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Zur himjarischen Sprach- und Alterthumskunde
von
33r. Ernsl Osiander,
aus seinem Naclilasse lierausgegeben von
Prof. Dr. M. A. Levy.
(S. Bd. XIX, S. 159 fg.)
II.
Einleitung.
Wenn ich nun in den folgenden Blättern, den früheren An¬
deutungen gemäss (s. diese Zeitsehr. XVII, S. 791 fg. >), ausführ¬
lichere Erörterungen über die Sprach- und Kunstdenkmäler des
südlichen Arabiens zu geben den Versuch mache, so wird es den
Lesern dieser Zeitschrift gegenüber kaum noch einer Rechtfertigung
oder eiues besondern Hinweises auf die Wichtigkeit dieses Gegen¬
standes bedürfen.
Dass die Sprache, um die es sich hier handelt, ein wesentliches, freilich sehr eigenthümlich gestaltetes Glied der semitischen Sprach¬
familie ist, das hat sich aus den bisherigen Untersuchungen sicher
ergeben ; als nicht minder gewiss konnte aber auch bisher schon
— was namentlich auch aus den Berichten der alten Griechen und
Römer hervorgeht — betrachtet werden, dass das himjarische oder,
wie wir es wohl eben so richtig mit eiuem allgemein bekannten
und jedenfalls in der Blüthezeit des Reichs üblichen Namen be-
1) Ich werde von London aus darauf aufmerksam gemacht, dass der ver¬
ewigte Osiander iu der erwähnten Abhandlung, so wie in der des vorigen Jahr¬
ganges dieser Zeitschr. , das Verdienst der Erwerbung der werthvollen himjari¬
schen Alterthümer fast ausschliesslich dem Colonel Play fair, jetzt Constil zu Zanzibar, zuerkennt, da doch Colonel Coghlan darauf Anspruch zu machen hätte. Während seines Aufenthaltes in Aden erwarb dieser Freund der Alter¬
thümer auf seine Kosten alle Bronze-Tafeln (27 an der Zahl) und schenkte sie dem Britischen Museum. Flayfair dagegen brachte nur eiue Tafel in seinen Besitz, welche er ebenfalls dem genannten Museum übergab (vgl. die Vorrede zu der engl. Ausgabe der Himyaritic inseriptions) ; ebenderselbe fertigte auf Coghlan's Veranlassung , zur Zeit als die Sammlung sich noch zu Aden befand , Photo¬
graphien der Tafeln an, welche er Herrn Rawlinson iu London und dem sei.
Osiander zusandte, was diesen natürlich veranlasste Playfair als deu Entdecker det Alterthümer zu betracbten. (L.)
Bd. XX. 1-4
206 Osiander, zur himjarischen Sprach- und Alterthumskunde.
nennen könnten, sabäische Volk, wenn auch niclit direct in die
uns bekannten weltgeschichtlichen Bewegungen eingriff, doch eine
mehr als locale Bedeutung gehabt hat und jedenfalls in einem
lebendigen gegenseitigen Austausch der Ideen und einem Bildung be¬
dingenden Verkehr mit den benachbarten Völkern seiner Zeit stand ;
was aber Reichthum, Luxus und Civilisation betrifft, mit den Phö¬
niziern wetteifern konnte, mit welchem Volke es überhaupt nach
seiner ganzen geschichtlichen Bedeutung mairche Aehnlichkeit hatte
und mit dem es auch seit alten Zeiten in vielfachen besonderen
Beziehungen stand und insbesondere in Bezug auf Religion sich in
wesentlichen Punkten berührte. Dieses Resultat wird nicht nur
durch das neuaufgefundene Inschriften - Material bestätigt, sondern
es wird auch dadurch unsere Kenntniss von der Stellung der
Sabäer und ihres Idiom's i) unter den verwandten Völkern und
Sprachen wesentlich gefördert.
Freilich stellen sich der linguistischen Erforschung dieser
Denkmäler immer noch sehr erhebliche Schwierigkeiten in den
"Weg, und zwar hauptsächlich wegen der lexikalischen Besonderheit
ASt Sprache, die häutig, wo das Grammatische ziemlich plan uud
klar ist, das einzige Hinderniss für das Verständniss bildet.
Leider haben auch die Angaben arabischer Schriftsteller über
eigenthümliche himjarische Wörter, welche Frey tag 2) gesammelt
hat, für die Erklärung der Inschriften fast gar keine Bedeutung,
und es ist sehr fraglich, ob sonst noch ein wesentlicher Beitrag
von dieser Seite zu erwarten ist, wenn nicht etwa das in Berlin
vorhandene Wörterbuch r>^*'" u^*'^ ^'on Naswän dem Himjariten
I in dieser Beziehung als eine ergiebige Quelle sich
erweisen sollte. Trotzdem sind die vorhandenen Inschriften, wie
ich bereits in meinem Vortrage (vgl. d. Zeitschr. a. a. 0.) bemerkt,
keinesweges ein so spröder Stoff, wie dies bisher angenommen
wurde, und während ich mich in meiner früheren Abhandlung be-
1) Wenn ich es dabei nicüt unterlasse, auch auf das Assyrische Bezug zu nehmen, so fürchte ich liaum mich dadureh einem Vorwurf auszusetzen ; denn da die merkwürdigen Üeberreste sahäisclier Kunst, die sich auf diesen Denkmälern finden, in vielfacher Beziehung Verwandtschaft mit denen der assyrischen zeigen, so können auch Berührungspunkte , die sich in sprachlicher Beziehung bieten, nicht auffallen, die Richtigkeit des semitischen Charakters der assyrichen Sprache überhaupt vorausgesetzt, der freilich nach den Oppert'scben Untersuchungen von Niemand mehr ernstlich bezweifelt wird ; ja die von uns bei der Erklärung der Inschriften (besonders no. 29) angeführten Parallelen zwisehen dem Himja¬
rischen und dem Assyrischen können als ein weiterer Beleg für den Semitismus des Assyrischen gelten. Das Vorhandensein dieser Beziehungen scheint auch Fresnel, der glückliche Forscher in beiden Gebieten, ins Auge gefasst und über den assyrisch-babylonischen Studien das Himjarische nicht ganz vernach¬
lässigt zn haben.
2) Einleitung in das Studium der arabischen Sprache. Bonn 1861.
Osiander, tur himjarischen Sprach' und Alterthumslcunde. 207
gnügen musste, nur die wesentlichsten Resultate für Linguistik
und Alterthumskunde zusammenzustellen, wozu die Beschaffenheit
des vorhandenen Materials, das uns in verhältnissmässig uicht sehr
umfangreicher und nicht ganz zuverlässiger Gestalt vorlag, nöthigte,
so wird es uns dieses Mal möglich, auf Grund einer speciellen Ana¬
lyse der Inschriften einen genaueren Ueberblick über den Sprach¬
bau und die Sprachgesetze des Himjarischen zu gewinnen. "Wohl
sind auch unter den neuerworbenen 37 Inschriften manche Frag¬
mente, insbesondere sind die aus Ma'rib (Marjab) und andern
Orten stammenden beschriebenen Steinplatten, bis anf zwei, un¬
vollständig und auch unter den Bronzetafeln von 'Amrän finden sich
theils blosse Bruchstücke, theils haben sie, wenn auch die Platte
ganz ist, mehr oder weniger erhebliche Beschädigungen erlitten,
so dass es oft einer genaueren vergleichenden Kritik bedarf, um
das Richtige, wo dies überhaupt möglich ist, festzustellen. Wenn
ich mich aber dennoch nicht darauf beschränke, bloss eine Be¬
arbeitung uud Erklärung der einzelnen Inschriften gegeben zu haben,
sondern einen Ueberblick über den aus denselben sich ergebenden
Gewinn für Sprach- und Alterthumskunde zu liefern versuche, so ge¬
schieht dies , anknüpfend an die früheren Untersuchungen in dieser
Zeitschr. (Bd. X), um die Förderung, welche die Erkenntniss dieses
Gegenstandes durch die neueren Inschriften erhält, zu constatiren
und auch denjenigen, welchen eine genauere Durcharbeitung des
exegetischen Theils ferner liegt, denen aber doch zugleich um die
cultur- und religionsgeschichtliche Bedeutung dieser Forschungen
zu thun ist, die wichtigsten resultirenden Data an die Hand zu
geben. Auch jetzt noch wird sich die Untersuchung hauptsächlich
eine gewissenhafte Durchforschung des Einzelnen zur Hauptaufgabe
machen und sich hüten müssen, durch "Voranstellung allgemeiner Xjesichtspunkte, die, wie insbesondere manche bedeutende Leistungen
auf orientalischem Gebiete in letzter Zeit nur zu deutlich zeigen,
so häufig vorgefasste Anschauungen sind, sich die unbefangene
Prüfung des Gegebenen verrücken zu lassen, auf die Gefahr hin,
dass man dadurch von dem kundgegebenen Missfajlen des Herrn
Dr. Sprenger an den Arbeiten gewisser anderer Orientalisten oder,
was das Schlimmste wäre, von dem durch Herrn Dr. J. Braun
über die „Zunftgelehrten" ausgesprochenen Banne mitbetroffen würde.
Allgemeiner Ueberblick über die aus den Inschriften sich er¬
gebenden Resultate für Sprach- und Alterthumskunde.
A. Schrift nnd Sprache der Inschriften.
1. Palaeographisches.
Ira Grunde können jetzt so ziemlich alle Zeichen der him¬
jarischen Schrift lals sicher festgestellt betrachtet werden, so dass
208 Osiarulcr, zur himjnrischen Sprach- und Alterthumshindf,.
iu dieser Beziehung an sich wenig Dunkles mehr übrig bleibt.
Schwierig ist nur,, dass, wo die Inschrilt nicht ganz markirt erhalten
ist, manche Zeicheu einander sehr ähnlich werden, und das trifft
nicht bloss 'die früher mitgetheilten Inschriften, sonderu auch zum
Theil das neu entdeckte Material. Schwierigkeit macht: ^
(n, H, B)' ebenso J und ^ und 1 ) s. diese Zeitschr.
X, S. 32 fg., öfter auch v und ^ (fl und □), j und o
($ u. 0)' ^ "n<^ ö un'l fl'ß merkwürdiger Weise sich
noch im Arabischen nur durch einen Punkt unterscheiden, ! und
(1^1 und h) und und (h und h); selbst ein ^ mit Tren-
nuugsstrich ol lässt uns oft zweifeln, ob dies nicht zusammen ein
^ =r «f sei.
