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Archiv "Perspektiven des künstlichen Hautersatzes: Vom biologischen Verband zur künstlichen Haut " (05.05.2000)

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er klinische Bedarf an künstli- chen Hautersatzmaterialien zum Verschluss von akuten und chronischen Wunden ist groß.

Jährlich bedürfen Tausende von Brandverletzten sowie Hunderttau- sende von Patienten mit chronischen Wunden unterschiedlicher Genese ei- nes Wundverschlusses um Flüssig- keits- und Elektrolytverluste, Infek- tionen, Stoffwechselentgleisungen, Immunsupression, Schmerzen und Amputationen zu verhindern. Allein die Kosten für die stationäre Behand- lung von Schwerbrandverletzten an den deutschen Zentren für Brandver- letzte betragen jährlich mehrere hun- dert Millionen DM. Die Kosten für die Behandlung altersabhängig zu- nehmender, chronisch nichtheilender Wunden bei Diabetes mellitus und ar- terieller Verschlusskrankheit sowie venös bedingter Ulzera und Dekubi- talulzera gehen in die Milliarden (8).

Mit demographisch zunehmendem Lebensalter der Bevölkerung ist zu erwarten, dass diese Zahlen noch stei- gen werden, sodass den Entwicklun- gen auf dem Gebiet künstlicher Haut- ersatzverfahren eine wesentliche me- dizinische und wirtschaftliche Bedeu- tung beizumessen ist.

Grundlagenforschung

Die wesentlichen experimentel- len Arbeiten sowie klinische Erpro- bungen zur Entwicklung eines artifizi- ellen Hautersatzes sind fast aus- schließlich bei Verbrennungswunden vorgenommen worden. Die Gründe hierfür sind zum einen, dass die oh-

nehin kostenintensive intensivmedizi- nische Behandlung von Schwerbrand- verletzten mit Tagespflegesätzen von etwa 3 500 bis 8 000 DM den klini- schen Einsatz teurer neuer Techno- logien am ehesten ermöglicht und zum anderen, dass es bei diesen le- bensbedrohlich verletzten Patienten, bei denen herkömmliche Wundbe- handlungsmöglichkeiten nicht mehr ausreichen, es ethisch am ehesten ge- rechtfertigt ist, neue Therapieansätze klinisch zu erproben. Der Markt für Produkte zur Behandlung von Ver- brennungswunden ist nach wirtschaft- lichen Gesichtspunkten schwer kalku- lierbar und insbesondere nicht groß genug, um die teuren biotechnologi- schen Entwicklungen zu finanzieren.

Das Interesse vonseiten der Industrie wird sich daher auf die Entwicklung von Technologien konzentrieren, die auch zur Behandlung chronischer Wunden geeignet sind. Das große In-

Perspektiven des

künstlichen Hautersatzes

Vom biologischen Verband zur künstlichen Haut Michael Kremer

Alfred Berger

Es besteht ein großer Bedarf an künstlichen Hautersatzver- fahren zum Verschluss akuter und chronischer Wunden.

Die wesentlichen experimentellen Arbeiten und klinischen Erprobungen zur Entwicklung künstlicher Hautersatzver- fahren sind bei Verbrennungswunden durchgeführt worden.

Der Hautersatz sollte wesentliche Eigenschaften menschli- cher Haut erreichen und zudem die Fähigkeit aufweisen, mit dem Wundbett in physiologischer Weise zu interagieren. Bei chronischen Wunden ist zusätzlich eine Stimulation der Wundheilung durch die Kombination mit Wachstumsfakto- ren oder Zellen, die spezifische Wachstumsfaktoren abge- ben, erforderlich. Die Verwendung von kommerziell in Ver- kehr gebrachten Hautersatzprodukten wird innerhalb der

Europäischen Union durch das Arz- neimittelgesetz und das Medizinpro-

duktegesetz geregelt. Zukünftige Anforderungen an einen vollwertigen künstlichen Hautersatz werden Produktent- wicklungen hervorbringen, die aus einer Kombination von autologen Haut- und Bindegewebszellen mit dermisanalo- gen Matrices bestehen, welche in einem Schritt appliziert werden. Die simultane Applikation von Wachstumsfakto- ren, beispielsweise durch Transfektion von Zellen, wird eine deutliche Beschleunigung der Wundheilung ermöglichen.

