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über das Sonderstatut des Berner Juras und über die

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(1)

Staatskanzlei

Gesetz

über das Sonderstatut des Berner Juras und über die

französischsprachige Minderheit des zweisprachigen Amtsbezirks Biel (Sonderstatutsgesetz, SStG) (Änderung)

und der Kommission

(2)

388/1

Inhaltsverzeichnis

Seite

1. Zusammenfassung 3

2. Ausgangslage 3

2.1 Jurakonflikt und Interjurassische Versammlung (IJV) 3

2.2 Schlussbericht der IJV 4

2.2.1 Ein Kanton mit sechs Gemeinden 4

2.2.2 Der Ansatz «Status quo plus» 5

2.2.3 Die beiden Ansätze im Vergleich und Schlussfolgerungen der IJV 5

2.2.4 Verabschiedung des IJV-Schlussberichts 5

2.2.5 Minderheitsbericht 5

2.3 Interaktive Informationsveranstaltungen 6

3. Reaktionen auf den Schlussbericht der IJV und Zusatzstudie 6

3.1 Erklärung des Regierungsrates 6

3.2 Stellungnahme des Bernjurassischen Rats 7

3.3 Studie über die Beziehungen zwischen dem Berner Jura und Biel 7 4. Absichtserklärung des Regierungsrates und des jurassischen

Staatsrates 8

4.1 Zweck und Gegenstand 8

4.2 Folgen der Abstimmungen 8

4.2.1 Annahme 1 9

4.2.2 Annahme 2 9

4.3 Abschluss der Verfahren 9

5. Grundzüge der Neuregelung 9

6. Erlassform 10

7. Umsetzung 10

8. Erläuterungen zu den Artikeln 11

9. Verhältnis zu den Richtlinien der Regierungspolitik

(Rechtsetzungsprogramm) und anderen wichtigen Planungen 12

10. Finanzielle Auswirkungen 12

11. Personelle und organisatorische Auswirkungen 12

12. Auswirkungen auf die Gemeinden 12

Seite

13. Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 12

13.1 Direkte Auswirkungen 12

13.2 Indirekte Auswirkungen 13

14. Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens 13

15. Antrag 14

(3)

Vortrag

des Regierungsrates an den Grossen Rat

zur Änderung des Gesetzes über das Sonderstatut des Berner Juras und über die französischsprachige Minderheit des zweisprachigen Amtsbezirks Biel (Sonderstatutsgesetz, SStG)

1. Zusammenfassung

Am 25. März 1994 unterzeichneten der Schweizerische Bundesrat, der Regierungsrat des Kantons Bern und die Regierung des Kantons Jura die Vereinbarung über die Institutionalisierung des interjurassischen Dialogs und die Bildung der Interjurassi- schen Versammlung (nachstehend: Vereinbarung vom 25. März 1994). Die Vereinba- rung vom 25. März 1994 hat die Interjurassische Versammlung (IJV) als Ort des interjurassischen Dialogs geschaffen. Das erklärte Hauptziel dieser Vereinbarung war die politische Beilegung des Jurakonflikts.

Die IJV hat in Erfüllung ihres Auftrags eine Studie durchgeführt, die sie am 4. Mai 2009 mit der Übergabe eines Schlussberichts an die auftraggebenden Kantone und an den Bund abgeschlossen hat. Die IJV kommt in ihrer Studie zum Schluss, dass der Jurakonflikt auf zwei Wegen gelöst werden kann: mit der Gründung eines «neu- en, aus sechs Gemeinden bestehenden Kantons» sowie mit einem «Status quo plus». Sie verzichtet darauf, dem einen oder anderen Lösungsansatz den Vorzug zu geben, da sich keine der beiden Lösungen politisch gesehen von selbst aufdrängt.

