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Archiv "Vertreterversammlung: Nach außen geschlossen, nach innen zerstritten" (29.05.1998)

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it einem gesundheitspoliti- schen Eckpunktepapier hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung die Positionen der rund 110 000 Kassenärzte ge- genüber der Politik und den Kran- kenkassen eindeutig abgesteckt.

Der KBV-Vorsitzende, Dr. med.

Winfried Schorre, will damit dem wachsenden Druck entgegenwirken, unter dem die Vertragsärzte derzeit stehen – vor allem im Hinblick auf die bevorstehende Bundestagswahl.

Kassen spekulieren auf einen Regierungswechsel

In seinem Bericht zur Lage ging Schorre daher zunächst auf die viel- fältigen Konflikte ein, die es zu lösen gilt: Bleibt die Regierungskoalition im Amt, setze man sich womöglich dem Vorwurf aus, die Gestaltungs- möglichkeiten des zweiten GKV- Neuordnungsgesetzes nicht genutzt zu haben. Unter einer SPD-geführ-

ten Regierung hingegen stünden den Kassenärzten unliebsame Fol- gen bevor: Wiedereinführung sekto- raler Ausgabenbudgets, Öffnung der Krankenhäuser für die ambulan- te fachärztliche Versorgung, Einzel- verträge zwischen Krankenkassen und niedergelassenen Ärzten, Ori- entierung an einem Primärarztsy- stem und Sektionierung der Kas- senärztlichen Vereinigungen.

Auf einen Regierungswechsel spekulieren Schorres Einschätzung nach die Krankenkassen – in der Hoffnung, daß die SPD die Reform- ansätze des 2. NOG zurücknimmt und die Machtposition der Kassen stärkt. Nur so kann sich der KBV- Vorsitzende die „brüchig gewordene Vertragspartnerschaft“ erklären.

Die Kassen verweigerten Verhand- lungen über Regelleistungsvolumi- na, die angestrebte Bundesempfeh- lung sei gescheitert. Viele KVen gin- gen jetzt zum Schiedsamt, um „unser Recht auf eine faire Gestaltung der Gesamtvergütung durchzusetzen“.

Empört zeigte sich Dr. Schorre über das Verhalten der Spitzenver- bände, die sich mit einseitigen, meist unbegründeten oder überzogenen Attacken „eine Kampagne gegen das Image der Ärzteschaft leisten“.

Konkurrenzkampf weitet sich aus

Zu schaffen macht dem KBV- Vorsitzenden, daß die Niedergelas- senen diesem Druck keinen ge- schlossenen Widerstand entgegen- setzen. „Wir sind dabei, den Ast, auf dem wir sitzen, selbst abzusägen“, spielte er auf die innerärztlichen Konflikte an. Durch die mengenbe- grenzenden Maßnahmen in der Ho- norarpolitik habe sich der Konkur- renzkampf in die Fachgruppen ver- lagert, bei der Vorbereitung des EBM habe es Kollisionen zwischen KBV und Berufsverbänden gege- ben, die Allgemeinärzte planten ei- ne eigene Hausarzt-KV. Das Gegen-

Wie geht es weiter mit der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung? In einer entscheidenden berufspolitischen Phase vor der Bundestagswahl hat die Vertreterver- sammlung das Konzept des KBV-Vorstandes zur Neu- strukturierung des EBM scheitern lassen. Mit einer Stim- me Mehrheit wiesen die Delegierten nach vierstündiger Diskussion hinter verschlossenen Türen die Vorstandsvor- lage zurück. Der Vorsitzende der KBV, Dr. med. Winfried Schorre, reagierte auf die Entscheidung sichtlich betrof- fen. Noch unter dem Eindruck der Abstimmung sagte er gegenüber Journalisten: „Der ärztlichen Selbstverwal- tung ist es nicht gelungen, Handlungsfähigkeit zu de-

