17. Jahrestagung, 18.– 20. Oktober 2016, LLA Triesdorf
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Zwischenmelkzeiten in AMS - Zu kurz - zu lang?
Jan Harms
Institut für Landtechnik und Tierhaltung der LfL Prof.- Dürrwaechter-Platz 2, 85586 Poing-Grub
Hintergrund, Stand des Wissens
Automatisches Melken bedeutet i.d.R., dass die zu melkenden Tiere die Melkbox letztendlich freiwillig aufsuchen. In diesem Zusammenhang stehen seitens der Landwirte, aber auch der Firmen und der Beratung die „überfälligen“ und damit nachzutreibenden Tiere im Fokus.
Diese Tiere zu reduzieren, ist ein wichtiges Ziel in der Diskussion um den Tierumtrieb, aber auch um die Einstellungen im Managementprogramm. Aufgrund der Freiwilligkeit des Mel- kens wird dabei i.d.R. eine kürzere Zwischenmelkzeit eingestellt, als eigentlich erzielt werden soll. Für den Landwirt ist es jedoch in den Managementprogrammen nur schwer auswertbar, bei welchen Zwischenmelkzeiten und Gemelksmengen seine Herde oder ein bestimmtes Tier über längere Zeiträume tatsächlich gemolken werden. Gerade Tiere, die regelmäßig zu früh und/oder mit geringen Gemelksmengen gemolken werden, tauchen in den Standardauswer- tungen nicht auf.
Ein zu frühes Melken bei evtl. auch noch geringer Gemelksmenge (relativ zur Kapazität des Euters) ist jedoch aus physiologischer Sicht zu vermeiden. Wenn wenig Milch im Euter ist (relative Füllung) gibt es keine oder wenig Zisternenmilch, mit der die Zeit bis zum Einschie- ßen der Milch überbrückt werden kann. Gleichzeitig dauert es aber besonders lang, bis die Milch einschießt, im Extremfall bis zu 3 Minuten (BRUCKMAIER &HILGER, 2001; DZIDIC ET AL., 2004). Bei geringer Euterfüllung führen demnach geringe Zisternenmilchmenge und die besonders lange Reaktionszeit des Euters bis zum Einschießen der Alveolarmilch zu einem hohen Zeitbedarf für eine angemessene Eutervorbereitung (BRUCKMAIER &HILGER, 2001).
Ein Melkbeginn an leeren Zitzen bei vollem Vakuum führt zu schlechter Melkzeughaftung aufgrund des fehlenden Milchdrucks in der Zitze. Es kommt zu erhöhtem Vakuum im Zitzen- gummikopf und entsprechendem Klettern des Melkzeugs, und zu einer starken Belastung des Zitzengewebes, was den weiteren Melkakt hinsichtlich Melkgeschwindigkeit und Ausmelk- grad massiv beeinträchtigen kann (BESIER ET AL., 2015).
Als weitere kritische Auswirkung zu frühen / zu häufigen Melkens ist u.U. ein erhöhter Ge- halt an freien Fettsäuren zu nennen, was zu Geschmacksveränderungen und Einschränkungen bei der Verarbeitung der Milch führen kann (KLUNGEL ET AL., 2000).
Zielsetzung
a. Entwicklung eines Tools um Zwischenmelkzeiten und Gemelksmengen gemeinsam auszuwerten und für Landwirte sowie Berater einfacher zugänglich zu machen.
b. Analyse, wie häufig ungünstige Kombinationen von Zwischenmelkzeiten und Ge- melksmengen auftreten.
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Material und Methode
Als Datengrundlage wurde der für die Milchkontrolle an die Kontrollverbände übermittelte Datensatz herangezogen, da er die wichtigsten Informationen Kuhnummer, Zwischenmelkzei- ten und Gemelksmenge enthält und herstellerübergreifend verfügbar ist.
Als kurze Zwischenmelkzeit wurde in der Untersuchung ein Wert von weniger als 7 h defi- niert, als lange Zwischenmelkzeit ein Wert über 16 h. Gemelksmengen unter 8 kg wurden als gering, solche über 14 kg als hoch eingestuft. Als normale Gemelksmengen galten Werte da- zwischen (Tabelle 1). wobei die Parameter zukünftig auch durch den Berater oder den Land- wirt anpassbar sein sollen, um auf das Leistungsniveau der Herde eingehen zu können.
Tab. 1: Einteilung der Kategorien nach Zwischenmelkzeit und Gemelksmenge Farbe im Diagramm Kategorie Zwischenmelkzeit Gemelksmenge
A kurz (<7 h) normal (>8 kg) B kurz (<7 h) gering (<8 kg) C lang (>16 h) normal (<14 kg) D lang (>16 h) hoch (>14 kg)
E normal (7-16 h) jede
Ergebnisse
Bis 12/2014 wurden 82 Betriebe im Rahmen von Arbeitskreisen mit dem Tool analysiert und beraten. Auf diesen Betrieben lagen im Mittel 19,3 % der Zwischenmelkzeiten unter 7 h, wo- bei 7,3 % der Gemelke auch Gemelksmengen unter 8 kg aufwiesen. Im Betrieb mit den höchsten Werten lagen diese Kennzahlen bei 39,4 % bzw. 21,6 %, wobei der Betrieb eine durchschnittliche Tagesleistung von 26,4 kg hatte (Tabelle 2).
