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Archiv "Motivation zur Therapie: Die nachgehende und aufsuchende, fürsorgerische Betreuung psychotischer Patienten" (11.12.1975)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT Spektrum der Woche Aufsätze •Notizen

THEMEN DER ZEIT:

Motivation zur Therapie

DER KOMMENTAR:

Professor Küchenhoff und die

Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft

TAGUNGSBERICHT:

Gefährdende Tendenzen in Kindergarten

und Schule

AUS DEM BUNDESTAG

GESCHICHTE DER MEDIZIN:

Diaita — Methoden

der Gesundheitsbelehrung historisch gesehen

BEKANNTMACHUNGEN

PERSONALIA

KUNSTMARKT

Die ambulante Behandlung endo- gener Psychosen wird häufig da- durch erschwert, daß psychotische Patienten, insbesondere Schizo- phrene, krankheitsuneinsichtig und therapieunwillig sind und eine Be- handlung verweigern bzw. versu- chen, sich einer Behandlung zu entziehen. Eine derartige Verhal- tensweise wird in der Regel bei or- ganisch Kranken nicht beobachtet.

Infolge der Therapieunwilligkeit entgleiten dem behandelnden Arzt immer wieder psychotische Patien- ten, die einer Dauerbehandlung be- dürfen. Dieses Phänomen wird als

„Schwundproblematik" bezeichnet.

Eine besondere Bedeutung erlangt die „Schwundproblematik" bei Pa- tienten, die aus stationärer Be- handlung entlassen werden. Die Ablehnung ambulanter Nachbe- handlung führt bei den Patienten sehr oft zu Rezidiven, so daß Neu- einweisungen erforderlich sind. Es wurde das Schlagwort von der

„Drehtürpsychiatrie" geprägt.

Diese Vorgänge waren, insbeson- dere von weniger wissenschaftlich als ideologisch motivierten Auto- ren, Veranlassung, gegen die nie- dergelassene Ärzteschaft Angriffe zu starten mit der Behauptung, daß diese nicht in der Lage sei, eine ausreichende ambulante Betreu- ung der Patienten durchzuführen.

Infolge der Weiterentwicklung der Psychopharmaka nimmt die Zahl der psychotischen Patienten, die ambulant behandelt werden kann, zu. Infolgedessen bekommt die Schwundproblematik eine zuneh- mende Bedeutung.

Dies erfordert ein

Überdenken der organisatorischen Formen einer

ambulanten Behandlung psychoti- scher Patienten. Es müssen Wege gefunden werden, den „Schwund"

möglichst klein zu halten, das heißt:

zu verhindern, daß Patienten sich der Therapie entziehen, damit es nicht zu Rezidiven mit ihren unan- genehmen und gefährlichen Be- gleiterscheinungen kommt.

Motivation zur Therapie

Die nachgehende und aufsuchende, fürsorgerische Betreuung psychotischer Patienten

Wolfram Leonhardt

In einer neurologisch-psychiatrischen Praxis wurde untersucht,

wie

viele Patienten nicht von selbst zur Fortführung der begonnenen Therapie bereit waren — also eine statistische Erfassung der

"Schwundproblematik". Ebenso wurde festgestellt, ob und wie sol- che Patienten doch erreicht werden konnten. In keinem Fall konn- ten Patienten durch Institutionen zu weiterer Therapie motiviert werden.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 50 vom 11. Dezember 1975 3427

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Betreuung psychotischer Patienten

Für die Praxis der niedergelasse- nen Ärzteschaft bietet sich als zu- sätzliche Maßnahme zur laufenden Therapie die „nachgehende und aufsuchende, fürsorgerische Be- treuung" an. Eine derart intensive Betreuung ist bisher in der ambu- lanten Therapie nicht ohne weite- res gebräuchlich.

Der erste Schritt hierzu ist die Ein- führung einer Bestellpraxis mit schriftlicher Vorausbestellung der Patienten in Form eines Merkzet- tels für den nächsten therapeuti- schen Termin. Falls die Patienten zu der Nachbehandlung oder Ex- ploration nicht erscheinen, werden je nach Lage des Falles die folgen- den fürsorgerischen Maßnahmen wahlweise in Gang gesetzt:

> Der Patient wird noch einmal schriftlich einbestellt.

