M 024/2007 GEF 28. Februar 2007 GEF C Motion
0350 Meyer, Roggwil (SP-JUSO)
Weitere Unterschriften: 24 Eingereicht am: 22.01.2007
Missbrauch von Krankenkassenprämien
Der Regierungsrat wird beauftragt, abzuklären, ob und in welchem Umfang in der Abstimmungskampagne betr. die Einführung einer Einheitskasse von den Krankenkassen Prämiengelder direkt oder indirekt eingesetzt werden.
Bejahendenfalls wird der Regierungsrat aufgefordert, bei der zuständigen Aufsichtsbehörde dafür zu sorgen, dass keine für die Finanzierung der Krankenpflege bestimmte Gelder durch die Krankenversicherer für politische Zwecke missbraucht werden.
Bund und Kantone vollziehen die Krankenversicherung (Art. 21 ff. KVG).
In den vergangenen Wochen erscheinen in den Printmedien grossflächige Inserate, in welchen die Volksinitiative zur Einführung eine Einheitskasse im Krankenversicherungswesen bekämpft wird. Der Verband Schweizerischer Krankenkassen – Santé Suisse – lässt verlauten, dass er beabsichtige, 3 Millionen Franken (Prämiengelder?) in den Abstimmungskampf zu werfen.
Es muss – mit Blick auf diese Abstimmung, aber auch auf künftige Engagements – verhindert werden, dass Krankenkassengelder, welche dringend für die Finanzierung des schweizerischen Gesundheitswesens gebraucht werden, in einem Abstimmungskampf aus rein verbandspolitischen Interessen missbraucht werden.
Es wird Dringlichkeit verlangt. Gewährt: 25.01.2007
Antwort des Regierungsrates
Der Motionär will, dass der Grosse Rat den Regierungsrat beauftragt,
den Einsatz von Prämiengeldern der Krankenkassen betreffend Einführung einer Einheitskasse abzuklären und
allenfalls bei der zuständigen Aufsichtsinstanz zu intervenieren.
Da dem Grossen Rat in diesem Zusammenhang keine Entscheidbefugnis zukommt, handelt es sich um eine Richtlinienmotion.
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Der Bundesrat überwacht die Durchführung der Krankenversicherung.1 Die Kantone können einzig bei der bundesrätlichen Genehmigung der Prämientarife in beschränktem Rahmen mitwirken;2 eine Aufsichtsfunktion steht ihnen jedoch nicht zu. Dementsprechend ist es den Kantonen verwehrt, gegenüber Krankenversicherern aufsichtsrechtliche Verfahren durchzuführen.
Aus diesem Grund steht es dem Regierungsrat nicht zu, den Mitteleinsatz der bernischen Krankenversicherer im Zusammenhang mit der Initiative „Für eine soziale Einheitskrankenkasse“ abzuklären. Gleichwohl hat der Regierungsrat die zehn grössten Krankenversicherer des Kantons Bern ersucht, Stellung zu nehmen. Damit erfüllt er den ersten Auftrag der Motion.
Die Umfrage ergibt folgendes Resultat:
Kein finanzielles Engagement im Abstimmungskampf assura, CSS, EGK, KPT Kein finanzielles Engagement, jedoch argumentatives
Engagement im Rahmen der bestehenden Publikationsorgane der Krankenversicherer
Sanitas, Visana
Finanzielles Engagement mit Mitteln der Zusatzversicherung
SWICA, Sanitas
Keine Stellungnahme Intras, Helsana, Progrès
Diese Aussagen decken sich mit dem Kenntnisstand des Bundesamtes für Gesundheit (BAG).
Ueberdies äussert sich das BAG wie folgt: Aufwendungen für den Abstimmungskampf seien als Verwaltungskosten anzusehen. Erkenne das BAG keinen offensichtlichen Missbrauch, überlasse es die Verteilung der Verwaltungskosten den Krankenversicherern.
Die Angemessenheit der Verwaltungskosten werde im Rahmen der Prämiengenehmigung überprüft. Nach dem jetzigen Kenntnisstand halte sich das finanzielle Engagement der Krankenversicherer im gegenwärtigen Abstimmungskampf im Rahmen des Zulässigen.
Fraglich sei allenfalls die Finanzierung des Abstimmungspropaganda des Branchenverbandes santésuisse mit den Mitgliederbeiträgen der Krankenversicherer (Mitgliederbeitrag: CHF 2.90 pro versicherte Person sowie ein Sockelbeitrag von CHF 8'000.- pro Versicherer bzw. Gruppe). Santésuisse habe dem BAG versichert, dass keine Mittel der sozialen Krankenpflegeversicherung in den Abstimmungskampf fliesse und dass die Finanzierung dieser Aktivitäten durch eine unabhängige Revisionsstelle geprüft werde.
Abschliessend hält das BAG fest, dass es den Krankenversicherern gestattet sei, im Rahmen eines verhältnismässigen Mitteleinsatzes in den Abstimmungskampf einer Vorlage einzugreifen, die sie in ihrer Existenz trifft.
Der Regierungsrat geht mit dem Motionär einig, dass die Krankenversicherer die Mittel der sozialen Krankenversicherung nur zu deren Zwecken verwenden darf.3 Die Bereitstellung von Geldern für den Abstimmungskampf verletzt deshalb den Grundsatz der Zweckbindung der Prämiengelder. In diesem Sinne kann sich der Regierungsrat der Meinung des BAG nicht anschliessen, wonach die Aufwendungen für den Abstimmungskampf als Verwaltungskosten anzusehen seien.4 Zudem können sich die Krankenversicherer nicht auf das eigene Wahl- und Stimmrecht berufen, da ihnen ein solches nicht zusteht. Die Situation der Krankenversicherer lässt sich jedoch mit derjenigen einer Gemeinde vergleichen, die durch eine Sachabstimmung im Kanton oder im Bund mehr als andere betroffen ist. Als besonders Betroffene kann ihnen nicht verwehrt
1 Art. 21 Abs. 1 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10)
2 Art. 21a in Verbindung mit Art. 61 Abs. 5 KVG
3 Art. 13 Abs. 2 Bst. a KVG
4 s. auch SBVR XIV-Meyer, Soziale Sicherheit, E Rz. 239 f.
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werden, selber Position zu beziehen. Ihr Positionsbezug muss jedoch sachlich, transparent und verhältnismässig sein.5
Der Regierungsrat sieht sich jedoch aus folgenden Gründen nicht veranlasst, beim Bund vorstellig zu werden: Die grösseren Krankenversicherer des Kantons Bern engagieren sich gemäss Selbstdeklaration entweder nicht oder nur zu Lasten der Zusatzversicherung im Abstimmungskampf. Aufwendungen von bernischen Krankenversicherern zu Lasten der sozialen Krankenversicherung sind dem Regierungsrat nicht bekannt. Das BAG als Aufsichtsbehörde bestätigt diesen Umstand und ist selber bereits aktiv geworden.
Antrag:
Annahme des ersten Auftrages unter gleichzeitiger Abschreibung Ablehnung des zweiten Auftrages
An den Grossen Rat
5 René Rhinow/Regula Kägi-Diener, Gutachten betreffend Aufsicht über Santésuisse, St. Gallen 7.
November 2006, Quelle: http://www.consano.ch/Gutachten_Sant%C3%A9suisse2.pdf (Zugriff: 21.
Februar 2007)