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Auf der Spur des künstlichen Urknalls

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Phys. Unserer Zeit

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36. Jahrgang 2005

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Nr. 3 DOI:10.1002/piuz.200501071 © 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Volumens von der ungefähren Größe eines schweren Atom- kerns (Radius etwa 10 fm) sehr heiße, hoch verdichtete Ma- terie. Sie wird anschaulich „Feuerball“ genannt und ist in unserer normalen Umwelt nicht anzutreffen. Die Experi- mentatoren haben das Ziel, Kernmaterie unter diesen ex- tremen Bedingungen von Temperatur (T) und Dichte (ρ) zu erforschen. Dabei wollen sie vor allem einen neuen, bisher nicht beobachtbaren Materiezustand entdecken und näher untersuchen: das Quark-Gluon-Plasma. Zudem möchten sie auch die Dynamik und den räumlich-zeitlichen Ablauf von hochenergetischen Kern-Kern-Kollisionen kennen lernen.

An zweien dieser Experimente, dem NA49-Experiment am SPS und dem STAR-Experiment am RHIC, sind die Au- toren dieses Artikels beteiligt. NA49 steht dabei für Ex- periment Nr. 49 in der „North Area“ des SPS, STAR bedeu- tet Solenoidal Tracker At Rhic.

Was ist ein Quark-Gluon-Plasma?

Bekanntlich bestehen Atomkerne (Kernmaterie) aus Nuk- leonen, also aus Protonen (p) und Neutronen (n), die zu- sammen mit den Hyperonen (Λ, Σ, Ξ, Ω) die Klasse der Baryonen darstellen. Diese bilden gemeinsam mit den Me- sonen, zum Beispiel dem Pion (π) und dem Kaon (K), die große Teilchenfamilie der Hadronen. Hadronen ihrerseits sind keine Elementarteilchen im strengen Sinne. Sie beste- hen aus punktförmigen Quarks (q), Anti-Quarks (q–) und Gluonen (g), die zusammen Partonen genannt werden.

„Farbkräfte“ halten die Quarks und Antiquarks in einem Hadron zusammen. Diese Kräfte werden von den Gluonen („Leimteilchen“) übertragen. Nach der Quantenchromody- namik (QCD), der Quantenfeldtheorie der starken Wech- selwirkung von Quarks und Gluonen, sind diese Kräfte so

S

eit Mitte der 1980er-Jahre führen große internationale Kollaborationen von Teilchen- und Kernphysikern am Super-Proton-Synchrotron (SPS) des CERN in Genf Experi- mente zur hochenergetischen Schwer-Ionen-Physik durch, seit 2000 auch am Relativistic Heavy Ion Collider (RHIC) des Brookhaven National Laboratory (BNL) auf Long Island (USA). In ihnen werden schwere Atomkerne (Ionen) auf die zurzeit höchsten mit Teilchenbeschleunigern erreich- baren Energien beschleunigt und treffen dann mit fast Licht- geschwindigkeit aufeinander.

In einer solchen heftigen Kollision zweier Kerne ent- steht für kurze Zeit, etwa 10–23s, innerhalb eines kleinen

künstlichen Urknalls

V

OLKER

E

CKARDT

| N

ORBERT

S

CHMITZ

| P

ETER

S

EYBOTH

Schießt ein Beschleuniger schwere Atomkerne mit hoher Energie aufeinander, dann könnte sich die Kernmaterie in quasi-freie Quarks und Gluonen auflösen. Nach heutigen Vorstellungen bestand der Kosmos kurz nach dem Urknall aus einem solchen Quark-Gluon-Plasma. Am CERN und am

Brookhaven National Laboratory ist es sehr wahrscheinlich schon künstlich erzeugt worden. Eine Spurensuche.

< Phasendiagramm des Übergangs von hadronischer Materie zum Quark-Gluon-Plasma, graue Fläche: Unsicherheit aus den QCD-Gitterrechnungen. Experimentelle Resultate:

RHIC,

SPS, AGS und SIS [4]. SIS: Schwerionen-Synchrotron, GSI Darmstadt.

> Abb. 2 Zentrale Kollision zweier Goldkerne im STAR- Detektor am RHIC bei = 200 GeV. Das Computerbild zeigt die rekonstruierten Spuren der dabei erzeugten Teil- chen, projiziert auf die Ebene senkrecht zur Strahlrichtung.

Die zwölf dunklen Radien markieren spurunempfindliche Bereiche des Detektors.

sNN A B B . 1

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Ü B E RG A N G Z U M Q UA R K- G LU O N - P L A S M A

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Q U A R K - G L U O N - P L A S M A

| K E R N - U N D T E I LC H E N P H YS I K

beschaffen, dass einzelne freie, ungebundene Quarks und Antiquarks normalerweise nicht auftreten können (siehe auch Physik in unserer Zeit 2004,35(5), 227 und 35(6), 258). Diese Einkerkerung der Quarks und Antiquarks in ei- nem Hadron, zum Beispiel einem Nukleon, bezeichnet man als Quarkeinschluss (Confinement). Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die fundamentalen Teilchen des heutigen Standardmodells der Teilchenphysik, zu denen auch die sechs Quarkarten und die Gluonen gehören.

