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Historische Arbeiten nehmen dabei im literarischen Schaffen des Makarius einen wichtigen Platz ein

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Makarius Ibn az-Zalm als Historiker Anliegen - Arbeitsweise - Ergebnisse

Von Carsten-Michael Walbiner, Beirut

Der aus einer Aleppiner Priesterfamilie gebürtige Makarius Ibn az-Za'im, der von 1647 bis zu seinem Tode im Jahre 1672 griechisch-orthodoxer Patriarch von Antiochia mit Residenz in Damaskus war, ist ohne Zweifel der friachtbarste christlich-arabische

Autor seiner Zeit.' Sein umfangreiches Werk umfaßt Schriften aus den Gebieten

Geschichte, Hagiographie, Liturgie, Kanonistik, Dogmatik, Polemik und Geographie.^

Viele seiner Werke sind Übersetzungen aus dem Griechischen, andere hingegen

Kompilationen, fur die auch arabische Quellen benutzt wurden. Hinzu kommen noch

einige Darstellungen, die nicht auf schriftlichen Quellen beruhen, sondem in denen Makarius Selbsterlebtes tmd -gehörtes reflektierte. Historische Arbeiten nehmen dabei im literarischen Schaffen des Makarius einen wichtigen Platz ein. Neben den Überset¬

zungen ganzer Historienwerke aus dem Griechischen findet sich vor allem in seinen

umfangreichen Miszellensammlimgen, die typisch für sein kompilatorisches Schaffen sind, weiteres Material mit historischen Bezügen: kleineren isolierten Fragmenten - Übersetzungen aus dem Griechischen, Auszügen aus christlich-arabischen Historikem

und Ergebnissen eigener Recherchen - stehen größere Abhandlungen gegenüber, in

denen Makarius seine Erkenntnisse zu zusammenfassenden Darstellungen verbindet.^

In erster Linie ist hier seine Geschichte der Patriarchen von Antiochia zu erwähnen, als deren Quellen Makarius die Arbeiten sowohl griechischer als auch christlich-arabi¬

scher Autoren angibt."

Das literarische Erbe des Makarius ist in etlichen Dutzend Handschriften, damnter

' Zum Leben des Makarius, der Ende des 16. Jh.s in Aleppo geboren wurde (das genaue Geburtsdatum ist unbekannt), s. C.-M. WALBINER: Die Mitteilungen des griechisch-orthodoxen Patriarchen Makarius Ibn az-Za'im von Antiochia (1647-1672) über Georgien nach dem arabischen Autograph von St.

Petersburg. Diss. Leipzig 1994, S. 8 ff. und die dort angegebene Literatur. Für einen kiu-zen biographi¬

schen Überblick vgl. G. Graf: Geschichte der christlichen arabischen Literatur. 3. Bd.: Die Schriftstel¬

ler von der Mitte des 15. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Melchiten, Maroniten. Cittä del Vaticano 1949, S. 94 ff und J. NaSRALLAH: Histoire du mouvement litteraire dans l'Eglise melchite du Ve au XXe siecle. Vol. IV: Periode Ottomane 1516-1900. Tome 1: 1516-1724. Louvain 1979, S. 88 f

^ Eine detaillierte Auflistung und Untersuchung der Werke des Makarius bietet Nasralläh: op. cit., S.

89 ff Vgl. auch Graf: op. cit., S. 97 ff und Walbiner: op. cit., S. 29 ff

' Eine Übersicht über die historischen Arbeiten des Makarius in Nasralläh: op. cit. (Anm. 1), S. 90 ff Vgl. auch DERS.: L'CEuvre historique du patriarche d'Antioche Macaire III Za'Tm. In: BEO 25 (1972), S. 191-202.

" Asämi batärikat Antäkiya min Butrus ar-rasül ilä l-än. In: Hs. St. Petersburg, Institute for Oriental Studies B 1227, S. 123-190; eine Übersicht über die verwendeten Quellen gibt Makarius S. 123.