Dagegen sind noch einige Zeichen übrig, hinsichtlich deren
das Richtige erst festgestellt werden muss. Für ^ hatten wir,
gemäss'den iu arabischen Handschriften sich findenden Alphabeten,
bisher als himjarische Form ^ angenommen, und diese findet sich
auch in den neuen Denkmälern in mehreren Beispielen») z. B. 20,
7. 29, 1. 7. 31, 3. 35, 1. 6). Dagegen findet sich aber viel häu¬
figer ^, das von Playfair = Ja genommen wird, wozu aller-
1) Wir wollen hier ein für alle Male hcnierken , dass wir stets naeh der Anordnung der Inschriften citiren , wie sie Playfair vorgenommen und wie sie sicli in dieser Zeitschr. Bd. XIX findet, während O. in dieser II. Ahtheilung nach der Ausgabe des brit. Museums citirt. Da diese, weniger zweckmässig geordnet, nur wenigen Lesern zugänglich sein dürfte, so haben wir die Mühe nicht gescheut, einige Hundert Citate abzuändern. Unsere Anordnung stellt sich zu der der Ausgabe des brit. Museums folgendermassen:
Br. Mus. Ztschr. d. D. m. G. Br. Mus. Ztschr. d. D
No. 1 - 3 No.' 22 z^ • 26
No. 2 izz: - 2 No. 23 — . 19
No. 3 zzz - 5 No. 24 "~ ; 22
No. 4 — 1 No. 25 -z 23
No. 5 zzr — 4 No. 26 \ 25
No. 6 — 29 No. 27 =:z 20
No. 7 zzz — 9 No. 28 = 24
No. 8 — — 12 No. 29 —
30
No. 9 - — 11 No. 30 —
32
No. 10 = — 6 No. 31 =z 28
No. 11 z^ — 8 No. 32 = 31
No. 12 =; — 13 No. 33 -
35
No. 13 z= — 10 No. 34 —
33
No. 14 . = - 7 No. 35 zzz 37
No. 15 z= — 14 No. 36 34
No. 16 = — 27 No. 37 36
No. 17 —ZZ — 15 No. 38 . 35, a
No. 18 —. — 17 No. 39 —
35, b
No. 19 =z — 18 No. 40 = 35, c
No. 20 2= . — 16 No. 41 —
35, d
No. 21 = — 21 No. 42 = —
35, e (LOi
Osiamler, xur hirnjarischen Sprach- mul Altcrlhmnsl-unde. 209
dings die in den Berliner Manuscripten angegebene Form einiges
Recht giebt. Allein bei näherer Betrachtung stellt sich diese Lesung
als unrichtig heraus »). Das fragliche Zeichen kehrt-nämlich haupt¬
sächlich in dem Worte fft\^ wieder, das gewiss nichts anderes
als der bekannte semitische Stamm ^-X/a ist und auch im
Himjarischen sicherlich r.icht ^j^O^h gelautet hat. Dann findet sich
dasselbe Wort bald in der einen, bald in der andern Form ge¬
schrieben, z. B. ■'ffiiü 17, 11. 18, 10, dagegen 20, 7: -^ic, sodass es mir als ganz sicher erscheint, dass ,2, und ff, nur verschiedene
Zeicheu für denselbeu Laut Säd waren. Aller Wahrscheinlichkeit
nach ist für denselben Laut noch ein drittes Zeichen ^ (z. B. 6, 1)
oder fl (z. B. 10, 1. 20, 5. 26, 9. 29, 3.) hinzuzufügen; köunte
man auch diese Formen als eine Zusammenschreibung mehrerer
Zeichen betrachten , etwa als und :, so liegt es doch weit näher
uud Avird auch an eiuer Stelle durch die auf diesem Wege gewonnene
Bedeutung, als die beste I'robe, fast unzweifelhaft gemacht, dass
wir auch in dieser Form Säd zu erkennen haben; ja man kann
sogar sagen, dass wenn ^ zu f| und (f sich umgestalten, auch
1^ daraus entstehen konnte.
Dann bleibt freilich für _t> bis jetzt noch kein besonderes
himjarisches Zeichen übrig, woraus möglicherweise der Schluss ge¬
zogen werden köunte, dass dieser Laut sich entweder uoch gar uicht
abgezweigt, oder weuigstens noch keine eigene Bezeichnung ge¬
funden hatte. Ausser diesem aber wäre es nur noch das das
bis jetzt noch nirgends sicher nachgewiesen und dessen Vorhanden¬
sein und Form erst noch zu constatiren wäre. Gewiss ist es, trotz¬
dem dass das Aethiopische diesen Laut ebenfalls nicht kennt, doch
höchst unwahrscheinlich, dass er dem Himjarischen ganz fremd
gewesen seiu sollte, da doch nnf nordsemitischem, insbesondere auch
auf midjanitischcm Gebiete die deutlichsten Spuren desselben zu
finden sind (vgl. -iby, rNis-)). Und in der That bieten uns
unsere Inschriften ein Zeichen , das kaum anders denu als ^ ge¬
deutet werden kann, nämlich '\\ z. B. 4, 10. oder TI z. B. 17, 12.
18, 6. 31, 2. 6. Dieses Zeichen wurde bisher, insbesondere auch
von Fresnel, als eine Nebenform für n (3) angeschen; indess
erweist sich dies bei näherer Betrachtung schon aus dem einfachen
Grunde als unwahrscheinlich, weil es nicht gerade einleuchtet,
dass in einer und derselben Inschrift für denselben Buchstaben zwei
verschiedene Charaktere angewendet sein sollten ; dazu kommt noch
ein sicherer Beweis: Fr. LVI, 1. 12. begegnen wir dem Nameu
einer Gottheit, die bisher mit Fresnel ]"iia | nn gelesen wurde;
nun findet sich aber 31, 2. 6. ein damit offenbar identischer Name
P'sti I nbya. In beiden Inschriften aber ist allemal das Zeichen
1) S. diese Zeitsclir. XVll, S. 792.
210 Oslander, zur himjarischen SprcKh- und Allerthumskunde.
n gebraucht; welch ein seltsamer Zufall wäre es, dass wir das
sonst bis jetzt überhaupt nur ein paar Mal nachweisbare Zeichen
für a vier Mal gerade nur in diesem Worte hätten! Vielmehr
geht mit Sicherheit daraus hervor, dass wir es hier mit einem
ganz andern Laute zu thun haben; dies zeigt namentlich auch 17,12,
wo das fragliche Zeichen unmittelbar neben der gewöhnlichen Figur
a (n ) steht. Suchen wir nun den Werth desselbeu zu bestimmen,
so bietet sich uns hier eben am nächsten, das fragliche Zeichen
als ^ zu lesen , und wenn auch vorläufig die Deutung des Wortes
und seines Zusammenhanges nicht mit Nothwendigkeit darauf
führt, so weist derselbe wenigstens auf keinen andern Laut hin.
Sonst bietet uns die Schrift nichts Besonderes i), ausser elwa
das Monogramm in no. 3 (s. über dasselbe diese Zeitschr. XIX,
S. 170), und 34, 1, das erste Zeichen (s. das.); ähnliche Zusammen¬
schreibungen von Buchstaben finden sich auf dem Cylinder in dieser
Zeitschr. XII, S. 159 und XIX, S. 293 no. 35, c. — Interessant
ist , dass auch die Anwendung des S c h 1 u s s z e i c h e n s , in or¬
namentaler Weise ausgeführt, nicht unbekannt war, s. den Schluss
von no. 10. 13 und 17, vgl. auch das Anfangszeichen uo. 1.
Sehr regelmässig findet die Setzung des Trennungsstriches
statt, und nur wenige Beispiele sind es, wo wir ihn vermissen,
etwa am Ende einer Reihe, wo der Platz nicht mehr ausreichte,
höchstens noch bei Ausdrücken, die ganz zusammen gewachsen
scheinen, so einmal Disbsa 34, 6, neben din | bsa 4, 4, wo offen- ^
bar bsa wie n behandelt ist; wohl auch d-i:eii5 und iMKi.\nnN in ^
der überhaupt etwas incorrecten no. 34, sonst nur noch auf der
Gemme no. 35, f. Von dem in dieser Zeitschr. X, S. 50 be¬
sprochenen Falle, wo a und b wegen eines vorne angeschlossenen
1 von dem Worte, zu dem sie gehören, durch einen Trennungs¬
strich geschieden sind, haben wir einzelne Beispiele bei der Er¬
klärung der Inschriften constatirt.
Was die Schreibung der Vocale betrifft, so bieten in dieser
Beziehung unsere Inschriften nichts Neues, sondern bestätigen nur
die früher (in dieser Zeitschr. X, S. 35) gemachten Bemerkungen.
Wieder fehlt es nicht an Beispielen , wo der lange Vokal in
der Mitte des Worts gar nicht ausgedrückt ist, z. B. cpo G, 8
u. ö. (vgl. Cr. 1, 2 n^aa = SulX*); dann besonders bei Hifil-
formen von Verbb. is, z. B. ann 10, 9. 27, 8 (vgl. Fr. LVI, 11)
1) Wie BUS einer Bemerkung in dem Nachlasse O.'s hervorgeht, in weleher auf Dill mann's Gramm, d. äthiop. Sprache S. 12 Anm. 2 Bezug genommen wird, scheint O. eine eingehende Untersuchung üher die himjarische Schrift doch für nöthig gehalten zu haben. Wir wollten anfangs zur weiteren Ausführung un¬
serer Bemerkung zu 6, 7, Anm. 1. (Bd. XIX, S. 182) und zu 35, 6 näher auf das himjarische Alphabet eingehen, haben uns aber überzeugt, dass diese Unter¬
suchung die Grenzen des uns hier zugemessenen Raumes überschreiten würde, nnd versparen daher das Weitere Tür eine passender« Gelegenheit. (L.)
Osiander, eur himjarischen Sprach- und Alterthumskunde.
==^lii>, T»fi 6 (vgl. 3Brt=vU3* Fr. XI, s. diese
Zeitschr. X, S. 72), ()3n = 31, 2. 6. np'' Zaf. 1. vielleicht
= mp"- u. dgl. m.; während wir eben so viele Beispiele haben,
dass der Diphthong, so wie der lange Vocal am Ende des Worts
geschrieben wird. So besonders in den zahlreichen Formen der
III pers. pl. perf. und den Suff. III m. sing, und plur. irr und
ian. Ein paar Incorrectbeiten lassen sich deutlich erkennen und
verbessern, z. B. statt innpi 16, 5 muss lonnpi gelesen werden,
ebenso -onpi 34, 6 --annpi »); auch in (Wr. Z. 5) fttr is scheint
blosse Incorrectbeit zu sejn.
Endlich ist noch zu bemerken, dass der grössere Theil der
neuentdeekten Inschriften, insbesondere die von 'Amran, die wohl
so ziemlich als gleichzeitig anzusehen sind, einen hohen Grad von
Vollendung zeigen und von wenigen andem übertroffen werden,
ja überhaupt wohl zu dem Schönsten gehören, was die Epigraphik
aufzuweisen hat. Theilweise rührt dies auch von der Beschaffen¬
heit des Materials — es sind lauter Bronzetafeln — her ; übrigens ist
z. B. auch die Altarinschrift von Abjan immer noch recht gefällig
ausgeführt, während dies von einigen andem nicht zu rühmen ist.