Schlüsselwörter: Künstliches Hautersatzverfahren, Schwer- brandverletzung, Medizinprodukt, Arzneimittel, „Tissue Engineering“, Komposithaut

ZUSAMMENFASSUNG

Artificial Skin Substitute

There is a large demand for artificial skin substitutes for the coverage of acute and chronic wounds. Most experimental work and clinical tests in the development of artificial skin substitutes have been performed in burn wounds. Skin sub- stitutes should have fundamental attributes of human skin.

In addition to that, artifical skin should be able to interact with the wound bed in a physiologic way. In chronic wounds a stimulation of wound healing by combination with growth factors or cells that are capable of secreting specific growth factors is necessary. The use of commercially available arti-

ficial skin substitutes within the European Un- ion is regulated by national drug laws and medi-

cal device laws. Future demands for artificial skin substi- tutes of full value will bring up product developments consist- ing of a combination of autologous skin- and connective tissue cells with dermal analogous matrices that are applied in a single-step mode. The simultaneous application of growth factors, e.g. by transfection of cells, will allow for a significant acceleration of wound healing.

Key words: Artificial skin substitute, burn, medical device drug, “tissue-engineering”, composite skin

SUMMARY

D

Klinik für Plastische, Hand- und Wiederherstel- lungschirurgie – Zentrum für Schwerbrandver- letzte (Direktor: Prof. Dr. med. Alfred Berger) der Medizinischen Hochschule Hannover

(2)

teresse der Industrie dokumentiert sich in strategischen Allianzen zwi- schen Entwicklungsfirmen mit markt- fähigen Produkten und international agierenden Pharmakonzernen (zum Beispiel Novartis, Johnson & John- son, Smith und Nephew).

Hauptgegenstand der derzeiti- gen biotechnologischen Forschung ist die Optimierung von Zellzüch- tungsverfahren (vor allem Keratino- zyten, Fibroblasten), die Matrixfor- schung, die Integration von Zellen in artifizielle Matrices und die Verwen- dung von Zytokinen zur Förderung der Wundheilung. Die gentechnische Veränderung von Zellen aus der Haut zur Beschleunigung der Wund- heilung durch zum Beispiel die Ex- pression von Zytokinen steht derzeit aufgrund rechtlicher Rahmenbedin- gungen erst am Anfang ihrer Mög- lichkeiten.

Anforderungen an künstlichen Hautersatz

Der „Goldstandard“ des Hauter- satzes ist die autologe Hauttransplan- tation. Dieser Methode steht vor al- lem bei ausgedehnten Verbrennungs- wunden entgegen, dass eine plastische Deckung des Hautverlustes ab etwa 70 Prozent der Körperoberfläche nicht mehr durch patienteneigene Haut zu bewerkstelligen ist. Diese Pa- tienten können ohne alternative Haut- ersatzverfahren nicht überleben (1).

Da darüber hinaus die derzeitig kli- nisch angewendeten, differenzierten Verfahren autologer Spalthauttrans- plantation nur Transplantate mit ei- nem geringen Lederhautanteil erbrin- gen, wird das oft unbefriedigende Ausheilungsergebnis mit Wundkon- traktion, Narbenbildung, Gelenkkon- trakturen und rezidivierenden Ulze- rationen (9) auch zunehmend kriti- scher betrachtet und die Forderung nach einem Ersatz der Lederhaut ge- stellt, der durch einen biotechnolo- gisch hergestellten Hautersatz ermög- licht werden könnte.

Bei chronischen Wunden liegt die Problematik weniger im Ausmaß der Wunde als darin, dass eine Wundhei- lungsstörung sowohl auf zellulärer als auch auf interzellulärer Ebene be- steht, die zum einen die Ausbildung

eines gut durchbluteten Wundbetts verhindert und zum anderen die Proli- feration und Migration randständiger Hautzellen hemmt.

Die Anforderungen an einen bio- technologisch hergestellten Hauter- satz müssen sich an den Eigenschaften menschlicher Haut orientieren und zudem die Fähigkeit besitzen mit dem Wundbett in physiologischer Weise zu interagieren. Die erforderlichen Ei- genschaften eines idealen „künstli- chen“ Hautersatzes sind im Textka- sten Eigenschaften künstlicher Hauter- satzverfahrenaufgeführt.

