A 792 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 110|
Heft 16|
19. April 2013ROCHE
Diagnostika versprechen Wachstum
Die Erweiterung des Biotechnologiezentrums Penzberg in Bayern wird die Produktionskapazität des Roche-Konzerns für Komponenten immunologischer Tests verdoppeln.
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ollten wir die neue Fabrik nicht besser in China bauen, wo das Geschäft explodiert?“ Das sei er von den eigenen Leuten ge- fragt worden, erzählte Dr. Franz B. Humer. Der Verwaltungsrats- präsident der Roche Holding AG blieb den Gästen, die sich aus Anlass der Grundsteinlegung für ein neues Diagnostika-Produkti- onsgebäude Anfang März nicht in Schanghai, sondern in Penzberg, unweit des Starnberger Sees, ein- gefunden hatten, seine Antwort nicht schuldig: In China entstehe keine Innovation. „Hier aber haben wir eine Infrastruktur und Mitar- beiter, die man auf der ganzen Welt suchen muss.“Bedarf an Immuntests steigt Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer vernahm mit Ge- nugtuung, dass der oberste Kon- zernlenker aus Basel die Unterstüt- zung der Politik und ihn persönlich ausdrücklich lobte. Selbstverständ- lich war das nicht. Zieht nicht die Pharmabranche derzeit alle Regis- ter, um den gesetzlichen Zwangs- rabatt für die Krankenkassen zu Fall zu bringen? Doch Humer suchte an diesem sonnigen März- tag keinen Streit, sondern sprach nur von der „Unsicherheit über Preise“, die ihm in Deutschland Sorge bereite. Um weiter in Inno- vation zu investieren, sei Patent- schutz am wichtigsten. Seehofer sicherte ihm jede Unterstützung zu, „wenn es darum geht, geistiges Eigentum zu schützen“.
Mit der Entscheidung für die 200-Millionen-Euro-Investition in Penzberg reagiert Roche nach Hu- mers Worten auf die weltweit stei- gende Nachfrage nach Einsatzstof- fen und Reagenzien, die für immu- nologische Tests in Labors und Krankenhäusern verwendet werden
(siehe Kasten). Die Roche-Umsät- ze seien hier seit 15 Jahren mit zweistelligen Raten gewachsen. Mit Geräten und Einsatzstoffen für fast 100 verschiedene immunologische Tests hat der Schweizer Konzern zuletzt 2,3 Milliarden Franken um- gesetzt (1,88 Milliarden Euro), 15 Prozent mehr als 2011. „Pro Se- kunde werden auf mehr als 40 000 Testsystemen weltweit mehr als 30 Immuntests von Roche durch- geführt“, berichtete Roland Dig- gelmann, Chief Operating Officer für Diagnostika und Mitglied der Konzernleitung, stolz. Der größte Teil der Reagenzien und Einsatz- stoffe wird in Penzberg produziert.
Der Neubau mit 120 Arbeitsplät- zen soll nun die Produktionskapa- zität ungefähr verdoppeln. Von den mehr als 5 000 Arbeitsplätzen am Standort ist jeder zweite seit 1998 entstanden.
Roche will weiter in neue und verbesserte Testverfahren investie- ren. Heutige Tests analysieren in der Regel nur ein Antigen. Das reiche für valide Aussagen aber
nicht immer aus, sagte Dr. Joachim Eberle, Leiter Forschung und Ent- wicklung Professional Diagnostics.
„Wir arbeiten an der Kombinati- on verschiedener Biomarker.“ Gute Aussichten, so die klinische Emp- findlichkeit zu erhöhen, gebe es zum Beispiel bei Tests auf Dick- darmkrebs.
Personalisierte Medizin
Das Konzept der Personalisierten Medizin hat Roche in die Konzern- strategie aufgenommen. „Für neue Arzneimittel wollen wir Begleit - diagnostika entwickeln, um ihre Wirksamkeit für bestimmte Patien- tengruppen, zu testen“, stellte Dig- gelmann heraus. Im Blick auf die frühe Nutzenbewertung von Arz- neimitteln sieht er Hersteller, die Diagnostik und Therapie kombinie- ren, bei der Zulassung neuer Wirk- stoffe künftig im Vorteil. Von circa 200 gemeinsamen Projekten der Pharma- und der Diagnostikasparte von Roche sind 80 in Penzberg an- gesiedelt, wo beide Divisionen ver- treten sind.
Mit Diagnostika hat Roche im vergangenen Jahr etwa ein Viertel des Konzernumsatzes von 45,5 Mil- liarden Schweizer Franken (37,3 Mil- liarden Euro) erzielt. Das fünfpro- zentige Wachstum der gesamten Sparte verdeckt die Probleme bei Blutzuckermessgeräten und Diabe- tes-Teststreifen, wo es einen Um- satzrückgang um vier Prozent gab.
Der ist zurückzuführen auf Billig- angebote aus China und Taiwan so- wie auf die Tatsache, dass in Deutschland nichtinsulinpflichtige Typ-2-Diabetiker Teststreifen neu- erdings selbst zahlen müssen. Ins- gesamt seien Diagnostika aber ein wachsender Markt, versicherte Dig- gelmann. Roche wolle stärker als der Markt wachsen.
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Heinz Stüwe In einer randvoll mit roten Smarties gefüllten Münchener
Fußballarena zwei grüne zu erkennen – das entspricht der analytischen Empfindlichkeit von immunologischen Tests, heißt es beim Hersteller Roche, der sich mit 20 Prozent Anteil bei In-vitro-Diagnostik in der Rolle des Weltmarktführers sieht. Als Nachweistechnologie setzt Roche insbesondere die Elektrochemilumineszenz (ECL) ein. Dabei werden durch elektrischen Strom im Analyt kontrollierte Antigen-Antikörper-Reaktionen hervorgeru- fen, wodurch Lichtsignale entstehen, die gemessen wer- den. Auf Basis dieser Technik baut Roche voll automati- sierte Laborarbeitsplatzlösungen. Die Einsatzgebiete rei- chen von der Virologie über die Kardiologie bis zu Tumor- Markern. Beispiele sind der Herzmarker Troponin T in der Infarktdiagnostik, die Prüfung der Schilddrüsenfunktion und Tests auf Hepatitis und HIV.