2. Linguistik.
a. Laut-Verhältnisse. Die Lautverhältnisse des Him¬
jarischen lassen sich überhaupt nur wenig erkennen, doch hat sich
schon aus dem früher bekannten Material ergeben und wird auch
durch unsere Inschriften bestätigt, dass dasselbe hinsichtlich der
Lautverschiebungen mit dem Arabischen übereinstimmt. Der Fälle
sind verhältnissmässig wenige, wo eine Abweichung im Himjarischen
sich nachweisen lässt, so z. B. bei (siehe die Erklärung dieses
Wortes in no. 29, 2), das unverändert, ohne die übliche Lautver¬
schiebung, in's Himjarische aufgenommen wurde. Ein ähnlicher Fall
ist wohl auch bei dem Zeitwort no\a anzunehmen; hier würde die
sonst auf das Himjarische im Allgemeinen gar nicht passende Be¬
merkung in Gesenius Wörterbuch*), dass im Arabischen und im
Himjarischen (ji dem hebräischen entspreche, zutreffen.
Charakteristisch scheint dem Himjarischen eine sonst den
semitischen Sprachen in diesem Maasse nicht gerade eignende Nei¬
gung zur Wiederholung desselben consonantischen Radicals zu sein,
dies nicht bloss bei Verben ss und deren Derivaten, bei denen
überhaupt die nicht contrahirten, breitern Formen bevorzugt werden,
so z. B. ibbin-i Imperf. Hifil 10, 7, von bbi, vgl. Crutt. 1, 3:
ribbtn und den Eigennamen bi*mi (sonst OvaSStilog Corp. I. G.
in no. 4608), sondern das Himjarische scheut sich z. B. nicht
drei Mal denselben Laut nach einander folgen (wie z. B. bei dem
1) 8. weiter anten zu den Pronn. pers. (L.) 2) Vgl. die 6. Anflsge von Dietrich S. 838.
212 Osiander, zur himjarischen Spruch- und Alterthumskunde.
Eigennamen ']Zi9 15, 2. Fr. XXV, ebenso ]33ns 4, 13, wobei
natürlich das letzte Nun znr ^nbstantivbildung gehört) oder die
dritte Person Plur. Impf, mit zwei Nun sehliessen zu lassen.
Während wir sodaun, um von der das Arabische besonders
kennzeichnenden Eigenthümliehkeit des n zu reden, auch für die
Waslirung des n mehrfache Beispiele (hauptsächlich von der Form
X: N'raniö, inbainbn) nachweisen können, ersehen wir zugleich aus
dem öfter vorkommenden innern Plural von y,»: D:-iNc<,dass das
Maddah den Himjaren noch nicht bekannt, sondern ein zweites
Alif nach einem anlautenden als silbenschlicssender Buclistabe üblich war, was doch auch das Hebräische und fast alle andern semitischen
Sprachen möglichst zu vermeiden suchen. Hierin zeigt daä Him¬
jarische eine offenbare Berührung mit den Lautverliältnissen des
Aethiopisehen , z. B. Ä^'^^ "
b. Stämme. Hier geben uns die Inschriften ein reiches
Material der mannigfaltigsten ächt semitisch gestalteten Stämme.
Zu den in dieser Zeitschr. X, 37 aufgeführten mögen noch einige
Beispiele hinzugefügt werden.
Stämme mit verdoppeltem zweiten Radical sind, aus¬
ser den früher genannten: bbn 13, 13. Tin das. Z. 8. Primae n
besonders zahlreich: npi, 'dt, E|pi, bai, im, «n, ibi, ti-iJ,
yoi, 1031, SD1. Mittelvocalige Stämme und zwar meistens is:
Di3, 113, -liri, , nin und vermuthlich auch py. — ^s:
ri'O (Crutt. fr. 2), D^iä, a-'J, r?. — Vocalisch schliessende
Stämme, ebenfalls rait Unterscheidung vou i und z. B. iii?
17, 10, vielleicht auch inb ^. zu 5, 14, up Zaf. 3 (neben dem
schon bekannten "«jp), I3\ü (nom. pr. mailJ) 29, 6; den Ueber¬
gang zu den Verbis tertiae rad. bildet: iii, wofür eiuigemale
■•XI (vgl. das der Bedeutung nach ganz entsprechende und
^^j), ausserdem ">ix, -«s», 'ia; ultiraa j ist sonst aber nach
den bekannten Gesetzen schliessendes ^ geworden, z. B. 'aiö. —
Besonders zahlreich sind die Beispiele von Stämmen mit scblies¬
sendem N,wie N3ir), Nia, Nbp, Nm, N3n._ — Quadrilittera er¬
scheinen hauptsächlich in Eigennamen, z. B. rrispin Zaf. 2, rriscin 6, 2 u. s. f.i).
c. Verbura. Wir gehen weiter zu der Betrachtung des Ver¬
bnms. In dieser Beziehung bieten uns die Inschriften manches
sehr Beachtenswerthe, durch welches das früher Aufgestellte theils
bestätigt, theils berichtigt wird. Zunächst lassen sich verschie¬
dene Verbalformen aus der langen Reihe von Beispielen ziem¬
lich vollständig nachweisen, z. B., ausser den sehr häufig wieder¬
kehrenden •>Di.i und '»jpn: in}»n 10, 5. ihnm 27, 3. 4. yisin
Crutt. fr. 1, 4; dann besonders chäracteristische Beispiele Von ,
1) 8. jedoch unsere Bemerkung zn 6, 2 in dieser ZeiUchr. XlX, S. 180
Anm. 3. (L.) '
Osiander, zur himjarischen Sprach- und Alterthumskunde. 213
verbis mediae i und ••, z. B: ann = _jlü 10, 9. 27,8; ebenso
Fr. LVI, 10 (statt arin zn lesen'); p^t=^JL»* 17,6; und so
ist auch aon =vU^* f'r- XI, 10. 13. zu beurtheilen. Von einem
Verb. med. s'y ist ein eigenthümliches Beispiel nicht contrahirter
Form rür; 10, 7; von-deu der arab. X entsprechenden Reflexiv¬
formen fügen wir zu deu früher aufgezählten Beispielen noch bei:
NbaniD 16, 8. 23, 1. 4. 27, 6. 10. 35, 4 und r^inia 36, 3;
doch bietet sich uns hier noch eine eigenthümliche Erscheinung,
von welcher srlioii (in dieser Zeitschr. XVII, S. 796) die Rede
war. Konnten wir früher (das. X, S. 38) die Bemerkung machen,
dass die himjarische Sprache im Verhältniss des Hifil (Form IV)
und seines entsprechenden Reflexivs (Porm X) eine grössere
Ebenmässigkeit der Entwickelung zeigt, indem das ursprüngliche s
des Causativs, das hier noch rein erhalten, in dem hebräischen
Hifil wenigstens nur um eine Stufe — d. h. zu h — abgeschwächt
ist, aber sich noch nicht, wie in den meisten semitischen Sprachen,
zu einem blossen anlautenden Spir.-lenis verflüchtigt hat, so zeigt
uns die Inschrift 29 in dem ganz unzweifelhaften Beispiele 'jpia
(n':pio), das dem sollennen ■'apn entspricht, dass das Himjarische,
auch für das Causativ sich das s wenigstens mundartlich erhalten
hat und also in seinen -op» , ■•Dinb Formen besitzt, die ganz
den araraäischen (u. assyrischen) S^afel, Istafal (Estafal) entsprechen '').
Auch die Reflexivforraen für den einfachen Stamm, ganz wie in
der arabischen Form VIII, lassen sich hin und wieder nachweisen,
einer der schlagendsten Beweise für den ächt arabischen Charakter
* ^ e- ^
der himjarischen Sprache, z.B. jbNnä"' von bNnfe = JLÄ*v! (12,5),
aber vermuthlich nicht in passiver, sondern in medialer Bedeu¬
tung : für sich erbitten. Vermuthlich werden auch die Formen
Tiinj'' 4, 10. 7cm 35, 4 (allem Anscheine nach von 'di) und das
Nom. pr. Dicnn 4, 11 hierher gehören.
1) O. meint wohl , statt anSl sei anMl zu lesen. (L.)
2) Dass Form X. Reflezivform zu Form IV. (also z. B. ''D'iniO zu
'Om) ist, das zeigt nehen Anderem nicht bloss das Verhältniss des aramäi¬
schen Saf'el und Estaf'al, sondern auch das Arabische und das Himjarische durch die Art , wie Tom einfachen Stamme die achte Form als Reflexiv gebildet ist.
Sollte es sich nun bei der entsprechenden äthiopischen Form anders verhalten 1 DiUmann (äthiop. Gramm. .S. 128) lässt die der arabischen X. entsprechenden
Formen als Causative der V. mit vorgesetztem aus der Reflexivform ge¬
bildet sein , also als Causative der Reflexiven, nicht als Reflexive der Causativ- formen, ohne aber die arabische X. und die Estaf al-Form zu berücksichtigen.
Man würde dann anzunehmen haben , dass das Aethiopische das ursprüngliche Wesen dieser Bildung vergessen und entsprechende verschiedene Formen des Reflexivs (und des einfachen Causativs), resp. Causativa Reflexiva durch vor¬
gesetztes gebildet habe.
214 Osiander, tur himiarischen Sprach- und Alterthumskunde.
Die Steigerungs- und die Einwirknngsform (= arab. II.
und III) rait ihren entsprechenden Reflexiven (V und VI) lassen
sich nicht so sicher erkennen und insbesondere nicht so deutlich
von einander unterscheiden, doch können sie wenigstens in einzelnen
Beispielen nachgewiesen werden. So ist das so häufig im Perfect
und Infinitiv vorkomraende Verbum nsio, das ohne Zweifel ganz
wie ira Arabischen die Bedeutung „beglücken" gehabt hat, ver¬
muthlich II oder III Ferra (also ^X«*. oder j>.cL.), Gewiss aber
ist bNfe 8, 3 (inb««), wo es (an der Stelle des sonstigen npi
oder eines diesera synonymen Wortes) die Bedeutung „erhören", d. h.
eineu Bittenden zulassen, haben rauss, entweder = JL«, oder J^U,,
Wir sind auch sonst im Laufe der Erklärung auf Wörter gestossen,
die mit aller Wahrscheinlichkeit zu Ferra II zu rechnen sind. —
Von dem vorhin erwähnten Stamm b«« haben wir einen ganz
unzweifelhaften Beleg für die Form V oder VI an bxion 13, 3,
und zwar, allera Anscheine nach, wie bNniD (in ganz gleicher Ver¬
bindung) in der oben erwähnten raedialen Bedeutung. Hierher gehört
auch das schon früher so aufgefasste toan 14, 3. (vgl. Fr. LV, 5)
und so gewiss auch Nban Fr. LV, 2. LVI, 3, das man, wie auch
aus dem Folgenden hervorgeht, nicht raehr als Imperfectum auffassen
kann. Einige andere rait n beginnende Formen, wie mpn 18, 9.