Zusammenfassend kann festge- stellt werden, dass sich aktuell und

zukünftig ein Bedarf an biotechnolo- gisch hergestelltem Hautersatz ent- wickeln wird, um autologe Spender- areale zu schonen, ausgedehnte, an- derweitig nicht zu verschließende Wundflächen zu behandeln, die ein- geschränkte mechanische Qualität derzeitiger Hautersatzverfahren zu verbessern, allogene und xenogene Hautersatzverfahren aufgrund des nur temporären Charakters und in- fektiologischer Probleme zu ersetzen oder zu ergänzen sowie um die Wund- anergie chronischer Wunden zu thera- pieren.

Ein weiterer Aspekt künstlicher Hautersatzverfahren ist die mögliche Stimulation der Wundheilung durch die Kombination mit Wachstumsfak- toren oder Zellen, die solche Wachs- tumsfaktoren abgeben, gegebenen- falls unter Zuhilfenahme gentechno- logischer Verfahren. Die Strategien künstlicher Hautersatzverfahren sind im Textkasten Hautersatzstrategien aufgeführt.

Rechtliche Grundlagen

Die zellulären Komponenten bio- logischer Hautersatzmaterialien sind entweder autolog oder allogen. Vom Menschen gewonnene Hauttransplan- tate sind in Deutschland grundsätzlich Arzneimittel und die Anforderungen an die Herstellung und das Inver- kehrbringen werden durch das Arz- neimittelgesetz (AMG), nicht durch

Eigenschaften künstlicher Hautersatzverfahren – gute Adhärenz an das Wundbett

– antiseptische Barriere für Mikroorganismen – Wasserdurchlässigkeit und Temperaturregulation

– Bereitstellung eines nicht antigenen, nicht toxischen, nicht inflammato- rischen Matrixsubstrates als Grundgerüst für die Einwanderung und Adhäsion ortsständiger Zellen, die Zellproliferation und die Produktion extrazellulärer Matrix

– Stimulation der Wundheilungsvorgänge – Unterstützung lokaler Abwehrmechanismen

– vollständige Integration des Materials in den Empfängerorganismus mit kontrolliertem Ab- beziehungsweise Umbauvorgang (Remodeling) – Verhinderung ausgeprägter Narbenbildung und langfristige mechani-

sche und ästhetische Qualität

– für chronische, nicht heilende Wunden: Eigenschaften zur Stimulation von Zellproliferation und -migration

Hautersatzstrategien – Epidermale Ersatzverfahren:

Wunddeckung mit autologen Ke- ratinozyten allein oder in Verbin- dung mit einer Transportmatrix (zum Beispiel inerter Polymer- film, resorbierbare Matrix) – Dermale Ersatzverfahren: Be-

reitstellung einer künstlichen dermalen Matrix, die die Infiltra- tion durch körpereigene Zellen und die Reorganisation des Er- satzgewebes durch körpereigene Zellen ermöglicht

– Komposithaut–Ersatzverfahren:

Kombination aus dermalem Ma- trixersatz mit epidermalen und/oder dermisständigen Zellen

(3)

das Transplantationsgesetz, bestimmt. Hersteller dieser Materialien müssen zur Arz- neimittelherstellung berech- tigt sein (§ 13 ff. AMG). Die Herstellungserlaubnis wird von der zuständigen Behörde des Bundeslandes erteilt, in dem der Hersteller seinen Sitz hat. Das AMG findet le- diglich gemäß § 80 Nr. 4 AMG keine Anwendung bei menschlichen Geweben, die unter der fachlichen Verant-

wortung eines Arztes zum Zwecke der Übertragung auf andere Menschen entnommen werden, wenn diese Men- schen unter der fachlichen Verantwor- tung dieses Arztes behandelt werden.

Werden diese Zellen enthaltenden Transplantate im voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Ver- braucher bestimmten Verpackung in den Verkehr gebracht, handelt es sich um Fertigarzneimittel im Sinne von § 4 (1) AMG, die einer arzneimittelrecht- lichen Zulassung durch das Bundesin- stitut für Arzneimittel und Medizin- produkte (BfArM) bedürfen.

Nicht mit menschlichen Zellen besiedelte Hautersatzverfahren un- terliegen dahingegen dem Regelungs- bereich des Medizinproduktegesetzes (MPG). Entsprechend den gesetzli- chen Vorgaben werden Medizinpro- dukte generell nicht durch eine Bun- desoberbehörde zugelassen, sondern durch eine benannte Stelle zertifiziert.

