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Archiv "Das Urwald-Klinikdorf in Lambaréné heute" (14.09.1989)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT KURZBERICHT

D

as Albert Schweitzer Hospital in Lambara6 beging im ver- gangenen Jahr ein denkwür- diges Datum: Es feierte sein 75jähri- ges Bestehen. Am 16. April 1913 war Albert Schweitzer erstmals dort an- gekommen. Abenteuerlich und be- scheiden war der Beginn eines Wer- kes, das durch zähen menschlichen Einsatz und mit der Hilfe vieler Menschen kontinuierlich wuchs und dessen humanitäre Ausstrahlung alle Erdteile erreichte.

Die Reise nach Lambar&i, das im westafrikanischen Gabun um den Äquator liegt, ist heute bequem. Das Flugzeug landet in Lambar6n6, die Anfahrt vom Flughafen hinüber zum Hospital, das am Ufer des Ogowe liegt, ist kurz.

Das Hospital fand ich recht ähn- lich vor, wie ich es mir nach Bildern, Filmen und Schweitzers eigenen Be- richten vorgestellt hatte: Weitflächig angelegt, wie hingestreut die vielen Baracken über einen großen, sanften Hügel, von überall Aussicht auf den Ogowe. Das Hospitalgelände ist noch immer ein Tierparadies. Über- all laufen Hunde, Ziegen und Hüh- ner herum.

Die meiste klinische Arbeit wird in einem großen Neubau geleistet, der 1981 eingeweiht wurde und nach heutigen Maßstäben — bezogen auf afrikanische Verhältnisse — errichtet wurde. Das alte Klinikdorf ist teil- weise noch in Betrieb, seine stillge- legten Teile (alter Operationssaal, Apotheke, Entbindungsraum) sind zu besichtigen. Heute umfaßt das Urwaldhospital eine große chirurgi- sche, Innere- und Kinderabteilung, Wochenstation, Zahnklinik und Krankenpflegeschule. Etwa 280 Krankenbetten stehen zur Verfü- gung.

In den alten Bauten gibt es eine Sozialstation und eine Abteilung für psychiatrisch Kranke. Hier herrscht große Armut, weil die Menschen nur noch von dem leben, was ihnen die Klinik als Lebensnotwendigstes ge- ben kann, und diese Menschen nie- manden mehr haben, der sich um sie kümmert.

Das Lepradorf, das Albert Schweitzer größtenteils mit dem Geld seines Friedensnobelpreises 1953 erbaut hat, führt sein eigenes

soziales Leben. Hier gibt es mittler- weile ebenso viele gesunde Kleinkin- der wie in allen afrikanischen Dör- fern. Früher wurden Kranke, die man dort aufgenommen hatte, nicht mehr in ihrer alten Gemeinschaft ak- zeptiert, auch wenn sie geheilt wa- ren. Leider ist das auch heute noch so. Sie haben mittlerweile eigene Kinder, und so ist das Lepradorf eine Heimat für viele geworden. Glückli- cherweise kommen heute nur noch wenige Neuerkrankungen pro Jahr dazu.

Die Unterhaltskosten des Spitals werden wie zu Schweitzers Zeiten zum größten Teil aus Spenden auf- gebracht. Über zehn Prozent aller Spenden stammen aus der Bundes-

Das

Urwald-Klinikdorf in Lambaränä

heute

republik. Rund ein Viertel der Ko- sten übernimmt die Regierung des Gabun, etwa zehn Prozent der Aus- gaben werden durch Einnahmen des Spitals gedeckt. Die Behandlungsko- sten sind niedrig. Umgerechnet fünf DM pro Tag zahlen die Kranken für ihr Bett. Wer auch das nicht aufbrin- gen kann, wird wie zu Schweitzers Zeiten umsonst behandelt.

Im Hospital fühlt man sich über- all in vertrauensvoller Atmosphäre.

Es wird geführt von sieben europä- ischen Ärzten, die im Durchschnitt zwei bis vier Jahre in Lambar6n6 ar- beiten. Erstmals gehört zum Ärzte- kollegium auch ein gabunesischer Arzt. Die einheimischen Ärzte zie- hen es vor, bei besserer Bezahlung in der Hauptstadt Libreville zu arbei- ten.

Die medizinische Arbeit in Lam- barene ist schwer, die klimatischen Bedingungen sind mörderisch, und dennoch habe ich die Arbeit in ei- nem wesentlichen Punkt als leichter empfunden: man steht nicht unter Streß, fühlt sich nicht gehetzt, regt sich auch nicht so schnell auf, weil

trotz allem Elend keiner sich so schnell aufregt.

Niemand steht unter dem Druck einer übergroßen Erwartungshal- tung der Patienten, die vom Arzt viel und von sich selbst wenig fordern.

Ohnehin ist es noch heute üblich, daß die Afrikaner zunächst ihre Scharlatane und Medizinmänner aufsuchen und erst nach deren ver- geblichen Bemühungen den Weg in die Klinik finden. Auch wenn sich in Afrika in den letzten Jahrzehnten viel geändert hat, so ist doch das Be- wußtsein über die Gesundheit unver- ändert von Aberglauben und Unwis- senheit geprägt. Der „Wurm" ist für alles verantwortlich, was die Ge- sundheit stört!

Fasziniert beobachtet der euro- päische Arzt, wie gelassen der Afri- kaner auch den Tod hinnimmt. Ein Mensch ist da, ein Mensch ist nicht mehr da — der Afrikaner erlebt sich im Jetzt, in einer Reihe von Ahnen, die waren und nach ihm sein werden.

Er ist nur das gegenwärtige Glied ei- ner Kette.

Mit dem Hintergrund dieser philosophischen Todeslosigkeit scheinen Afrikaner im allgemeinen keine Todesangst zu kennen. Schon Albert Schweitzer hat in seinen Be- richten aus Lambarene die Geduld und innere Gelassenheit der afrika- nischen Menschen eindrucksvoll ge- schildert und auch ihren Mut, mit dem Tod umzugehen.

Er war auch zeitlebens davon überzeugt, daß sein Werk immer ei- ne würdige Fortsetzung finden wer- de. In der Tat haben sich seit seinem Tod auch weiterhin stets genug Hel- fer gefunden und ebenso Spender, die Lambaren6 im Wesentlichen am Leben erhalten haben. Darin drückt sich heute die Ausstrahlung des Menschen aus, über den Albert Ein- stein nach seiner ersten Begegnung sagte: „Endlich ein Mensch in die- sem tragischen Jahrhundert."

Anschrift der Verfasserin:

Dr. med. Gundula Zierock Rielingshäufer Straße 1 7142 Marbach a. N.

Spendenkonto: Deutscher Hilfs- verein für das Albert-Schweitzer- Hospital in Lambaren, Deutsche Bank, Frankfurt, Konto 676 767 Dt. Ärztebl. 86, Heft 37, 14. September 1989 (37) A-2527

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