> Die Angehörigen werden über den versäumten Termin unterrich- tet.

Der Hausarzt wird schriftlich oder telefonisch verständigt.

> Eine Fürsorgerin oder Sozialar- beiterin einer Institution (Gesund- heitsamt, Gemeindeschwester, So- zialstation o. ä.) wird zu dem Pa- tienten geschickt mit dem Ziel, ihn zum Aufsuchen der Sprechstunde zu motivieren.

> Der behandelnde Facharzt macht einen Hausbesuch.

Dies kann allerdings mit Schwierig- keiten verbunden sein. Während Fachärzte in Ballungsgebieten eher dazu neigen, Hausbesuche zu ma- chen, ist dies in ländlichen Regio- nen weniger gebräuchlich. Der Facharzt läuft Gefahr — mehr als der in der Familie üblicherweise ein und aus gehende Hausarzt — von dem gereizt-uneinsichtigen Pa- tienten abgewiesen zu werden.

Auch die Angehörigen können nicht angeforderte Hausbesuche unter Umständen ablehnen.

Eine weitere Möglichkeit wäre die, eine sozialpsychiatrisch ausgebil- dete Sprechstundenhilfe zum Pa- tienten zu schicken. Ein entspre-

chendes Berufsbild existiert zur Zeit noch nicht. Im Rahmen der Weiterentwicklung der Psychiatrie sollte es geschaffen werden. Man könnte in Anlehnung an die medizi- nisch-technische Assistentin von einer „psychiatrisch-technischen"

Assistentin (PTA) sprechen. Auf die Problematik einer solchen, für die moderne ambulante Behandlung psychisch Kranker notwendigen Entwicklung soll allerdings hier nicht weiter eingegangen werden.

Sehr wichtig ist in allen Fällen der fürsorgerischen Betreuung ein in- tensiver Kontakt zwischen Facharzt und Hausarzt.

Mit Hilfe dieser Form der Bestell- praxis kann man einen großen Teil der psychotischen Patienten, die mehr oder weniger therapieunwillig sind, doch motivieren, einer laufen- den Behandlung nachzukommen, so daß das Phänomen der „Dreh- türpsychiatrie" bzw. des „Schwun- des" weitgehend reduziert wird.

Trotzdem entgleiten immer wieder Patienten der ambulanten Behand- lung.

Erhebungen

in einer nervenärztlichen Praxis Die folgenden Zeilen versuchen das Problem weiter aufzuhellen mit dem Ziel, die Versorgung der Kran- ken zu bessern. Zu diesem Zwecke wurden die Karteikarten der Praxis aus der Zeit vom 1. April 1975 bis 31. September 1975 kontrolliert.

Die Erhebungen wurden in einer nervenfachärztlichen Mischpraxis mit Belegarzttätigkeit ohne Psy- chotherapie durchgeführt. In dem genannten Zeitraum wurden insge- samt 1077 Patienten in der Praxis versorgt. Davon waren:

Schizophrenien 95

Endogene Depressionen 90 (einschl. 2 Manien) Neurotische Depressionen 58

zusammen 243

endogene Psychosen

Die Diagnosestellung erfolgte nach den Gesichtspunkten der klassi- schen Psychiatrie. Es wurden nur Patienten erfaßt, die diagnostisch abgesichert erschienen. Bei Schi- zophrenien machte eine diagnosti- sche Absicherung in der Regel kei- ne wesentlichen Schwierigkeiten.

Bei den endogenen Depressionen waren im allgemeinen ebenfalls keine diagnostischen Schwierigkei- ten zu verzeichnen.

Problematisch war indessen die Abgrenzung der sogenannten

„neurotischen Depressionen". Der Begriff wurde eng gefaßt. Es wur- den Patienten außer acht gelassen, bei denen nachweislich oder mit hoher Wahrscheinlichkeit organi- sche Hirnschäden eine wesentliche Rolle spielten. Nicht berücksichtigt wurden auch jene, bei denen mehr oder weniger bewußtseinsnahe ab- laufende Wunschvorstellungen im Rahmen des Sozialversicherungs- wesens zu neurotischen Fehlhaltun- gen führten. Schließlich wurden auch jene Patienten nicht berück- sichtigt, bei denen eine abnorme Persönlichkeitsstruktur, etwa im Sinne einer schweren Psychopa- thie, die wesentliche Ursache für die Symptomatologie darstellte.