Sie ist der Auffassung, dass sich die politische Lösung des Jurakonflikts aus der Fortsetzung des interjurassischen Dialogs sowie aus einer von den beiden betroffe- nen Bevölkerungsgruppen geführten demokratischen Debatte über die Zukunft der interjurassischen Gemeinschaft ergeben soll. Es sind die Bürgerinnen und Bürger der beiden Regionen selbst, die mit einem demokratischen Entscheid an der Urne eine politische Lösung des Jurakonflikts herbeiführen müssen.

Am 20. Februar 2012 haben die Regierungen der Kantone Jura und Bern eine Ab- sichtserklärung unterzeichnet, in der sie sich über die Folgearbeiten des IJV- Schlussberichts verständigt haben. Sie haben sich über die Notwendigkeit geeinigt, dass gleichzeitig zwei Volksabstimmungen im Kanton Jura und im Berner Jura durchgeführt werden, um es den Stimmberechtigten dieser beiden Regionen zu ermöglichen, sich über ihre institutionelle Zukunft zu äussern. In diesen beiden Ab- stimmungen darf es nicht um die Gründung bzw. Nichtgründung eines neuen, aus dem Gebiet des heutigen Berner Juras und des heutigen Kantons Jura bestehenden Kantons gehen. Es kann nur um die Frage gehen, ob die beiden Kantonsregierungen beauftragt werden sollen, ein Verfahren zur Gründung eines neuen Kantons einzu- leiten.

Ziel und Zweck dieser Vorlage ist es, im Sonderstatutsgesetz diejenigen Rechts- grundlagen zu verankern, die für die Durchführung einer Volksabstimmung in der Verwaltungsregion Berner Jura erforderlich sind.

2. Ausgangslage

2.1 Jurakonflikt und Interjurassische Versammlung (IJV)

Am 1. März 1970 stimmten die Stimmbürger des Kantons Bern einem Verfassungs- zusatz zu, der im jurassischen Landesteil, der damals aus den Amtsbezirken Courte- lary, Delsberg, Freiberge, Laufen, Münster, Neuenstadt und Pruntrut bestand, die Durchführung einer Abstimmung vorsah. An der Abstimmung vom 23. Juni 1974 beschloss die Bevölkerungsmehrheit des jurassischen Landesteils die Gründung eines neuen Kantons. Gemäss den im Verfassungszusatz vorgesehenen Jurabe- stimmungen fanden im folgenden Jahr in mehreren Amtsbezirken und Gemeinden weitere Abstimmungen statt, an denen sich die Stimmberechtigten dann für einen Verbleib beim Kanton Bern aussprachen. Alle diese Abstimmungen haben zur heu- tigen institutionellen Situation in der interjurassischen Region geführt: Die Bezirke Delsberg, Pruntrut und Freiberge bilden den Kanton Jura, während der Verwal- tungskreis Berner Jura zum Kanton Bern gehört.1)

Am 25. März 1994 unterzeichneten der Schweizerische Bundesrat, der Regierungsrat des Kantons Bern und die Regierung des Kantons Jura die Vereinbarung über die Institutionalisierung des interjurassischen Dialogs und die Bildung der Interjurassi- schen Versammlung (nachstehend: Vereinbarung vom 25. März 1994).2)Die Verein- barung vom 25. März 1994 hat die Interjurassische Versammlung (IJV) als Ort des interjurassischen Dialogs geschaffen. Das erklärte Hauptziel dieser Vereinbarung war die politische Beilegung des Jurakonflikts.3)

Die IJV setzt sich aus zwei Delegationen mit je zwölf Mitgliedern zusammen. Die Mitglieder der jurassischen Delegation werden von der jurassischen Regierung frei bestimmt. Die vom bernischen Regierungsrat ernannte bernische Delegation be- steht aus den bernjurassischen Grossratsmitgliedern bzw. aus Personen derselben politischen Zugehörigkeit wie diejenigen Grossratsmitglieder, die auf einen Einsitz in der IJV verzichten. Hinzu kommt ein neutraler, vom Bundesrat gewählter Präsident.