Medizinprodukte mit EU-Zertifizie- rung („CE“) dürfen innerhalb der EU in jedem Land ohne weitere Zertifi- zierung angewendet werden. Eine Übersicht aller in Deutschland oder Europa als Medizinprodukte zertifi- zierte Hautersatzverfahren existiert nicht.

Produktübersicht

Epidermale Ersatzverfahren Hierbei werden autologe Zellen von einem Patienten im Rahmen ei- ner Hautbiopsie unverletzter Haut entnommen, isoliert, vermehrt und auf den Patienten zurück übertragen (16). Vorteile dieser Methode sind die Vermeidung einer Abstoßung so- wie die Vermeidung einer Infektions-

übertragung. Bei allogenen Verfah- ren werden Hautzellen eines Spen- ders nach Kultivierung auf einen Empfänger übertragen. Vorteile die- ses Verfahrens sind die Möglichkeit einer industriellen Fertigung und ständiger Bereithaltung, sodass eine schnelle und ausreichende Verfüg- barkeit ermöglicht wird und eine un- mittelbare Wunddeckung erfolgen kann.

Von den epidermalen Ersatzver- fahren haben sich Techniken zur In- vitro-Kultivierung autologer Kerati- nozyten und die Applikation auf Trä- gergaze in Form so genannter Sheets durchgesetzt (Abbildung

1). Über viele Jahre war es nur möglich, Patienten- biopsien in den USA wei- terverarbeiten zu lassen (Epicel, Genzyme Corpo- ration, Cambridge, USA), was erhebliche logistische Probleme und hohe finan- zielle Aufwendungen mit sich brachte. Mittlerweile gibt es in der Bundesrepu- blik Anbieter, die eine kommerzielle Hersteller- laubnis gemäß § 13 AMG besitzen (zum Beispiel Au-

tothel, SurfaceCare GmbH, Eppin- gen) und in der Lage sind, innerhalb von 16 bis 21 Tagen hochqualitative Keratinozytensheets gemäß den Be- dingungen der Good Manufacturing Practice (GMP) herzustellen. Vor- aussetzung für eine erfolgreiche The- rapie ist, dass der Kultivierungspro- zess frühzeitig initiiert wird und dass das Wundbett des Empfängers während der Zeit der Kultivierung keimarm und frei von Granulations- gewebe gehalten wird. Als Nachteil dieser Methode wirkt sich das Fehlen

der dermalen Komponente bezie- hungsweise die langfristig nur gerin- ge Dermisregeneration und somit die Ausbildung einer mechanisch nur wenig belastbaren Haut aus, sodass die Indikation für nicht schwerbrand- verletzte Patienten streng zu stellen ist.

Die Verwendung mittels des gleichen Kultivierungsverfahrens hergestellter allogener Keratino- zyten (zum Beispiel Allothel) er- bringt einen temporären biologi- schen Wundverschluss mit dem Vor- teil, dass solche Produkte kurzfristi- ger erhältlich sind und geringere Ko- sten verursachen. In der Frühphase nach der Transplantation verhalten sich allogene Keratinozytentrans- plantate zunächst analog zu autolo- gen Zellen, das heißt sie adhärieren auf dem Wundbett, proliferieren und differenzieren zu einer temporären Neoepidermis. Allogene Keratino- zyten haben ein nur begrenztes Pro- liferationspotenzial und werden nach etwa 10 bis 14 Tagen bereits durch autologe ersetzt, wie geneti- sche Markierungsversuche gezeigt haben. Die positive Auswirkung auf

die Wundheilung zum Beispiel bei chronischen Wunden wird auf die Expression von Wachstumsfaktoren und die Stimulation der extrazel- lulären Matrix zurückgeführt. Eine Sensibilisierung des Immunsystems wird aufgrund des Fehlens antigen- präsentierender oder immunkompe- tenter Zellen allgemein als gering bewertet.

Indikationen für die Verwen- dung allogener Keratinozyten sind oberflächliche Hautverletzungen wie Verbrennungen zweiten Grades, Abbildung 1: Keratinozytensheet vor klinischer Applikation

Menschliche Haut AlloDerm Abbildung 2: AlloDerm: Matrixprinzip basierend auf humaner Dermis

(4)

Hautdefekte nach Spalthautentnah- me und chronisch nichtheilende Wun- den.