30. Dbyn 7, 17. (o):aNn 10, 9. 27, 8. vgl. Fr. LVI, 11, scheinen
Infinitive zu sein, wo es dann zweifelhaft bleibt, ob sie zu V,
Gi-. G'.- G o-
VI oder II gehören, unter die Form ^üj, J.A«j' oder J^xöj zu
stellen sind. Von den Infinitiven wird übrigens noch bei der Be¬
trachtung des Noraens die Rede sein.
Ueber die Bildung des Imperfectums geben uns die In¬
schriften sehr bedeutsarae Aufschlüsse. Zunächst bestätigen sie durch eine Reihe von Beispielen die von Ewald (Höfer's Zeitschr. I, 306 fg.)
ausgesprochene, von rair einigermassen bezweifelte Vermuthung, dass
das Himjarische das Imperfectum mit schliessendem n bildete. Man
sieht dies ganz deutlich ebensowohl aus solchen Fällen, wo das Im¬
perfect. Singul. neben einera Perfect. Singul., wie anderseits aus den Fällen, wo das Imperfect. Plur. neben einem Perfect. Plur. steht, und
dann doppeltes n hat, z. B. bei der häufig wiederkehrenden Formel
"ll3S3ni I no?:; oder Nbanfe, wenn von einer Person gesprochen
wird, und nachher jNbaniB"' 23, 1. 4, dagegen wenn von mehrern
die Rede ist: pNbanÖii | iNbanio 16, 7. ■■,D-':p''i 1 i'jp 25, 5. 6;
vgl. auch Fr. LV, 4. 5: ]'Din"«i | npabN | in-Bin '). Wir zählen
noch einige Beispiele des Imperfectums vora einfachen Starame auf:
ibpc 10,10, innB" 10, 7. iias-» 18, 5. ]-siD^ 17, 11. Besonders 1) So iat für m'^Din zu lesen.
Osiander, zur himjarischen Spracff.- und Alterthumshinde. 215
bezeichnend ist, wie schon früher bemerkt worden (s. diese Zeit¬
schrift X, S. 96), das Imperfect von Verbis primae i, z. B. von
nbi: pb>i 18, 6. yci: '^voi 16, 5. Nni (Lij): ^Nn-« 12, 4. npi:
pp-< 4, 15, wohl auch von nM: ]nr)i pl. inni Fr. XI, 6, wo
offenbar ganz entsprechend den Bildungen der verwandten Sprachen
> ,
(dem hebräischen nb"«, arabischen tX.lp, aethiopisehen JEA^')
das 1 unterdrückt ist. — Vom Hifil bildet sich das Imperfect, wie
schon früher beraerkt worden, ohne Unterdrückung des n ; so haben
wir z. B., neben dem schon früher bekannten iiDin' 4, 16, die
für den himjarischen Sprachcharakter ganz bezeichnende vollere
Form ^bb-ini 10, 7. — Von der Forra X lautet das Iraperfectum
T<Biniy< 35, 4 (das Perf. iDiniu, Crutt. fr. 1," Reflexiv von "Din
und ■jiBin'«), wie das oben erwähnte ^Nbania'' , und von Forra
VIII: ibNniö". —
Betrachten wir nun diese regelraässig auf — n schliessende
Imperfectforra, so haben wir eine innerhalb des Seraitisraus ganz
einzig dastehende Erscheinung, rait der sich nur das ^_ (anna)
oder kürzer J,_ (an) des arabischen raodus emphaticus (auch wohl
die hebräische Enclitica nd, vgl. Ewald's Gramra. arab. I p. 126,
Anm. 1 und p. 252 Anm. 3; s. auch dessen Lehrbuch der hebr.
Sprache §. 103, h) zusamraenstellen lässt. Ist dies richtig, so
würde dies angehängte n, das sorait das eigentliche charakteristische
Zeichen des Iraperfects wäre, wenn wir die sonstigen Eigenthüm¬
lichkeiten des Himjarischen in's Auge fassen, als eine altsemitische
Bildung zu betrachten und ohne Zweifel dahin zu verstehen sein,
dass es, ganz der ursprünglichen Bedeutung des Iraperfects gemäss,
zura Ausdruck des noch in Bewegung Seienden oder erst eintreten
Sollenden (daher jenes n3 „nun, wohlan") dienen soll. Zwar würde
es nicht fern liegen, auch an das bei Imperfecten mit Suffixen im
Hebräischen sehr häufig eingeschobene n zu erinnern — man denke
namentlich an die poetischen nicht contrahirten Formen wie miD-ia*;
u. dgl. — während das Perfectum mit Suffixen dieses n nicht kennt,
abgerechnet ein paar Ausnahmsfälle, bei denen diese Bildung incor¬
rect von der des Imperfects übergetragen sein mag; indessen lässt
sich doch mit Sicherheit beides nicht zusamraenstellen, da denn
doch die Anwendung jenes Zwischenlautes vor den Suffixen bei den
Partikeln ira Wege zu stehen scheint. Uebrigens ist es beraerkens¬
werth, dass sich schon im Himjarischen eine Neigung zeigt jene
eigenlhüraliche Imperfectendung abzuwerfen, und zwar in einem
doppelten Falle. Bei der Absichtspartikel b=arab. J, von der
noch weiter unten die Rede sein wird, findet sich zwar auch das
Imperfect meistens in der bezeichneten Form, z. B. ]Mn'b 27, 9.
216 Osiander, xur himjarischen S2>rach- und Alterthumskunde.]
3&, 8. piDinia'b 35, 4, dagegen findet es sich 4, 10. 11 zwei¬
mal nach einander ohne ], nämlich Trnns ■< | bi und mani \ bi
(etwa =!j.i?J.*^j), voran ging aber, wie es scheint, Z. 8 eine
Form mit schliessendem ], und Z. 16 pBir,-' ] bc (s. das.) Wenn
nun diese Formen, wie man nach der äussern Aehnlichkeit mit
entsprechenden arabischen folgern darf, Plurale sind, so müssten,
freilich seltsam genug, zwei schliessende Nun weggefallen sein.
Leider ist die Inschrift eben an jener Stelle zu beschädigt, als dass
sich auch nur mit einiger Sicherheit der Zusammenhang erkennen
liesse. Nach den folgeuden Worten, soweit das Verständniss er¬
mittelt werden konnte, würde man eher einen Singular erwarten.
Immerhin liessen sich sichere Spuren einer besoudern Sub-
junctivform (Modus nasbat.) bei den Eigennamen erkennen. Mau
wird freilich diese Erscheinung, auf die ich früher meine Zweifcl
in Betreff der Richtigkeit der himjarischen Imperfectfonn auf schlies¬
sendes n gründete, als Beweis dafür benutzen, dass die im Him¬
jarischen mit 1 beginnenden Eigennamen wie die entsprechenden
Nomm. appellat. überhaupt nichts mit dem Imperfect zu schaffen
haben. Davon wird weiter unten noch die Rede sein. Hier möge
desshalb nur auf Nomm. propria verwiesen sein, bei denen der
Verbalcharakter kaum angefochten werden kann, wie yicn"' 5, 4
(aber sidi 12, 8. 11, vgl. in dieser Zeitschr. X, 39 ein öss!-.-' vou
Ds:n) oder isni, "lObni 35, 2, oder, wenn diese Eigennamen nicht
entschieden als Imperfecta gelten sollten, eine Form wie -jbanp' >)
10, 13, vefglichen mit dem einfachen Imperfect ]np' 4, 15 vou
npi, bei dem die Entstehung des Nameus keinem Zweifel unter¬
liegen kann.
Wir fügen hier uoch eine Uebersicht über die Perfecta und
Imperfecta bei , soweit sie in den verschiedenen Formen sich nach¬
weisen lassen:
Perfect Imperfect.
Einfacher Stamm: - "zp yzp^
II bNio ytiio^
IV (Causat.) ■'oin ]-<BirT«
X (Reflexiv des Causat.) Nban» -(Nbanö-"
VIII (Reflexiv des einfachen
Stammes) -lOnio ibNnio-«
V (oder VI) bsän jaasn^
Die Flexionsbildung lässt sich nur sehr unvollständig
erkennen. Da die neugefundenen Inschriften, wie es scheint, aus¬
nahmslos auf ein dargebrachtes Weihgeschenk sich beziehen und
dabei der Name des Weihenden oder der Weihenden immer als
1) vgl. •^ba-iritt)-' Pr. XLVU und ^baaiS"" das. LVI, 2. 13.
Osiander, zur himjarischen Sprach- und Alterthumshinde. 217
Subject vorangestellt ist, so begreift es sich leicht, dass wir nur die
Form der dritten Person zu unterscheiden vermögen; doch finden
wir auch so wenigstens Einiges, was bis jetzt noch nicht sicher
nachgewiesen ist.
Im Perfectum lautet die dritte Person fem. Singul. wie
sonst im Semitischen, z. B. nass 5, 4 u. o. nnB«j 15, 4, und vom
Causativ, und zwar bei einem Verb, tertiae n'^zpn (aethiopisch
^^rj,p^_') 15, 3. 22, 3. Für die dritte, schon früher con-
statirte Person Plur. finden sich wieder zahlreiche Beispiele: nan
16, 6. (nnn Crutt. fr. 2, 4.); von einem Verb. tert. ^ ; r:p 25, 3
(vgl. V^" *n dieser Zeitschr. X, 39), also wie im Aethiopisehen
YlidPo ebenso Hifil rspn, z. B. 4, 2 u. ö. Von andern Verbis:
iinxn 6, 5. inn.sri 27, 4; von der X. Form: i.sborio 16, 7.
Die zwei Wörter Tiaio und ^nbsa 34, 2. 4. scheinen zwar äusser¬
lich betrachtet am nächsten auf ein Perf. Singul. hinzuweisen,
allein der Zusammenhang der Inschrift, soweit er erkennbar ist,
lässt dies kaum zu und veranlasst uns eher Substantivformen darin
zu erkennen. — Im Imperfect haben wir zunächst das schon
oben angeführte sichere Beispiel der 3. Pers. Plur. 'jas:n, immer
neben na»:, z. B. 5, 4. 7, 9 u. ö.
Zu einer sehr vollen und breiten Form gestaltet sich die 3.
Person im Plur. , indem zu dem bereits mit n schliessenden Singul.
des Imperfects noch eiu weiteres n, d. h. ohne Zweifel die End¬
silbe ün, wie im Aramäischen und Arabischen , als einfache Modus-
Endung, und im Hebräischen als alterthümliche Form »), hinzutritt.
So finden wir, entsprechend den beiden früher angeführten Formen
(s. diese Zeitschr. X, 40) aus Fr. XI: iraic und paTsn' und
dem ebenfalls hierher gehörigen pmi Fr. XI, G, ein pijp" 25, 6
(unmittelbar neben r^p) und von der X Form p^baniai (un¬
mittelbar neben iNVaniü) 27, 8 und piDiniai 35, 4. Mau wird
diese Formen wohl am wahrscheinlichsten so zu verstehen habeu,
dass die Personalendung ün erst an das charakteristische n des
Imperfects sich anschloss und nicht umgekehrt, also etwa ; ^y_oj.Ä.-»j
(jastaufjanün). Auch sonst bemerken wir in der Sprache der
Sabäer die Vorliebe für breite gedehnte Formen, besonders in der
Eigenthümliehkeit, dass man der Wiederholung desselben Conso¬
nanten nicht widerstrebt.
