Deutsches Ärzteblatt
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9. Dezember 2011 A 2665 sentliche Aufgabe dieser zehn Mi-nuten ist dann, den Versicherten da- von zu überzeugen, dass er in den Facharztvertrag einsteigt. Und wenn der Patient etwa den Einwand hat, dass er sich dann wohl nicht mehr frei seinen Kardiologen aus- suchen darf? Dann sagen wir, dass er bei uns doch länger warten muss, weil wir ein gutes Honorar wollen?
Vielleicht erfolgt die wesentliche Weichenstellung schon am Telefon oder per E-Mail, und wir teilen dem anfragenden Patienten mit, er/sie soll sich erst einmal von seinem Hausarzt in den Hausarztvertrag einschreiben lassen. Vielleicht ist das die neue Spielart, gewöhnungs- bedürftig. Vielleicht bin ich ein Zauderer, ein Bedenkenträger, alt geworden im System. Mir fällt al- lerdings auf, dass nicht darüber dis- kutiert wird, dass wir in ein merk- würdiges System von drei Klassen von Patienten hineingeraten. Zuge- gebenermaßen erhalten Privatpa- tienten früher einen Termin, aber nicht in drei Tagen. Wie denn auch, man ist ja ausgelastet.
Ein weiterer Aspekt ist diskussions- würdig. Der Vertrag hebelt die bis- herigen Psychotherapierichtlinien aus. Psychotherapeuten sind bisher nicht zuständig für die Akutversor- gung – und das ist gut so. Eine wei-
tere Ausdehnung unserer Tätigkeit in Form von Akut-Beratung, ist das sinnvoll? . . .
Wollen wir – die Therapeuten mit KV-Praxen – denn jetzt wirklich in den Bereich der Krisenintervention uns bis dato unbekannter Patienten einsteigen? . . .
Vielleicht ist das Ganze ja der Be- ginn einer neuen Ära, und wir ha- ben bald angestellte Psychologen in der Praxis und keine Engpässe mehr, und alles wird gut. Nur im Moment fehlt mir die Diskussion.
Dipl.-Psych. Stephan Hoyndorf, 70178 Stuttgart
Neue Perspektive
Nach der Lektüre des Artikels von Frau Petra Bühring bekommt für mich die vielstrapazierte Rede von einer Zweiklassenmedizin eine völ- lig neue Bedeutung. Da soll ein psychotherapeutisches Gespräch mit 105 Euro vergütet werden – al- so weit höher, als dies die GOÄ vorsieht. Keine komplizierte Rech- nungsstellung, zuverlässige Vergü- tung, kein aufwendiges und zeitin- tensives Antragsverfahren.
Kann es da sein, dass sich unsere Gesundheitsexperten bald dem für sie neuartigen Problem werden wid- men müssen, dass beihilfeberech- tigte Privatversicherte viel zu lange
auf einen Behandlungstermin hätten warten sollen?
Dr. med. Dr. phil. Reinhard Platzek, 63741 Aschaffenburg
Viele Fragezeichen
Der Selektivvertrag der Psychothe- rapeuten in Baden-Württemberg er- scheint höchst bedenklich und auch mit ethischen Fragezeichen behaf- tet. Für 20 Euro mehr ist also nun innerhalb von drei Tagen ein psy- chotherapeutisches Erstgespräch zu erhalten, das für 80 Euro erst in ei- nem Vierteljahr zu bekommen wä- re? Sehr eigentümlich. Ferner: Be- deutet dann das Führen eines Erst- gespräches, dass der Patient dann auch einen festen Therapieplatz er- hält – was ja bei einer vollen Sprechstunde gar nicht möglich wä- re –, oder wird er dann auf eine Warteliste geschoben? Und wie vie- le Therapeuten werden dann mit ih- ren Patienten lediglich die zehn Stunden für 105 Euro leisten und dann wieder neue Patienten für das hohe Honorar nehmen? Schon bis- her gab es – vereinzelt auf Sitzun- gen des Plausibilitätsausschusses erlebt – Zusatztitler, die immer nur die probatorischen Sitzungen ab- rechneten, sich aber das dann fälli- ge Antragsverfahren ersparten! So
B R I E F E
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9. Dezember 2011 wie es ja auch hin und wieder The-rapeuten gibt, die lediglich be- richtsfreie Kurzzeittherapien durch- führen und die Therapie dann we- gen des Gutachterverfahrens been- den! Was dann zur Folge hat, dass der Patient bei einem neuen Thera- peuten wieder von vorn anfangen muss. Bei einer Fortsetzung der Psychotherapie fehlt dann auch noch die Qualitätskontrolle durch das Gutachterverfahren. Das hat zur Folge, dass auch manch therapeuti- scher Wildwuchs wuchern kann.
Die AOK Baden-Württemberg wird früher oder später merken, dass sie kein Geld spart, sondern im Gegen- teil mehr Geld für oft unzureichen- de Therapien mit daher weniger Langzeitheilungen ausgibt. Es steht zu befürchten, dass die Zahl der Therapien sich stark vermehren, die der Heilerfolge dagegen vermin- dern wird.
