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Archiv "Stigmatisierung noch nicht überwunden" (09.05.2003)

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Bonn, Düsseldorf, Köln und München zu animieren. Dort wird dann eine differen- zierte Diagnostik vorgenommen und bei entsprechendem Risikoprofil die Teil- nahme an einem der beiden Interven- tionsprogramme angeboten. Die Ein- schlusskriterien stellten eine Rate an falschpositiven Einschätzungen unter 20 Prozent sicher, betonte Klosterkötter.

Damit werde man auch den ethischen Anforderungen dieses innovativen An- satzes gerecht.

Unterschieden wird dabei nach psy- chose-„fernen“ und psychose-„nahen“

Prodromen, die in etwa die „initiale Prodromalphase“ und die „psychoti- sche Vorphase“ widerspiegeln. Darauf ausgerichtet ist auch die Art der Inter- vention. Als psychosefern charakteri- sierte Personen werden randomisiert (geplant n = 1 250) einer Einzel- oder Gruppenpsychotherapie mit unter- schiedlichen Modulen zugewiesen und über 30 Monate nachbeobachtet. Psy- chosenahe Patienten werden ebenfalls randomisiert (geplant n = 650) über die Dauer von zwei Jahren entweder – ein- gebettet in ein psychologisches Ma- nagement – mit einem Antipsychoti- kum der neuen Generation oder nach dem bislang praktizierten Vorgehen be- handelt. Erste Zwischenauswertungen lassen nach Angaben von Klosterkötter auf einen Erfolg des Konzepts der „in- dizierten Prävention“ schließen.

Differenziertes Versorgungs- konzept aus einer Hand

Ebenfalls große Anstrengungen werden unternommen, um das Phänomen der

„Drehtürpsychiatrie“ in den Griff zu be- kommen. Noch immer muss jeder zweite Schizophreniekranke innerhalb eines Jahres nach Klinikentlassung wegen ei- ner psychotischen Exzerbation erneut über zwei bis drei Monate stationär be- handelt werden. Diese hohen Rückfall- und Wiederaufnahmeraten haben fatale Folgen nicht nur für die Lebensqualität des Patienten und seine soziale bezie- hungsweise berufliche Integration, sondern auch für das Gesundheits- system insgesamt. Denn die Schizophre- nie nimmt in puncto Kosten vor allem durch den hohen Bedarf an stationären Leistungen einen Spitzenplatz ein.

Eine Stärkung des ambulanten Be- reichs fordert daher Dr. Frank Berg- mann (Aachen). Dem Anspruch eines differenzierten Versorgungskonzepts un- ter Ausschöpfung aller innovativen psy- chotherapeutischen und psychopharma- kologischen Optionen ständen Budge- tierungen und Finanzierungsengpässe in der Gesetzlichen Krankenversiche- rung entgegen. Kontraproduktiv ist für ihn auch das Psychotherapeutengesetz.

Gerade aufgrund der Komplexität psy- chischer Erkrankungen wie der Schizo- phrenie müsse weiterhin auch eine Psy- chotherapie in der nervenärztlichen Praxis gewährleistet bleiben. De facto erbrächten Psychiater derzeit psycho- therapeutische und andere Leistungen ohne eine reale Kostendeckung. Das Gesamtbudget für die von ihnen ver- sorgten etwa fünf bis sechs Millionen Patienten sei nicht größer als das für die rund 600 000 von nichtärztlichen Psy- chotherapeuten betreuten Patienten.

Auch die innovativen psychopharma- kologischen Optionen kämen noch nicht jedem Schizophreniekranken zugute, sprach Naber einen weiteren Missstand an. Die Verordnungsrate an „klassischen“

Neuroleptika betrage in Deutschland noch immer etwa 75 Prozent und sei da- mit wesentlich höher als in den USA mit 20 Prozent oder sogar Griechenland mit 50 Prozent. Ein Großteil der Compli- anceprobleme und generellen Vorbe- halte der Patienten gegenüber einer medikamentösen Therapie sind seiner Auffassung nach auf ihre schlechten Er- fahrungen im motorischen, affektiven und kognitiven Bereich unter einer sol- chen Medikation zurückzuführen.

Für unerlässlich hält Naber auch ei- nen generellen Paradigmenwechsel.Ver- sorgungskonzepte sollten einem Schizo- phreniekranken nicht von oben „über- gestülpt“, sondern gemeinsam mit ihm unter Einbeziehung seines individuel- len Krankheitskonzepts erarbeitet wer- den. Die meisten Patienten seien durch- aus in der Lage, eine fundierte Entschei- dung zu treffen, wenn man sie zuvor umfassend über die breite Palette von Optionen mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen informiert habe. Für die- sen Wandel vom autoritären zum part- nerschaftlichen Arzt-Patienten-Verhält- nis prägte Naber den Begriff „therapeu- tische Allianz“. Gabriele Blaeser-Kiel P O L I T I K

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A1238 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 199. Mai 2003

Stigmatisierung noch nicht überwunden

Ein langfristiger und komplexer Pro- zess ist die Überwindung von Stigma- tisierung und Diskriminierung Schizo- phreniekranker. Ergebnisse von Re- präsentativerhebungen in Deutsch- land in den Jahren 1990 und 2001 las- sen erkennen, dass zwar das Wissen der Bevölkerung über die Ursachen der Schizophrenie in den letzten zehn Jahren zugenommen hat. Dies habe je- doch nicht zu einer positiveren Ein- stellung gegenüber den Betroffenen geführt – im Gegenteil, erklärte Prof.

Matthias C. Angermeyer (Leipzig).

Kontakte mit Schizophreniekranken würden heute sogar stärker abgelehnt als damals.

Um diesem Trend entgegenzusteu- ern, laufen derzeit in Deutschland zahlreiche Initiativen. In Leipzig wur- de beispielsweise im Frühjahr 2000

„Irrsinnig Menschlich e.V. Verein für Öffentlichkeitsarbeit in der Psychia- trie“ gegründet. Hauptanliegen ist es, Begegnungen zwischen psychisch Er- krankten und ihren Mitmenschen zu fördern und umfassend zu informie- ren. Ein wichtiger Baustein ist das Schulprojekt „Verrückt? Na und!“. Er- ste Evaluationen sprächen dafür, dass tatsächlich Vorurteile abgebaut und Einstellungen verändert werden kön- nen, berichtet Angermeyer.

Für die negative Einstellung gegen- über Schizophreniekranken ist beson- ders das Klischee von der Unberechen- barkeit und Gefährlichkeit von Bedeu- tung, das zum Teil auch auf einer zu ein- seitigen Berichterstattung in den Medi- en beruht. BASTA (Bayerische Anti- Stigma-Aktion) und SANE (Stigma Alarm Netzwerk) wollen das ändern.

Die „Präsenz“ von psychisch Kranken in den Medien hat nach Ansicht von BASTA-Koordinator Dr. Werner Kiessling (München) zwei Seiten. Zwar gebe es Beiträge, die durch eine reißeri- sche Darstellungsweise immer wieder zum Auslöser beziehungsweise Ver- stärker des Stigmas würden. Jedoch könnten beispielsweise Filme wie „Das weiße Rauschen“ oder „A Beautiful Mind“ durchaus auch attraktive Instru- mente für Anti-Stigma-Kampagnen sein. Denn es werde damit ein breites Laienpublikum erreicht und potenziell für das Thema interessiert. bl-ki

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