Die Situation ändert sich, wenn ein genügend großes System von Hadronen, zum Beispiel Kernmaterie, in einer energiereichen Kollision zweier Kerne hinreichend stark erhitzt und komprimiert wird. Nach der QCD sollte dann beim Erreichen einer kritischen Temperatur Tcund Ener- giedichte εcein Phasenübergang von hadronischer zu par- tonischer Materie stattfinden, vergleichbar dem Phasen- übergang von fest zu flüssig. Dabei wird der Einschluss der Quarks und Antiquarks aufgehoben (Deconfinement). Die Nukleonen verlieren ihre individuelle Stabilität, sie lösen sich auf, „schmelzen“ sozusagen. So entsteht ein heißes, dichtes Plasma aus quasi-freien, miteinander wechselwir-

kenden Quarks und Antiquarks und Gluonen, das Quark- Gluon-Plasma (QGP) [1].

Auf der Erde kommt unter natürlichen Bedingungen ein solcher QGP-Zustand der Materie nicht vor. Nach der mo- dernen Kosmologie befand sich jedoch das ganze Univer- sum unmittelbar nach dem Urknall für einige Mikrosekun- den in diesem Zustand, als es noch sehr klein, heiß und dicht war. Deshalb ist es auch für die Kosmologie interes- sant, das QGP im Labor zu erforschen.

Abbildung 1 stellt den experimentellen Weg zum QGP in einem Phasendiagramm dar: Es zeigt, wie hoch Tempe- ratur Tund Dichte der Baryonen mindestens sein müssen, um dieses Ziel zu erreichen. Dabei ist das „baryochemische Potential“ µBein Maß für die netto-baryonische Dichte ρ, die als Anzahl der Baryonen minus Anzahl der Antibaryonen pro Volumeneinheit definiert ist: Je größer µB ist, umso größer ist auch ρ. Die Phasengrenze ist als dunkle Fläche eingezeichnet, deren Breite die heute noch bestehende Un- sicherheit der QCD-Rechnungen angibt. Unterhalb der Grenze liegt bei kleinem µBund kleinem Tdas Gebiet der hadronischen Materie, insbesondere bei T ≈0 das der Kern-

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werden: Für den einfachsten Fall µB= 0 ergaben sich die kri- tischen Werte εc≈ 1 GeV/fm3 und Tc ≈ 170 MeV/kB = 2,0

⋅1012 K (kB: Boltzmann-Kon- stante). Die Energiedichte nor- maler Kernmaterie beträgt da- gegen nur εK= 0,16 GeV/ fm3. Wie läuft nun – qualitativ beschrieben – eine hochener- getische Kollision zweier Kerne im Einzelnen ab? Von besonderem Interesse für die Bildung eines QGPs sind Zusammenstöße zweier gleicher Kerne, so genannte symmetrische Stöße oder A+A-Stöße, mit einem kleinen Stoßparameter b R. Dabei ist Rder Kernradius.

Der Abstand bder beiden Kernmittelpunkte beschreibt so- zusagen den Überlapp beim Stoß – je kleiner b, desto größer der Überlapp, der Stoß wird also zentraler. Später werden wir das noch genauer diskutieren. Bei b ≈0 stoßen die beiden Kerne frontal zusammen und überlappen sich praktisch vollständig, so dass die Kollision besonders hef- tig ist und der entstehende Feuerball maximale Größe er- reicht.

Sind Energiedichte und Volumen des Feuerballs am An- fang hinreichend groß, so sollte er nach den Vorhersagen der QCD ein heißes, dichtes QGP darstellen. In ihm finden zahlreiche verschiedenartige Reaktionen der Partonen mit- einander statt. Dabei entstehen auch Quarkarten, die ur- sprünglich in den kollidierenden Kernen nicht vorhanden waren. Falls der QGP-Zustand des Feuerballs lange genug existiert, stellt sich ein thermisches und chemisches Gleich- gewicht ein. Während dieser Äquilibration oder Thermali- sierung teilt sich die vorhandene Energie gemäß den Ge- setzen der Thermodynamik auf die einzelnen kinetischen („thermischen“) und partonischen („chemischen“) Frei- heitsgrade auf. Zum Beispiel stellt sich durch Prozesse wie

u+ us+ s–

schnell ein Gleichgewicht zwischen ursprünglich vorhan- denen u- und d-Quarks und den neu im QGP erzeugten s-Quarks ein.

Der QGP-Feuerball steht wegen partonischer Streu- prozesse unter einem inneren Druck und dehnt sich aus.

Dabei kühlt er sich ab und durchläuft den umgekehrten Phasenübergang: Die Partonen „frieren“ (hadronisieren) in zahlreiche Hadronen aus. Der Feuerball ist dann zunächst ein Hadronengas, das sich weiter ausdehnt und abkühlt.

Nach Unterschreiten der „chemischen Ausfriertemperatur“

Bei den Energien, die der RHIC erreicht, entstehen so bei einer zentralen Kollision zwischen Kernen von Gold- atomen im Mittel mehrere tausend Teilchen. Große Teil- chendetektoren können diese nachweisen und vermessen sie. Die Masse und die kinetische Energie der Teilchen stam- men aus der ursprünglichen Energie der kollidierenden Ker- ne. Abbildung 2 zeigt als Beispiel die vom STAR-Detektor am RHIC gemessenen Spuren einer zentralen Au+Au-Kollision.