Der IJV wurden anfänglich folgende Aufgaben übertragen:4)

– Die IJV fördert in den verschiedenen Kreisen und Organen des Kantons Jura und des Berner Juras sowie zwischen den Bewohnerinnen und Bewohnern auf beiden

1) Der Amtsbezirk Laufen hat sich am 1. Januar 1994 dem Kanton Basel-Landschaft ange- schlossen. Die Gemeinde Vellerat wurde am 1. Juli 1996 dem Kanton Jura angegliedert.

Die Amtsbezirke Courtelary, Moutier und La Neuveville bilden seit dem 1. Januar 2010 die Verwaltungsregion Berner Jura, die den Verwaltungskreis Berner Jura umfasst.

2) Verfügbar auf der Internetseite der IJV unter http://www.aij.ch/, Rubrik «Dokumente auf Deutsch»

3) Vereinbarung vom 25. März 1994, Kapitel A, S. 1, und Kapitel B, S. 3

4) Vereinbarung vom 25. März 1994, Kapitel C, Ziffer 1, S. 3

(4)

Seiten der Kantonsgrenzen den Dialog über die Zukunft der interjurassischen Gemeinschaft.

– Sie unterbreitet Vorschläge für eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen dem Kanton Jura und dem Berner Jura in genau umschriebenen Aufgaben und kon- kreten Projekten.

– Sie unterbreitet Vorschläge für das Instrumentarium der Zusammenarbeit, wie z.B. gemeinsame Vereinbarungen oder Institutionen.

Die Vereinbarung vom 25. März 1994 präzisiert im Übrigen, dass der Dialog in alle möglichen Richtungen führen kann. Die beiden Kantonsregierungen, die in erster Linie die Versöhnung anstreben, waren der Ansicht, dass die Interjurassische Ver- sammlung über den nötigen Freiraum verfügen müsse, um zu gegebener Zeit alle ihr als behandelnswert erscheinenden Themen aufgreifen zu können.5)

Die IJV beschloss am 28. Juni 2004, eine Studie über ein Kantonsgebilde aus sechs Bezirken durchzuführen, wobei sie sich ausdrücklich auf die Bestimmung der Ver- einbarung vom 25. März 1994 stützte, die sie ermächtigte, das Thema der Wieder- vereinigung aufzugreifen. So sollten die eingeleiteten Studien und erforschten Wege es ermöglichen, die institutionelle Form zu bestimmen, die der interjurassischen Gemeinschaft des Kantons Jura und des Berner Juras am besten dient. Es war im Übrigen vorgesehen, dass die Schlussfolgerungen der IJV nach Abschluss dieser Untersuchungen es den betroffenen Bevölkerungen erlauben sollten, sich nach einem noch zu bestimmenden Verfahren demokratisch und in Kenntnis aller Tatsa- chen zu äussern.6)

Dieser Beschluss wurde jedoch nicht umgesetzt, da in der Zwischenzeit die Initiative

«Un seul Jura» zustande gekommen und im November 2004 vom jurassischen Par- lament gutgeheissen worden war. Die IJV war der Auffassung, der Wortlaut der Initiative könne die Vereinbarung vom 25. März 1994 infrage stellen, und beschloss, ihre Arbeiten im Zusammenhang mit der Studie über eine Einheit aus sechs Bezir- ken so lange zu sistieren, bis sich die Partner der Vereinbarung vom 25. März 1994 in der Tripartitekonferenz über die Folgen einer Annahme der Initiative «Un seul Jura» geäussert haben würden. Im Nachgang dieser Forderung haben die beiden Kantonsregierungen unter der Ägide des Bundesrates die IJV mit einer Studie über die institutionelle Zukunft der jurassischen Region beauftragt.7) Der IJV wurde der Auftrag erteilt,

– eine Studie über ein neues politisches Kantonsgebilde, bestehend aus den sechs Amtsbezirken Courtelary, Delsberg, Freiberge, Moutier, Neuenstadt und Pruntrut, durchzuführen,

