• Keine Ergebnisse gefunden

Das Heute als Jetzt

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Das Heute als Jetzt"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Das Heute als Jetzt

von Dr. Hannelore Paflik-Huber

DerZeitbegriff lässt sich in zwei sehr unter­ schiedliche Begriffskonzeptionenaufteilen: Ein­ malin eine unabhängig von einem Subjekt ab­

laufende Zeit, die objektive undmessbare Zeit, und zum anderenin eine subjektive,erlebbare Zeit, dieder PhilosophHenri Bergson mit Dauer umschreibt und Jean Paul Sartre mit „Für-sich- sein“.Eshandelt sich hierbeiumeineVorstellung von Zeit, die nicht mit Hilfe von mathematischen Formeln bestimmbar ist, sondern, die dem Dasein des Menschen zugrunde liegt.

Auf dieFrage „Was Zeit ist?“ gibt es keinezufrie­ denstellende, sprachlicheDefinition. Bereitsdie Frage impliziert dieUnfassbarkeit der Zeit. Nam June Paik hat es treffend formuliert: „Zeit ist der amschwersten zu definierende Begriff in unserem Leben, weiler unser Leben selbst ist. Sie zu zeigen oder über sie nachzudenken, ist bereits ein Paradoxon.“

Waswiraber tun können ist, innerhalb eines bestimmten Bezugsrahmens zubeschreiben, wie Zeit erfasst werden kann und, auf Kunstwerke bezogen, wieZeit veranschaulicht werden kann.

Der Hauptvorteil der Kunstwerke gegenüber wissenschaftlichen Modellen ist ihresinnliche Anschaulichkeit. Wir vertrauen denNaturwissen­ schaften, die uns ihre wissenschaftlicheVor­ stellungenvon Zeit liefern. Im Gegensatzzu den diskursivenWissenschaften zeigt dieKunst, dass Zeit weder ein Phänomen, ein Rätsel, ein Para­ doxon odergar ein Problem ist,sondernetwas vollkommen Selbstverständliches, das zudem auch nochmiteinem hohenGrad an Sinnlichkeit undÄsthetik wahrgenommenunderlebt werden kann. Für den Begriff dermessbarenZeit sei hier aufdrei sehrunterschiedlicheModelle hingewie­ sen.Zum einen dem Künstler-Ansatz von Hanne

Darboven,die einen >

Verlaufvon Zeitauf /Q /’

eine völlig rationale und zugleich sinnli- che Weise darstellt.

Für die Messung von Zeithatsieein eigenes Additionsgesetz entwickelt, das ihr eine eigen­ ständige Visualisierung von Zeit ermöglicht,umein Jahrhundert, so der Titeleiner Arbeitvon1971, darzustellen: die Datumsangabe 1.1.01 wird in ihren Ziffernaddiert und erhält die Ziffer 3, die sie dannmit ihrem Kürzel K versieht. Die größtmögli­ che Zahl ist 61 und entsprichtdem31.12.99.

Diese objektive Haltung zum eigenen Leben und zur eigenen Lebenszeit verdeutlicht sich am konsequentesten, indem Hanne Darboven viele ihrer Arbeiten mit der Zeitbestimmung heute versieht, die sie aber wieder durchstreicht. Das Jetzt ist damit eindeutig auf den Zeitpunkt des Entstehens und dieausführendePerson bezogen, aus der Betrachterperspektive besitzt es keine Gültigkeit. Das Heute aufden Moment einer Zeit­

angabe zu reduzieren, ist ein Thema des 1971 geborenenKünstlers Darren Almond. Er formu­ liertdies in Form von Uhren, die in überdimen­ sionaler Größe künstlerische Manifestationdes allzu menschlichen Versuchessind, die analoge

Darren ÄlmnnH PJnrk 1QQ7 Fntn- StRDhßD White POOL

Ha nn e

Darboven,

Re qu ie m, 19 71 -8 5 (

Detail)

Originalveröffentlichung in: Sonnendeck : Stuttgarter Kunstnotizen, Nr. 30 (Dezember) (2005), S. 8-9

(2)

ZCZCTTM138WIB189 1-O21972C026 SWSXCO UWNX014

DC NEWYORK MV 14 M 30M> EJT

Kl. Sinn.