Die schwierige Aufgabe eines Experiments besteht nun darin, durch die physikalische Analyse möglichst vieler gemessener Kollisionsereignisse die verschiedenen theore- tisch-phänomenologischen Modelle zu überprüfen. Dabei versucht man zum Beispiel, aus dem beobachteten Endzu- stand zurück auf den Anfangszustand des bei der Kollision entstandenen Feuerballs zu schließen: Entstand dabei ein Quark-Gluon-Plasma? Falls ja, stellte sich in ihm ein thermi- scher und chemischer Gleichgewichtszustand ein? Solche Fragen interessieren die beteiligten Physiker genau so wie etwa die Frage nach der weiteren Entwicklung des Plasmas in Raum und Zeit.

Experimente am SPS des CERN

Im Anschluss an frühere Experimente mit leichten Kernen wie 16O oder 32S wurden ab 1994 am SPS Blei-Blei-(Pb+Pb)- Kollisionen, also Stöße schwerer Kerne, in sieben verschie- denen Experimenten untersucht. In diesen „Fixed-Target- Experimenten“ zielte ein Strahl von Blei-Kernen (208Pb) auf eine stationäre Bleifolie als Target, also auf ruhende Blei- kerne. Die maximale Strahlenergie Estrpro Nukleon betrug 158 GeV, also für den gesamten Kern 32,9 TeV.Estrsetzt sich aus der kinetischen Energie und der Ruheenergie ei- nes Strahlnukleons zusammen:

Estr= Tstr+ mNc2,

bei einer Nukleonmasse vonmN= 0,94 GeV/c2. Dies ent- spricht einer Schwerpunktsenergie

(1) pro kollidierendem Nukleonenpaar. Für Estr= 158 GeV er- gibt das

Übrigens erhält man für den Grenzfall Tstr= 0, also für zwei ruhende Nukleonen, aus (1) wie erwartet

sNN =2m cN 2. sNN =17 3, GeV.

sNN = 2m cN 2(Estr+m cN 2) ,

e µ τ

γ g W Z

Oben: Die Materieteilchen: 6 Quarks (paar- weise zusammengefasst zu 3 Generationen) und 6 Leptonen (ebenfalls in 3 Generationen).

Zu jedem aufgeführten Teilchen gibt es ein Antiteilchen. Unterste Zeile: Die Wechsel- wirkungsteilchen, zum Beispiel das Photon γγ und das Gluon g, übertragen die Kräfte zwischen den Materieteilchen.

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Q U A R K - G L U O N - P L A S M A

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Zusätzlich wurden auch Daten bei einigen niedrigeren Strahlenergien im Bereich zwischen 20 und 80 GeV ge- nommen, liegt damit zwischen 6,3 und 12,3 GeV. Da- mit wollte man untersuchen, ob die gemessene Energieab- hängigkeit verschiedener physikalischer Größen eventuell von einem glatten, monotonen Verlauf abweicht. Das wäre nämlich eine mögliche Signatur für einen QCD-Phasen- übergang, sprich für die Bildung eines Quark-Gluon-Plasmas.

Aus der großen Fülle von Ergebnissen, die von Pb+Pb- Experimenten gewonnen werden konnten, wollen wir hier nun einige besonders wichtige vorstellen. Dabei werden wir nicht genauer auf den apparativen Aufbau der einzelnen Experimente eingehen.

Anomale J / ψ -Unterdrückung

Die Quantenchromodynamik sagt einen Effekt voraus, der als Signatur für ein Quark-Gluon-Plasma experimentell be- obachtbar sein sollte: die anomaleJ/ψ-Unterdrückung [2].

Sie entsteht in einem dichten QGP, weil dort Abschirmun- gen die Reichweite der QCD-Farbkräfte verkürzen. In der Folge sollten Bindungszustände (cc–) aus Charm-Quarks, zu denen das J/ψ-Meson zählt, sich im QGP auflösen („schmel- zen“) oder gar nicht erst entstehen. Falls der Feuerball ei- ne QGP-Phase durchläuft, sollte dieser Effekt also zu einer messbaren Abschwächung der Erzeugung von J/ψ-Mesonen führen. Allerdings kann das J/ψauch in normaler Kernma- terie durch Stöße mit den Nukleonen beseitigt werden, die so genannte nukleare Absorption. Die Größe dieser nor- malen J/ψ-Unterdrückung ist bekannt, und eine über sie hinaus gehende anomale J/ψ-Unterdrückung ist als QGP- Signatur anzusehen.

Tatsächlich konnte die NA50-Kollaboration in zentralen Pb+Pb-Kollisionen eine anomale J/ψ-Unterdrückung beob- achten [3]. Abbildung 3 stellt das Verhältnis von gemesse- ner zu erwarteter J/ψ-Erzeugungsrate in Abhängigkeit von der anfänglichen Energiedichte εim Feuerball dar, wobei ε mit wachsender Zentralität der Kollision zunimmt. Für nichtzentrale Stöße (ε< 2,3 GeV/fm3) können die Messun- gen mit normaler J/ψ-Unterdrückung durch nukleare Ab- sorption erklärt werden. Für größere ε-Werte zeigt die Ab- bildung ein zusätzliches J/ψ-Defizit: Diese anomale Unter- drückung gibt möglicherweise einen Hinweis auf die Bildung eines Quark-Gluon-Plasmas.