Indem wir nun zur Besprechung des Nomen übergehen, so
— -cE
sind es zunächst die nomina verbi (J^«aJ! ^Lfw!), die Infinitive,
welche unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Da diese, wie
sich bereits aus der Betrachtung der Inschriften ergeben hat, eine
1) Vgl z. B. nJIN^i'J' Jer. 2, 24. ^jr^nllCi Jes. 60, 7, s. Ewald's Lehrb. d. hebr. Sprache §. 250, b.
218 Osiander, zur himjarisehen Spraeh- und Alterthumskunde.
sehr ausgedehnte Anwendung im Himjarischen erhalten und ihr
Gebrauch im Verhältniss zu den audern semitischen Sprachen sogar
eiue sehr bedeutende syntaktische Ertwickelung gefunden hat, so
fehlt es nicht an ganz unzweifelhaften Beispielen von dieser Form ;
so vom einfachen Stamme die nächstliegende, deren Aussprache
' 0 o . G
sich freilich nicht erkennen lässt, z. B: ysi (=^j)^ s:»
nari (=>i') 31, 5. (o)'^di 9, 5 u. ö. um 6, 7 u. ö. -sc 20 7,
-sn das. b. iin oder (o)ijr-i 7, 10. 5, 9. CjTi 12, 8. Als In¬
finitiv mit Femininendung dürfte (D)nos3 16, 9 zu betrachteu sein,
wie ja nicht bloss das Arabische, sonderu auch das Hebräische
solche Femininformen kennt. — Der Infinitiv niio (sehr häufig,
z. B. 8, 10. 7, 10) und pnX 5, 2. 27) 9 scheinen der Bedeutung
nach eher zu einer II. Form zu gehören, und es wäre immerhiu
nicht unmöglich, dass das Himjarische ähnlich wie das Hebräische,
mit dem es sich auch hinsichtlich der Verwendung des Infinitivs
mehrfach berührt, auch von der Steigerungsform den Infinitiv
ohne äussern Zusatz gebildet hätte. Doch fehlt es, abgesehen von
den obigen Beispielen einer Femininendung, nicht an Formen, die
durch äussern Zusatz enstanden sind. Vou denen, deren schlies¬
sendes n mit Sicherheit auf die auch dem Arabischen bekannte
Endung än hinweist, führen wir an ]yiu;(b) 20, 1 und das ganz
unzweifelhafte T'nn(b) 27, 6, wo freilich der Bedeutung nach die
Steigerungsform zu erwarten wäre. Sehr merkwürdig ist aber die
unzweifelhafte Thatsache, dass insbesondere der Infinitiv des Causativs
mit der Endung n (än) gebildet wurde, wie das häufig wieder¬
kehrende VBin (Perfect iDtn, Imperfect ^dih"'), theils mit, theils
ohne Suffixa, z. B. 10. 6. 23, 3. 5, 2. 12, 5 und iSttJm Cmtt.
1, 4 deutlich zeigen.
Das Nomen, ira engern Sinne genoraraen, zeigen in der
allereinfachsten Bildung zahlreiche Beispiele theils mit, theils ohue
Femininendung, z. B. ias: Inschr. von Warka 3b, a. nap das.
ann 7, 8. nan 4, 13. ']nN 6, 8. w 17, l u. ö. 29, 7.
m (=arab. ;b) 4, 10; a^ai 1, 3 und dgl. m., ferner mit Ferainin-
endung: n:a 15, 2. nriin 13, 5. 7. nnb 18, 7. rri-ii 20, 2
u. s. f. >) — Ein Beispiel einer Form mit verdoppeltem zweiten
Radical ist vermuthlich in (D)3an Nom. pr. 8,-1. 9 =a*-ab. vjüj,
1 »-
zu erkennen.
1) wie die vocalische Aussprache gelautet habe, darüber felilt jede Andeutung.
So wäre ea t. B. von Interesse zu wissen, wie das ganz charakteristische (^)iö3N I6i 5. 17, 11 (sicher das arab. (jr»Lj s. zu 16, 5) ausgesprochen wurde, ver-
.1 ' ■
muthlich etwa 0"l->l, wie die entsprechende iUtere arab. Form.
Osiander, nur himjarischen Sprach- und AUerthumshunde. 2l9
Andere innerhalb des Stammes, ohne äussern Zusatz, voll¬
zogene Bildungen lassen sich denn doch auch theilweise erkennen,
z. B. solche mit vorne eingedrungenem i (also eiue Form }J>li)
in nttD-'n 9, 1 (=%*.j^i>) s. das., vielleicht auch in nbi-in 32, 1.
Ganz besonders wichtig aber ist, dass wir fast mit Sicherheit das
arabische Deminutivum im Himjarischen nachweisen können.
Eine Spur davon hatte man schon früher in einzelnen Namen,
wie Killi? ') und andern gefunden; ferner spricht dafür XöXaißog bei
dem Verfasser des Periplus maris Erythraei (s. Hudson, S. 139),
einem Hauptforscher im südlichen Arabien: 'Yne()xstTai. .... nolig
2am-i , (al. -Sa»/?; ^) , Trjg ntQi avp)v MaQUQiTidog Xeyouivtjg
XtjüQag- iart Ss TV()cevi>og xal xaxoixüv avTijV XoXaißog. Da dieses
Xökatßog mit Sicherheit dem arab. Demiuitiv entspricht «),
und anderseits der Verfasser des Periplus durch das wenige Zeilen
nachher folgende XaQißarjX sich als einen zuverlässigen Bericht¬
erstatter documentirt , so liegt "im Grunde hierin schon ein deut¬
licher Beweis , dass auch das Südarabische Deminutivformen kannte.
Für das Himjarische im engern Sinne wird dieser Beweis durch
unsere Inschriften vervollständigt, indem Namen wie (o)3np 13,
1. 5. (d)T'\2)N 11, 1, wahrscheinlich auch oinn 24, 1, — wenn wir
die Regel beachten, dass die Himjarische Schrift sparsam genug
ist, selbst lange Vocale, wenn sie nicht wurzelfest sind, nicht zu
schreiben, — nicht anders gelesen werden können als : yj,Vj oSjJ^
u * i
^jAP (vgl. ZU diesem Worte die Erklärung). Diese Deminutivbil¬
dung, die sich auch bei den hauranischen Arabern findet *), ist einer
der schlagendsten Beweise für den ächt arabischen Charakter der
Sprache der Sabäer*).
1) S. Ritter a. a. O. XIII, 196.
2) S. Müller, Geogr. gr. min. I, 274. (L.)
3) Dies ist die gewöhnliche Transcription für das arabische Deminutivum im Griechischen, so 'OSaivnd-os (Corp. I. Gr. III, no. 4491. 4507. 4608)
^ tt , i. <J^ 'i
— S^.'i?, 'OßaiSot (das. no. 4630) =sX^c ^'Ovatiot (s. Blau a. a. O.
S. 447) =i:jvl=>, ZoßaiSos (C. I. G. no. 4573 u. 4560) =J»IjJ. Wie
man aber bei so schlagenden Beispielen in dem BoQaiot XaXßov (C. I. 6.
no. 4668) die ächt arab. Deminutivbildung verkennen kann (wie Meier in dieser Zeitschr. XVII, 620) , bleibt unbegreiflich. Wenn daneben auch Böqcos vor¬
kommt, so ist dies eben so gut möglich wie ZößeSot oder 'OSeva9os.
4) Vgl. Blau in dieser Zeitschr. XV, 460.
5) Ueber eine Spur von Deminutivbildung im Hebräischen s. Olsbansen hebr. Gramm. S. 342 u. im Aramäischen s. Nöldeke, Orient u. Occident II, S. 176, Tgl. auch unsere Bemerkung in dieser Zeitschr. XIV, S. 385. Anm. 3. (L.) 1 8
220 Oslander, zur himjarischen Sprach- und Alterthumskunde.
Von den durch äussern Anwuchs entstandenen Formen lassen
sich in der schon früher (in dieser Zeitschr. X, 40 fg.) besprochenen Weise viele Substantive nachweisen. Mit der Endung än (in, ün) finden sich zahlreiche Eigennamen, theils persönliche, z. B. ]3si 30, A — B.
]nm 18, 2. ]n":» 21, 1 uud dgl. m., theils geographische, wie
pas (=^./^) 1, 2. 20, 1. 6. )WZ 6, 2. 10. ipiü 10, 8. -jmn
22, 2. — Noch häufiger sind die durch Vorsetzung gebildeten
Formen, und unter diesen treten insbesondere die mit praefigirtem
?j stark hervor, z. B. onna 4, 15. 18. 6, 6. pisa 35, 4.
op's 6, 8 und dgl. m. ; mit Femininenduug : ny'jja 9, 7. nizn
Crutt. 1, 3. r.yn-a 36, 8.
Hieran knüpfen wir die Besprechung des Particips und A d -
jectivs, so weit die Bildung innerhalb des Worts vorgeht, wobei
zum Voraus das für die Form ains') ("JCYC.') 'angeführte Bei¬
spiel ■'lafe beseitigt werden muss, da nach den neuerdings gefundenen
Inschriften diese Deutung unzulässig ist. Dagegen dürfte iaa 13,13
etwa =y^, vielleicht auch Nin 9, 6 = i\^, ebenso (o)yiTD 27 1
S '
= ^j_w, als Belege für die Form ^«s gelten.
Das einfache Nomen agentis (=J.cl:) lässt sich nur
schwer erkennen. Sicher dürfen als solche Participialformen angesehen
werden n:© = »J.Li (hebr. N:ic) der Hass er , Fei nd 18, 10. 20, 7.
•Jl, 5, und an letzter Stelle ni: =jLto (hebr. -ix) der Dränger,
Feind; sonst giebt uns nur die Vergleichung der himjarischen
und sonstiger arabischer Eigennamen einige Anhaltspunkte. Was
nun aber die mit n gebildeten Participialformen betrifft, so zeigen
solche zunächst deutlich die beiden Eigennamen (o)iyic?j 23, 1. 4
> ü * G s ' >
(=0^*-..*) und (c)ma 20,4. 7 (etwa =00^..*). Hieran scliliesst
sich die Form pjsa 27, 2, wie es scheint auch ein Nom. pr.-, oder
wenigstens Beiname eines Mannes, ohne Zweifel nach Analogie des
als Zuname des sabäischen Königs von den Arabern angeführten
<•' o «
^.,Lij..« zu beurtheilen ^). Aber überhaupt haben wir noch ciue
Reihe von Bildungen, bei denen der Stanimm nicht bloss durch
vorgesetztes a , sondern auch noch durch hinten hinzutretendes n
erweitert ist, z. B. ■ii:bsa 7, 4. -janiaa 10, 8. -jTMa in den meisten
Inschriften von 'Amrän. -jabisa 30, C — D. ibaia 10, 6. Freilich
lässt sich nicht so bestimmt angeben, ob nicht theilweise das schlies¬
sende n hier, wie in andern Fällen, auf den Plural hinweist, z. B.