Tab. 2: Anteile der Gemelke in den versch. Kategorien im Durchschnitt von 82 Ar- beitskreisbetrieben und auf dem Arbeitskreisbetrieb mit den höchsten Werten Zwischenmelkzeit Gemelksmenge Anteil
Durchschnitt 82 Betriebe
Anteil Betrieb mit den höchsten Werten kurz (<7 h) normal (>8 kg) 12,0
19,3 17,8
39,4
kurz (<7 h) gering (<8 kg) 7,3 21,6
lang (>16 h) normal (<14 kg) 2,0
3,4 2,3
lang (>16 h) hoch (>14 kg) 1,4 3,4 5,7
normal (7-16 h) jede 77,3 45,1
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3 | S e i t e In der gemeinsamen Erörterung der Ergebnisse mit den Teilnehmern der Arbeitskreise wurde deutlich, dass ein Auftreten kurzer Zwischenmelkzeiten über die Einstellungen des Systems zwar teilweise in Kauf genommen wird, das Auftreten in diesen Größenordnungen aber bei weitem nicht erwartet wurde. Als eine Ursache für das bewusste Inkaufnehmen kurzer Zwi- schenmelkzeiten und/oder geringer Gemelksmengen stellte sich in den Diskussionen in den Arbeitskreisen immer wieder der geringe Kenntnisstand bezüglich nachteiliger Auswirkungen heraus. So waren physiologische Zusammenhänge z.B. hinsichtlich der notwendigen Stimula- tionsdauer meist nicht bekannt, aber auch die möglichen Effekte auf die Kapazität des Sys- tems wurden häufig nicht bedacht.
Gerade die Kombination aus kurzen Zwischenmelkzeiten und niedrigen Gemelksmengen (Kategorie B) war den Landwirten häufig nicht bewusst. Der Ansatz des Tools ist es hier, als Beraterwerkzeug nicht nur diese Werte grafisch aufzuzeigen, sondern auch deren Entwick- lung über die Zeit sowie insbesondere auch für jedes Tier. Nur so wird der Landwirt in die Lage versetzt, auch zielgerichtete Maßnahmen zu ergreifen.
In Abbildung 2 und Abbildung 3 sind beispielhaft die Verteilung der Zwischenmelkzeiten eines Betriebs (durchschnittliche Tagesleistung je Kuh: ca. 25 kg) vor und nach der Beratung dargestellt. Es wird deutlich, dass vor der Beratung über 37 % aller Melkungen eine Zwi- schenmelkzeit unter 7 h aufwiesen und in über 14 % aller Melkungen gleichzeitig weniger als 8 kg Milch ermolken wurden. Durch die Anpassung der Einstellungen am AMS konnte das Auftreten kurzer Zwischenmelkzeiten auf ca. 18 % aller Melkungen reduziert werden, wobei diese Melkungen fast ausschließlich Tieren mit hoher Leistung zuzuordnen sind, was sich im sehr geringen Anteil dieser Melkungen mit weniger als 8 kg Gemelksmenge widerspiegelt (0,6 %).
Abbildung 2: Verteilung der Melkungen in den Kategorien A-E vor der Beratung
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Abbildung 3: Verteilung der Melkungen in den Kategorien A-E nach der Beratung
Ausblick
Das Tool wurde mittlerweile durch den LKV Bayern e.V. adaptiert und greift somit auch auf dessen umfangreiche Datenbasis zu. Auf diese Weise können beispielsweise auch der Lakta- tionstags oder die maximalen Milchproduktion im Laufe der Laktation Berücksichtigung fin- den. Der Schwerpunkt der Weiterentwicklung liegt auf der Verbesserung der Anwendbarkeit.
Literatur
Besier, Johanna .F.; Lind, O.; Bruckmaier, R.M. (2015): Dynamics of teat-end vacuum during machine milking:
types, causes and impact on teat condition and udder health – a literature review, Journal of Applied Animal Research, in press
Bruckmaier, Rupert. M.; Hilger, M. (2001): Milk ejection in dairy cows at different degrees of udder filling, J.
Dairy Res. 68, 369-376
Dzidic, Alen; Macuhova J.; Bruckmaier, R.M. (2004): Effects of cleaning duration and water temperature on oxytocin release and milk removal in an automatic milking system, J. Dairy Sci. 87, 4163-4169
Klungel, G.H.; Slaghuis, B.A.; Hogeveen, H. (2000): The effect of the introduction of automatic milking sys- tems on milk quality, J. Dairy Sci. 83, 1998-2003
Weiss, Daniel; Bruckmaier, R.M. (2005): Optimization of individual prestimulation in dairy cows, J. Dairy Sci.
88, 137-147