Es ist dem Autor klar, daß eine sol- che Abgrenzung erhebliche dia- gnostische Schwierigkeiten macht, zumal in der Praxis diese Patienten oft nur zwei- bis dreimal gesehen wurden, wenn der Hausarzt sie nur zur Diagnostik überwies. Demge- genüber blieben die endogenen Depressionen und Schizophrenien in der Regel in laufender fach- psychiatrischer Behandlung.

Bei Durchsicht der Kartei mußte festgestellt werden, daß trotz inten- siver Durchführung einer Bestell- praxis ein gewisser Teil der Patien- ten immer wieder einer Therapie auszuweichen versuchte, die Ter- mine nicht einhielt, entweder gar nicht oder zu anderen Zeiten er- schien, so daß es teilweise zu Rezi- diven und Wiedereinweisungen kam.

Dabei ergaben sich folgende Zah- lenwerte:

3428 Heft 50 vom 11. Dezember 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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..,. Von den 95 schizophrenen Pa- tienten blieben 20 therapieunwillig, hielten die Termine nicht ein und mußten immer wieder durch zu- sätzliche nachgehende Maßnah- men an die Therapie gebracht wer- den.

..,. Zwei schizophrene Patienten verschwanden aus der Sicht des Behandlers. Nachgehende Fürsor- ge wurde hier nicht eingeleitet, weil es sich um blande verlaufen- de, hebephrene Formen handelte, die sozial einigermaßen integriert waren.

Der Verfasser ist der Meinung, daß ein psychisch Kranker das Recht haben muß, ein Leben unter außer- gewöhnlichen Kautelen zu fristen und vor einer "overprotection"

durch unkritische Sozialtherapeu- ten zu schützen ist.

..,. Ein Patient hielt wiederholt die Termine. nicht ein, entschuldigte sich aber jedesmal vorher.

..,. Zwei Patienten fehlten gelegent- lich, entschuldigten sich aber hin- terher glaubhaft.

..,. Vier weitere Schizophrene ent- schuldigten sich hinterher, wobei die Form der Entschuldigungen den Verdacht aufkommen ließ, daß es sich um Ausreden handele, weil die Patienten der Therapie auswei- chen wollten. Immerhin kamen die Patienten schließlich doch spontan in die Praxis.

..,. Vier Patienten hielten die Termi- ne nicht ein und wurden von den Angehörigen zur Therapie ge- bracht. Dabei wurden von den Pa- tienten Entschuldigungen vorge- bracht, die mit ziemlicher Sicher- heit als Ausreden gedeutet werden mußten.

Bei den endogenen und neuroti- schen Depressionen lagen die Zah- len deutlich anders:

..,. Zwei Patienten mit Manien blie- ben therapieunwillig, was aus der Psychose ohne weiteres erklärbar ist.

..,. Elf Patienten mit Depressionen waren immer therapieunwillig und nicht an eine geregelte Behand- lung zu gewöhnen.

..,. Drei depressive Patienten ver- schwanden aus dem Beobach- tungsbereich .

..,. Ein depressiver Patient blieb der Behandlung fern, hatte sich aber vorher glaubhaft entschuldigt.

..,. Zwei Patienten, welche die Ter- mine nicht einhielten, hatten sich hinterher glaubhaft entschuldigt.

..,. Zwei Patienten hatten Entschul- digungen vorgebracht, die mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit als Ausreden anzusehen waren. Fragliche Ausreden erlebten wir von Depressionen nicht, was wohl als Zufall zu werten ist.

Der echte Schwund ist gering

Es ergibt sich daraus, daß die Zahl unzuverlässiger Patienten bei den Schizophrenen größer ist als bei den endogenen und neurotischen Depressionen: Von 95 Schizophre- nen waren 32 unzuverlässig, das entspricht ungefähr 34 Prozent; von 148 depressiven und neurotisch- depressiven Patienten einschließ- lich zwei Manien waren 21 unzu-

verlässig. Das sind ungefähr 15

Prozent.