monstrieren. Wir haben uns damit aus der politischen Dis- kussion verabschiedet.“ Die Enttäuschung des KBV-Vorsit- zenden wog offenkundig so schwer, daß die Zustimmung der Delegierten zu den gesundheitspolitischen Leitsätzen der KBV und zur Neugestaltung des Laborbereichs dies nicht aufwiegen konnte. Die eineinhalbtägige Sitzung brachte jedoch noch weitere Entscheidungen: Die Ver- treterversammlung votierte für das Initiativprogramm zur allgemeinmedizinischen Weiterbildung. Zustimmung fand auch ein Konsenspapier von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung zur besseren Verzahnung der ambulanten und stationären Versorgung.

Vertreterversammlung

Nach außen geschlossen, nach innen zerstritten

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einander unter den Ärzten hat Schor- re zufolge „nicht mehr tolerable For- men angenommen“. Sie reichten von Fehlinformationen an die Printmedi- en bis zu Denunziationen und anony- men Anzeigen gegen Kollegen.

Schorre appellierte an alle Beteilig- ten, zu Fairneß, Anstand und Red- lichkeit zurückzukehren. Denn: „Wir haben nicht nur Entscheidungsrech- te, sondern auch

Handlungsverant- wortung.“ Unter- stützt wurde Schor- res Anliegen in der anschließenden Diskussion, in der verschiedene Red- ner wiederholt Ge- schlossenheit an- mahnten.

Dem Leitan- trag des Vorstands, der die Kernaussa- gen des Eckpunk- tepapiers umfaßt, haben die Dele- gierten mit großer Mehrheit zuge- stimmt. Dr. Schor- re stellte der Ver- treterversammlung das Programm im einzelnen vor. Es

basiert auf drei „Essentials“: Erhal- tung des Sicherstellungsauftrags, des Kollektivvertragssystems und einer eigenständigen Selbstverwaltung der Kassenärzte.

Patientenorientierung und Freiberuflichkeit

Als vorrangiges gesundheitspo- litisches Ziel definieren die Ver- tragsärzte den Anspruch des Patien- ten auf eine notwendige, ausreichen- de und wirtschaftliche Versorgung.

Zugleich habe der Arzt im Rahmen seiner freiberuflichen Tätigkeit den Anspruch auf angemessene Arbeits- bedingungen, betonte Schorre.

Den Streit um die Differenzie- rung von haus- und fachärztlicher Versorgung will die KBV lösen, in- dem der Allgemeinarzt in Zukunft die Funktion des Hausarztes übernimmt.

Um das auf dem 100. Deutschen Ärz- tetag in Eisenach beschlossene Diffe-

renzierungsmodell umzusetzen, hat die Gesundheitsministerkonferenz der Länder ein Initiativprogramm vorgelegt, „dem wir im Grundsatz zu- stimmen“. Das Recht des Patienten auf freie Arztwahl müsse von dieser Neustrukturierung unberührt blei- ben, forderte Schorre. Grundlage für den Konsens zur Hausarztqualifikati- on sei daher die Ablehnung des

Primärarztsystems. Das Initiativpro- gramm fand in zahlreichen Wort- beiträgen die Unterstützung der De- legierten.

Das Problem der unkoordinier- ten Mehrfachinanspruchnahme vieler Kassenärzte muß aus Sicht der KBV gelöst werden. Geplant ist, die Zahl der Direktinanspruchnahmen einzu- schränken: „Der Versicherte kann im selben Quartal je einen Vertragsarzt der hausärztlichen und der fachärztli- chen Versorgung ohne Überweisung in Anspruch nehmen“, erläuterte Schorre den Vorschlag der KBV-Spit- ze.

Klar abgegrenzt werden die Auf- gaben der niedergelassenen Ver- tragsärzte und der Krankenhäuser.

KBV und Bundesärztekammer haben unter Beteiligung des Marburger Bundes ein Konsenspapier erarbeitet, mit dem die Kooperation zwischen ambulantem und stationärem Sektor verbessert und die Zusammenarbeit intensiviert werden soll. Nach langer

Diskussion stimmte die Vertreterver- sammlung dem Konsenspapier in der vorgelegten Fassung zu.