Mehr seltsame Hadronen erzeugt

Eine weitere wichtige QGP-Signatur ist die vermehrte Er- zeugung von Hadronen mit der Eigenschaft der Seltsamkeit (Strangeness). Das sind Hadronen, die ein oder mehrere s-Quarks enthalten. Das s-Quark ist wesentlich leichter als das Kaon, das leichteste seltsame Hadron. Deshalb ist es energetisch leichter, in einem QGP s-Quarks zu erzeugen, die dann mit anderen Quarks zu seltsamen Hadronen aus- frieren, als direkt seltsame Hadronen in einem Hadronengas.

In einem QGP stellt sich das chemische Gleichgewicht, das wir schon diskutiert haben, also viel schneller ein als in einem Hadronengas.

sNN

Aus diesem Grund können seltsame Hadronen, zum Bei- spiel K+= (us–), in A+A-Kollisionen häufiger entstehen als in einer einfachen Überlagerung von Proton-Proton-Stößen, die im Folgenden als p+p-Stöße bezeichnet werden. Diese vergleichsweise höhere Produktion ist eine weitere Signa- tur dafür, dass die Kollision eine QGP-Phase mit schneller Erzeugung von Seltsamkeit durchlaufen hat.

Eine solche erhöhte Erzeugung seltsamer Hadronen konnte in der Tat in mehreren A+A-Experimenten beob- achtet werden. Abbildung 4 zeigt links als Beispiel, wie sich mit der Kollisionsenergie die Zahl der pro Kollisi- onsereignis erzeugten positiven Kaonen (us–) im Verhältnis zu der Zahl der entstehenden positiven Pionen (ud–

) ent- wickelt – und zwar als Verhältnis K+π+ der so genann- ten mittleren Multiplizitäten [4]. Der Vergleich mit Mess- werten aus p+p-Reaktionen (offene Symbole) zeigt bei den A+A-Reaktionen (gefüllte, farbige Symbole) erstens eine re- lative Verstärkung der Kaonen-Erzeugung und zweitens eine stark nichtmonotone Energieabhängigkeit des K/π- Verhältnisses. Es hat ein ausgeprägtes Maximum bei Estr≈ 30 GeV. Beide Beobachtungen weisen auf eine QGP-Bildung hin, die schon bei relativ niedrigen SPS-Energien einsetzt.

Dieses Ergebnis wird durch Messungen der effektiven Temperatur T der Kaonen gestützt (Abbildung 4 rechts).T ergibt sich aus der Transversalimpuls-Verteilung der Kao- nen, auf die wir später noch genauer eingehen. Die effek- tive Temperatur steigt mit zunehmender Energie zunächst steil an und durchläuft in der Mitte im Energiebereich, der

sNN

A B B . 3

|

A N O M A L EJ /ΨΨ- U N T E R D R Ü C K U N G

1,2

0,8

0,4

0

0 1 2 3

Energiedichte im Feuerball ε/GeV/fm3

Gemessene zu erwarteter J/ψ-Erzeugungsrate

Am SPS gemessene Erzeugungsrate für J/ψ-Mesonen im Verhältnis zu derjenigen, die aus nuklearer Absorption erwartet wird. εεist die anfängliche Energiedichte im Feuer- ball. Oberhalb εε≈≈2,3 GeV/fm3beginnt die anomale J/ψ- Unterdrückung (Abfall nach rechts) [3]. Legende: A steht allgemein für Atomkern, p(d) für Proton oder Deuteron.

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(hier Kaonen) im Gas thermisch, also ungeordnet, zweitens sorgt die Expansion des Feuerballs für eine geordnete kol- lektive Bewegung.

Nicht nur bei Kaonen, sondern auch für seltsame Baryo- nen konnte eine signifikante Erhöhung der relativen Er- zeugungsrate in A+A-Reaktionen beobachtet werden [5] – ein weiterer, starker Hinweis auf die Entstehung eines Quark-Gluon-Plasmas im Labor.

Einige weitere Ergebnisse

Für das Studium von A+A-Kollisionen ist es zweckmäßig, die Bewegungen in eine longitudinale Komponente entlang der Strahlrichtung und in eine transversale Komponente senk- recht dazu zu zerlegen: Das gilt für die Ausdehnung des Feuerballs und den Impuls eines einzelnen erzeugten Ha- drons. Die transversalen Komponenten sind besonders in- teressant, da sie ausschließlich durch die Kollision selbst zustande kommen und daher Auskunft über diese geben.

Die longitudinalen Komponenten können hingegen auch Impulsanteile aus der ursprünglichen Bewegung der Strahl- teilchen enthalten.

ne zentrale Größe. Sie ist nicht direkt messbar. Mit einer von James Bjorken entwickelten Formel lässt sie sich jedoch aus der gemessenen Transversalenergie bei „Mittelrapidität“ er- mitteln. Diese ergibt für zentrale Pb+Pb-Stöße bei Estr= 158 GeV am SPS eine Energiedichte ε, die zwischen ungefähr 3 und 4 GeV/fm3 liegt. Das ist ungefähr das 20-fache der Energiedichte in normaler Kernmaterie und ergibt eine An- fangstemperatur von T≈240 MeV/kB. Beide Werte liegen deutlich oberhalb der berechneten kritischen Werte εcund Tc. Das ist ebenfalls ein Hinweis, dass schon bei SPS-Ener- gien die Phasengrenze zum QGP überschritten wird.