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auch einigen Autographen, überliefert und fmdet sich heute sowohl im Nahen Osten zwischen Bagdad und Kairo verstreut als auch in einigen Bibliotheken Eiu-opas wie in St. Petersburg, London, Rom, Leipzig imd anderswo.*

Makarius genoß die recht dürftige Bildung des orthodoxen Klerus seiner Zeit, die

sich im wesentlichen auf das Studium und Kopieren einiger Handschriften, meist

liturgischen bzw. erbaulichen Inhalts, beschränkte.* Der junge Priester Yühannä - so der Taufiiame des Makarius - genoß jedoch den Vorzug, zum Gefolge des aufgeklärten

und gebildeten Metropoliten Meletius Karma (Metropolit von 1612-1634) in Aleppo

zu gehören. Karma bemühte sich sehr um eine geistige Wiederbelebung in seiner

Diözese und wußte einen ICreis von Schülem um sich zu scharen, von denen später

weitere geistige Aktivitäten ausgingen. Der produktivste dieser Schüler sollte Makarius Ibn az-Za'Im werden.'

Schon seit seiner Jugend interessierte sich Makarius, wie er selbst sagt, für die Lektüre der "heiligen Bücher", womnter er durchaus auch Schriften historischen Inhalts verstand.' Sein besonderes Interesse galt der Geschichte des Patriarchats von Antiochia.

1635 wurde Makarius (als Meletius) zum Metropoliten von Aleppo geweiht. Über

eine anschließende Visitationsreise durch seinen neuen Amtsbezirk heißt es im Kitäb an-Nahla:

"Nach dem Dahinscheiden meines Lehrers Karma bereiste ich, der arme Makarius, unsere gesamte Diözese, und ich suchte und forschte nach allem, was es von den heiligen Büchem in ihr gab, wegen meiner großen Liebe dafür."'

Auch die ersten umfangreicheren literarischen Aktivitäten des Makarius fallen in

die Zeit seines Metropolitats über Aleppo (1635-1647). Makarius ging daran, die

Legenden der Heiligen des antiochenischen Patriarchats zusammenzufassen. Ver¬

schiedentlich berichtet er, welche Mühen er untemahm, die entsprechenden Informa¬

tionen zu erlangen. So heißt es in oben erwähntem Vorwort zu einer anderen Samm¬

lung von Heiligenviten'":

"Ich schickte damals nach Damaskus und seinen Gegenden und zu allen Erzpriestem, die

* Vgl. Graf; op. cit. (Anm. 1), S. 98 ff und Nasrallah; op. cit. (Anm. 1), S. 90 ff

' Zur Bildung des orthodoxen Klems im 17. Jh. s. QustaniIn al-BASA; Tärih tä'ifat ar-rüm al-maliläya wa-r-ruhbäniya al-muhallisiya. al-Qism al-awwal. Saida 1938, S. 17 ff u. 30 ff

' Zu Karma, der 1634/35 als Euthymius Patriarch von Antiochia war, s. Graf; op. cit. (Anm. 1), S. 91 ff, Nasralläh; op. ci7.(Anm. 1), S. 70 ff und NAOfItOs IdlibI [Neophytos Edelby]; Asäqifat ar- rüm al-maliidym bi-Halab fi l-'asr al-hadlt. Aleppo 1983, S. 3 Iff

' S. das Vorwort des Makarius zu seinem Kitäb qisas wa-siyar wa-ahbär ba'd ar-rusul wa-s-suhadä' wa- l-qiddisät wa-l-abrär, veröffentlicht von LEONTIUS KiLZl. In; al-Masarra 25 (1939), S. 619 ff; hier S.

620. Eine ähnliche Bemerkung ("denn ich bin ein das Lesen und das Untersuchen der Bücher Liebender seit meiner Jugend") findet sich in Hs. St. Petersburg, Institute for Oriental Studies B 1227, S. 189.

' Hs. Beirut, Bibliotheque Orientale 1343, fol. 28a.

S. Anm. 8.

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Makarius Ibn az-Za"im als Historiker 157

es in unserem Lande gibt, und den Vorstehern der Klöster und zu den Priestem der Dörfer und bewegte sie dazu, nach den Nachrichten der Heiligen zu forschen, die bei ihnen und in ihren Gegenden vorhanden sind und [Nachricht] zu schicken, [um] mich über sie zu unterrichten. Und sie machten es so und schickten eine Abschrift von allem, was es bei ihnen an den Nachrichten der Heiligen und anderem gibt. [...] Und ich fand im wohlbe¬

festigten Saidnäyä ein sehr altes Buch. [...] Auch fand ich im Dorf Qatina, das in der Gegend von Homs ist, ein sehr altes Buch, das geschrieben wurde, als Antiochia in der Hand der Christen war. [...] Wir kopierten es nebst anderen der oben erwähnten Nach¬

richten. Wir ließen sie alle abschreiben und stifteten sie dem Metropolitat [von Alep- po].""

