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Archiv "Arzthaftungsrecht: Transparenz als beste Vorsorge" (21.01.2005)

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T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 3⏐⏐21. Januar 2005 AA117

D

as Thema Arzthaftung sorgt regel- mäßig für Schlagzeilen. Einzelfälle werden journalistisch aufbereitet, differenziert wird dabei kaum. Durch die Form der Berichterstattung wird der Zuschauer/Leser in eine bestimmte Richtung gedrängt. Zwar gibt es tenden- ziöse Berichterstattung in vielen Berei- chen; wenn es um das Thema Gesund- heit geht, ist der persönliche „Betroffen- heitskoeffizient“ der Menschen jedoch besonders hoch und damit auch die öf- fentliche Aufmerksamkeit.

Die Gutachterkommission für ärztli- che Haftpflichtfragen der Ärztekammer Westfalen-Lippe hat im Jahr 2001 insge- samt 1 131 gutachterliche Bescheide er- stellt, in denen 268 ärztliche Behand- lungsfehler festgestellt wurden. Über die Jahre gesehen, kommt man dort auf ei- nen Anteil von rund 25 Prozent begrün- deter Beschwerden. Für den Bereich der Norddeutschen Schlichtungsstelle in Hannover wird ein Anteil von 30 bis 35 Prozent begründeter Beschwerden be- richtet. Für den Bereich der Gutachter- kommission Nordrhein wird eine lang- jährig stabile Rate von 35 Prozent berich- tet. Das Robert Koch-Institut und das Statistische Bundesamt gehen in einer gemeinsamen Statistik davon aus, dass in rund 30 Prozent der vor einer Gutach- terkommission abgeschlossenen Fälle ein Behandlungsfehler anerkannt wurde.

Bei etwa einem Drittel aller gemeldeten Fälle, in denen Ärzten ein Behandlungs- fehler unterlaufen sein soll, kann man demnach davon ausgehen, dass Scha- densersatzleistungen gezahlt werden.

Auf der Suche nach den Ursachen ei- ner nicht erfolgreich verlaufenen Be- handlung wird von Patienten regel- mäßig alles infrage gestellt und deshalb hinter jedem Behandlungsschritt ein möglicher Fehler vermutet. Wenn ein dauerhafter, nicht mehr zu heilender Gesundheitsschaden eingetreten ist, steht

bei vielen Patienten sogar der Gedanke nach Rache im Vordergrund, gekleidet in den scheinbar altruistischen Wunsch, zukünftigen Patienten zu helfen und sie zu schützen.

Es gibt typische Fehlerquellen, die in unterschiedlicher Ausgestaltung bei na- hezu jedem Behandlungsfehlerprozess eine Rolle spielen:

> Kommunikation im Krankenhaus.

Stichworte sind hier die Anonymität der Apparatemedizin und die Unpersön- lichkeit vieler Großkliniken.

Nachteilig wirken sich oftmals behin- dernde und kommunikationsfeindliche Strukturen in Krankenhäusern aus.

Wenn der Patient im Verlauf einer sta- tionären Behandlung in mehreren Sta- tionen war oder von verschiedenen Ärz- ten aus unterschiedlichen Fachrichtun- gen untersucht worden ist, kommt es häufiger vor, dass die linke Hand nicht weiß, was die rechte Hand getan hat.

Ein anderes Beispiel ist der Patient, der mehrfach in größeren Zeitabständen und aus unterschiedlichem Anlass im gleichen Krankenhaus behandelt wurde.

Er geht in der Regel davon aus, dass seine gesamte Krankengeschichte dem behan- delnden Arzt bekannt ist, was aber nicht der Fall ist. Ein ständiger reibungsloser Informationsfluss ist wichtig. Hausinter- ne Leitlinien können dazu führen, dass eine gesicherte Vernetzung besteht zwi- schen den einzelnen Abteilungen, aber auch nach außen,zum einweisenden Arzt oder zu einer anderen Klinik.

> Patientenunterlagen. Der Umfang der ärztlichen Dokumentationspflicht bestimmt sich weitgehend nach den Do- kumentationszwecken, die da lauten:

Therapiesicherung, Beweissicherung und Rechenschaftslegung über die erbrach- ten medizinischen Leistungen. Es genü- gen regelmäßig Stichworte, sodass ein nachbehandelnder Arzt daraus die für die weitere medizinische Behandlung

erforderlichen Informationen erhält.

Dabei sollte die Dokumentation fort- laufend und zeitnah erfolgen.