Thermodynamisch-statistische Modelle konnten die Mul- tiplizitäten der verschiedenen Hadronenarten, die bei den zentralen Pb+Pb-Reaktionen am SPS gemessen wurden, gut wiedergeben [1,6]. Die Modelle fußen auf der Annahme ei- nes thermisch-chemischen Gleichgewichts. Für das baryo- chemische Potential µBund die chemische Ausfriertempe- ratur Tchals anpassbare Parameter ergaben sich bei Estr= 158 GeV die Werte µB≈247 MeV und Tch≈158 MeV/kB. Abbildung 1 zeigt diese und die Werte bei zwei niedrigeren SPS-Energien als rote Quadrate [6].

A B B . 4

|

E R H Ö H T E P RO D U K T I O N S E LT SA M E R H A D RO N E N

0,2

0,1

0

1 10 102 1 10 102

300

200

++Multiplizitätenverhältnis K/π Effektive Temperatur/MeV/kB 100

Energie-Abhängigkeit zweier Größen, gemessen in zentralen Au+Au-Stößen (und : Alternating Gradient Synchrotron (AGS) des BNL, : RHIC) und Pb+Pb-Stößen ( und : NA49). Zum Vergleich: Messdaten von p+p-Reaktionen (offene Kreise). Links:

Verhältnis der mittleren Multiplizitäten positiv geladener Kaonen und Pionen; rechts: effektive Temperatur positiv geladener Kaonen [4].

Schwerpunktsenergie SNN/GeV Schwerpunktsenergie SNN/GeV

K+

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Q U A R K - G L U O N - P L A S M A

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Die Auswertung der gemessenen Transversalimpulsver- teilungen dN/dptund der gemessenen Korrelationen unter den erzeugten Hadronen ergab schließlich auch ein detail- liertes Bild von der raumzeitlichen Entwicklung des Feuer- balls und seiner Expansionsdynamik: In der Kollision ent- steht zunächst ein QGP, mit der Expansion wird dann da- raus ein Hadronengas, und aus diesem frieren schließlich freie Hadronen aus. Für die thermische Ausfriertemperatur ergaben die Messungen Tth≈120 MeV/kB.

Experimente am RHIC des BNL

Am Relativistic Heavy Ion Collider des BNL lassen sich we- sentlich höhere Schwerpunktsenergien als am SPS erzielen.

Damit hofft man, noch weiter ins QGP-Gebiet des Phasen- diagramms (Abbildung 1) vorzudringen. Die Lebensdauer der QGP-Phase würde sich dann erhöhen, und ein voll- ständiges thermisch-chemisches Gleichgewicht leichter ein- stellen. Dabei sollten einige QGP-Signaturen klarer hervor- treten. Außerdem erwartet man das deutliche Auftreten har- ter partonischer Streuprozesse in der Anfangsphase des Feuerballs, für die die SPS-Energie nicht ausreicht.

Im Unterschied zur Fixed-Target-Anordnung am SPS werden in einem Collider (Speicherring) zwei Teilchen- strahlen gegeneinander geschossen. Die Schwerpunkts- energie pro kollidierendem Nukleonenpaar ist bei gleicher Energie der beiden Strahlen gegeben durch die einfache Be- ziehung

(2) die sofort einsichtig ist, da in dieser Situation Laborsystem und Schwerpunktsystem identisch sind. steigt also linear mit der Strahlenergie Estrpro Nukleon an, während es in einem Fixed-Target-Experiment nach (1) nur ungefähr proportional zu anwächst.

Im RHIC [7] laufen in zwei kreisförmigen Vakuum- röhren mit 3,8 km Umfang zwei Strahlen von Gold-Kernen (197Au) einander entgegengesetzt um, jeder Strahl ist in 56 Teilchenbündel mit etwa 109Ionen pro Bündel unterteilt.

Sie werden auf maximal Estr= 100 GeV beschleunigt und in sechs Kreuzungspunkten (Wechselwirkungszonen) ge- geneinander gelenkt. Bei jeder Begegnung zweier Bündel finden zahlreiche Au+Au-Kollisionen statt, die meisten Au- Kerne laufen jedoch unbeeinflusst weiter. Die maximale Kollisionsenergie des RHIC beträgt nach (2) also

das ist etwa zwölfmal mehr als am SPS.

Um vier der sechs Wechselwirkungszonen des RHIC sind insgesamt vier komplexe, leistungsfähige Teilchende- tektoren aufgebaut: die beiden großen Detektoren PHENIX und STAR und die beiden kleineren BRAHMS und PHOBOS [7]. Insgesamt sind an den RHIC-Experimenten über tau- send Physiker in vier internationalen Kollaborationen be- teiligt. Wir wollen nun einige besonders bedeutsame

sNN =200GeV, Estr

sNN sNN =2Estr,

Ergebnisse aus den Experimenten am Brookhaven National Laboratory vorstellen.

Entdeckung des Jet-Quenchings

Bei den hohen Energien des RHIC können in der Frühpha- se einer Kollision die in den einlaufenden Nukleonen ent- haltenen, punktförmigen Partonen hart aneinander gestreut werden. Den Ort dieses Ereignisses verlassen die beiden Stoßpartner dann oft unter großem Winkel zur Strahlrich- tung, also mit großem Transversalimpuls pt. Wegen der Im- pulserhaltung schlagen die beiden hochenergetischen Par- tonen einander entgegengesetzte Richtungen ein.