..,. Überraschenderweise waren nur fünf Patienten im Sinne des

"Schwundes" aus der ambulanten

Therapie ausgefallen, wobei ver- merkt werden muß, daß bei diesen fünf Patienten eine nachgehende Fürsorge bis in die letzte Konse- quenz nicht erforderlich schien und somit auch nicht durchgeführt wurde.

Bei der nachgehenden Fürsorge wurde zusätzlich deutlich, wie au- ßerordentlich unterschiedlich die familiär-psychologische und so- zialpsychologische Konstellation

Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen

Betreuung psychotischer Patienten

bei den Patienten ist. Die Unter- schiede sind von Fall zu Fall derart

groß, daß eine individuelle Betreu-

ung des Patienten durch ein und denselben Arzt über viele Jahre durchgeführt werden sollte.

Es wird deutlich erkennbar, wie schlecht eine schematische, insti- tutionalisierte Versorgung der psy- chisch Kranken, etwa im Sinne ei- ner monomanen Einrichtung von

"Zentren" und "Diensten" (sprich Ambulatorien) sein muß, wie es zum Beispiel der Bericht der Sach- verständigenkommission des Bun- desministeriums für Jugend, Fami- lie und Gesundheit fordert. ln der- artigen Institutionen wechselt das ärztliche Personal bekanntlich aus Gründen, die nicht abzuändern

sind, viel zu häufig. Angestellte und

beamtete Ärzte sind im Rahmen der 40-Stunden-Woche in der Re- gel im entscheidenden Moment für

"ihren" Patienten nicht greifbar.

Überlange Wartezeiten aber füh- ren, wie die Erfahrung täglich zeigt, zu nicht vertretbaren Er- schwernissen.

Bei der Behandlung unzuverlässi- ger Patienten ist die Molivierung der Angehörigen von großer Wich- tigkeit. Hierbei zeigen sich folgen- de Reaktionen der Familienmitglie- der:

Manche Angehörigen bringen ein außergewöhnliches Verständnis auf und sind in der Lage, in überle- gener Weise den Patienten zu steuern .

Sehr häufig findet man Angehörige, die relativ gleichgültig sind und die Dinge laufen lassen, wobei oft ein jahrelanges Zusammenleben mit schwierigen Patienten bei den An- gehörigen zu einer Resignation führt, die eigentlich auch versteh- bar ist.

Schließlich gibt es nicht wenige Angehörige, die nicht nur gar kein Verständnis für das Problem des psychisch Kranken haben, sondern ihrerseits aus Gründen des be- kannten Vorurteils alle therapeuti- schen Maßnahmen bei ·einem "Ner-

DEUTSCHES ARZTEBLA'IT

Heft 50 vom 11. Dezember 1975

3429

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Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen

Betreuung psychotischer Patienten

vendoktor" von vornherein als dis- kriminierend ablehnen und dem- entsprechend zu einer Kooperation nicht bereit sind.

ln drei Fällen erlebten wir es, daß die Patienten durch die Nachbar- schaft bei einem Rezidiv wieder in Behandlung gebracht wurden. Es handelte sich jeweils um alleinste- hende Kranke, und die Nachbar- schaft, welche inzwischen über die Psychose und ihre Behandlungs- möglichkeit orientiert war, merkte an verschiedenen Zeichen (zum Beispiel daß die Patienten sich ein- schlossen), daß die Psychose wie- der aufgeflackert war, und veran- laBten das Notwendige, um die Pa- tienten in Behandlung zu bringen.

ln einem Fall wurde ähnliches vom Arbeitgeber bzw. durch die Mitar- beiter veranlaßt

Institutionen halfen nicht

..,.. ln gar keinem Fall wurden Pa- tienten durch die sogenannte Au- ßenfürsorge der Anstalten oder das Gesundheitsamt zur weiteren The- rapie motiviert.

Ein Patient mit endogener Depres- sion und ein Schizophrener, die im Rahmen der neuaufflackernden Psychose sich nicht in der Lage fühlten, die Praxis aufzusuchen, baten telefonisch um Hilfe, die auch entsprechend gewährt wer- den konnte, so daß der weitere therapeutische Ablauf gewährlei- stet war.