Es ist schon seit vielen Jahren Rechtsprechung des Bundesgerichts- hofs (BGH), dass der Patient ein Recht auf Einsichtnahme in die Krankenun- terlagen hat. Trotzdem kommt es auch heute noch dazu, dass Behandlungsun- terlagen nicht oder verzögert herausge- geben werden. Hier sollten Reibungsver- luste vermieden und Behandlungsun- terlagen auf Anforderung in Kopie zur Verfügung gestellt werden. Jedes Zö- gern gegenüber dem Wunsch auf Ein- sichtnahme in die Patientenunterlagen führt zu dem Verdacht, es könnte etwas nicht in Ordnung sein oder nachträglich manipuliert werden. Über die Patien- tenunterlagen hinaus sollten – wenn sich eine Auseinandersetzung anbahnt – sämt- liche den Patienten betreffende ärztliche Stellungnahmen offen gelegt werden. So kann Misstrauen reduziert werden.

> Aufklärung. Der Grund für eine so genannte Aufklärungsrüge ist die pro- zessual bessere Stellung des Patienten, weil der Arzt dann die Beweislast für ei- ne ordnungsgemäße Aufklärung trägt.

War der Patient über den Eingriff und seine Risiken ordnungsgemäß infor- miert, dann ist es nicht dem Arzt anzu- lasten, wenn sich trotz eines lege ar- tis durchgeführten Eingriffes der ge- wünschte Erfolg nicht eingestellt hat und möglicherweise sogar eine Verschlechte- rung eingetreten ist. Aufgeklärt werden muss sowohl über die allgemeinen Risi- ken eines Eingriffs als auch über prozen- tual zwar selten auftretende, aber trotz- dem nicht auszuschließende Risiken. Ei- ne unvollständige Aufklärung führt da- zu, dass der Eingriff juristisch rechtswid- rig war und deshalb der Arzt haftet. Der Patient behauptet, er hätte sich, wäre er vollständig aufgeklärt worden, mit dem Eingriff nicht einverstanden erklärt.

Arzthaftungsrecht

Transparenz als beste Vorsorge

Indem der Arzt typische Fehlerquellen umgeht, können langwierige Zivilprozesse vermieden werden.

Thomas Doms

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Dann muss nach einer (berechtigten) Aufklärungsrüge nicht mehr der Patient im Prozess beweisen, dass der Arzt einen Fehler begangen hat. Der Arzt trägt jetzt die Beweislast, dass der Patient bei ord- nungsgemäßer Aufklärung eingewilligt hätte oder bei einem späteren Eingriff ein gleichartiger Gesundheitsschaden aufgetreten wäre.

Wichtig ist, wie für das Gericht der Nachweis über die erfolgte Aufklärung zu erbringen ist. Es gibt eine Fülle von vorbereiteten Aufklärungsformula- ren für jede Behandlungsform. Ein häu- figer Einwand ist, das Formular sei nur zur Unterschrift vorgelegt worden, es sei aber nicht über den Inhalt gespro- chen worden.

Ein Beispiel: Im Prozess behauptet der Patient, er sei nicht vollständig über die Risiken des Eingriffs aufgeklärt worden. In der mündlichen Verhand- lung wird der Arzt vom Gericht befragt, wie er dem Patienten ein fünfseitiges Aufklärungsformular erklärt haben will.

Der Arzt betont, er sei im Gespräch mit dem Patienten das Formular im Einzel- nen durchgegangen. Das Gericht glaubt ihm nicht, denn vorher hatte sich der Arzt noch vehement darüber beschwert, dass Ärzte und Personal seiner Klinik unter zu hohem Zeitdruck stünden.

Für das Gericht muss die sachgerech- te Information glaubhaft und nachvoll- ziehbar dargestellt werden. Deshalb empfiehlt es sich, durch einige kurze handschriftliche Vermerke in den Auf- klärungsbögen zu dokumentieren, dass ein Gespräch stattgefunden hat und welchen wesentlichen Inhalt es hatte.

Regelmäßig haben die Formulare Platz- halter, wo entsprechende Stichworte no- tiert werden können. Dabei genügen ei- nige Stichworte. Wenn wesentliche Risi- ken eines Eingriffs (zum Beispiel Blu- tungen, Embolien) vom Arzt hand- schriftlich mit einem Stichwort notiert sind, dann ist dies eine gute Möglichkeit, um glaubhaft darzustellen, dass auch tatsächlich über den beabsichtigten Ein- griff gesprochen worden ist.

Aufklärungsformulare sollten klar und übersichtlich gestaltet und nicht zu umfangreich sein. Sicherlich wird sich ein umfangreiches Formular nicht stets ver- meiden lassen. Je umfangreicher aber ein Formular ist, desto wichtiger ist es, durch handschriftliche Vermerke zu dokumen-

tieren, dass über die wesentlichen Risi- ken des Eingriffs gesprochen wurde.

> Hygienemängel. Zunehmend zie- len Einwendungen auf die allgemeine Organisation eines Krankenhauses.