In p+p-Kollisionen verwandeln sich die energiereichen Partonen in zwei entgegengesetzte, enge Bündel von Ha- dronen, Jets genannt. Das ist der „Normalfall“ in der Be- schleunigerphysik. In einer A+A-Kollision mit schwereren Kernen findet die harte Parton-Parton-Streuung jedoch in einem dichten Medium, vermutlich einem QGP statt. In Letzterem können die gestreuten Partonen besonders viel Energie verlieren. Dieser Effekt sollte die Anzahl von Ha- dronen mit hoher Energie (hohem pt) reduzieren und die hadronischen Jets unterdrücken. Er heißt deshalb Jet-Quen- ching [1].

Tatsächlich beobachteten alle vier RHIC-Detektoren ei- ne Reduktion von Hadronen mit hohem pt. Die Messpunk- te in Abbildung 5 zeigen als Beispiel das PHENIX-Resultat für neutrale Pionen (π0), die bei zentralen Au+Au-Kollisio- nen mit der Schwerpunktsenergie von 200 GeV entstanden sind [8]. In der Abbildung ist mit RAAdie gemessene π0-Er- zeugungsrate normiert auf eine Erzeugungsrate dargestellt, die bei einer Überlagerung von inelastischen p+p-Reaktio- A B B . 5

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J E T- Q U E N C H I N G I

Jet-Unterdrückung in PHENIX [8]: Bei höheren ππ0-Transver- salimpulsen ptliegt die normierte Erzeugungsrate von ππ0bei zentralen Au+Au-Stößen (rote Punkte) um den Faktor vier unterhalb derjenigen, die bei einer Überlagerung von inelas- tischen p+p-Stößen zu erwarten wäre (durch gestrichelte Linie angedeutet).

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nen – also im Normalfall – zu erwarten wäre. Gäbe es bei A+A-Kollisionen kein Jet-Quenching, dann würde man als Messresultat RAA≈1 erwarten (gestrichelte Linie). Tatsäch- lich liegt RAAbei ptoberhalb von 3 GeV/c, also bei höheren Partonenergien, um einen Faktor 4 darunter. Das ist ein deutlicher Hinweis auf eine Unterdrückung der hadroni- schen Jets.

Die Jet-Unterdrückung lässt sich auch direkt beobach- ten. Aus geometrischen Gründen findet die Parton-Parton- Streuung häufig in der Nähe der Oberfläche des QGPs statt.

In diesem Fall kann nur das eine Parton das Plasma auf kur- zem Wege verlassen. Das andere, entgegengesetzt fliegende Parton muss dagegen das ganze Plasma durchqueren. Dort verliert es einen Großteil seiner Energie und kann daher

die 180°-Jets völlig, wie der flache Verlauf unter dem rech- ten Peak aus schwarzen Balken zeigt. Das ist ein klarer Hin- weis auf starkes Jet-Quenching.

Um diese Interpretation der Messungen zu bestätigen und eine andere Deutungsmöglichkeit auszuschließen, ha- ben die RHIC-Kollaborationen als experimentum crucis auch Kollisionen von Deuteronen (d), bestehend aus zwei Nukleonen, mit Au-Kernen gemessen. Wegen der Kleinheit des Deuterons kann in d+Au-Kollisionen kein QGP entste- hen und somit kein Jet-Quenching stattfinden. Und tatsäch- lich werden beide Jets beobachtet, wie Abbildung 6 zeigt (rote Punkte).

Anisotroper kollektiver Fluss

In nicht-zentralen (peripheren) A+A-Kollisionen mit einem Stoßparameter b> 0 überlappen sich die beiden Kerne nur teilweise. Abbildung 7 skizziert diese Situation links, dar- gestellt in der transversalen Ebene (x,y), die senkrecht zur Strahlrichtung zsteht. Als Reaktionsebene wird die (x,z)- Ebene bezeichnet, die durch die Verbindungslinie der bei- den Kernmittelpunkte bei der Kollision und die Strahlrich- tung aufgespannt wird. Die Kernmittelpunkte stehen bei diesem Schnappschuss genau „nebeneinander“, gesehen in Strahlrichtung.

Der Feuerball entspricht also am Anfang der Kollision dem linsenförmigen Überlappungsgebiet, das in der Abbil- dung links angedeutet ist. In diesem Anfangszustand ent- stehen im Feuerball Druckgradienten, die entlang der kleins- ten Linsenausdehnung am größten sind. Sie bewirken da- her eine nichtisotrope Ausdehnung des Feuerballs, also einen anisotropen kollektiven Materiefluss. Deshalb sind die Impulse der gemessenen Teilchen im Mittel in der Re- aktionsebene größer als senkrecht dazu. Dies führt zu einer anisotropen Teilchenverteilung dN/dφin φ, dem Azimut- winkel um die Strahlrichtung.φ= 0 liegt dabei in der Re- aktionsebene, entlang der x-Richtung in Abbildung 7.

Zur quantitativen Beschreibung des anisotropen Flus- ses wird an eine gemessene φ-Verteilung eine Fourier-Ent- wicklung

(3) angepasst, meist bis zur 2. Ordnung.

Der Entwicklungskoeffizient ν1 wird als gerichteter Fluss bezeichnet, der Koeffizient ν2 als elliptischer Fluss.