Überraschend war, daß fünf Patien- ten, die in früheren Jahren absolut therapieunwillig und ablehnend eingestellt waren, im Laufe der Jahre zunehmend zu der Einsicht gebracht werden konnten, daß die Therapie notwendig sei. Die Unein- sichtigkeit konnte abgebaut wer- den, und die Patienten waren auch dann willig und therapieeinsichtig, wenn ein neuer Schub auftrat. Sie kamen offensichtlich ungern, aber dennoch selbständig zur Nachbe- handlung.

Zusammenfassend zeigt also die Halbjahresstatistik einer viel- schichtigen Einzelfachpraxis fol- gendes:

lnfolge der sich ständig verbes- sernden ambulanten Behandlungs- möglichkeiten endogener Psycho- sen mit Psychopharmaka ist es un- bedingt erforderlich, durch nach- gehende und aufsuchende, fürsor- gerische Betreuung die medika- mentöse Behandlung der psychoti- schen Patienten gründlich zu über- wachen.

Eine intensive Zusammenarbeit mit Angehörigen, Hausärzten, sozial- therapeutisch tätigen Personen an- derer Institutionen und unter Um- ständen sonstiger Personen ist er- forderlich.

Fachärzte sollten im Bedarfsfall selber Hausbesuche machen.

Die Übertragung sozialpsychiatri- scher Aufgaben auf nichtärztliche Helfer muß in der Praxis des nie- dergelassenen Arztes ausgebaut werden. Insbesondere wird die Schaffung des Berufes einer psychiatrisch-technischen Assi- stentin (PTA) als dringend notwen- dig erachtet.

Trotz derart intensiver Maßnahmen läßt es sich nicht vermeiden, daß gelegentlich neue psychotische Schübe oder Phasen auftreten, die zu entsprechenden weiteren Maß- nahmen, insbesondere also zu sta- tionären Einweisungen Veranlas- sung geben.

Extrem individualistische Betreuung der psychisch Kranken - eine Notwendigkeit Bei einem Teil der endogenen Psy- chosen, die einen sehr blanden Verlauf haben, muß der Grundsatz betont werden, daß der psychisch Kranke das Recht haben muß, sein Leben unter außergewöhnlichen Kautelen zu fristen und vor einer

"overprotection" durch unkritische Sozialtherapeuten geschützt zu werden.

3430

Heft 50 vom

11.

Dezember 1975

DEUTSCHES ARZTEBLA'IT

Die große Vielfalt der Symptomatik und die Vielschichtigkeit der fami- liären, sozialen und persönlichen Problematik erfordern eine extrem individualistische Betreuung der psychisch Kranken.

..,.. Daraus leitet sich ab, daß eine lnstitutionalisierung, etwa durch die Schaffung von ,.Zentren" und

"Diensten", wie sie die Sachver-

ständigenkommission beim Bun- desministerium für Jugend, Familie und Gesundheit einseitig fordert, auf dem Gebiete der Psychiatrie zweifellos das Schlechteste ist, was man planen kann.

..,.. Die ambulante Betreuung psy- chisch Kranker durch Hausärzte und Fachärzte ist zur Zeit zweifel- los die optimale Art einer individu- ellen Fürsorge für die psychoti- schen Kranken. Die nachgehende und aufsuchende, fürsorgerische Betreuung psychotischer Patienten in der Praxis des niedergelassenen Arztes ist eine sehr wirksame Me- thode zur Verbesserung der Be- handlung. Sie erfordert fast keinen zusätzlichen finanziellen und per- sonellen Aufwand. Sie ist damit dem Denkmodell der Einrichtung

von "Zentren" und "Diensten"

deutlich überlegen.

Der sozialpsychiatrische "Dienst"

des Gesundheitsamtes und die so- genannte "Außenfürsorge" der zu- gehörigen Anstalt hat in keinem Fall im Beobachtungszeitraum ei- nen Patienten zur weiteren Be- handlung motivieren können.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Wolfram Leonhardt Facharzt für Neurologie und Psychiatrie

653 Bingen Mainzer Straße 10

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