OLLEGRANATH LILLASXONDALSGARD 123 55

FAR5T* M*«

IAM STILL ALIVE ON KAW ARA

COLjrj 55

Zeitabfolge mit Hilfe eines numeri­ schenSystems(digital) zubeherr­

schen. Mit einem elektronisch ver­ stärkten Knall klappen die Ziffer­

scheibenum, als würden siejeden Augenblick unseres Zeitkontingents abhaken. Die Arbeit „Clock“ von 1997 zeigt unseren kläglichen

Versuch, Zeit beherrschen zu wollenoder gar das irrsinnige Unterfangen, Zeit zu industrialisieren.

Almond verwischt dieGrenzenzwischen Objekti­ vität und Subjektivität. Müssenwir uns vorder Riesenuhrund ihrerunaufhaltsam verstreichen­ den Zeit fürchten? Sind wir Gefangene derZeit?

Der japanische Künstler On Kawara gibtin den Ausstellungskatalogen anstattseines Geburts­ datums die Anzahlder Tage,die er bis zudem jeweiligen Ausstellungsbeginn gelebt hat, an.

Entsprechendunterstreichtdie Serie, dieerseit 1970 erstellt, den Versuch,sichmöglichst objek­

tiv zuseinem Dasein zu äußern. Der jeweilige

Adressat erhältmit dem Telegramm „Iam still alive“ eine imPräsens formulierteFeststellung, diezum Zeitpunkt des Empfangs schon falsch seinkönnte.Ein Telegramm istfaktischnicht nur mit einem heute versehen, sondern auch mit dem Zeitpunktder Aufgabe.Alle drei künst­ lerischenPositionen hinterfragensomit dieso sicher gesetzte,objektiv messbareZeit und im speziellenhier, die Dauer eines Jetzt.

Die Autorinist Kunstwissenschaftlerin und hat ihre Dissertationzu demThemaZeit und Kunst ver­ fasst. Sieist Dozentin an verschiedenen Hoch­

schulen undAkademien und 1. Vorsitzendedes Künstlerhauses Stuttgart.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Nehmen Sie sich bitte in einer ruhigen Umgebung einige Minuten Zeit. Schliessen Sie die Augen und stellen Sie sich auf dem Platz gegenüber den Menschen vor, dem Sie vergeben

Dann kam der Diener, der zwei Talente erhalten hatte, und sagte: Herr, du hast mir zwei Talente gegeben; sieh her, ich habe noch zwei dazu gewonnen. Sein Herr sagte

• Klammerkarten: Es sind vier Analoguhren (im Uhrzeigersinn lesen) abgebildet und die Schülerinnen und Schüler müssen die Zeitspannen zwischen den jeweiligen Uhren

Die reiche Geschichte in der Entwicklung und Produktion von Fahrzeugen findet heute ihre Fortsetzung mit der Volkswagen Sachsen GmbH, die der- zeitig der größte

Dann speichert auch mein Gehirn mehr neue Eindrücke und die Zeit kommt mir in der Erinnerung länger vor. Vorausgesetzt ich bin dazu in der Lage, ganz bewusst neue Eindrücke zu

Ärztinnen und Ärzte, welche zusätz- lich zum Weiterbildungstitel «Praktischer Arzt / Prak- tische Ärztin» einen eidgenössischen oder in der Schweiz formell anerkannten

1) Erstellen Sie das Weg-Zeit-Diagramm für o.g. Aufgabe mit einer Tabellenkalkulation.. 2) Lösen Sie die Aufgabe mit dem Diagramm

Nicht, indem sie den neuesten Anti-Aging-Tricks hinterherjagt, um sich dem gängigen Schönheitsideal anzupassen, sondern indem sie ihre ganz eigenen Vorstellungen von