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Archiv "Die psychisch Kranken tragen den Schaden: Beleidigte Reaktion?" (16.07.1981)

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Academic year: 2022

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Psychiatrie und „Ideologie"

wurde, lautete: „Paranoider Reform- wahn" (Zitiert nach einem Vortrag von Prof. Dr. E. Wulff, gehalten im Juni 1979 im Universitätsklinikum Frankfurt mit dem Titel „Psychiatrie in Ost und West").

Zu 2.: Hier gilt, was Herr Heinrich dem „Spiegel" vorwirft: „alle Befun- de auszublenden", die ihm nicht in die Argumentation passen. Bei ge- nauerem, das heißt ehrlichem Hinse- hen entpuppt sich nämlich der italie- nische Gesetzgeber als der „Eulen- spiegel", der die „Vertreibung der psychisch Kranken aus den italieni- schen psychiatrischen Krankenhäu- sern" zu verantworten hat (und zum Beispiel nicht für eine adäquate am- bulante psychiatrische Versorgung gesorgt hat). So schreibt zum Bei- spiel Giovanni Jervis, Neurologe und Psychiater, Mitarbeiter Basaglias von 1966 bis 1968 in Götz, in seinem Buch „Die offene Institution. Über Psychiatrie und Politik" (Frankfurt 1979, Seite 16) zu der per Gesetz vom 13.5.1978 verordneten Schlie- ßung der psychiatrischen Kranken- häuser in Italien: „1978 wird ein Psychiatriegesetz erlassen, das bei allen eine gewisse Unzufriedenheit zurückläßt und die stationäre Ver- sorgung von den öffentlichen Irren- anstalten auf die Allgemeinkranken- häuser abwälzt. Dieses Gesetz ver- stärkt eine Reihe sich bereits auswir- kender besorgniserregender Ten- denzen: die Psychiatrisierung der Versorgung ,in der Gemeinde`; die psychiatrisch-fürsorgerische soziale Kontrolle; die verminderte Garantie für Schutz, Versorgung und Be- handlung von Patienten, die akut an schweren Formen von Psychose lei- den (die Allgemeinkrankenhäuser sind nicht für ihre Behandlung ein- richtet, ebensowenig sind die Fami- lien dazu in der Lage; es gibt zahlrei- che Suizide und schwere Zwischen- fälle); die öffentliche Finanzierung von privaten psychiatrischen Anstal- ten .. . , die, von dem Gesetz nicht betroffen, sich ausweiten . . . , wobei sie ein Versorgungsniveau liefern, das zumeist schlechter als in den alten öffentlichen Irrenanstalten ist und geringeren Kontrollen unter- liegt." Im gleichen Sinne kritisch äu- ßerten sich Antonio Slavich (Psych-

iater und Mitinitiator des Görzer

„Experiments") zu diesem Gesetz auf der „Arbeitstagung über die Neue Psychiatrie in Italien" im Okto- ber 1979 in München (veranstaltet von der Bayrischen Gesellschaft für Soziale Psychiatie e. V.). Herr Hein- rich verfälscht offensichtlich die Tat- sachen in polemischer Absicht, denn es ist grotesk, Basaglia die Fol- gen dieses Gesetzes und die „Ver- treibung der psychisch Kranken aus den italienischen psychiatrischen Krankenhäusern" anzulasten.

Dr. med. Helmut Grosch Schwarzburgstraße 20 6000 Frankfurt/Main 1

El

Haldol

Mit großem Interesse habe ich die durchaus berechtigten sachlichen Einwände Prof. K. Heinrichs ver- folgt, die gegenüber der im „Spie- gel" vorgebrachten tendenziell anti- schulpsychiatrisch ausgerichteten Argumente auch die Vorteile der medikamentösen Therapie in der Psychiatrie hervorheben wollen.

Die Liste der Nebenwirkungen, zum Beispiel der Neuroleptika, ist lang, und daher verlangt der therapeuti- sche Einsatz dieser Medikamente ei- ne exakte Indikationsstellung. Eine Indikation liegt zum Beispiel dann vor, wenn ein Individuum eine Wahnsymptomatik aufweist, etwa im Sinne der Symptome 1. und 2. Ran- ges nach K. Schneider.

Diese Wahnsymptomatik kommt letztlich in den Überzeugungen ei- nes Individuums zum Ausdruck, zum Beispiel dann, wenn er meint, Napo- leon zu sein, oder glaubt, beständig von Kommunisten verfolgt zu wer- den, oder wie im Falle Basaglias in Form des „revolutionären Wahns"

(1013), der beinhaltet, daß psychi- sche Krankheiten durch gesell- schaftliche Konflikte, wie sie für den Kapitalismus typisch seien, erst in diese Gesellschaft implementiert werden.

Die Diagnose „revolutionärer Wahn" die der Psychohygieniker Prof. K. Heinrich beim psychisch kranken Basaglia stellt, ermöglicht die Demonstration eines sinnvollen therapeutischen Einsatzes von Psy- chopharmaka: ich empfehle Haldol 3-5 mg als Tagesdosis.

Rolf Kaiser Arzt

Enschedeweg 95/97 4400 Münster

El

Beleidigte Reaktion?

Ich verstehen nicht, wieso Schul- und Standesmedizin beleidigt auf Veröf- fentlichungen der Laienpresse rea- gieren: wenn der „Spiegel" in aus- führlichen Artikeln Erscheinungen des Medizinbetriebes kritisiert, liegt dem doch immerein Problemzugrun- de, auch wenn in den Einzelheiten übertrieben wird.

Dies war so in der Kampagne über die Diskrepanz zwischen ärztlicher Lei- stung und ärztlichem Einkommen (1974-76), in den Berichten über Hak- kethals Kritik an den undifferenzier- ten Therapieschemata deutscher Urologen bei Prostata-Karzinom (mittlerweile hat sich da sehr viel geändert!) und trifft ohne jeden Zwei- fel zu für das Unbehagen an der Art, mit der hierzulande die Ärzte Psycho- pharmaka verordnen.

Der Fehler der deutschen Medizin der letzten zwei Jahrzehnte ist doch, daß sie viel zu wenig bereit ist, ein- mal getroffene diagnostische und therapeutische Schemata hinsicht- lich ihrer Validität zu überprüfen.

Das erspart Nachdenken, gereicht aber der Spezies Arzt nicht zum Ruhm, und dem Patienten schon gar nicht zum Vorteil. Es bleibt dann buchstäblich der Laienpresse über- lassen, unserer so erstarrten Schul- medizin Denkanstöße zu liefern.

Dr. med. Albrecht Kühn Kelternstraße 2 7400 Tübingen

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 29 vom 16. Juli 1981 1429

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