• Keine Ergebnisse gefunden

Psychotherapie per Internet

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Psychotherapie per Internet"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

1066

ARS MEDICI 25/26 2010 S T U D I E R E F E R I E R T

Die kognitive Verhaltenstherapie ge hört zu den etablierten The - rapien bei Angststörungen und Depressionen. Offenbar funktio- niert sie auch, wenn Therapeut und Patient über das Internet und nicht von Angesicht zu Ange- sicht in Kontakt treten.

P LO S O N E

Angststörungen und Depressionen sind häufig, aber niemand weiss, wie viele Be- troffene deswegen tatsächlich zum Arzt gehen. Man schätzt, dass nur jeder Zweite einen Arzt aufsucht und gar nur jeder Vierte adäquat behandelt wird. Überdies scheint sich die Wirksamkeit von Medi- kamenten wie SSRI eher auf die schwe- reren Fälle zu beschränken, und die Durchführung kognitiver Verhaltensthe- rapien wird durch die Anzahl dafür qua- lifizierter Ärzte und Psychothera peuten limiert. Seit einigen Jahren gibt es inter- netgestützte Programme für kognitive Ver - haltenstherapien. Sie scheinen der klassi- schen Psychotherapie ebenbürtig zu sein.

In einer Metaanalyse ging man der Frage nach, wie es um die Wirksamkeit und Akzeptanz der kognitiven Verhaltens- therapie via Internet bei Personen mit Angststörungen und Depressionen be-

stellt ist, und zwar bei schwerer Depres- sion, Panikstörung, Sozialphobie oder generalisierter Angststörung. Die Auto- ren werteten 22 Studien aus 7 Ländern im englischen Sprachraum aus, in denen eine internetgestützte kognitive Verhal- tenstherapie mit einer Kontrolle vergli- chen wurde (meist Patienten auf der Warteliste). In jeweils sechs Studien ging es um schwere Depression oder Panik- störungen, in acht um Sozialphobien und in zwei Studien um generalisierte Angststörung. Die internetgestützte ko- gnitive Verhaltenstherapie umfasste in der Regel fünf bis neun «Sitzungen» mit

«Hausaufgaben». Die einzelnen Studien umfassten 23 bis 297 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Insgesamt liegen der Metaanalyse die Daten von 1746 Perso- nen zugrunde. Bei 14 Studien erfolgte nach der Therapie ein Follow-up, zwi- schen 4 und 52 Wochen dauerte.

Resultate

Die kognitive Verhaltenstherapie via In- ternet erwies sich als wirksam. Die mitt- lere Effektgrösse betrug 0,88 (eine Ef- fektgrösse ab 0,5 gilt als mittel, ab 0,8 als hoch). Mit einer mittleren «number nee- ded to treat» (NNT) von 2,13 ist davon auszugehen, dass jeder zweite Patient von der Therapie profitieren kann. Die Erfolgsquoten (Effektgrösse/NNT) waren bei den hier untersuchten verschiedenen psychischen Erkrankungen etwa gleich hoch: schwere Depression (0,78; NNT=

2,39), Sozialphobie (0,92; NNT=2,07), Panik (0,83; NNT=2,26), generalisierte Angststörung (1,12; NNT = 1,75). In fünf Studien wurde die internetgestützte The - rapie mit der klassischen Angesicht- zu-Angesicht-Therapie verglichen. Beide Formen erwiesen sich als gleich wirk- sam. Bei den 14 Studien mit einem Follow-up (4 bis 52 Wochen) ergaben sich keine Hinweise auf Rückfälle.

Die Therapietreue und Zufriedenheit der meisten Patienten war hoch. In den zehn Studien, in denen diese Para meter erfasst wurden, sagten im Mittel 86 Pro- zent der Teilnehmer, dass sie mit der internetgestützten Therapie zufrieden oder sehr zufrieden gewesen seien. Be- sonders geschätzt wurde, dass die Sit- zungen relativ orts- und zeitunabhängig absolviert werden konnten. Etwa 80 Pro- zent der Teilnehmerinnen und Teilneh- mer nahmen an allen Internetsitzungen des jeweiligen Programms teil.

Schlussfolgerungen

Da die meisten der Studienteilnehmer nicht von Ärzten zugewiesen wurden, sondern sich aufgrund von Inseraten freiwillig meldeten, ist fraglich, ob dieses Kollektiv repräsentativ für Patienten mit den oben genannten psychischen Erkran - kungen ist. Man wisse jedoch aus ande- ren Studien, dass sich die Patienten in

Psychotherapie per Internet

Eine Option bei Angststörungen und Depressionen

Eine kopernikanische Wende der Psychotherapie?