Weitere Entwicklungen auf dem Gebiet der Keratinozytenzüchtung sind neue Trägersysteme, die vor Erreichen einer Zellkonfluenz eine frühzeitige Applikation auf Wun- den erlauben (zum Beispiel „Upside- Down“-Technik), und gentechnische Strategien, Keratinozyten ohne MHC- Typ-II-Histokompatibilitäts-Antigen zur universellen Anwendung herzu- stellen.

Dermale Ersatzverfahren Bei artifiziellem Lederhauter- satz sind verschiedene Produkte zu unterscheiden. Hierzu gehören de- zellulierte humane Leichenhaut und Produkte aus immunologisch inakti- ven Fasergerüsten (Matrix) unter- schiedlicher biochemischer Zusam- mensetzung mit und ohne Fibrobla- sten zum definitiven Dermisersatz sowie Produkte aus einer Kombinati- on mit Kunststoffen zum temporären Dermisersatz.

AlloDerm (LifeCell Corpora- tion, USA) wird aus dezellulierter humaner Leichenlederhaut durch ein patentiertes Verfahren gewonnen und ist langfristig haltbar (Abbildung 2). Nach Rehydrierung in physiologi- scher Kochsalzlösung unmittelbar vor der Verwendung kann AlloDerm vollschichtige Wunden decken und sowohl die retikulären wie die pa- pillären Komponenten der Leder- haut ersetzen. Die applizierte Matrix ist durch den Herstellungsprozess zellfrei gemacht und wird in den Empfängerorganismus aufgrund des

Fehlens von MHC-I- und -II-Antige- nen ohne Abstoßungsreaktionen in- korporiert. Durch den strukturellen Erhalt von Kollagen Typ IV und VII sowie des Basalmembran-Komple- xes (Laminin 1 und 5) wird die Ma- trix von ortsständigen Bindegewebs- zellen besiedelt und vaskularisiert.

Als Epidermisersatz können bereits bei der Transplantation ultradünne Spalthaut oder Keratinozytensheets verwendet werden (7). Klinisch kon- trollierte Studien zeigten, dass auf- grund der morphologischen Eigen-

schaften das Auftreten von Myo- fibroblasten mit nachfolgender Aus- bildung von Granulationsgewebe verhindert wird und dass die Neovas- kularisation über vorbestehende Ka- näle des dermalen Gefäßplexus er- folgt. AlloDerm ist für die EU als zertifiziertes Medizinprodukt (CE) zugelassen. Indikationen für Allo- Derm sind drittgradige Verbren- nungswunden, ausgedehnte voll- schichtige Hautdefekte und die Un- terfütterung von Weichteilkonturde- fekten in der ästhetischen plastischen Chirurgie.

Integra (Integra Lifesciences Corporation, USA) ist ein zwei- schichtiger, synthetischer Hauter- satz, der aus einer dreidimensionalen Porenmatrix aus bovinem Kollagen und 10 bis 15 Prozent anteilig Chon- droitin-6-Sulfat sowie einer Silikon- schicht (Silastic) als temporärem Epidermisersatz besteht (17). Das Kollagen wird aus BSE-freien Rin- derbeständen gewonnen, der Her- steller wies mit viralen Inaktivie- rungsversuchen nach, dass der Her- stellungsprozess selbst experimentell in vitro zugesetzte BSE-Partikel in- aktiviert. Nach Aufbringen von Inte- gra auf ein tiefgradiges, gut durchblu- tetes Wundbett sprossen Bindege- webszellen des Empfängers in die Matrix ein, innerhalb von 14 bis 21 Tagen ist die Matrix so weit vaskula- risiert, dass die vor Infektion und Flüssigkeitsverlust schützende Sila- sticfolie entfernt werden kann und eine dünne Spalthaut oder Keratino- zytensheets als definitiver Epider- misersatz aufgebracht werden kön- nen. Immunhistologisch lässt sich nachweisen, dass das bovine Fremd- kollagen über die Zeit durch eine De-novo-Kollagensynthese vollstän- dig ersetzt wird, ohne dass sich die dreidimensionale Matrixstruktur verändert (so genanntes „Remode- ling“). Integra ist gekühlt über einen längeren Zeitraum steril abgepackt in 70 Prozent Isopropylalkohol lager- fähig und wird kurz vor der Applika- tion in Kochsalzlösung gebracht (Ab- bildung 3a). Langjährige Beobach- tungen und Multicenterstudien konnten die Bedeutung von Integra für die Behandlung drittgradiger Verbrennungswunden zeigen und nachweisen, dass die mechanischen Abbildung 3: a) Integra vor klinischer Applikation; b) Klinisches Aus-