^«3» 27, 3. s. das.
1) S. diese Zeitschr. X, 41.
2) S. d. Erklärung zu 27, 2.
Otiander, eur himjarischen Sprach- und Alterthumskunde. 221
In Formen mit vorgesetztem t» erkennen wir, wie schon früher
nachgewiesen , die ächt arabische Elativ- Bildungdas Intensiv-
adjectiv, z.B. istt>s = vA*lF 17, 1. od*in 9, 2. 11, 3. ci-iriN 8,1. 12.
3'12JJ« vJ^t 20, 9. Dagegen ist (ö)iü3i« 6, 1. 7, 1. 16, 9 sicher
3 . i£
das arabische jL^it (s. zu 6, 1), eine alterthümliche, vermuthlich
an den Elativ sich anschliessende, etwas festere Bildung, ebenso
G -iE
auch (D)pmN 4, 6. 11 (=^1?^), s. zu d.St. Hierher gehört wohl
auch das seltsame Compositum öj^psnaa« 35, 2. 3, dessen erster
Theil wenigstens auf ein ^a^I hinweist.
Endlich ist auch die Nominalbildung mit vorgesetztem ' an¬
zuführen, die, wie die Vergleichung mit dem Hebräischen und
Phönizischen ergiebtzu den ältesten Bestandtheilen des Senii-
tismus gehört. Auch für sie liefern die Eigennamen ein sehr be¬
deutendes Material, z. B. V{6-^ 16, 1 (s. das.) anr 35, 1. ain' und
b.-iN"" das. 5. nn' 32, 3. onN' 12, 1. Das vom Causativ gebildete
y-ion' 5, 4 ist wohl gleich dem siD' 8, 8. 11, ebenso wahr¬
scheinlich isn' und pisn' 33, 1. Es ist hier nicht der Ort die
Frage über den Ursprung dieser eigenthümlichen Bilduug nach allen
Seiten hin zu erörtern, ob sie mit Recht als eine an das Imperfect
sich anschliessende betrachtet wird, oder ob dies nur eine scheinbare Aehnlichkeit ist und in derselben eine ganz selbständige Bildung vor¬
liegt. Nach Ewald a. a. 0. §. 162, a wäre sie auf ein zu ' erweichtes
Pronomen, nach Meier (in dieser Zeitschr. XVII, 642. Anm. 1)
auf das amharische Relativum p; zurückzuführen. Mir scheint es
denn doch keinesweges so ganz sicher zu sein, dass diese Bildung
sich nicht ursprünglich an das Imperfect ansehliessen sollte. Zu¬
nächst ist durch zusammengesetzte Eigennamen die Möglichkeit er¬
wiesen, dass ein ganzer Satz als ein Nomen verwandt werden konnte *),
warum also nicht auch der allerkürzeste, nur aus einem Worte
bestehende Verbalsatz, zumal wenn man an die Leichtigkeit denkt,
mit der die ausdrückliche Bezeichnung eiues Relativs weggelassen
werden kann. Da doch hauptsächlich bei nomm. propr. diese
Bildung vorherrschend ist, warum sollte man nicht ebensogut
a-nj (der) streitet, aj?>^ (der) listig ist sagen können, wie
bs<:n5 (den) Gott giebt? Sodann wäre es seltsam, wenn die
Sprache zu verschiedenem Zwecke zufällig ganz dieselben Formen
wie z. B. aj?»^ , nsc-^ u. s. f. gebildet hätte. Insbesondere möchten
wir hier im Iiimjarischen noch auf den Fall aufmerksam machen,
1) Uebrigens ursprünglich wohl aucb dem Hebräischen nicht fremd, s.
Ewald, Lehrbuch §. 162, b.
2) S. Ewa|ld a. a. O. §. 162, a. Anm. 2.
3) Vgl. Ewald a. ». O. 8. 586.
Bd. XX. \b
222 Oslander, zur himjarischen Sprach- und Alterthumstcunde.'
dass wir neben f\z-' , das, wie früner (in dieser Zeitschr.
X, S. 51) nachgewiesen wurde, ein Epitheton des sabäischen
Königs ist, q3n „die erhabene" als Epitheton einer weiblichen
Gottheit 31, 2. 5. (s. das.) finden. Gewiss erklärt auch der ver¬
bale Ursprung jener Formen am leichtesten die Erscheinung, dass
sie keine Nunation (Mimation) annehmen.
Gehen wir nun zur Betrachtung der Pluralbildung über,
so sind es zunächst die Collectiva oder innern Plurale, die wir
als vorherrschenden Ausdruck der Mehrheit in reicher Anzahl vor¬
finden. In überraschender Menge begegnen uns Beispiele der Form
bsoN (hauptsächlich wohl JLiif), so dass man dieselbe ohne Weiteres
als die dem Himjarischen vorzugsweise eignende bezeichnen kann '),
worin sich eine frappante Aehnlichkeit mit dem Aethiopisehen zu
erkennen giebt. Ausser einigen schon früher (a. a. 0.) angeführten Beispielen, die hier wiederkehren, nennen wir (d):-in!« von tix 31, 3.
onan« 9, Gu. ö. pan)-i"inN 13, 8. bbns 8, G. -ais.x ebend. (o)-i3-iN
10, 10. (ian)-in3'N 35, 2. (D)bpot» 17, 7. (o)nnp}< 13, 10.
(ian)'2pe« 25, 5. (vgl. (i»n)':p 10, 8.) O«")»«-)«« 5, 3 u. ö. (im
Singular nih =jy'i)- ^'^^'^ ^' ^- ^- (■i")rinN
20, 5. (a}tbin 17, 5.
Belege für den äussern Plural, so weit es sich um den
Status absolutus handelt, sind nicht so leicht mit Sicherheit auf¬
zustellen; wir haben wohl manche auf n schliessende Wörter, aber
in mehreren Fällen ist es nach dem Zusammenhange sehr unwahr¬
scheinlich, dass wir es mit der Pluralform zu thun haben, obwohl
anderseits auch die früher von uns angenommene Möglichkeit, dass
das n auf ein Pron. I pers. sing, hinweisen könnte, bei def ganzen
Art der Ausdrucksweise in den mitgetheilten -Inschriften geleugnet
werden muss. Während es uns im Folgenden möglich sein wird,
auf Grund unserer Inschriften eine Eigenthümliehkeit des Him¬
jarischen , die sich bisher der Deutung entzogen hat , aufzuhellen,
stossen wir dagegen hier auf eine neue räthselhafte Erscheinung,
welche auch schon bei der Erklärung der Inschriften constatirt
worden, z. B. in-a 31, 3. pan 20, 1. 33, 3. auch lann 1, 8, die
unmöglich Plurale sein können, insbesondere auf eine Reihe von
Femininformen mit angehängtem ], z. B. pbap 39. p'-iJ: 13, 12.
1^h^n 13, 6. jnari 33, 3. iny3nN31, 2; dagegen scheinen Formen
wie pr« 4, 9 u. ö. ]y3n 20, 6. ]'N2io 27, 4, linN 10, 4 eher
Plurale zu sein. Aach für den eigenthümlichen Plural der Numeralia
zur Bezeichnung der Zehner, der mit blossem ■• gebildet wurde,
können wir das früher angeführte Beispiel '»a-iN 13, 10 = vierzig,
1) Der früher (in dieser Zeitschr. X, 42) nachgewiesene innero Plural '^1rt)Tbl neben mblM scheint auch 29, 7 wiedennkehren.
Osiamler , zur himjarischen Sprach- und Alterthumshinde. 223
wieder anführen, das vollends dadurch gesichert ist, dass wir da¬
nebeu die Form ns3iN==vier 37, 1 nachweisen können, aber
merkwürdigerweise finden wir neben ■»nie? auch piijy 31, 2 (s. das.).
Mit ziemlicher Sicherheit lässt sich der Feminin - Plural nachweisen ;
wenn wir nämlich neben der wiederkehrenden Formel oap^Ji | Djin
z. B. 6, 8. 11 einmal lesen: Dnö'pai | cn^N 31, 4, so ist klar,
dass ono'pD so gut wie onNN ein Plural sein muss; da nun
eine innere Pluralform !i.*jL£l vom arabischeu Standpunkte aus nicht
»
wahrscheinlich ist, so wird man auf eine Femininendung ät scbliessen
dürfen. Dahin gehört auch vielleicht njnno 8, 6, das statt des
sonstigen il.-o neben mehreren Pluralen steht.
Bei dem Status constructus des Plurals herrscht ent¬
schieden die Endung i, also die hebräische und aramäische Form
vor, z. B. von dem, obengenannten status absolutus -pru findet
sich 'Dba 35, 5. -bya. allein und mit Suffixen 26, 5. 10, 6 (neben
bsa«, mbsa« 17, 8. 31, 3. 36, 5); ferner (-,an)vvna 35, 5,
neben (TDn)N-iCN das. 3 u. ö. und dem Singular (lan)N-ia 8, 7;
"<nbN 29, 6 ganz entschieden stat. estr. Plur. von nb« Gott
(vgl. irDiinbN 32, 4) = hebr. 'nb», wozu wohl als stat. absol.
]nb» ?• Gr. 1, 5 gehört, wenn and'ers so zu lesen ist. Ferner
zeigt einen stat. estr. plur. das irfiDna Wr. Z.4 und sehr häufig
"»ri» (immer mit Suffixen ^n'riN oder lan'nN, z. B. 1, 1. 9, 1 u. ö.,
im Singular r.N mit Suffix inriN 19, 1 und Fr. LV, 7). Am häu¬
figsten haben wir den stat. estr. des Wortes "ja, und zwar, wie
dies schon früher die Fresnel'schen Inschriften zeigten , in der
doppelten Form "33 und «a. Dies ist zunächst schon darum
wichtig, weil wir daraus sehen, dass bereits das Himjarische die
zweifache Vocalaussprache, durch welche das Arabische den Nomi¬
nativ von den casus obliqui im Plural unterschied, gekannt hat; nur
fragt es sich, ob dasselbe auch wirklich die beiden Formen gerade
zur Bezeichnung der verschiedenen Casus angewandt hat Aus einer
genauen Betrachtung der einzelnen Beispiele ergiebt sich Folgendes,
was somit für das betreffende Stadium der arabischen Sprach¬
entwickelung als Regel gelten kann :
1) Wo es sich um eiuen casus obliquus handelt, steht regel¬
mässig die Form mit i oder e, nie die mit ü schliessende,
also immer ?33b , oder allein als Genitiv (möglicherweise Accu¬
sativ) 'Da 10, 11. 20, 5. 9. 22, 1 (ebenso als Genitiv -abö 35, 5).