Makarius regte aber auch andere zur Beschäftigung mit historischen Werken an. So übertmg er Yüsuf al-Musauwir, der ebenfalls zum Gefolge des Meletius Karma gehört hatte, in Zusammenarbeit mit seinem Sohn Paul die Übersetzung einer griechischen Weltgeschichte ins Arabische, ein Unterfangen, zu dem Makarius nach eigenen Worten die Zeit fehlte.'^ Auch nach seiner Wahl zum Patriarchen im Jahre 1647 setzte Maka¬

rius seine Nachforschungen fort. So schickte er seinen Sohn Paul gar nach Jemsalem,

um nach zwei griechischen Manuskripten zu suchen.'^ Am Ende seiner Geschichte der

Patriarchen von Antiochia heißt es:

"Als ich in Damaskus Patriarch geworden war, untersuchte und durchforschte ich die Bücher der patriarchalischen Residenz, um zu sehen, ob es darin Namen und Nachrichten der Patriarchen von Antiochia gibt. [...] Und als ich zu Beginn meines Patriarchats unsere gesamte Diözese bereiste, da verließ ich kein Kloster, keine Kirche und kein Dorf ehe ich [nicht] die Bücher untersucht hatte."'"

Hier wird nun eine Besonderheit der Quellenlage des christlich-arabischen literari¬

schen Erbes deutlich, die für die Bewertung der historischen Arbeiten des Makarius von nicht geringer Bedeutung ist: Die Handschriften waren sehr verstreut und wurden

hauptsächlich in den Klöstem und den Residenzen geistlicher Würdenträger aufbe¬

wahrt. Die Handschriftenkataloge einiger Klöster und Metropolitensitze im syrisch¬

libanesischen Raum verdeutlichen die Ärmlichkeit des vorhandenen Materials." Die

" Al-Masarra 25 (1939), S. 620; vgl. auch Nasrallah: op. cit. (Anm. 1), S. 99 und Graf: op. eil.

(Anm. 1), S. 104.

" V. Rosen: Notices sommaires des manuscrits arabes du Musee Asiatique. St. Petersburg 1881, S. 137.

Zur Autorschaft des Werkes und zu einigen widersprüchlichen Angaben des Makarius bezüglich der Übersetzung s. Walbiner: op. cit. (Anm. 1), S. 122 f (Anm. 81).

" S. J. Nasrallah: Notes et documents pour servir ä I'histoire du patriarcat melchite d'Antioche.

Jerusalem 1965, S. 103.

'" Hs. St. Petersburg, Institute for Oriental Studies B 1227, S. 189.

" Vgl. z.B. folgende in den letzten Jahren erschienene Kataloge: al-Mahtütät al-'arabiya fi maktabat Halab li-r-rüm al-urtuduks. Beirut 1989; al-Mahtütät al-'arabiya fi l-adira al-urtüduksiya al-antäkiya fi Lubnän. al-öuz' al-awwal. Beimt 1991; al-Mahtütät al-'arabiya fi l-adira al-urtüduksiya al-antäkiya fi Lubnan. al-öuz' al-täni. Beirut 1994; al-Mahtütät al-'arabiya fi abraSiyat Hims wa-Hamäh wa-l- Lädaqiya li-r-rüm al-urtüduks. Beimt 1994.

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Bibliotheken waren klein und beschränkten sich häufig fast ausschließlich auf liturgi¬

sche Bücher sowie einige Sammlungen von Predigten. Zudem waren die Manuskripte

oft in einem mehr als bedauernswerten Zustand.

Somit waren für das gesamte literarische Schaffen des Makarius seine beiden

großen Reisen in die "Länder der Christen" (1652 bis 1659 nach Moldawien, der Walachei, der Ukraine und Rußland sowie 1664 bis 1670 nach Georgien und Rußland) von größter Wichtigkeit, fand er doch dort etliche griechische Werke, die in seinem Paüiarchat nicht vorhanden waren und ihm ausgiebiges Material auch für seine histori¬

schen Abhandlungen boten."