heilungsergebnis Integra: mechanisch belastbare, verschiebliche Haut

a

b

Grafik

Dermale Fibroblasten werden auf eine biokompa- tible Matrix gesät, um lebendes Gewebe zu er- zeugen.

Nach zwei Wochen hat sich dermales Gewebe ge- bildet, welches die Migration, Proliferation und Stratifikation der Epidermis unterstützt.

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b

Dermagraft: a) elektronenmikroskopische und b) hi- stologische Struktur

(5)

Eigenschaften des auf dem Wundgrund verschieblichen und elastischen Dermiser- satzes dauerhaft erhalten bleiben (2, 4, 6) (Abbildung 3b). Integra ist für die EU als zertifiziertes Medizin- produkt zugelassen. Indika- tionen sind drittgradige Ver- brennungswunden und se- kundäre Narbenkorrektu- ren bei instabilen Narben insbesondere an mecha- nisch belasteten Körperstel- len wie über Gelenken. Wei-

tere klinische Anwendungsmöglich- keiten vom Hersteller modifizierter Produkte ohne Silasticfolie zur Un- terfütterung von Weichteilkonturde- fekten werden derzeit in unserer Kli- nik experimentell evaluiert.

TransCyte (früher Dermagraft- TC, Advanced Tissue Sciences Inc., USA) besteht aus einer nicht resor- bierbaren Nylonmatrix und einer Kollagenmatrix, die durch vitale hu- mane Fibroblasten über mehr als zwei Wochen synthetisiert wird.

Durch den Herstellungsprozess blei- ben die von Fibroblasten syntheti- sierten Matrixproteine und Wachs- tumsfaktoren erhalten. Das Produkt wird tiefgefroren und erhält

nach Herstellerangaben bei Applikation keine lebenden Fibroblasten mehr, dahinge- hend jedoch extrazelluläre Strukturen, die den Emp- fängerzellen Wachstums- und Migrationssignale ge- ben. Hierdurch soll die Aus- bildung von narbenbilden- dem Granulationsgewebe vermieden werden. Trans- Cyte ist in den USA für die Verwendung bei zweit- und drittgradigen Verbren- nungswunden zugelassen, eine Zulassung als Medizin- produkt für die EU liegt derzeit noch nicht vor. In Finnland und Großbritanni- en ist eine Anwendung auf- grund nationaler Gesetzge- bung bereits möglich. Trans- Cyte kann als Ersatz für al- logene Leichenhaut zur temporären Deckung dritt- gradiger Verbrennungswun- den eingesetzt werden. Im

Gegensatz zu allogener Leichenhaut, die nach etwa 14 Tagen vom Emp- fängerorganismus abgestoßen wird, zeigt TransCyte eine Wundadhärenz über mehr als 40 Tage. Bei der Ent- fernung von der Wunde bleibt ein Teil des bis dahin von Empfängerzel- len besiedelten Matrixmaterials auf der Wunde adhärent und ermöglicht eine Deckung mit autologer Spalt- haut oder Keratinozyten (15).

Dermagraft (Advanced Tissue Sciences Corporation, USA) besteht aus einer Polylactid-Matrix, die mit allogenen neonatalen Fibroblasten besiedelt ist (Grafik). Das Matrixma- terial ist unter anderem in Form von

resorbierbarem chirurgischen Fa- denmaterial seit Jahren in klinischer Anwendung (Vicryl). Das Produkt wird kryokonserviert um eine lange Haltbarkeit zu garantieren. Nach dem Auftauen für die klinische Ver- wendung erreichen etwa 60 Prozent der Zellen wieder Vitalität und ver- mögen das Wundbett zu besiedeln.