2) Ih Verbindung mit Suffixen wird immer die mit i schliessende
Form gebraucht, sowohl im casus rectus als im casus obliquus,
so z. B. häufig neben dem Hauptsubject der Inschriften: i.t;31
(mn'jai) oder iri'nNi (loirriNi).
3) Die Endung ü erscheint somit nnr im Nominativ ohne
Suffix (z. B. 1, 1: 133 neben irrn«"!); dass in diesem Falle auch
■"ja stände, dafür wird sich kein ganx sicheres Beispiel nachweisen
224 Oslander, zur hirnjarischen Sprach- und Alterthumshunde.
lassen. Allerdings möchte man annehmen, dass 35, 1 (s. zur Stelle)
ein •'in Nominativ wäre, doch lässt sich dies bei dem fragmen¬
tarischen Charakter der Inschrift nicht beweisen '); jedenfalls ist
es bemerkenswertb, dass dieselbe Z. 4 123 und dagegen Z. 5 wieder
■«53 hat. Dieses entschiedene Vorherrschen der auf i (ai, e) schlies¬
senden Form lässt im Zusammenhange mit der Betrachtung desselben
stat. constr. plur. im Hebräischen und Aramäischen darauf sehliessen,
dass die Form auf i die ältere war und erst später zur Unter¬
scheidung der Casus das ü zu Hülfe genommen wurde; ähnlich
wie im arabischen Dual die ursprüngliche semitische Form zum
casus obliquus und im Nominativ zum Unterschiede eine neue Form
angewendet wurde ^).
Diese Endung auf ■> für den stat. constr. plur. zeigt sich aber
als eine im Himjarischen so fest eingewurzelte Bildung, dass sie
merkwürdigerweise, wenigstens in gewissen Mundarten, auch beim
stat. estr. plur. der F e m i n i n a in Anwendung kam, daher der Feminin¬
enduug t angehängt werden konnte; so zweimal 29, 5. 6 Tinbs,
wo im zweiten Falle aus dem daneben stehenden 'nbtt und dem
ganzen Zusammenhange ganz sicher hervorgeht, dass es ein stat.
constr. ist, in der Bedeutung „die Göttinnen von . . . ." (s. zu
dieser Stelle in dieser Zeitschr. XIX, S. 251.) Noch verdient
in Hinsicht auf die Pluralbezeichnung eine ganz seltsame Erschei¬
nung unsere Aufmerksamkeit. Es sind dies einzelne Beispiele, wo
an einen am vorgesetzten n erkennbaren innern Plural (Collectiv)
noch eine äussere Pluralbildung sich anhängt, so piiON 4, 14.
19. vgl. ]3ytt5N Fr. LVI, 8. 9, von welchem Worte wir einerseits
{ian)33'ffl{< H. G. 1, 7, anderseits las-ilä 4, 9 finden; ferner pba«
35, 3 und iNaiuN das., und insbesondere ganz direct uin vom Mascu¬
linum eines Collectivums das entsprechende Femininum zu unter¬
scheiden, und zwar neben einander, lanilnN und lanm-in« 13, 8
(s. zu dieser Stelle) ; endlich noch eine ganz merkwürdige, durch das
schon oben berührte tän erweiterte Form jmspt» 20, 3 (s. das.),
neben einem einfachen (iart)'3pt« 25, 5.
Ilaben wir nun bei der äussern Pluralbildung bereits die Form
des Status constructus besprochen, so fragt es sich, ob im Himja¬
rischen sich keine Spuren finden von einem Bestreben, auch beim Sin¬
gular (und innern Plural) den status absolutus vom status constructus
zu unterscheiden? Diese Frage kann jetzt aus dem uns vorliegenden
Material entschieden bejaht werden , und zwar ist das- Himjarische
der Hauptsache nach in derselben Weise verfahren, wie das Ara-
1) Eigenthümlich aber ist 18, 1 — 3: | bN3lri | in''331 | nnytib onnna | 13a | | "iia | larrDai | in-riNI, wo das letzte •'23 denn doch dem vorhergehenden 133 parallel zu stehen scheint, und kaum anders denn als Nominativ gefasst werden kann.
2) Vgl. Ewald, Gramm, arah. I, §. 334. Anm. 1.
r
Oslander, tur himjarischen Sprach- und AUerlhumskunde. 225
bische. Es führt uns dies zur Besprechung der Eigenthümliehkeit
des dem Nomen sich anhängenden enclitischen m
(Mimation).
Habe ich früher (in dieser Zeitschr. X, S. 42) die Andeutung
ausgesprochen, das^ das m ein Zeichen des Genitivs sein könnte,
so muss ich dies jetzt, da es offenbar sich zeigt, dass dasselbe für
alle Casus gebraucht wird, entschieden für unrichtig halten. Aus
einer genaueren Betrachtung der überaus zahlreichen (mehr als
hundert) Beispiele in unsern Inschriften geht mit vollständiger
Sicherheit hervor — und es darf dies gewiss als eins der für die
semitische Sprachgeschichte wichtigsten aus unsern Inschriften sich
ergebenden Resultate betrachtet werden —, dass dieses schliessende
m fast durchaus dem arabischen Tanwin entspricht und sich somit als
der stärkere consonantische Laut darstellt, aus dem erst def im
Arabischen an die Vocal-Endung des Nomen sich anhängende,
nicht einmal mehr in der Schrift consonantisch ausgedrückte Nasal¬
laut abgeschwächt ist.
1. Die Fälle näralich, in welchen dieses schliessende m vor¬
kommt, für das wir der Kürze halber die iu der assyrischen Gram¬
matik ') nach Analogie des Arabischen gut gewählte Bezeichnung
Mimation entlehnen, entsprechen, so weit sich erkennen lässt, so
ziemlich genau denen, wo die Araber das Tanwin gesprochen haben.
Es scheint soviel wie gewiss zu sein, dass es dieselben (d. h. die
weitaus meisten) Norainalformen sind, bei welchen im Him¬
jarischen die Mimation , wie im Arabischen die Nunation , über¬
haupt zur Anwendung koraraen kann. Zunächst sind es die No-
rainalbildungen einfachster Art, oder wenigstens ohne äussern Zusatz,
welche das ra annehraen, z. B. Diuaiz5=ijlli (resp. ^JLi), osn«
So* Ou. ' 0 „,
z=^jit (oder auch Genit. und Accusat.), Dnri=,_^', oam=w*?'j,
Ou- Oo- GoS Oo-
Dnas = vX*c, Dnm=^j, D^IJ^N=^J«J|; Infinitive wie o-m
• O.u
D'sn etwa = ^yOj. Ebenso Fera in ina: Dnoy3 = 8Ujü, Dna-pa
= ? oL**«.« u. dergl. m., und Deminutiva: o:"<ip = ^jä^
Ol,.* '
OT"«» = Andere durch Consonanten-Schärfung oder Vocal-
0 i- 0 -
dehnung entsandene Formen sind : Daai = v'Ijj , DSito = ^
cboa =Jt<j, DNsaä =^Lä| von Stämmen mit äusserem Zusatz:
G'>i.- . 'g.c- Gi-i 0,,
BIS ■a=c>y*jt^^ oima=LXjyi, oma =i>jy«, Dopa = |.lä,4.
1) Vgl. Oppert, Elements de I« grammaire Assyrienne. ( Separatabdrurk aus dem Journal Asiatique 1860, 1.) §. 30 ff.
226 Osiander, mr himjarischen Sprach- und Alterthumskunde.
Daneben kommen nun vier sehr charakteristische, durchaus
dem Arabischen entsprechende FäUe vor, welche keine Mimation
zulassen: a) der Elativ, z. B. nyiCN = Ow«li, a^ti« = J^Iil,
DiwX = ebenso qiriN, obs«, ddin; wogegen dann wiederum
r ' 9 B
ganz bezeichnend: moJN = jUii, und gewiss auch ganz sicher
'' 1 , i, E 3 ^ oC
üprnx nicht = oi^ji, sondern = ^L5> ^1. b) Soviel sich beurtheilen lässt , ebenso ganz consequent wie im Arabischen die nomina propria von einer der Imperfectformen, z. B. siD''(yiDn"»), br!«^ , an:'', P|ttj">,
* ' ^ t I b •
nn', or»', ap-, ain', t]:"'(auch E|5n = oj-;3 vgl. dagegen
I
allerdings osri- möglicherweise = ^^J:!, s. zn 12, 10, wenn anders
die Ableitung fest stände, c) Insbesondere abermals dem Arabischen
entsprechend die nomina propria mit Femininendung, z. B. n-iam 7, 1.
na:-n 8, 1. nrvn 32, 1. naba 19, 2. nm-Din 29, 2. nman 30,
A—B. nrii-nb 18, 1 und 35, d. raiüp 20, 2 (dieses letztere
Name eines Weibes), maffl Sabota, Name einer Localität 29, 6.
d) Endlich auch meistens nomina, insbesondere nomm. propria
auf ] d. h. &n (ün, in), also z. B. pay, ^m-i , ipjs:, pni,
]nby, iapio, rt<i ""d dgl. m. Dagegen kommt allerdings vor
o:n?3 in der Verbindung Djua | nn, Name einer Gottheit, wo
sehr wahrscheinlich ist, dass psa eine Localität ist: 32, 4. 33, 4
und Fr. LV und LVI (vielleicht zu vergleichen 35, 6: | DJ-iKn
D:t<an); dagegen immer pis | n-i oder nbsa und itti-, man
wird also annehmen müssen, dass hier der Sprachgebrauch sich noch
nicht so fixirt hatte , wie im Arabischen . bei den nomm. propr. ;
während bekanntlich das Arabische hinsichtlich der Appellativa
mit der Endung ebenfalls diesen Unterschied macht.
Hinsichtlich der zusammengesetzten Eigennamen ist zu be¬
merken: 1) Diejenigen, von denen man annehmen darf, dass die .Zu¬
sammensetzung einen kurzen Satz bildet, haben keine Mimation,
also z. B. iVanp-, "ibain»', ^baa-ia- u. dgl; eine Ausnahme
macht nur Dia.s-bN 36, 2, wo es wenigstens kaum anders denkbar
ist, als dass nr« Nominativ eines Sätzchens ist (s. zu dieser St.jt.
2) Bei den auf dem status constructus beruhenden Verbindungen,
konmit es lediglich darauf an, ob das im Genitiv stehende Nomen
der Mimation föhig ist, z. B. abbaias (Rödiger San. 1 =) Fr. III,
DiDaiOias = 10, 1; dagegen nbnsio Sa'diläb 4, 1. 17
«
und bnam J-aJ'j, bnairi = Taub-il (el), und so in den mannig¬
fachen Zusammensetzungen mit b«, woraus man wohl den Schluss
ziehen darf, dass b« und nb« überhaupt keine Mimation annahmen.
Osiander, zur himjarischen Sprach- und Alterthumtkunde. 227
Haben wir hier die Anwendung des D bei gewissen himjarischen
eigenthümlichen Sprachformen verfolgt, so finden wir wieder voll¬
kommene Uebereinstimmung mit dem Arabischen bei CoUectiven.
