Presseinformation
Kassenärztliche Vereinigung Bayerns
VV der KVB fordert realistische Zeitplanung in Sachen Telematikinfrastruktur
München, 22. Juni 2017: Die zukünftige Gestaltung des Gesundheitssystems nach der Bundestagswahl war das übergreifende Thema der Vertreterver- sammlung (VV) der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB), die gestern in München stattfand. Dabei stand insbesondere die vom Gesetzgeber for- cierte Einführung einer Telematikinfrastruktur (TI) sowie generell die Digitali- sierung der Medizin im Fokus. Einstimmig verabschiedete die VV Anträge, die den Gesetzgeber zu einer realistischen Zeitplanung in Bezug auf die TI auf- fordern sowie die überragende Bedeutung eines persönlichen und unmittelba- ren Arzt-Patienten-Kontaktes betonen. Weitere wichtige Themen der VV unter Vorsitz der oberfränkischen Hausärztin Dr. Petra Reis-Berkowicz waren die von den politischen Parteien in ihren Wahlprogrammen geäußerten Vorstel- lungen zur Umgestaltung des Gesundheitswesens sowie die Weiterentwick- lung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes in Bayern.
Dr. Wolfgang Krombholz, der Vorstandsvorsitzende der KVB, äußerte sich da- bei sehr kritisch zu den bislang vorgelegten Reformideen aller Parteien. „Uns Ärzten sind in den letzten Jahren permanent Restriktionen per Gesetz aufok- troyiert worden. Ich habe nicht den Eindruck, dass im Bundestagswahlkampf nun ein Umdenken erfolgt“, so Krombholz. Dabei habe gerade die KVB mit erfolgreichen Projekten wie der Wirkstoffvereinbarung im Arzneimittelbereich – „Seit zweieinhalb Jahren ist in Bayern deswegen kein Arzt mehr in die Prü- fung gekommen“, so Krombholz – und der Neustrukturierung des Bereit- schaftsdienstes mit der Einrichtung zentraler Bereitschaftspraxen sowie eines separaten Fahrdienstes bewiesen, dass sie die notwendigen Lösungen für die Herausforderungen in der ambulanten Versorgung parat habe. Der Vorstands- vorsitzende stellte auch die bisherigen Aktivitäten der KVB zur Nachwuchsge- winnung in unterversorgten und drohend unterversorgten Regionen vor. Bis- lang seien seit Juni 2013 über 100 Förderanträge mit einem finanziellen Volu- men von rund 5,5 Millionen Euro bewilligt worden. Dennoch sei es trotz großer Bemühungen nicht immer möglich, in jeder Region Nachfolger für Praxen zu gewinnen. Krombholz warb deshalb dafür, dass die KVB als „Ultima Ratio“ zur Sicherung der ambulanten Versorgung auch KV-Eigeneinrichtungen vorsehen sollte. Die VV unterstützte einen entsprechenden Antrag, der solche Einrich- tungen ermöglicht.
Der erste stellvertretende Vorstandsvorsitzende Dr. Pedro Schmelz ging in seiner Rede anfangs auf die Honorarsituation der Fachärzte ein und stellte dar, dass die kalkulatorischen Fallwerte aller Fachgruppen in den Jahren 2013
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Presseinformation der KVB vom 22. Juni 2017 Seite 2
bis 2016 nahezu zu hundert Prozent vergütet werden konnten. Dennoch sei die Budgetierung der Honorare im ambulanten Bereich nach wie vor eine „Nie- derlassungsbremse“ für die jungen Ärzte. Moderaten Honorarsteigerungen stünden stetig wachsende Betriebskosten gegenüber. Schmelz trat auch der häufig geäußerten Kritik entgegen, wonach die Fachärzte zu wenige Sprech- stunden für gesetzlich Krankenversicherte anböten. Wie per Gesetz gefordert, habe die KVB geprüft, inwiefern die Fachärzte ihren Patienten ausreichend zur Verfügung stehen. Ergebnis laut Schmelz: „Über alle geprüften Arztgrup- pen hinweg werden die Versorgungsaufträge sehr gut erfüllt.“ Dafür spreche auch, dass die Terminservicestelle in Bayern von den Patienten nach wie vor kaum in Anspruch genommen werde. In Sachen Telematikinfrastruktur übte Schmelz deutliche Kritik an der Politik, die die Ärzteschaft mit finanziellen Re- pressalien bedrohe, obwohl es doch an der Industrie liege, dass die für den Aufbau der TI erforderlichen Komponenten noch nicht lieferbar seien. Schmelz bezeichnete dies als „Posse und trauriges Schauspiel“ und empfahl den Mit- gliedern der KVB, sich durch die politischen Drohszenarien nicht unter Druck setzen zu lassen.
Dr. Claudia Ritter-Rupp, die zweite stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KVB, konzentrierte sich in ihrem Vortrag speziell auf die psychotherapeutische Versorgung. So habe die seit April 2017 eingerichtete Terminservicestelle für Psychotherapie in den ersten beiden Monaten ihres Bestehens rund 750 Ter- mine für die psychotherapeutische Sprechstunde beziehungsweise die Akut- behandlung vermitteln können. Ärgerlich sei die hohe Zahl der Stornierungen, die von Seiten der Patienten ausgehen. Auch im Bereich der Psychotherapie läuft derzeit bei der KVB eine Analyse, inwiefern ausreichend Kapazitäten für die Versorgung zur Verfügung stehen. Wenn man dabei feststelle, dass in ein- zelnen Praxen sehr wenige Patientenkontakte stattfinden, würden Berater der KVB diese kontaktieren und gemeinsam nach Lösungen suchen, so Ritter- Rupp: „Unser Credo lautet ganz klar: Beratung statt Bestrafung“. Sie stellte zudem ein neues Projekt zur Psychoneuroimmunologie vor, mit dem sich die KVB gemeinsam mit dem BKK-Landesverband Bayern sowie weiteren Part- nern für eine Förderung durch den Innovationsfonds beworben hat. Abschlie- ßend erneuerte sie die Kritik der KVB am Beschluss des Erweiterten Bewer- tungsausschusses zur Vergütung der neuen Psychotherapie-Leistungen, konnte dann aber auch noch ganz aktuell über die gestrige positive Entschei- dung für eine Aufwertung der Honorierung informieren.