Im Zusammenhang mit dem Ein- nahmeproblem der Gesetzlichen Krankenversicherung hält der KBV- Vorsitzende einen Orientierungswan- del für notwendig, da Medizin „offen- kundig mehr leisten kann, als Volks- wirtschaften zu zahlen bereit sind“.

Die Eigenständig- keit der sozialen Krankenversiche- rung muß Schorre zufolge erhalten bleiben. Daher verbiete sich eine zu starke Beteili- gung des Staates – etwa durch eine steuerfinanzierte Gesundheitsver- sorgung. Einen Ausweg sieht die KBV darin, not- wendige Leistun- gen von solchen abzugrenzen, die ohne einen Qua- litätsverlust der Versorgung in die Eigenverantwor- tung des Versicher- ten übertragen werden können. Den Erhalt eines einheitlichen Leistungskatalogs be- fürworteten die Kassenärzte, unter- strich Schorre. Dieser müsse sich aber am medizinisch Notwendigen ausrichten und dürfe keine unwirksa- men, unnötigen, versicherungsfrem- den oder unwirtschaftlichen Leistun- gen enthalten. Statt die Selbstbeteili- gung für die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen zu erhöhen, schlägt er vor, den Beitragsanteil der Versicherten für bestimmte Lei- stungsausgaben zu flexibilisieren.

Neue Angebote von Satzungsleistun- gen und Versorgungsformen müßten geschaffen werden.

Seehofer: Rückendeckung für Regelleistungsvolumen

Was die im 2. NOG beschlossene Einführung von Regelleistungsvolu- mina angeht, „mauern die Kassen, weil sie die Vertragsärzte nicht aus der A-1346 (18) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 22, 29. Mai 1998

„Wir sind dabei, den Ast, auf dem wir sitzen, selbst abzusägen“, mahnte Dr. Winfried Schorre. Der Vorsit- zende der KBV forderte die Delegierten eindringlich auf, Gruppeninteressen zurückzustellen.

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sektoralen Ausgabenbudgetierung entlassen wollen“, sagte Schorre. In- zwischen gibt es allerdings eine „ein- deutige rechtliche Klarstellung“ des Bundesgesundheitsministers: Sinn und Zweck der Neuregelung, zitierte Schorre einen Brief Horst Seehofers, sei eine stärker am Bedarf orientierte und leistungsgerechtere Vergütung mit festen Punktwerten. Eine ver-

bindliche Ausgabenobergrenze sei damit nicht vereinbar. Aus Seehofers Sicht ist die neue „Gesamtvergütung“

daher nichts anderes als „die erst ex post feststellbare Summe der verein- barten festen Punktwerte, der verein- barten Regelleistungsvolumina sowie der Abstaffelungsstufen und der sich daraus ergebenden Abstaffelungs- menge“. Nur diese Auslegung werde der Intention des Gesetzgebers ge- recht, das Morbiditätsrisiko teilweise an die Krankenkassen zurückzuge- ben. Der KBV-Vorsitzende forderte seine Kollegen auf, den „damit be-

stätigten Handlungsspielraum“ zu nutzen und die Schiedsämter einzu- schalten, falls die Kassen entspre- chende Verträge verweigern.

Strukturen vor Ort schaffen

Das Eckpunktepapier geht auch auf die Entwicklung neuer Versor-

gungsstrukturen ein. Eine Erkenntnis hat sich Schorre zufolge durchgesetzt:

„Vernetzte Praxisstrukturen müssen von den Ärzten vor Ort entwickelt werden. Man kann sie nicht von oben durch Vertragsdiktate anordnen.“ Die Kassenärzteschaft müsse aber selbst die Initiative ergreifen, betonte Schor- re, und die neuen Strukturen soweit wie möglich mit allen Kassenarten ver- einbaren. Denn das Vorhaben einer je- den Krankenkasse, ihr eigenes Netz zu gründen, zersplittere das Gesundheits- wesen. Um Einsparungen in anderen Bereichen nachweisen zu können,

„müssen die Kassen endlich die not- wendigen Daten liefern“. Beim Thema Bedarfsplanung kritisierte Dr. Schorre den Beschluß des Bundesverfassungs- gerichts, der eine Altersgrenze für das Ende der Kassenzulassung bestätigte.