Hygienemängel werden behauptet, wel- che auslösend für eine Infektion gewe- sen sein sollen. Krankenhauskeime sind nicht zu vermeiden. Deshalb ist die Ein- haltung der üblichen Hygienemaßre- geln nachzuweisen. Das betrifft gerade belastete Bereiche.

Mit der Vorlage eines Hygieneplanes kann die Einhaltung der üblichen Hy- gienemaßnahmen nachgewiesen wer- den. Wird der Hygieneplan eingehalten (zum Beispiel regelmäßig von einer Rei- nigungskraft abgezeichnet), dann hat der Patient zu beweisen, dass die einge- tretene Infektion auf mangelnde Hygie- ne zurückzuführen ist.

> Fotografische Dokumentation. Von der fotografischen Dokumentation mit einer Digitalkamera sollte reger Ge- brauch gemacht werden.

Ein Beispiel: Der Patient hat mehrere Wochen im Krankenhaus A gelegen. Er wird dann ins Krankenhaus B verlegt.

Nach drei Wochen im Krankenhaus B werden Dekubiti in der Analfalte und an beiden Fersen festgestellt. Streitig im Prozess ist der Zeitpunkt der Entste- hung. Krankenhaus A hatte vor der Ver- legung des Patienten den Zustand foto- grafisch dokumentiert. Danach lagen le- diglich Rötungen im Analbereich vor.

Beide Fersen waren noch intakt.

Die fotografische Dokumentation ist auch deshalb vorteilhaft, weil später ein Sachverständiger nicht nur auf die Schilderung eines Befundes angewie- sen ist. Ärzten und deren Mitarbeitern gegenüber besteht im gerichtlichen Verfahren oft der Vorbehalt, sie würden ihre Aussage im Sinne des Arbeitgebers formulieren.

Das Spannungsfeld zwischen der Er- wartung des Patienten, dem tatsächli- chen Verlauf und Ausgang der Behand- lung, der medizinischen Bezeichnung für die einzelnen Behandlungsschritte, Medikationen und ärztlichen Entschei- dungen und der juristischen Darle- gungs- und Beweislast lässt sich nur durch Transparenz überwinden.

Der Patient und sein behandelnder Arzt gehen davon aus, dass die Behand- lung erfolgreich sein wird. Ist dies nicht

der Fall, dann beginnt die Suche nach der Ursache.Wird dem Patienten in die- ser Situation die Behandlung und deren Verlauf nicht verständlich, dann vermu- tet er regelmäßig die Absicht, über ei- nen Fehler hinwegtäuschen zu wollen.

Wichtig ist das Management zur Vor- beugung. Es setzt nicht erst dann ein, wenn ein Anwaltsschreiben auf dem Schreibtisch liegt, sondern bereits vor Beginn und während einer Behand- lung. Nach den Erfahrungen bei der Norddeutschen Schlichtungsstelle spie- len in einem Viertel der Anträge von Patienten Kommunikationsmängel in der Konfliktgenese eine wesentliche, möglicherweise entscheidende Rolle.

Auch nach den Erfahrungen des Verfas- sers ist in vielen Fällen eine unzurei- chende Information des Patienten über Verlauf und Ergebnis der Behandlung der Auslöser für die Beschwerde. Wich- tig ist es, in jeder vom üblichen oder er- warteten Verlauf abweichenden Situati- on präsent zu sein und dem Patienten oder den Angehörigen Rede und Ant- wort zu stehen. Ein wesentlicher Teil der Transparenz betrifft die Art, wie mit dem Patienten oder seinen Angehöri- gen umgegangen wird. Sehr viele juristi- sche Streitfälle beginnen mit der häufig wenig einfühlsamen Weise, in welcher mit einem Patienten oder dessen An- gehörigen gesprochen wurde.

Offenheit und Transparenz ist von Be- ginn der Behandlung an wichtig. Einer- seits, wenn es vor dem Eingriff um die Aufklärung und Information des Patien- ten geht.Andererseits, wenn ein Eingriff oder eine Behandlung nicht erfolgreich war und sich der Zustand des Patienten verschlechtert hat. Die entscheidende Weichenstellung findet beim Arzt-Pati- ent-Gespräch statt. Patienten, die einen Ansprechpartner finden und Antwort auf Fragen erhalten, werden eher bereit sein, auch einen ungünstigen Ausgang der Behandlung zu akzeptieren, und nicht den Prozessweg beschreiten.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2005; 102: A 117–118 [Heft 3]

Anschrift des Verfassers:

Rechtsanwalt Dr. iur. Thomas Doms Doms & Siebert, Rechtsanwälte Hannoversche Straße 58, 29221 Celle E-Mail: doms.siebert.CE@t-online.de Internet: www.doms-siebert.de T H E M E N D E R Z E I T

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A118 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 3⏐⏐21. Januar 2005

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