Was veranlaßte nun aber Makarius zu seiner schriftstellerischen Tätigkeit? Neben dem eigenen Interesse an der Geschichte und geistigen Kultur seiner Gemeinschaft und

seiner häufig bekimdeten Liebe zu den Büchem waren es vor allem zwei Momente, die

Makarius zur Schreibfeder greifen ließen. Lassen wir ihn hier aber doch selbst zu Wort kommen. Im Vorwort zu einem seiner Werke heißt es exemplarisch:

"Und ich machte dies, so daß ich diese Mitteilungen meinen Brüdem, den Christen, zu ihrem Nutzen hinterlasse, damit sie sie lesen und sie hören und besonders, damit sie sie abschreiben, bei ihren Freunden aussäen und sie in unser ganzes Land schaffen. Dafiir wird ihnen großer Lohn sein [...] Und auch ist jeder, der sich bemüht und ein neues heiliges Buch schafft, wie einer, der eine neue Kirche baut. Und auch wer ein altes Buch repariert und dessen Beschädigung behebt und Mühe darauf verwendet, der ist wie einer, der eine Kirche repariert. Und wer so handelt, dessen Lohn ist groß im Himmelreich.""

Aber es kommt noch ein zweiter Beweggmnd für das unermüdliche Schaffen des

Patriarchen hinzu. Mitten auf dem "gewaltigen Flusse Wolga" vermerkte Makarius in einem seiner Werke, er habe dies geschrieben, "damit wir nicht untätig (hemm)sitzen und damit wir in unserer Fremde unser Land und imsere Herde und die Traurigkeit und die Sorgen vergessen, die uns umgaben"."

So boten die langen Aufenthalte in der Feme Makarius nicht nur die Gelegenheit, neue Quellen zu finden, sondem sie auch gleich in für seine Landsleute verwertbares

Wissen umzusetzen. Daß Makarius sich dieser Möglichkeit weiter Reisen durchaus

bewußt war, belegt die Tatsache, daß er offenkundig schon mit einer eigenen Reise¬

bibliothek versehen den Weg in die Feme antrat.

Auf welchen Wegen sich Makarius das Material für seine Abhandlungen beschaffte,

wurde damit dargestellt: Er durchforschte selbst alle ihm zugänglichen Bestände an

Schrifttum, gab Aufträge fur Kopien oder ließ Werke durch Mittelsmänner herbei¬

schaffen. Wie aber ging Makarius nun mit den so gewonnenen Quellen um? Gerade

" Makarius verfaßte nach eigenen Angaben während seiner ersten Reise fünf und während seiner zweiten Reise zehn Bücher, die z. T. nachgewiesen sind und sich aufgrund erhaltener Kolophone auch örtlich zuordnen lassen. Vgl. Walbiner: op. cit. (Anm. 1), S. 29 ff.

" Al-Masanra 25 (1939), S. 689 f ; vgl. Anm. 8.

'* Ms. Hims, Griechisch-orthodoxes Metropolitat Nr. 27, fol. 50a.

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Makarius Ibn az-Za'Im als Historiker 159

von modemen Autoren, die sich selbst oft genug des Makarius als Quelle bedienten,

ohne die betreffenden Belegstellen exakt nachzuweisen, wurde häufig der Vorwurf

erhoben, Makarius sei sehr leichtfertig tmd tmkritisch mit seinen Quellen umgegangen, habe Daten und Fakten bedauerlicherweise imerwähnt gelassen, einer "kritischen Sonde" ermangelt usw. usf" Eine nähere Betrachtung der historischen Arbeiten des Makarius und insbesondere seiner Arbeitsweise erlaubt es aber nicht, diese Vorwürfe in ihrer absoluten Bestimmtheit aufrechtzuerhalten. Makarius war stets bemüht, eine -

seinen Kenntnissen imd Möglichkeiten entsprechende - umfassende und genaue

Information über einen Gegenstand zu geben. Dies sei im folgenden an einigen Bei¬

spielen verdeutlicht: Durch seinen Lehrer Karma war sein Interesse auf ein Buch

namens al-Häwi al-kabir gelenkt worden, das "in unserem ganzen Lande berühmt ist".^" Dem Karma gefiel dieses Buch so sehr, daß er es selbst kopierte. Allerdings konnte er den Verfassemamen nicht ausfindig machen und schrieb das Werk "einem

der Mönche, die auf dem Schwarzen Berge leben", zu. Makarius fand dann später

heraus, daß der Autor der Mönch Nikon ist, "der im Kloster des Simeon Stylites lebte,

das sich auf dem wunderbaren Berge befindet", und daß Nikon das Buch im Jahre

1071 beendet hatte.^'