Die Verkennung der Leistungsfähig- keit eines Arztes bis ins hohe Alter be- zeichnete er als erschreckend. Er räumte jedoch ein, daß es wegen der

begrenzten Finanzmittel durchaus Ar- gumente für Zulassungsbeschränkun- gen gebe. Die KBV fordert, die Be- darfsplanung nicht ausschließlich an starren Verhältniszahlen und Alters- grenzen auszurichten, sondern am Ver- sorgungsbedarf der Patienten.

Letztlich ging Schorre auf den

„Wachstumsfaktor Gesundheitswe- sen“ ein. Die Entwicklung der medizi- nischen Versorgung zeige, daß die we- sentlichen Innovativkräfte von den Kassenärzten ausgegangen seien. Wer die ambulante Versorgung für weitere Einsparungen benutze, werde ihr end- Abstimmung: Die gesundheitspolitischen Positionen des KBV-Vorstandes fanden breite Akzeptanz. Die Eckpunkte stecken den künftigen Handlungsrahmen ab.

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gültig den Garaus machen. Die Gren- ze des Erträglichen sei bereits über- schritten. Weitere Sparmaßnahmen gehen dem KBV-Vorsitzenden zufol- ge nur mit einem Verlust an Qualität und Versorgungsintensität einher.

Dr. Winfried Schorre schloß mit dem Appell an die Delegierten, alle anstehenden Probleme ausnahmslos innerärztlich zu lösen und notwendige Entscheidungen zu treffen. „Wenn es uns nicht gelingt, aufzuzeigen, daß die ärztliche Selbstverwaltung handlungs- fähig und handlungswillig ist“, mahnte Schorre eindringlich, „werden nach den Wahlen Fakten geschaffen, ziem- lich unabhängig von der Machtkon- stellation.“ Dr. Sabine Glöser

A-1348 (20) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 22, 29. Mai 1998

Leitsätze

für eine Weiterentwicklung des Gesundheitswesens in der Bundesrepublik Deutschland aus kassenärztlicher Sicht

Die Vertreterversammlung hat den folgenden Leitsätzen als Extrakt des Eckpunktepapiers zugestimmt:

I. Gesundheitspolitische Grundziele

Leitsatz 1

Der Patient steht im Mittelpunkt des Gesundheits- wesens mit seinem Anspruch auf

• eine notwendige, ausreichende und wirtschaft- liche Versorgung,

• freie Arztwahl,

• eine intakte Arzt-Patienten-Beziehung, einge- bettet in ein ausgewogenes Verhältnis von Eigenverant- wortung, Solidarität und Subsidiarität. Dies wird ent- scheidend mitbestimmt durch den medizinischen Fort- schritt und die Änderung des Morbiditätsspektrums einer- seits und die Einnahmeproblematik der kassenbedingten Finanzierungsschwierigkeiten der GKV andererseits.

II. Ärztliche Grundwerte

Leitsatz 2

Der Arzt ist bei beruflicher Entscheidungsfreiheit primär dem Wohl des Patienten verpflichtet und hat An- spruch auf angemessene Arbeitsbedingungen im Rah- men freiberuflicher Tätigkeit.

III. Die Struktur der ärztlichen Versorgung

Leitsatz 3

Die ambulante Versorgung umfaßt einen hausärzt- lichen und einen fachärztlichen Versorgungsbereich, die gleichrangig sind und dies auch in Zukunft bleiben müs- sen.