Dr. med. Paul R. Franke, 39104 Magdeburg
NOBELPREI SE
Die Preisträger ha- ben entscheidend zur Erforschung des angeborenen Im- munsystems und seines Zusammen- wirkens mit der humoralen Abwehr beigetragen (DÄ 41/
2011: „Nobelpreise für Medizin: Raster- fahndung des Immunsystems“ von Ni- cola Siegmund-Schultze).
Ein würdiger Kandidat
Hätte es im 19. Jahrhundert schon Nobelpreise gegeben, wäre Paul Langerhans sicher ein würdiger Kandidat gewesen. Ralph Stein- mans Vorgänger entdeckte 1868 die dendritischen Zellen der Haut. 1869 folgte seine Promotion über die In- seln der Bauchspeicheldrüse. Statt sich eines exzellenten akademi- schen Rufs erfreuen zu dürfen, er- lag er 1888 auf Madeira in ge- täuschter Hoffnung auf Heilung ei- ner Tuberkulose, der Berufskrank- heit der Pathologen. (Lit.: B. M.
Hausen: Die Inseln des Paul Lan- gerhans; Ueberreuther Verlag, Wien – Berlin 1988).
Dr. med. Detlev Büttner, 30989 Gehrden
O S
D b z a m s w humoralen Abwehrb
Vor gut 30 Jahren erschien die
„Chirurgische Gastroenterologie“
von Prof. Martin Allgöwer. In dem – erst später so bezeichneten – Fachgebiet „Viszeralchirurgie“
vereinte ab diesem Zeitpunkt erst- mals ein Übersichtsbuch chirur - gische und internistische Heraus- geber. So konnten die den Fach - gebieten gemeinsamen Krank- heitsbilder und diagnostischen Verfahren ohne Redundanz be- sprochen werden. Konservative und operative Therapieverfahren wurden ausgewogen diskutiert, einzig mit dem Ziel der für den individuellen Patienten bestmög - lichen Be handlung.
Der nun neu aufgelegte Band
„Gastroenterologische Chirurgie“
ist Teil der heute daraus entstan - denen dreibändigen „Praxis der Viszeralchirurgie“, welche von Rüdiger Siewert, Matthias Roth- mund und Volker Schumpelick herausgegeben wird. Die dritte Auflage des Bandes „Onkologi- sche Chirurgie“ ist bereits 2010 erschienen, die neue Auflage des Bandes „Endokrine Chirurgie“ ist für 2012 fest angekündigt. Der Band „Gastroenterologische Chir - urgie“ behandelt sämtliche gut - artigen viszeralchirurgischen Er- krankungen.
Permanent im Fluss befindli- che Weiterbildungsordnungen und fachliche Weiterentwicklungen (es seien hier beispielsweise ambulan- te Chirurgie, minimal-invasive Ver- fahren und Adipositaschirurgie ge- nannt) diktieren thematische Neu- aufnahmen. Grundsätzlich wurden alle Kapitel durchgängig überar- beitet und aktualisiert und um das neue, gesicherte Wissen erweitert.
Zahlreiche aussagestarke Abbil- dungen wurden zusätzlich auf - genommen. Was konstant blieb, ist die bewährte inhaltliche Architek- tur des Buches: die das Fachgebiet begleitende Diagnostik, allgemei- ne relevante Therapieoptionen und die spezielle Therapie, gegliedert nach Organen. Die baumartige, am Ende hochdetaillierte Gliederung des Buches und ein präzises Stich- CHIRURGISCHE GASTROENTEROLOGIE
Auf den neuesten Stand gebracht
wortverzeichnis helfen in der Pra- xis schnell, die wichtige Informati- on zu erhalten.
Die fachlich exzellente Infor- mation ist reviewartig gebündelt und jeweils von anerkannt erfah- renen und thematisch spezialisier- ten Klinikern verfasst. Das Buch gibt Auskunft gleichermaßen zu den immer wiederkehrenden als auch zu den seltenen bis sehr sel- tenen Fragestellungen in der vis- zeralchirurgischen Praxis. Durch Zitation der jeweils wesentlichen Originalarbeiten ist das Buch nicht nur für die Weiterbildung und die Arbeit des Facharztes ge- eignet, sondern auch ein effi - zienter Weg der Einarbeitung in wissenschaftliche Fragestellungen.
Den in Lehre und Prüfung Invol- vierten hilft es bei der Vor- und Nachbereitung von Unterricht und Prüfungssitzungen.
Das hochwertige, feste und spie- gelarme Papier ist angenehm zum Begreifen und Lesen, die robuste Fadenbindung lädt zum täglichen Gebrauch bis zur nächsten Neuauf- lage ein. Der Preis von knapp 230 Euro ist für die Zielgruppe und den Nutzwert angemessen.
Fazit: ein bewährtes Standard- werk, erneut auf den neuesten Stand gebracht. Ulrich Klaus Fetzner Volker Schumpelick: Gastroenterologische Chirurgie. 3. Auflage, Springer, Berlin 2011, 972 Seiten, gebunden, 229 Euro