Die Flüsse wurden von mehreren Experimenten am AGS, SPS und RHIC für verschiedene Teilchensorten gemessen, als Funktionen der einzelnen Teilchen- und Ereignisvariab- len wie Transversalimpuls, Rapidität, Zentralität des Stoßes

d d

N N

φ = 20 1 2+ ν1 φ+2ν2 2φ+

π ( cos cos ...)

Jet-Unterdrückung in STAR [9]: Häufigkeitsverteilung gela- dener Teilchen im jeweiligen Winkel ∆∆φφum die Strahlrichtung relativ zum Teilchen mit dem höchsten pt. Die Teilchenan- häufungen bei 0°° und 180°° stellen Jets dar. Während in p+p- Stößen (–) und d+Au-Stößen () zwei Jets in entgegengesetz- ter Richtung auftreten, verschwindet in Au+Au-Stößen (

)

der eine Jet bei 180°°.

Häufigk

0 90 180

Azimutwinkel ∆

A B B . 7

|

N I C H T Z E N T R A L E A + A - KO L L I S I O N

Nicht-zentrale A+A-Kollision mit Stoßparameter b > 0 in der transversalen Ebene senkrecht zur Strahlrichtung z. Links: Die Ortsraum-Darstellung zeigt braun das Überlappungsgebiet der beiden Kerne mit Radius R. Rechts: Im Impulsraum ist φφ der Azimutwinkel eines Teilchens mit Transversalimpuls pt= (px, py) um z.

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Q U A R K - G L U O N - P L A S M A

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und Energie. Sie enthalten wichtige Informationen über den Grad der Thermalisierung des Feuerballs und die Zustands- gleichung, also die Beziehung zwischen Druck und Dichte im Feuerball.

Abbildung 8 zeigt als Beispiel eine Zusammenstellung [10] von gemessenen ν2-Werten aus Au+Au- und Pb+Pb- Kollisionen in Abhängigkeit von . Dabei ist ν2 positiv, was nach (3) bedeutet, dass der Teilchenfluss bevorzugt in der Reaktionsebene erfolgt. Außerdem steigt ν2monoton mit der Kollisionsenergie an und ist am RHIC ungefähr dop- pelt so groß wie am SPS.

Vorhersagen für elliptischen Fluss wurden unter ande- rem von hydrodynamischen Modellen [1] gemacht, die ein volles thermisches Gleichgewicht annehmen. Allerdings sind bei SPS-Energien die gemessenen ν2-Werte kleiner als die vorhergesagten: Das weist darauf hin, dass dort die Ther- malisierung noch nicht vollständig zu sein scheint. Am RHIC erreichen die ν2-Werte dagegen die von den Hydromodel- len vorhergesagten Grenzwerte. Sie deuten also auf eine vollständige Thermalisierung bei RHIC-Energien hin.

Einige weitere Ergebnisse

Bei RHIC ergab die Abschätzung mit der Bjorken-Formel eine anfängliche Energiedichte εim Feuerball zwischen 5 und 10 GeV/fm3. Das ist also weit oberhalb der kritischen Dichte εc, die ja in der Größenordnung von 1 GeV/fm3liegt.

Am RHIC wurden in zentralen Au+Au-Reaktionen bei

= 200 GeV auch die mittleren Hadronenmultiplizitä- ten gemessen. Wie am SPS wurde daraus mit thermodyna- misch-statistischen Modellen das baryochemische Potential und die chemische Ausfriertemperatur zu µB ≈30 MeV und Tch≈170 MeV/kBbestimmt (Abbildung 1).µBund damit die netto-baryonische Dichte ρ ist bei RHIC also wesentlich kleiner als am SPS. Eine Erklärung liefert die größere Anzahl von Mesonen, die beim RHIC entstehen.

Der RHIC erreicht – wie schon der höchste SPS-Wert – ein Tch, das in Abbildung 1 in unmittelbarer Nähe der von der QCD vorausgesagten Parton-Hadron-Phasengrenze liegt, also Tch Tc. Weil sich unterhalb der chemischen Ausfrier- temperatur die chemische Zusammensetzung des Feuer- balls nicht mehr ändern kann, ist sie also schon an dieser Phasengrenze festgelegt. Hieraus folgt, dass am RHIC – und auch bei der höchsten SPS-Energie – die ursprüngliche Tem- peratur des sich ausdehnenden Feuerballs deutlich größer als Tcsein muss.

Fazit und Ausblick

Die hier vorgestellten Beispiele und weitere experimentel- le Ergebnisse deuten darauf hin, dass es am RHIC und wahr- scheinlich schon am SPS gelungen ist, in Schwer-Ionen-Kol- lisionen die Phasengrenze zwischen hadronischer und par- tonischer Materie zu überschreiten. Dabei entstand ein Quark-Gluon-Plasma – ein neuer, bisher unzugänglicher Ma- teriezustand. Diesen sagt die QCD-Theorie, die ein Teil des Standardmodells ist, voraus. Alle experimentellen Ergebnis- se lassen sich mit der QGP-Hypothese verstehen. Zur Zeit

sNN

sNN

gibt es keine alternative Theorie, die ebenfalls alle Beob- achtungen gleichzeitig erklären könnte.