Ein anderes Beispiel verdeutlicht den durchaus kritischen Umgang des Makarius

mit historischen Fakten. In seiner Patriarchengeschichte berichtet Makarius unter

Bemfung auf den byzantinischen Historiker Kedrenos in der Biographie des Patriar¬

chen Petms III. (11. Jh.), daß die georgische Kirche unter diesem Pafriarchen ihre Autokephalie erlangt habe. Makarius fugt dann aber hinzu: "Als wir bei den Georgiem waren, da sahen wir in ihren Büchem, daß diese Sache Theophylaktus aus Edessa, der Patriarch von Antiochia, machte."^^ Dieses neu erworbene Wissen fügte er darm auch

" Vgl. z. B. Graf: op. cit. (Anm. 1), S. 105, Anm. 1 (die erwähnte Glosse fmdet sich auf fol. 33a) oder J. Nasrallah: Histoire du Mouvement litteraire dans l'Eglise Melchite du Ve au XXe siecle. Vol. III, t. 2..- Domination Mameluke 1250-1516. Louvain 1981, S. 52, Anm. 76 (die Angabe entstammt dem Vorwort des Makarius zu seinem Kitäb an-Nahla, s. HabIb az-ZaiyAT: ffazä'in al-kutubß Dimasq wa- dawähihä. Kairo 1902, S. 150).

So heißt es bei Graf: op. cit. (Anm. 1), S. 96 über das literarische Schaffen des Makarius: "Ohne einen Versuch historischer Kritik unteriäuft ihm dabei manches, was den Wert eines Kuriositäten¬

kabinetts nicht übersteigt." Nasrallah: op. cit. (Anm. 1), S. 98, äußert sich ganz ähnlich: " [...] il ne fit aucune oeuvre de eritique".

" Hs. Beirut, Bibliothöque Orientale 1343, fol. 28a^; vgl. die etwas abweichende Version in Hs. Halle, Deutsche Morgenländische Gesellschafl ar. 126, S. 117 f Zu Nikon und den Übersetzungen seiner Werke ins Arabische s. J. Nasrallah: Histoire du mouvement litteraire dans t 'Eglise melchite du Ve au XXe siecle. Vol. III, t. 1: (969-1250). Louvain 1983, S. 110 ff An anderer Stelle gibt Makarius an, Nikon sei Vorsteher des Klosters von Simeon dem Wundertäter gewesen (Hs. St. Petersburg, Institute for Oriental Studies B 1227, S. 172; s. Walbiner: op. cit. (Anm. 1), S. 252, § 40; s. a. AZ-Zaiyät: op.

cit. (Anm. 19), S. 150. Zur Konfusion in der Literatur über die Wirkungsstätten des Nikon s. Nasr¬

allah, op. cit., S. 112.

" Hs. St. Petersburg, Instimte for Oriental Smdies B 1227, S. 178; vgl. Walbiner: op. cit. (Anm. 1), S. 255, § 5.

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der Biographie des nämlichen Theophylaküis als Randglosse bei,^' und auch in späte¬

ren Darstellungen zu Georgien fuhrt Makarius dann diese Variante an, die er offen¬

kundig fur glaubwürdiger hielt als die Mitteilung des Kedrenos.^''

Makarius war sich im übrigen des Problems von Widersprüchen und Mängeln in

den verschiedenen Quellen sehr wohl bewußt. Davon zeugt eine längere Bemerkung

im Londoner Autograph. Makarius belehrt den Leser darüber, daß die meisten Histori¬

ker und Annalisten bezüglich der Daten bzw. Orts-, Länder- und Personennamen nicht übereinstimmen, was aber nicht den Verfassem anzulasten sei, die sich nach Möglich¬

keit um die korrekten Angaben bemüht hätten. Makarius räumt weiter ein, daß sich

auch bei ihm Fehler und Nachlässigkeiten finden können. Er bittet den Leser um

Nachsicht und fordert ihn gleichzeitig auf, die notwendigen Korrekturen vorzunehmen, ohne jedoch den Sinn zu verfalschen."