Es zeigen uns zahlreiche Beispiele, dass die himjarischen inneren
Plurale der Bildung bsDS die fragliche Endung annehmen, so gut
9 t bO G . üS
wie die entsprechenden arabischen JjtsI und JL»i( . So lautet vom
Singular Diin 35, 4 der Plural mbi«, z. B. 10, 10. 17, 5, und
von ont« 6, 8 = a3nf<s« 31, 4. Aehnliche Fälle sind o-iori»
11, 7. 17, 7. obpD« 17, 7. D-npN 13, 10.
Dagegen fällt die Mimation ganz wie das arabische Tanwin —
und dies ist ein ganz unzweifelhaftes Zeugniss für die Bedeutung
dieser sprachlichen Erscheinung — immer hinweg, wenn ein Wort
im status constructus steht; so sagt man z. B. im stat.
O o " O'lb.*
absol. ma» («Xk^), dagegen DtDOizSnay = u«»*-«! J^*c; femer
»
BW1N, dagegen bf«tsw ; Dam, dagegen stat. estr. bwam; D"«i
im stat. absol., dagegen p^a | *di „für Erhaltung des Hauses";
D'xi, aber im stat. estr. na.-NiON | „Begnadigung ihrer
Männer" 10, 10, (vgl. 12, 9); ccnn, aber i)-ina 1, 9 u. ö.; D»pa,
dagegen npobf« | opo 16, 6. 20, 9; d:"in und piD | psa 29, 4—5;
ciD3« 17, 11 und isjN 16, 5. Auch das Collectivum mit folgendem
Genitiv verliert das m, z. B. 36, 5: lonn-a | brat*. Dasselbe
gilt, wie sich von selbst versteht, wo der Genitiv durch ein an¬
gehängtes Suffix vertreten ist, z. B. i.nnas „sein Knecht," ionN:irf
„ihr Feind" 31, 5, neben 0»:t 18, 10. 20, 4; lonayib 1, 2, und
Day«} Fr. XI, 7. imin 7, 5 und Dlin 1, 11. 10, 3. 13, 9;
innpns und opns, iOno«ic l, 4 und oo""« Fr. XI, 3. 4, und
zu dem oben genannten o•*t^ -. i.tbi , lorrci , und von Pluralen
neben onbiN, o-iofiN, oiip*» und dgl.: mbya«, lOiTntD«,
lanNlON, iom:pN, loni-iy«, innm». Nnr in dem Satze 8, 6:
latBNi I bbriNi | nanno könnte man zweifelhaft sein, ob sich die
Form irgendwie als stat. estr. erklären lässt; jedenfalls kann dies,
so lange keine sichere Erklärung gegeben ist, nicht als Beweis gelten,
dass das m auch ohne stat. estr. wegfallen kann. Auch wider¬
sprechen in keiner Weise der aus unsern Inschriften abstrahirten
Regel die Beispiele NbON(a) 16, 7. 23, 1. 4. 27, 10 undbNteo(a) 12,
5 (vgl. dagegen obNiuaa 1, 5 u. Fr. LV, 3, und fast immer mit Suffix inbt<iDo(a)), wo zwar kein Genitiv, wohl aber ein Relativsatz ohne Relativpartikel folgt und also der stat. estr. nach Analogie dessen,
was im Hebräischen in solchen Fällen vorkommt (vgL Ewald's Lehr¬
buch §. 332, c), zu beurtheilen ist. Nur in einem, freilich nicht
unwesentlichen Punkte, kann das Gesetz der Anwendung der him¬
jarischen Mimation und der arabischen Nunation nicht überein¬
stimmen. Wenn nämlich das Tanwin auch bei dem durch den
Artikel determinirten Worte abfällt — nach meiner Ansicht, ans
228 Osiander, zur himjarischen Sprach- und Alterthumskunde.
dem einfachen Grunde, weil das Gewicht, das so vome an das
Wort angehängt wird, eine Erleichterung nach hinten herbeiführt,
ähnlich wie beim Elativ — und das Tanwin somit recht eigentlich
das Zeichen der Indeterminirtheit ist, so muss sich dies bei dem
Himjarischen anders verhalten, da es, wie nachher noch weiter
ausgeführt werden soll, keinen Artikel hat; daher findet sich die
Mimation, ebensowohl bei dem determinirten, als bei dem nicht
determinirten Wort. So bedeutet Dbsioaa 1, 5 (vgl. Fr. LY, 3)
nnzweifelhaft gewiss „die Bitte," ebenso 0«:« 18, 10. 20, 7 „der Feind, Hasser," das« Fr. 11, 7 „der Stamm," dagegen z. B. mbi«
17, 5 u. ö. ohne allen Zweifel „Kinder", nicht „die Kinder", und I b3 wie ^J»UJI yS.
Darf nun die wesentliche Identität dieses angehängten m mit
dem" arabischen Tanwin schon durch die Vergleichung ihres beider¬
seitigen Gebrauchs als feststehend angesehen werden, so fragt sich
noch> ob nicht noch weitere ausdrückliche Beweise dafür bei¬
gebracht werden können. Zunächst lässt sich darauf verweisen,
dass in unsern Inschriflen ein paar Mal das m in n übergegangen
zu sein scheint. So lesen wir 36, 6 genau in derselben Ver¬
bindung, in welcher drei Mal: 9, 6. 17, 6. 18, 9 dnsm steht; ferner
findet sich 13, 7 Dn"i-ii:, dagegen ebendaselbst Z. 12 ininj:, und
ähnliche Fälle bei Femininendungen, wie inriTn das. Z. 7; indessen
bleibt hier immerhin eine andere Erklärung offen i); aber fast mit
Sicherheit wird man als Beweis dafür insai« 81, 2 anführen
dürfen, wo dann, ganz in arabischer Weise, das die Einer dar¬
stellende Zahlwort declinirt den Zehnem vorangeht»).
Interessant aber ist, dass sich bei den Arabern noch einige
Erinnerung an die Bedeutung dieses m erhalten hat. Es ist sehr
bemerkenswertb, dass Blau in seiner Abhandlung: Zur hauranischen
Alterthnmskunde (in dieser Zeitschr. XV, S. 453) nicht nur die
Mimation auch in den hauranischen Inschriften, sondern auch eine
interessante Stelle bei Albakri nachweist, die bei Juynboll Marasid
II, 174 angeführt ist'), wobei freilich sowohl von Albakri, der nun
dap durch die Endung m (oder vielmehr um, am) verlängerte
Wort noch mi£ der Nunation versieht, als auch von Blau, wenn er
die Endung als Zeichen des Nominativs im Singularis ansieht, die
eigentliche Bedeutung dieser sprachlichen Erscheinung verkannt
1) S. lu 9, 6, ferner zn 29, 6 (8. 251 fg.) u. 30 G. (L.)
2) Dm ^bsfea 13, 11 passt sich vielleicht dem vorangehenden p an.
3) Vgl. anch Wüstenfeld, Register S. 48 unter „Afra' ben el-Hameisa"' 0,0'
und Ibn Doraid bei Freytag Lex. s. v. f^-^ und dessen Einleitung in das Stndium des Arabischen S. 119, wo von Djauhari bemerkt ist, dass das m nach hingarischem Gebrauche angehüngt sei (L.)
Osiander, zur himjarischen Sprach- und Alterthumskunde. 229
wird Dagegen geht ans jener Stelle soTiel dentlich hervor, dass
. u ^ tu '
die Araber bei solchen Wörtern wie f>.s3jia, ^iia das m als ein
specifisch himjarisches 'i:>ljß\ |»a-c ( J^j^j" ) betrachten,
üebrigens finden sich Andeutungen, dass man derartige Nominal¬
bilduugen aucb ausserhalb des specifisch himjarischen Kreises, als
dem Altarabischen nicht fremd, betrachtete. So führt Ibn Duraid
Kitäb al-ist. S. t". bei dem Namen ,»*Sui an, es sei eine doppelte
Ableitung möglich, wovon die erste wäre: BiAjlj vi**Äi| a*
*S >Ü» >o>
vü«-^l '(^^i vJi;^' er f4^'^y US'.
Dies führt uns auf die Frage, ob von dieser charakteristischen
Nominalhildung auch sonst auf semitischem Boden sich Spuren
finden. Hier ist es zunächst wieder das Hebräische, bei dem wir
uns überhaupt, wo es sich ura Alterthüraliches handelt, selten um¬
sonst umsehen, welches in der That sehr alte Norainal- und be¬
sonders Adjectivbildungen ,, wie Ewald ^) rait Recht bemerkt, auf
ära und ora bietet, wie DT», DbiN, Dtn», obn», dVd, vgl. auch
Dsro, orios neben irjop (ein Noraen, das alleiu auf n auslau¬
tet), sowie in den Adverbialbildungen Dar *), oni'?, Ö:««, Dij-n ,
1) Wenn Herr Blau bemerkt , dass die bimjariscben Eigennamen mit
schliessendem m von mir noch mit einem Fragezeichen hezeichnet seien (was übrigens nur einmal in d. Zeitschr. X, S. 51 der Fall ist), so hatte dies nicht den Siim, dass icb die Erscheinung ignorirte, sondern nur, dass ich über ihre Erklärung noch im Zweifel war.
2) Lehrbuch d. hebr. Spr. §. 163, f.
3) Aus dem Gesagten geht hervor, dass wir Cat'' nicht ohne Weiteres
*
als identisch mit L<^ nehmen möchten, wogegen Ewald (a. a. O. S. 455.
Anm. 1) sich mit Recht erklärt; dass aber anderseits doch beides, wie das Himjarische zeigt, zusammenhängt, lässt sich nicht leugnen.
[Wir erlauben uns hier einige Worte von Münk aus seinem Werke: Notice sur Abou'1-Walid Merwan Ibn-Djana'h, Paris 1851 (extrait du Journal Asiatique 1850) p. 113. Note 1. hierher zu setzen: „Je ne doute pas que ce (sc. la ter¬
minaison adverbiale D t~) ne soit Iä un reste de la döclinaison qui avait existe autrefois dans I'hibreu , ou bien dans la langue primitive d'oü dörivaicnt k la fois I'hihreu et l'arabe. L'accusatif , en arabe , s'est conserve comme forme adverbiale, de meme que dans l'arabe vulgaire;^ car, en gdn^ral, rhibren a beaucoup plus de rapports avec 1' arabe vulgaire qu' avec 1' arabe littoral, comme j'aurai peut-etre l'occasion de Ie montrer ailleurs, et il. en risulte que ce que nous appelons I'arahe vulgaire est Egalement un dialecte fort ancien. Nous trouvons souvent dans les terminaisons grammaticales de l'hebreu un &, lä oA
o ^
l'arabe prisente un par exemple au duel D''^ et qJ.-) «' au pluriel et ^ —) meme l'articulation nasale de la döclinaison qui en arabe est re- prisentie par n, l'ötait en hibreu par m, at ce que dans U grumuür« arab«