Die herausragenden und unerwarteten Ergebnisse aus den RHIC-Experimenten sind das starke Jet-Quenching und der starke kollektive Fluss, den hydrodynamische Modelle des Feuerballs gut beschreiben können. Beide Beobach- tungen legen nahe, dass das QGP sich wenig oberhalb der Phasengrenze nicht – wie ursprünglich erwartet – wie ein dünnes Gas mit relativ großer mittlerer freier Weglänge lfür die Partonen verhält. Es hat eher die Eigenschaft einer dich- ten, opaken Flüssigkeit mit kleinem l, weshalb die Partonen häufiger miteinander wechselwirken. Erst noch weiter ober- halb der kritischen Temperatur Tcwürde nach diesem Mo- dell das QGP gasartige Eigenschaften zeigen.

Es braucht noch weitere Forschung, um die QGP-Hy- pothese zu untermauern und die Eigenschaften dieses un- gewöhnlichen, extremen Materiezustandes näher zu unter- suchen. Deshalb werden die Experimente am RHIC fortge- setzt, zum Beispiel mit anderen Kernen und bei niedrigeren Energien. Außerdem soll im Jahre 2007 am Large Hadron Collider (LHC) des CERN ein umfangreiches Forschungs-

I N T E R N E T

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Experimente am SPS des CERN greybook.cern.ch

Experimente am RHIC des Brookhaven National Laboratory www.bnl.gov/rhic

A B B . 8

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E L L I P T I S C H E R F L U S S

Elliptischer Flussν2

Schwerpunktsenergie SNN/GeV

Energieabhängigkeit des elliptischen Flusses νν2in nicht- zentralen Au+Au- und Pb+Pb-Kollisionen aus verschiedenen Experimenten am AGS, SPS und RHIC [10].

(9)

134

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Phys. Unserer Zeit

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36. Jahrgang 2005

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Nr. 3 © 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Zusammenfassung

Mit großen Teilchenbeschleunigern in Europa und USA ver- sucht man, in energiereichen Kollisionen schwerer Atomker- ne für kurze Zeit auf kleinstem Raum ein Quark-Gluon-Plas- ma herzustellen. Dies ist ein neuer, vorher nicht beobacht- barer Materiezustand. In ihm haben sich die Bausteine der Atomkerne, die Protonen und Neutronen, in quasi-freie Quarks und Gluonen aufgelöst. Nach dem modernen kosmo- logischen Modell befand sich unser Universum einige Mikro- sekunden nach dem Urknall in diesem Zustand, als es noch sehr klein, heiß und dicht war. Die Ergebnisse der bisherigen Beschleunigerexperimente am CERN und am Brookhaven National Laboratory weisen tatsächlich auf die Existenz die- ses ungewöhnlichen Materiezustandes hin, den die Quanten- chromodynamik vorhersagt.

Stichworte

Quark-Gluon-Plasma, hadronische Materie, partonische Ma- terie, Feuerball, Quark, Gluon, Quarkeinschluss, Confine- ment, Deconfinement, quasi-freie Quarks, Phasenübergang, Super-Proton-Synchroton SPS, Relativisitic Heavy Ion Colli- der RHIC.

Literatur

[1] R. C. Hwa, X. N. Wang (Hrsg.), Quark-Gluon-Plasma 3, World Scientific, Singapore, 2004.

[2] C. Gerschel, J. Hüfner, Ann. Rev. Nucl. Part. Sci. 11999999, 49, 255.

[3] M. C. Abreu et al. (NA50), Phys. Lett. B 22000000, 477, 28; 22000011, 521, 195.

[4] C. Alt et al. (NA49), J. Phys. G 22000044, 30, 119.

[5] F. Antinori et al. (WA97), J. Phys. G 22000011, 27, 375.

[6] F. Becattini et al., Phys. Rev. C 22000044, 69, 024905.

[7] M. Harrison et al. (Hrsg.), Nucl. Instr. Meth. A 22000033, 499.

[8] S. S. Adler et al. (PHENIX), Phys. Rev. Lett. 22000033, 91, 072301;

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[9] J. Adams et al. (STAR), Phys. Rev. Lett. 22000033, 91, 072304.

[10] C. Alt et al. (NA49), Phys. Rev. C 22000033, 68, 034903.

[11] H. Oberlack und P. Schacht, Physik in unserer Zeit 22000011, 32 (4), 164.

Norbert Schmitz, geb. 1933, Studium in Göttingen und Berkeley, Promotion 1961 und Habilitation 1965 in München, 1967/68 Forschungsaufenthalt am CERN, ab 1971 bis zur Emeritierung 2001 Direktor am MPI für Physik (München), seit 1973 Honorarprofessor an der TU München. Mitarbeit an zahlreichen Experimenten in der Elementarteilchen- physik.

Peter Seyboth, geb. 1939, Studium in München, Promotion 1968, danach am Stanford Linear Accelerator, ab 1972 wissenschaftlicher Mitarbeiter am MPI für Physik in München, unterbrochen von Forschungsaufenthalten am CERN. Sprecher der CERN-Experimente NA35 und NA49.

Anschriften:

Dr. Volker Eckardt, Prof. Dr. Norbert Schmitz, Dr. Peter Seyboth, Max-Planck-Institut für Physik, Föhringer Ring 6, D-80805 München.

voe@mppmu.mpg.de, nschmitz@mppmu.mpg.de, pxs@mppmu.mpg.de

Referenzen

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