Es gilt also immer zu beachten, welche Quellen Makarius bei seinen Studien zur

Verfügung standen. Des weiteren darf bei einer heutigen Wertung der Ergebnisse des

literarischen Schaffens des Makarius aber auch der Charakter seiner eigenen Werke

nicht außer acht gelassen werden: Gerade die Miszellensammlungen, in denen ein

Großteil des historischen Materials enthalten ist, sind nichts anderes als Notizbücher, in die Makarius eintmg, was ihm zu einem gegebenen Zeitpunkt als wichtig erschien.^*

So stehen belanglose Bemerkungen neben größeren Abhandlungen, die - zumindest

teilweise - von Vorlagen in die Sammlungen übertragen wurden. Wichtig ist aber auch

herauszustellen, daß Makarius seine Sammlungen aus Zeitgründen nicht selbst noch

einmal einer Überarbeitung unterziehen kormte, auch wenn dies gewiß in dem ein oder anderen Fall geplant war. Zudem waren seine Werke ja auch nicht wie bei den zeitge¬

nössischen abendländischen Autoren zum Dmck vorgesehen. Die Angaben zu den von

ihm genutzten Quellen sind häufig mangelhaft. Oft fehlt ein Verweis auf die Quelle völlig oder erfolgt vage in der Art: "Dies sagte der Gelehrte N. N. in seinem berühmten Geschichtsbuch" o.ä. Bisweilen sind die Angaben aber auch sehr genau bis hin ziu

Neimung des Abschnittes eines Werkes, aus dem geschöpft wurde.

Makarius besaß auf bestimmten Gebieten - so z.B. der östlichen Kirchengeschichte

- durchaus einen umfassenden Überblick über die Quellen und war sich auch der

Problematik des Quellenbefunds bewußt. Im Kitäb an-Nahla gibt er z.B. einen sehr

interessanten Überblick über die wichtigsten griechischen, byzantinischen und

christlich-arabischen Kirchenhistoriker, deren Schriften Makarius dann auch für seine

Darstellungen zur Geschichte der Patriarchen von Antiochia heranzog. Den Nieder-

" Hs. Sl Petersburg, Institute for Oriental Studies B 1227, S. 158; vgl. Walbiner: op. cit. (Anm. 1), S. 248.

" Vgl. z.B. Hs. St. Petersburg, Institute for Oriental Studies B 1227, S. 171 bzw. 192; vgl. Walbiner:

op. cit (Anm. 1)., S. 251, § 29 ff bzw. 146, § 21 ff

" Hs. London, British Museum Add. 9965, fol. 167a.

" Vgl. I. J. KraCkovskij: Izbrannije Soöinenija. Tom 4. Moskau u. Leningrad 1957, S. 687.

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Makarius Ibn az-Za'Im als Historiker 161

gang der christlich-arabischen Historiographie ab dem 12. Jh. beklagt Makarius darin mit folgenden Worten:

"Denn die Christen waren damals in den meisten Ländem in Bedrängnissen und Wider¬

wärtigkeiten seitens ihrer Herrscher, und so ließen sie ab vom Schreiben der Kirchen- und Patriarchengeschichten. Deshalb sind viele der Patriarchen von Antiochia, die nach [dem Jahre] 1098 der göttlichen Fleischwerdung [Patriarchen] wurden, imseren Blicken verbor¬

gen. Und wir schrieben hier [nieder], was wir nach Mühe und Durchforschung vieler Bücher in arabischer, griechischer und fränkischer Sprache gefimden haben, denn über die Geschichte der Patriarchen von Antiochia fanden wir in unserer Sprache keine zusam¬

menhängende Auflistung. Das meiste davon entnahmen wir aus den griechischen und fränkischen Büchem."^'

Wenn Makarius nun auch in seinen Arbeitsmethoden nichts generell Neues ein¬

führte - was ihm angesichts der eigenen ungenügenden wissenschaftlichen Bildung

und vor allem aufgrund des dürftigen Quellenmaterials ja auch gar nicht möglich

gewesen wäre - so zeichnete er sich doch durch ein großes Bemühen um Exaktheit und

Faktentreue aus. Er versuchte, alle ihm erreichbaren Quellen heranzuziehen, und

scheute sich auch nicht, in Zweifelsfallen - insbesondere bei Übersetzungen - "die darum Wissenden zu fragen".

Bliebe mm noch die Frage zu beantworten, welchen Wert die historischen Arbeiten des Makarius haben. Am ehesten kaim hier sicherlich eine Antwort gefunden werden,

wenn man Makarius mit seinen europäischen Zeitgenossen vergleicht, die auf ähnli¬

chen Gebieten arbeiteten wie er. Für die Patriarchengeschichte des Makarius, sein

zweifelsohne wichtigstes historisches Werk, bietet sich ein Vergleich mit der Dar¬

stellung des antiochenischen Patriarchats in Oriens christianus an, jenem monumenta¬

len, 1740 posthum in Paris erschienenen Werk des Dominikaners Michel Le Quien.