Leitsatz 4

Die Hausarztqualifikation soll nach Schaffung der Voraussetzungen für die Einführung einer fünfjährigen Weiterbildung in der Allgemeinmedizin unbeschadet der Zuständigkeit des Kinderarztes auf weitergebildete Allge- meinärzte ausgerichtet werden. Die Rechte der als Hausärzte zugelassenen Internisten sind zu wahren.

Leitsatz 5

Ein Primärarztsystem im Sinne einer verpflichten- den vorgeschalteten Inanspruchnahme eines Hausarztes

mit einer grundsätzlichen Beschränkung des unmittelba- ren Zugangs zur fachärztlichen Versorgung wird entschie- den abgelehnt.

Leitsatz 6

Das Recht des Versicherten auf freie Arztwahl darf nicht zur unkoordinierten Mehrfachinanspruchnahme ei- ner Vielzahl von Vertragsärzten führen. Der Versicherte kann im selben Quartal je einen Vertragsarzt der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung ohne Überweisung in Anspruch nehmen. Die Krankenversicher- tenkarte ist entsprechend zu ändern. Auf Wunsch des Ver- sicherten ist die wechselseitige Information unter den in Anspruch genommenen Ärzten sicherzustellen.

Leitsatz 7

Eine institutionelle Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung mit dem Effekt einer schrittwei- sen Verlagerung der fachärztlichen Tätigkeit an die Krankenhäuser wird aus Kostengründen sowie aus organi- satorischen und betreuerischen Gründen strikt abgelehnt.

Leitsatz 8

Aufgrund einer klaren Arbeitsteilung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung muß die Koope- ration zwischen niedergelassenen Vertragsärzten und Krankenhausärzten ausgebaut werden, wobei der Grundsatz gilt: „soviel ambulant wie möglich, soviel sta- tionär wie nötig“. Die dazu notwendigen Rechtsinstru- mente sind im geltenden Recht verankert. Sie müssen auf der Grundlage der Eckpunkte und des zwischen Bun- desärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereini- gung gemeinsam getragenen Konsenspapieres besser genutzt werden.

Von der Vertreterversammlung zusätzlich beschlossen:

Alle Veränderungen und Anpassungen der ambu- lanten Versorgung, die in der Dynamik möglich sind und möglich werden müssen, sind unter Ausnutzung moder- ner Kommunikationstechniken zu prüfen unter Einschluß des Datenträgers der Chipkarte.

IV. Finanzierungsgrundlagen der GKV

Leitsatz 9

Das Verhältnis von Eigenverantwortung und Soli- darität sowie Subsidiarität und staatlicher Intervention der GKV muß neu überdacht werden. Die finanzielle Eigenverantwortung des Patienten muß im sozialverträg- lichen Maß gestärkt werden, um die Solidargemeinschaft vor Überforderung zu schützen.

Leitsatz 10

Der sich aufgrund zunehmend begrenzter Finanz- mittel anbahnende Konflikt im Patient-Arzt-Verhältnis

Im nächsten Heft

Berichterstattung über den 101. Deutschen Ärztetag mit folgenden Themen:

• Gesundheits- und Sozialpolitik

• Qualitätssicherung ärztlicher Be- rufsausübung

• Patientenschutz und moderne Kommunikationstechniken

• Arzt im Krankenhaus – Stand- ortbestimmung und Zielorien- tierung

• (Muster-)Weiterbildungsord- nung

• Gesundheit im Alter

• Fortbildung

Anträge zu den Leitsätzen: Die Delegierten ergänz- ten die Vorstandsvorlage um weitere Aussagen.

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kann nur dadurch gelöst werden, daß bei knapper wer- denden Geldmitteln die bei angemessener Vergütung und festen Preisen hieraus finanzierbaren Leistungen einer notwendigen medizinischen Versorgung exakt definiert werden und davon Leistungen abgegrenzt werden, die ohne Verlust an Qualität der notwendigen Versorgung in die Eigenverantwortung des Versicherten übertragen wer- den können. Die Finanzierungsengpässe der GKV dürfen nicht länger einseitig die ambulante Versorgung belasten.

