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Archiv "Medizingeschichte(n): Euthanasie – „Ballastexistenzen“" (25.03.2005)

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Patientenbetreuung bietet Infliximab ein akzeptables Sicherheitsprofil für die klinische Praxis. Dennoch ist aufgrund des potenziellen Nebenwirkungsprofils und der hohen Therapiekosten ein um- sichtiger und gezielter Einsatz der Sub- stanz entsprechend der DGVS-Emp- fehlungen erforderlich. Die Rolle von Infliximab in der Behandlung der Coli- tis ulcerosa wird sich in weiteren, aktu- ell durchgeführten, klinischen Studien zeigen.

Ausblick

Dem Einzug immunmodulierend wirk- samer Substanzen wie Infliximab in die Therapie chronisch entzündlicher Darmerkrankungen werden weitere Substanzen folgen. So könnten die The- rapieoptionen in den nächsten Jahren beispielsweise durch die Entwicklung rekombinanter Zytokine (beispielswei- se IL-10, IL-11) (41, 44, 48), Adhäsions- inhibitoren (zum Beispiel Anti-α4-Inte- grin) (11) oder monoklonaler Antikör- per (beispielsweise CDP-571) (39) er- weitert werden. Kontrollierte klinische Studien werden zeigen, inwieweit diese

„biologics“ durch ihre Effektivität und Sicherheit im klinischen Alltag in naher Zukunft angewendet werden können.

Manuskript eingereicht: 29. 7. 2004; revidierte Fas- sung angenommen: 17. 11. 2004

Die Arbeitsgruppe „Chronisch entzündliche Darm- erkrankungen“ der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie die Autoren J. Seiderer, B. Göke und T. Ochsenkühn erhielten Forschungsstipendien und/

oder Honorare von den Firmen Essex oder Centocor.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2005; 102: A 828–833 [Heft 12]

M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 12⏐⏐25. März 2005 AA833

AUSGEWÄHLT UND KOMMENTIERT VON H. SCHOTT AUSGEWÄHLT UND KOMMENTIERT VON H. SCHOTT

MEDIZINGESCHICHTE(N))

Euthanasie „Ballastexistenzen“

Der Begriff „Euthanasie“ (wörtlich: schöner beziehungsweise guter Tod) tauchte bereits in der Antike auf. Im frühen 19. Jahrhundert wurde er eingehender disku- tiert und bezeichnete die Erleichterung des Sterbens durch den Arzt. So formu- lierte der Hallenser Medizinprofessor Johann Christian Reil (1759–1813): „Man sorge dafür, daß der Mensch am natürlichen Tod sterben kann, der sanft ist.“ Eu- thanasie bedeutete hier die fürsorgliche Sterbebegleitung durch den Arzt, eine Lebensverkürzung (aktive Sterbehilfe) wurde strikt abgelehnt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Euthanasie unter dem Einfluss von sozialdarwinisti- schen Ideen als Tötung schwerst geschädigten Lebens diskutiert (vergleiche Adolf Jost: „Das Recht auf den Tod“, 1895). Der Begriff des lebensunwerten Le- bens, wie ihn Hoche und Binding 1920 einführten, leitete unter dem Druck der verschärften ökonomischen und sozialen Krise nach dem Ersten Weltkrieg eine intensive und folgenschwere Debatte über die Zulässigkeit der Euthanasie ein, die nun als legitime Tötung von bestimmten Kranken und Behinderten durch Ärzte aus angeblich humanen und fortschrittlichen Motiven verstanden wird.

Der Freiburger Psychiater Alfred Hoche (1865–1943) und der Leipziger Jurist Karl Binding (1841–1920) plädierten mit einer in erster Linie ökonomischen Ar- gumentation für die Tötung von „Ballastexistenzen“, rassenbiologische bezie- hungsweise -hygienische Gesichtspunkte ließen sie außer Betracht. Sie sollten mit ihrem Buch, das bereits zur Zeit der Weimarer Republik stark rezipiert wur- de, zu Vordenkern der mehr oder weniger geheim durchgeführten Krankenmor- de im NS-Staat (unter anderem „Aktion T4“) werden, die nach Kriegsausbruch planmäßig durchgeführt wurden und dem Holocaust vorangingen. Zurzeit gehen die Experten davon aus, dass im Deutschen Reich circa 160 000, im deutschen Herrschaftsgebiet insgesamt mindestens zwischen 250 000 und 300 000 Opfer der NS-Euthanasie zu beklagen sind. Vor diesem historischen Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass gerade in Deutschland die gegenwärtig aktuelle medi- zinethische Problematik der Sterbehilfe besonders heftig diskutiert wird.

Zitat:„Die Anstalten, die der Idiotenpflege dienen, werden anderen Zwecken entzogen; soweit es sich um Privatanstalten handelt, muß die Verzinsung berech- net werden; ein Pflegepersonal von vielen tausend Köpfen wird für diese gänzlich unfruchtbare Aufgabe festgelegt und fordernder Arbeit entzogen; es ist eine peinliche Vorstellung, daß ganze Generationen von Pflegern neben diesen leeren Menschhülsen dahinaltern, von denen nicht wenige 70 Jahre und älter werden.

Die Frage, ob der für diese Kategorien von Ballastexistenzen notwendige Auf- wand nach allen Richtungen hin gerechtfertigt sei, war in den verflossenen Zei- ten des Wohlstandes nicht dringend; jetzt ist es anders geworden [1], und wir müs- sen uns ernstlich mit ihr beschäftigen. [...]

Von dem Standpunkte einer höheren staatlichen Sittlichkeit aus gesehen kann nicht wohl bezweifelt werden, daß in dem Streben nach unbedingter Erhaltung lebensunwerten Lebens Übertreibungen geübt worden sind. Wir haben es, von fremden Gesichtspunkten aus, verlernt, in dieser Beziehung den staatlichen Or- ganismus im selben Sinne wie ein Ganzes mit eigenen Gesetzen und Rechten zu betrachten, wie ihn etwa ein in sich geschlossener menschlicher Organismus dar- stellt, der, wie wir Ärzte wissen, im Interesse der Wohlfahrt des Ganzen auch ein- zelne wertlos gewordene oder schädliche Teile oder Teilchen preisgibt und ab- stößt.“

Karl Binding / Alfred Hoche: Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens. Ihr Maß und ihre Form (1920). 2.Auf- lage Leipzig 1922, Seite 55f. [1] Angesichts des Elends nach dem Ersten Weltkrieg.

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit1205 abrufbar ist.

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Julia Seiderer

Medizinische Klinik II, Klinikum Großhadern Ludwig-Maximilians-Universität Marchioninistraße 15 81377 München

E-Mail: julia.seiderer@med.uni-muenchen.de

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