In den letzten Jahren mehren sich die positiven Befunde über die ebenbürtigen Erfolge der Inter- net-Verhaltenstherapien, wie im nebenstehen- den Artikel berichtet wird. Manche interpretieren das als eine kopernikanische Wende der Psycho- therapie: Braucht es den unmittelbaren persön- lichen Kontakt mitsamt der nonverbalen Inter - aktion gar nicht, von dem die Psychotherapie bisher ausging? Die therapeutische Beziehung schien nur denkbar zu sein, wenn man sich wirk- lich unmittelbar traf. Die Meta analyse von An- drews und Kollegen weist darauf hin, dass diese Annahme nicht länger verabsolutiert werden kann. Es funktioniert auch über strukturierte Interaktionen im Internet.

Wichtig aus meiner Sicht, seit Jahren selbst auf diesem Gebiet tätig, ist Folgendes: Die Er- folgsmeldungen betreffen einige psychische Stö- rungsbilder, nicht alle. Bisher ging es um Angst-

K O M M E N T A R

Prof. Dr. Dr. Andreas Maercker, Zürich

Merksatz

Die kognitive Verhaltenstherapie via

Internet ist eine der klassischen Psycho-

therapie ebenbürtige Option.

(2)

internetgestützten Psychotherapiepro- gram men bezüglich Krankheitsgrad, Vor- geschichte und Medikation nicht von den- jenigen in der klassischen Psychothera- pie unterschieden, und insofern dürfe man annehmen, dass die Teilnehmer die ser 22 Studien dem allgemeinen klinischen Kollektiv entsprachen, argumentieren die Autoren. Die guten therapeutischen Erfolge und die Patienten zufriedenheit sprächen aber in jedem Fall dafür, dass die internetgestütze kognitive Verhaltens- therapie eine annehmbare und prakti - kable Option sei, um Patienten zu errei- chen, die andernfalls womöglich gar keine Therapie erhalten würden. Renate Bonifer Andrews G et al.: Computer Therapy for the Anxiety and Depres - sive Disorders Is Effective, Acceptable and Practical Health Care: A Meta-Analysis. PLoS ONE 2010; 5(10): e13196. doi: 10.1371/

journal.pone.0013196

Interessenlage: Die Metaanalyse wurde vom Australian National Health and Medical Research Council finanziert.

störungen, Depressionen — und Psychotraumen.

Andere Störungen, bei denen zwi schen mensch - liche Probleme im Vordergrund stehen, wie Per- sönlichkeits- oder Partnerschaftsstörungen, sind nicht für Online-Therapien geeignet. Es geht auch nicht um alle Formen von Psychotherapien: Wer als Therapeut auf Gespräche und innere Klärung beim Patienten abzielt, sollte diese Form nicht wählen. Es hat sich gezeigt, dass E-Mail-Brief- wechsel-«Therapien», in denen unstrukturiert von einem Thema zum anderen gewechselt wird, keine oder eine ganz geringe therapeutische Wir- kung haben. Von daher eignen sich die an sich schon hoch strukturierten kogni tiven Verhal- tenstherapien naturgemäss für Internet-Psy - chotherapien.

Insgesamt muss man resümieren: Ja, an der ko- pernikanischen Wende der Psychotherapie, weg von der unmittelbaren menschlichen Begegnung, ist etwas dran. Allerdings nur für Teilbereiche und nur für bestimmte thera peutische Techniken. Pa- tienten mit Problemen des Zugangs zur Psycho- therapie, unter anderem Schwellen- und Stigma- tisierungsängsten, verdanken diesen neuen zu- sätzlichen Angeboten bereits heute schon viel.

Jetzt müssen nur noch die Krankenversicherer, wie in anderen euro päischen Ländern, dies auch

noch aner kennen. ■

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die Länder können in ihren Kran- kenhausgesetzen sogar den Grundsatz verankern, daß öf- fentliche Krankenhäuser nur dann betrieben werden sollen, wenn eine bedarfsgerechte

Ältere Patienten weisen eine höhere Weiterempfehlungsbereit- schaft (WEB) sowohl für die chirurgi- schen als auch für die internistischen Fachabteilungen auf als jüngere Pati-

Doch plötzlich wurde die Türe zum Müllraum aufgestoßen und ein kleines Mädchen kam 

Das Gan_e sieht eine Ente und freundet sich mit dieser Gan_ an, weil auch sie – die Ente – gan_ alleine ist.. Und so sind alle im Großen und Gan_en

Lassen Sie sich – bevor Sie eine detaillierte Offerte verlangen – eine erste Vorgehensempfehlung mit einer groben Kosten- schätzung zusammenstellen.. So können Sie das Kälteprojekt

Eine überstandene Krebserkrankung, die im Regelfall für fünf Jahre eine Anerkennung als Schwerbehinderte/r nach sich zieht, müsste nur angegeben werden, wenn zum Beispiel

Die Sorge, durch die Spezialisierung nur noch in bestimmten Berei- chen arbeiten zu können, ist in der Regel unbe- gründet, denn die Einsatzmöglichkeiten einer PTA beziehen sich

Auch in diesem Beitrag geht es um positive und negative Gefühle: Ihre Schülerinnen und Schüler lernen dabei, über ihr Befinden zu sprechen und sich über ihre Gefühle