Leitsatz 11

Die Versicherungspflichtgrenze muß der Maßstab für die Bestimmung des einen sozialen Versicherungs- schutz benötigenden Personenkreises bleiben. Die priva- te Krankenversicherung muß deswegen als Versiche- rungsmöglichkeit für freiwillig Versicherte erhalten blei- ben.

Leitsatz 12

An die Stelle einer erhöhten Selbstbeteiligung für die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen durch die Versicherten sollte für bestimmte Leistungsausgaben ein flexibler Beitragsanteil der Versicherten zur Entla- stung der Lohnnebenkosten treten.

Leitsatz 13

Der wachsende Bedarf in der Arzneimittel- und Heilmittelversorgung erfordert angesichts begrenzter fi- nanzieller Ressourcen entsprechende Klarstellungen zum Leistungsumfang einer gesetzlichen Krankenversiche- rung. Daneben sind die Grundlagen der Wirtschaftlich- keitsprüfung mit dem Ziel neu zu ordnen, das Morbi- ditätsrisiko wieder ausschließlich im Verantwortungsbe- reich der hierfür zuständigen Krankenversicherung anzu- siedeln.

V. Das Versicherungssystem

Leitsatz 14

Für den als sozialschutzbedürftig definierten Per- sonenkreis der gesetzlich Versicherten ist das auf dem Solidaritätsprinzip beruhende Sachleistungssystem in dem für eine medizinisch notwendige Versorgung defi- nierten Umfang beizubehalten.

Leitsatz 15

Das in der GKV verankerte Wahlrecht des Versi- cherten zwischen Sachleistung und Kostenerstattung muß auch in Zukunft für die Versicherten individuelle Ge- staltungsmöglichkeiten ihres Versicherungsschutzes oh- ne zusätzliche Belastung der Solidargemeinschaft ge- währleisten.

Leitsatz 16

Größere Eigenverantwortung kann schrittweise auch im Rahmen einer solidarischen Finanzierung über- nommen werden. Hier sind neue Angebote von Sat- zungsleistungen, neuen Versorgungsformen (Wahltarife)

und von Informationen über Qualitätsunterschiede zwi- schen Versorgungsangeboten der Krankenkassen zu schaffen.

Leitsatz 17

Die Kassenärzte befürworten den Erhalt eines ein- heitlichen Leistungskataloges für die Versicherten. Dieser muß sich jedoch am medizinisch Notwendigen ausrichten und darf nicht unwirksame, unnötige, versicherungsfrem- de oder unwirtschaftliche Leistungen enthalten.

VI. Das Vergütungssystem

Leitsatz 18

Eine neue Gebührenordnung für vertragsärztliche Leistungen als Basis für eine leistungsgerechte und kal- kulierbare Vergütung sollte

– arztgruppenspezifisch aufgebaut sein, – arztgruppentypische, regelmäßig erbrachte Lei-

stungen, soweit möglich und medizinisch sinn- voll, in Leistungskomplexen zusammenfassen, – spezifische Indikationen gesondert vergüten, – Einzelleistungen für qualitätssicherbare Lei-

stungen vorsehen und

– Anreize für ein Überweisungssystem setzen.

Leitsatz 19

Durch die Vereinbarung von Regelleistungsvolu- men mit vereinbarten angemessenen Punktwerten muß die Chancengleichheit für die ambulante Versorgung ge- genüber der stationären Versorgung wiederhergestellt werden. Eine feste Ausgabenobergrenze der Krankenkas- sen für den ambulanten Bereich ist damit nicht vereinbar, auch nicht durch den Verweis auf die Beitragssatzstabi- lität, die

1. für alle Beteiligten des Gesundheitswesens gilt und

2. durch unabweisbaren Versorgungsbedarf rela- tiviert wird.

