DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT
24. Juni 1983Z
180. Jahrgang
Schnee von heute
s
ei Verletzungen durch die Druckwelle einer Kernwaffenexplosion soll man unter anderem Be- ruhigungs- oder Schmerz- bekämpfungsmittel geben, heißt es in einer Veröffentli- chung mit der banalen Überschrift „Erste Hilfe".Na also, denkt man, das Bundesinnenministerium hat ja gerade erst so viele Psychopharmaka einge- kauft. Hoffentlich kaufen sie auch Abführmittel: bei
„Restkernstrahlung" (Fal- lout), sagt diese neue Anlei- tung, hilft „z. B. ein Eßlöffel Magnesiumsulfat". Das ist sicher realistischer als der Ratschlag: „Radioaktiven Staub nicht einatmen, kein.
verseuchtes Wasser trin- ken, keine verseuchten Le- bensmittel zu sich neh- men."
S
ie meinen, das erinnert an den makabren Vor- schlag von damals, sich eine Aktentasche über den Kopf zu halten, wenn in der Nähe eine Atombombe ex- plodiert? — Na ja, es muß ja keine Aktentasche sein, man kann sich auch anders helfen. Vielleicht haben Sie gerade Blei von 5,4 Zentimeter Dicke zur Hand, das „mindert" — so„Erste Hilfe" — „die Sofort- kernstrahlung auf ein Ach- tel". Sie können auch Stahl nehmen (8,4 Zentimeter) oder Beton (30 Zentimeter)
— wie, haben Sie auch nicht bei sich? Dann nehmen Sie halt 42 Zentimeter Erde, oder ein 75 Zentimeter dik- kes Stück Holz. Sonst müs- sen Sie hoffen, daß der Dritte Weltkrieg im Winter ausbricht: Auch „150 Zen- timeter Schnee mindern
die Sofortkernstrahlung auf ein Achtel", sagt „Erste Hilfe". Leute, baut Iglus! — Aber ernsthaft weiter:
nämlich zu dem Argument, hier werde die Bevölke- rung eingelullt; man wolle ihr vorgaukeln, daß ein Atomkrieg doch überleb- bar, damit nicht mehr „un- denkbar" und vielleicht so- gar gewinnbar sei. Deshalb wird bei uns die Katastro- phenmedizin so propagiert, die Ärzte sollen die Triage üben, usw. . . .
A
us ärztlicher Sicht wird in dieser Ausgabe des DEUTSCHEN ÄRZTE- BLATTES einiges zu die- sem Problemkreis gesagt.Und in Amsterdam be- schäftigte sich gerade die Vereinigung „Internatio- nale Ärzte zur Verhütung eines Atomkrieges" mit dem Überleben in einem Atomkrieg, dem Auswei- chen in „sichere Gebiete"
oder dem Treffen ra- tionaler Entscheidungen.
Schon im Kongreßpro- gramm wurde all das als
„Illusion" bezeichnet, was
— wie manche sagen — von gewissen Politikern und ih- ren Medien zunehmend öf- fentlich propagiert werde.
Und zu solcher Propaganda gehört auch die geschilder- te Veröffentlichung „Erste Hilfe", meinen Sie?
I
rrtum: Herausgeber ist das Nationale Komitee für Gesundheitserzie- hung der Deutschen Demo- kratischen Republik in sei-ner Monatsillustrierten
„Deine Gesundheit", an je- dem Kiosk in der DDR zu haben; Preis 0,50 M . . . gb
Die Information:
Bericht und Meinung
Das Gesundheitsamt — unver- zichtbar im gegliederten System 13
Arzte im Offentlichen Gesundheitsdienst Günter Burkart
Nachrichten 16
Wiedereröffnung der Fortbildungs- kongresse in Montecatini Terme — Vier Milliarden DM Steuern belasten Arzneimittel — Beratergruppe für die Krankenhausfinanzierung erweitert — Einigung über neuen Gehaltstarifver- trag für Arzthelferinnen — Ärzteinitia- tiven gegen die atomare Bedrohung gesprächsbereit
Aus den Bundesländern 18 Hessen: Honorarzuschlag für Betreu- ung von Tumorkranken — Stabilitäts- abkommen war 1982 erfolgreich — Schleswig-Holstein: Kuren rückläufig
Kurzbericht
Arzneimittel: Die „Ausgabenlast"
der Rentner-Krankenversiche-
rung 19
Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
Übersichtsaufsätze
Intrakranielle Arterienstenosen und -verschlüsse:
Operative Möglichkeiten 21
Dr. med. Robert Schönmayr, Prof. Dr. med Ernst H. Grote
Effektivität von
Mißbildungsregistern 26
Dr. med. Joerg Hasford, Prof. Dr. rer. biol hum. Dipl. Math. Hans-Konrad Selbmann
Für Sie gelesen
Behandlung der Grenzwerthyper- tonie kann gefährlich sein 38
Bekanntmachung der Bundesärztekammer Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer gibt be- kannt: Empfehlungen für die Be- handlung von Transfusionszwi- schenfällen. Zweite, überarbeite- te (berichtigte) Auflage 35
Aussprache
Renaissance der Anticholinergi- ka in der Ulkustherapie? 41
Privatdozent Dr. med. Walter Longdong;
Schlußwort: Prof. Dr. med. Wolf-Peter Fritsch
Fortsetzung auf Seite 3
Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 25 vom 24. Juni 1983 1