Natürlich ist Le Quien durch seine Bildung, vor allem aber seinen ungleich besseren Quellenzugang Makarius in der Kenntnis der friihen griechischen Kirchenhistoriker,

von Konzilsakten und kirchlichen Dokumenten, insbesondere aber der jüngeren

abendländischen Autoren weit überlegen, was sich dann vor allem in der Schilderung der Zeit bis zum 12. Jh. niederschlägt. Allerdings weiß auch Makarius über diese Phase Einzelheiten zu berichten, die Le Quien unbekannt waren. Über die Zeit ab dem 14. Jh.

besitzt dann Makarius häufig die besseren Detailkenntnisse. Dies sei kurz an einem Beispiel verdeutlicht.

Über den Patriarchen Michael IL, von dem Le Quien lediglich zu berichten weiß,

daß dieser um das Jahr 1401 Pafriarch von Antiochia war,^' schreibt Makarius

" Hs. Beimt, Bibliotheque Orientale 1343, fol. 18a.

^* Zu Le Quien und seinem Werk s. J. M. FlEY: Pour un Oriens Christianus Novus. Beimt 1993 (BTS.

49.), S. 9 f

" M. Le Quien: Oriens Christianus. Tomus Secundus. Paris 1740, col. 768.

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folgendes:

"Und 16 Tage nach dem Tode des erwähnten Nilus wurde Michael, der Sohn Michaels des Metropoliten von Bosra, ich meine [damit] Haurän, Patriarch über Antiochia, am siebten Tage des Monats Februar, am Sonntag des verlorenen Sohnes im Jahre 6903 der Welt [1394 A.D.]. Dies war sechs Jahre weniger einen Monat nach dem Tod seines Vaters Michael, des Metropoliten von Bosra, und 21 '/j Jahre nach dem Tod seines Onkels väterlicherseits, des oben erwähnten Patriarchen Michael des Ersten. Und dieser Patriarch [d.h. Michael IL] ist der Schreiber dieser Nachrichten mit eigener Hand, und sie sind

vorhanden im Patriarchat von Damaskus. Und in seinen Tagen kam Tamerlan nach

Damaskus, und er erwähnte, daß seine Meßgewänder, das Kirchengerät und sein Ver¬

mögen geraubt wurden. Und deshalb flüchtete er im Jahre 803 der Hidschra [Aug. 1400 bis Aug. 1401 A.D.] nach Zypem. Dies schrieb er am 9. August des Jahres 6912 der Welt [1403 A.D.]. Wir übertrugen diese Daten aus einer alten Kopie von seiner Hand, wie wir dies erwähnten. Sie wurde später in einer anderen Schrift (weiter)geschrieben, die von ihm erwähnt, daß er am 8. April starb [{1404}]. Er blieb im Patriarchat neun Jahre. Ich fand am Ende einer alten Sammlimg von Schriftstücken im wohlbefestigten Muhardah eine Stiftungsurkimde in der Schrift dieses Verstorbenen, des Patriarchen Michael, deren Datum der erste Dezember des Jahres 6905 der Welt [1397 A.D.] ist. Und dieser ist Michael der Zweite."-"'

Diese Stelle ist nun nicht nur aufschlußreich, weil sie Daten und Details zum Leben des Patriarchen Michael bietet , sondem weil abermals die akribische Spurensuche des

Makarius und sein Bemühen um eine genaue Information seiner Leser deutlich wer¬

den. Und daß dieses Bemühen nicht völlig vergeblich war, belegt allein die Tatsache,

daß sich JOSEPH NASRALLAH trotz seiner generellen Kritik am historischen Werk des

Makarius in seinen beiden Chronologien der Patriarchen von Antiochia' ' im wesentli¬

chen auf die Angaben des Makarius stützt, die für den Zeitraum von 1250 bis 1634

häufig die wichtigste und nicht selten gar die einzige Quelle für den Kirchenhistoriker auf diesem Gebiet bilden.