Die Fibroblasten synthetisieren Wachstumsfaktoren (PDGF-A, TGF-b, IGF und VEGF). VEGF und PDGF fördern die Neoangiogenese, was vor allem für die Anwendung bei gefäßbedingten Ulzera als vorteilhaft angesehen wird. Während der Biode- gradation der Matrix entstehen Me- taboliten mit bakteriziden Eigen- schaften, vermutlich durch Ansäue- rung des pH-Wertes im Wundbe- reich. Die Matrix ermöglicht es so- wohl Bindegewebszellen, analog den Verhältnissen bei oben genannten Produkten, einzuwandern und Pro- teine wie Kollagen, Elastin, Fi- bronectin und Decorin zu syntheti- sieren als auch randständigen Kerati- nozyten nach zentral zu migrieren.

Innerhalb von vier Wochen wird hi- stologisch eine vollständige Resorp- tion unter Ausbildung einer Neoder- mis beobachtet, was vom Hersteller als Vorteil gegenüber fremdkollagen- haltigen Produkten angeführt wird.

Im Verlauf der Behandlung bei diabetischen Fußulzera muss Derma- graft mehrfach in wöchentlichen Ab- ständen neu auf die Wunde aufge- bracht werden. In einer Untersu- chung bei über 400 Patienten konnte eine klinische Abstoßung nicht nach- gewiesen werden (12). Ein prospekti- ve, randomisierte klinische Studie bei 235 Patienten mit diabetischen Fußulzera konnte nach zwölf Wo- chen Behandlungsdauer signifikant mehr Ulzera heilen (50,8 Prozent ge- genüber 31,7 Prozent), die mediane Abheilungsrate war signifikant schneller (13 Wochen gegenüber 28 Wochen) (14).

Dermagraft ist in Kanada zur Behandlung von diabetischen Ulzera zugelassen, auch in Finnland und Großbritannien ist eine Anwendung möglich. Eine Zulassung in der Bun- desrepublik gemäß § 25 AMG be- steht nicht, ein Antrag auf Zulassung liegt nach Auskunft des BfArM der- zeit nicht vor.

Abbildung 4: Apligraf: histologische Struktur aus Fibroblasten und Keratinozyten

Abbildung 5: a) Integra mit humanen Keratinozyten in vitro be- siedelt; b) Ausbildung einer mehrschichtigen humanen Epidermis in vivo aus besiedelter Integra

a

b

(6)

Komposithautersatzverfahren Der Ersatz von dermalen und epidermalen Hautkomponenten in einer Kombination ist in der biotech- nologischen Forschung derzeit von großem Interesse. Unterschiedliche Ansätze sind in Publikationen der letzten Jahre verfolgt worden hin- sichtlich verwendeter Matrix, Typ der verwendeten Zellen und Art und Weise der Integration dieser Zellty- pen. Klinisch experimentelle Daten liegen jedoch bisher nur in geringer Zahl vor.

Apligraf (früher GraftSkin, Or- ganogenesis, Inc., USA) besteht aus einer Kollagen-Typ-I-Matrix, die mit allogenen neonatalen Fibrobla- sten besiedelt ist und eine konfluen- te Oberflächenschicht aus allogenen Keratinozyten aufweist, die ein Stra- tum corneum ausbilden (Abbildung 4). In einer prospektiven, rando- misierten Multicenterstudie in den USA konnten die Wirksamkeit von Apligraf in der Behandlung chro- nisch-venöser Beinulzera dahinge- hend nachgewiesen werden, dass ge- genüber der Kontrollgruppe signifi- kant mehr Wunden in weniger als der Hälfte der Zeit geheilt werden konnten ohne dass immunologische Abstoßungsreaktionen beobachtet wurden (5). Für die Heilung werden drei Ursachen verantwortlich ge- macht:

❃ die Stimulation der Wund- heilung durch Synthese von Wachs- tumsfaktoren (zum Beispiel Inter- leukin-1, TGF-b, bFGF, PDGF), Matrixkomponenten (Glykosamin- glykane, Decorin, Tenascin und Kol- lagen) und Basalmembrankompo- nenten,

❃ die Wundokklusion,

❃ der dauerhafte Wundver- schluss durch die Transplantatinte- gration in den Empfängerorganis- mus.

Wie bereits oben dargestellt, ist der Verbleib der allogenen Keratino- zyten und Fibroblasten nur tem- porär, wenn auch Immunoassays ei- ne humorale oder zelluläre Immun- antwort auf die zellulären Kompo- nenten nicht nachweisen konnten.

