeme der Altersversorgung sollen "fort- schrittlich harmonisiert werden"
I> Eine "Pflichtversicherung für alle Erwerbstätigen" soll begrün- det werden
I> Zwischen allen bestehenden Systemen der Altersversorgung soll ein "umfassender Finanzaus- gleich" durchgesetzt werden.
Dennoch besteht- darin stimmten Dehler und Kirchhoff überein - keineswegs akuter Anlaß für eine Bestandsgefährdung der Versor- gungswerke, denn sie sind, so die beiden Referenten, rechtlich sehr gut abgesichert:
CD
Alle Versorgungswerke beru- hen auf Landesrecht. Dies würde den Bundesgesetzgeber entschei- dend hindern, sie aufzulösen oder sie in die Sozialversicherung ein- zugliedern.0
Alle Versorgungswerke sind Versorgungseinrichtungen "sui generis", also mit eigenem Rechtsauftrag, und daher gewiß keine Sozialversicherung. Eine Rechtszuständigkeit des Bundes- gesetzgebers ist daher nicht ge- geben.®
Insbesondere nach einem im Jahre 1980 ergangenen Urteil des Bundesverfassungsgerichtes be- sitzen auch die Rentenanwart- schaften die Eigentumsgarantie1902 Heft 41 vom 8. Oktober 1981 DEUTSCHES ARZTEBLATT
des Artikel 14 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland.
Eine Enteignungsmöglichkeit ist daher ausgeschlossen; jeder Übernehmer der Versorgungswer- ke müßte auch die gesamte ange- wachsene und zukünftige Versor- gungslast mit übernehmen .
®
Der die Grundlagen der freien Berufsausübung garantierende Artikel 12, Absatz I des Grundge- setzes verhindert die Auflösung funktionierender Versorgungsein- richtungen der freien Berufe als einer der wesentlichen Grundla- gen der Berufsausübung mangels Legitimitätsgrundlage.®
Effektiv ergibt sich damit, daß ohne eine Änderung des Grund- gesetzes der Bundesrepublik Deutschland und der Verfassun- gen der deutschen Bundesländer für den Bund keine Möglichkeit besteht, "Volkszwangsversiche- rungen" einzuführen.Mit anderen Worten: es gibt zwar keine förmliche direkte Existenz- garantie, jedoch "eine bedeutsa- me mittelbare Garantie der effekti- ven Funktion der Versorgungs- werke" (Dehler).
Entscheidend für das weitere Ge- deihen der Versorgungswerke - und sie sind in den letzten Jahren sehr gut gediehen, weitaus besser als die staatlichen Einrichtungen- ist - neben der Bereitschaft der Mitglieder, ihre Werke zu tragen- ein kontinuierlicher Zugang des Nachwuchses. Damit ist es bisher gut bestellt: Junge Ärzte, die ihr Berufsleben als Angestellte begin- nen, haben die Möglichkeit zu wählen zwischen Pflichtmitglied- schaft in der Angestelltenversiche- rung oder Mitgliedschaft im jewei- ligen Versorgungswerk. Bisher ha- ben die jungen Ärzte zu etwa 95 Prozent für die Versorgungswerke
optiert. NJ
Miteinem Spezialthema der Versorgungs- werke beschäftigt sich in diesem Heft (Seite 1931 ff.)derArtikelvon U. Kirchhoff:
"Versorgungsausgleich nach Eheschei- dung bei Mitgliedschaft in berufsständi- schen Versorgungseinrichtungen".