Nun galt das historische Interesse des Makarius nicht nur den griechisch-orthodoxen Christen seines Sprengeis, sondem auch den anderen alten Patriarchaten Konstantino¬

pel, Jemsalem und Alexandria sowie den Glaubensbrüdem in Rußland, in Georgien

und auf dem Balkan. Auch aus der Beschäftigung mit der Geschichte dieser nichtarabi¬

schen Christen sind einige sehr interessante und für die Geschichtsschreibung dieser Völker z. T. sehr wichtige Arbeiten hervorgegangen,'^ von denen einige noch immer

" Hs. St. Petersburg, Institate for Oriental Studies B 1227, S. 181 f

" J. Nasrallah: Chronologie des Patriarches Melchites d'Antioche de 1250 ä 1500. Jerusalem 1968 und ders.: Chronologie des Patriarches Melchites d'Antioche de 1500 ä 1634. [Jerusalem 1959],

" Als Beispiele sei aufdie Mitteilungen des Makarius über Georgien (s. Walbiner: op. cit. [Anm. 1]) sowie auf seine unlängst edierte Geschichte der Walachei verwiesen (I. Feodorof: La Chronique de Valachie [1292-1664] - Texte arabe du Patriarche Macaire Wim. - Introduction, edition du texte arabe et traduction Jranfaise. In: MUSJ 52 [1991-1992]. Beirut 1995, S. 1-71).

(9)

Makarius Ibn az-Za'Im als Historiker 163

einer Bearbeitung harren.

Eine genauere Betrachtimg der historischen Arbeiten des Makarius und seiner

Arbeitsweise macht also deutlich, daß die pauschalen Vorwürfe von Georg Graf,

Joseph Nasrallah und anderen, die Makarius jegliche Kritikfähigkeit ab- und seinem

historischen Werk damit nur einen begrenzten Wert zusprechen, unhaltbar sind.

Vielmehr erscheint jenes positive Urteil als vollauf gerechtfertigt, das der berühmte

russische Orientalist IGNATIJ JuLiANOWiTSCH Kratschkowski über Makarius und

dessen Sohn Paul fällte, der in ihnen "rege Menschen [...] mit einem vitalen Interesse an der literarischen Aufklärung derer, die Arabisch lesen koimten", sah, "wofür sie die dankbare Erinnerung ihrer Landsleute verdienen",'' und - möchte ich abschließend hinzufugen - ein stärkeres Interesse der orientalistischen Gelehrtenwelt.

" KraCkovskij: op. cit. (Anm. 26), S. 704 f.

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Fachgruppe Arabistik

Leitung: Dieter Bellmann (Leipzig)

Folgende Vorträge wurden in der Fachgruppe gehalten:

Arne A. Ambros (Wien): Arabisch kontra Nabatäisch. Überlegungen zur Prähistorie des Prestige der 'Arabiya.

Bachem El-Ayoubi (Erlangen): Die syntaktischen Verhältnisse des Arabischen, 100 Jahre nach Reckendorf.

Stefan Weninger (München): Die Nominalform ^ufülatun in der arabischen Wortbildung.

Zafer Youssef (Erlangen): Über arabische Nominalformen, die nicht bei Sibawaih Erwäh¬

nung finden.

Otto Jastrow (Erlangen): Zur Position des Uzbekistan-Arabischen.

Werner Arnold (Heidelberg): Die arabischen Dialekte der Stadt Antakya.

Ingelore Goldmann (Leipzig): Der Einsatz von Medien in der Arabischausbildung -

Begegnung mit Sprache und Sprechem der anderen Kultur.

Sabine Wittig (Berlin): Ausdmcksmittel für Sprechereinstellungen beim Masdar.

Gerhard Wedel (Berlin): Neue Tendenzen in der EDV für die Arabistik.

Michael Langer (Leipzig): Zur Konditionalrelation: hypothetische, potentielle tmd irreale Konditionalsätze im Modemen Hocharabisch?

Kathrin Müller (München): "Da war ihm, als müsse er fliegen vor Freuden". Über einen bildhaften Ausdmck in 1001 Nacht und verwandten Texten.

Renate Würsch (Basel): Eine Wundergeschichte über die Entstehung der Maus.

Olga Frolova (St. Petersburg): Ausdmcksvolle Besonderheiten des poetischen Vokabulars der arabischen Gesangslyrik.

Dagmar Glass (Leipzig): Der Missionar Comelius van Dyck (1818-1895) als Lehrbuchautor und Förderer des arabischen Wissenschaftsjoumalismus.

Kristina Stock (Leipzig): Emotionalisierung und Manipuliemng in Reden arabischer Staatsmänner.

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