Als Gründe hierfür werden neonata- le Zelleigenschaften diskutiert wie das Fehlen von allogenen Langer-

hans- und Endothelzellen, das Feh- len gewisser Oberflächenmarker auf den enthaltenen Fibroblasten und Keratinozyten und das Unvermögen dieser Zellen den T-Lymphozyten Alloantigene zu präsentieren. Die Matrix selbst unterliegt einem Re- modelingprozess. Apligraf ist derzeit in den USA, Kanada und in der Schweiz für die Behandlung von venösen Ulzera an der unteren Ex- tremität zugelassen, in Finnland und Großbritannien ist ebenfalls eine Anwendung möglich. Eine Zulas- sung in der Bundesrepublik gemäß § 25 AMG besteht nicht, ein Antrag auf Zulassung liegt nach Auskunft des BfArM derzeit nicht vor.

Perspektiven des

künstlichen Hautersatzes

Die zukünftigen Anforderungen an einen vollwertigen künstlichen Hautersatz werden Produktentwick- lungen hervorbringen, die aus einer Kombination von autologen Haut- und Bindegewebszellen und dermis- analogen Matrices bestehen, welche in einer „Ein-Schritt-Technik“ auf den Patienten gebracht werden. Un- ter dieser Technik ist zu verstehen, dass zum Zeitpunkt der Transplanta- tion eine gute Verbindung von der- malem und epidermalem Ersatzge- webe besteht, der dermale Ersatz zum Zeitpunkt der Transplantation jedoch avaskulär ist. Da das Feh- len der Gefäßversorgung die Trans- plantate anfällig gegen Infektionen macht und die mangelnde Sauer- stoffversorgung der Zellen zu einer verlangsamten Einheilung bis hin zum Transplantatverlust führt, wer- den zukünftige Entwicklungen, ins- besondere für die Anwendung bei der Deckung gefäßbedingter Ulzera, die Induktion einer (temporären) Angiogenese mit berücksichtigen müssen. Eine Angiogeneseinduktion durch genetische Modifikation von Fibroblasten wurde bereits in Arbei- ten der eigenen Klinik gezeigt (11).

Eigene tierexperimentelle Arbeiten haben gezeigt, dass es möglich ist, Keratinozyten in vitro in eine Matrix (Integra) zu integrieren (Abbildung 5a) und so zu kultivieren, dass sich in vivo innerhalb weniger Tage eine

vollwertige, mehrschichtige Epider- mis ausbildet (Abbildung 5b) (10).

Die Übertragbarkeit der experimen- tellen Ergebnisse auf die humane An- wendung konnte in einer klinischen Studie an unserer Klinik nachgewie- sen werden. Weitere Forschungsan- sätze sind die Integration von Haar- follikeln und Melanozyten.

Die Vorteile biotechnologisch hergestellter Haut sind umfassend und bestehen vor allem in der Er- möglichung eines Wundverschlusses bei fehlenden autologen Ressour- cen, der Vermeidung zusätzlicher Wunden durch autologe Hautent- nahmen, dem schnellen Verschluss akuter Wunden, der Zuführung exo- gener Wachstumsfaktoren und somit der Möglichkeit auch chronische Wunden zu heilen, der Verringerung der Kosten für die Behandlung sowie der Verkürzung der Behandlungs- zeit.

Keinesfalls jedoch dürfen Haut- ersatzmaterialien als Ersatz für grundlegende Wundbehandlungsme- thoden wie Infektionskontrolle, Dé- bridement, Druckentlastung, Blut- zuckersenkung, Vermeidung venö- ser Stase und Verbesserung der arte- riellen Versorgung angesehen wer- den. Nur bei Beachtung dieser Grundsätze kann erwartet werden, dass artifizielle Hautersatzmateriali- en die Prävalenz lebensbedrohlicher oder chronisch behindernder Wun- den verringern und die damit ver- bundenen Behandlungskosten im Gesundheitssystem senken können.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2000; 97: A-1222–1227 [Heft 18]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Sonder- druck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser Dr. med. Michael Kremer Klinik für Plastische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie – Zentrum für Schwerbrandverletzte Medizinische Hochschule Hannover Podbielskistraße 380

30659 Hannover E-Mail:

kremer.michael@mh-hannover.de

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