Leitsatz 20

Die Differenzierung in den Vergütungen der ver- tragsärztlichen Tätigkeit zwischen Ost und West ist an- gesichts des inzwischen erreichten Gleichstandes hin- sichtlich Umfang und Qualität der ambulanten Versor- gung nicht länger zu rechtfertigen. Die Krankenkassen haben die notwendigen Finanzmittel zur Angleichung der Vergütungsbedingungen an das Westniveau bereit- zustellen, um die ansonsten drohende Gefährdung des Versorgungsniveaus in den neuen Bundesländern abzu- wenden.

VII. Bedarfsplanung

Leitsatz 21

Die Bedarfsplanung darf nicht ausschließlich an starren Verhältniszahlen und Altersgrenzen ausgerichtet

werden, sondern muß sich am Versorgungsbedarf der Patienten orientieren. Das Eigentum des Kassenarztes an seiner Arztpraxis und das daraus abgeleitete Verfü- gungsrecht bei Praxisaufgabe ist verfassungsrechtlich geschützt und muß als wesentliches Element der Siche- rung seiner Altersversorgung als Freiberufler erhalten bleiben. Der vom Gesetzgeber der Selbstverwaltung im 2. GKV-Neuordnungsgesetz eingeräumte Spielraum zur flexiblen Weiterentwicklung der Bedarfsplanungskriteri- en muß insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer Si- cherung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung genutzt werden.

VIII. Flexible Vertragsstrukturen

Leitsatz 22

Die Kassenärzte selbst werden durch die Entwick- lung neuer Versorgungsstrukturen, die ein patientenori- entiertes Dienstleistungsangebot, bessere Kooperation und eine konsequente Patientenbegleitung sowie ein um- fassendes Qualitätsmanagement ermöglichen, ihren Bei- trag zur Zukunftssicherung des solidarisch finanzierten Gesundheitssystems leisten.

Leitsatz 23

Diese Versorgungsstrukturen dürfen nicht durch selektiv gestaltete Versorgungsangebote einzelner Krankenkassen zersplittert werden. Die Kassenärzte sehen es als ihre Verantwortung an, allen Versicherten unabhängig von der Kassenzugehörigkeit eine in der Qualität gesicherte Versorgung zukommen zu lassen.

Die obligatorische Vertragspartnerschaft und der Si- cherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigun- gen für die vertragsärztliche Versorgung sind dafür un- verzichtbar, Einkaufsmodelle der Kostenträger sind ab- zulehnen.

Leitsatz 24

Der Sicherstellungsauftrag nicht durch Sektionie- rung und Einschränkung des Kollektivvertragssystems ge- schwächter Kassenärztlicher Vereinigungen für die ver- tragsärztliche Versorgung ist unverzichtbar, wenn die Ver- antwortung der Vertragsärzte für eine ordnungsgemäße, in ihrer Qualität gesicherte ärztliche Versorgung der Versi- cherten unabhängig von ihrer Krankenkassenzugehörig- keit gewährleistet bleiben soll.

Köln, 18./19. Mai 1998

In den Leitsätzen sind die Kernaussagen des Eckpunktepapiers der KBV zusammengefaßt worden. Die Vertreterversammlung hat dar- über hinaus beschlossen, das Eckpunktepapier im Kapitel Bedarfsplanung um den Punkt 71.

zu erweitern: Trotz der wegen des begrenzten Finanzvolumens derzeit geduldeten Zulas- sungsbeschränkungen im Sinne einer notwen- digen Bedarfsplanung ist die Formulierung ei- ner Altersobergrenze zur Ausübung der kas- senärztlichen Tätigkeit grundsätzlich abzuleh- nen. Eine solche Obergrenze widerspricht der freiberuflichen Tätigkeit.

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A-1351 Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 22, 29. Mai 1998 (23)

Blicke ins

Plenum (oder in die

Zukunft?)

Alle Fotos aus Köln:

Bernhard Eifrig,

Bonn

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