5) Vereinbarung vom 25. März 1994, Kapitel C, Ziffer 2, S. 4

6) IJV-Beschluss Nr. 18 vom 28. Juni 2004, http://www.aij.ch/, Rubrik «Dossier institutionnel»

-> «Rapport final AIJ» -> «Autres documents», Doc. 6.1 (nur auf Französisch)

7) Auftrag vom 6./7. September 2005, http://www.rr.be.ch, Rubrik «Regierungsrat» -> «Politi- sche Zukunft des Berner Juras» -> «Dokumente», Auftrag zur Durchführung einer Studie

– eine Studie über die Auswirkungen der direkten Partnerschaft, die sich aus den gemeinsamen interjurassischen Institutionen ergibt, sowie über die Wirkungen des Sonderstatuts, das mit dem entsprechenden bernischen Gesetz vom 13. Sep- tember 2004 (SStG) (BSG 102.1) geschaffen wurde, durchzuführen,

– andere Lösungsansätze zu prüfen, die ihr möglich und deren Prüfung ihr nützlich erscheinen.

2.2 Schlussbericht der IJV

Nach zweieinhalb Jahren intensiver Arbeit schloss die IJV ihre Studie ab und legte den auftraggebenden Kantonen und dem Bund am 4. Mai 2009 ihren Schlussbe- richt8)vor. Sie stellt fest, dass die heutige Situation vor dem Hintergrund der direkten Partnerschaft zwischen dem Berner Jura und dem Kanton Jura nicht befriedigend ist. Die durchwachsene Würdigung der IJV betrifft nicht die interjurassische Zu- sammenarbeit im eigentlichen Sinne, sondern mehr die Fähigkeit der einzelnen Partner, diese zu konkretisieren, d.h., sie betrifft deren Willen und Möglichkeiten, die politischen und technischen Hürden zu überwinden. Die IJV hält es für unabdingbar, dass sich die heutige Situation der interjurassischen Region weiterentwickeln kann, um den künftigen Herausforderungen begegnen zu können. In diesem Rahmen unterbreitet die IJV zwei Ansätze zur Beilegung des Jurakonflikts: die Gründung eines «neuen, aus sechs Gemeinden bestehenden Kantons» und den «Status quo plus».9)

2.2.1 Ein Kanton mit sechs Gemeinden

Beim Ansatz «Neuer Kanton aus sechs Gemeinden» sind nach Ansicht der IJV die Einsetzung neuer und innovativer institutioneller und administrativer Strukturen sowie eine grundlegende Reorganisation der territorialen Organisation unerlässliche Bedingungen für die Schaffung eines neuen Kantonsgebildes. Diese tief greifende Strukturreform muss das gesamte institutionelle System betreffen und namentlich folgende Aspekte umfassen:

– eine optimale Finanzverwaltung

– eine Reduktion der Anzahl Gemeinden auf deren sechs

– die Entflechtung der Aufgaben und Finanzlasten zwischen dem Kanton und den Gemeinden gemäss dem Grundsatz «Wer zahlt, befiehlt»

– eine allgemeine Verankerung der Vorschriften des New Public Management – eine Stärkung der externen Zusammenarbeit und eine klare Positionierung im

Jurabogen

8) IJV-Schlussbericht vom 22. April 2009, http://www.aij.ch/, Rubrik «Dokumente auf Deutsch»

9) IJV-Schlussbericht, Teil 3, Ziffer 3.5, S. 37 f.

(5)

Die IJV schlägt vor, dass Moutier Sitz der Legislativ- und Exekutivbehörden sowie der Zentralverwaltung wird, während die Gerichtsbehörden ihren Sitz in Pruntrut haben sollen. Das aus 50 Mitgliedern bestehende Parlament (keine Stellvertreterin- nen und Stellvertreter) und die aus fünf Staatsrätinnen und Staatsräten bestehende Regierung müssen auf der Grundlage eines einzigen Wahlkreises, der von den sechs Gemeinden gebildet wird, gewählt werden. Für den Fall, dass ein Verfas- sungsrat gewählt werden sollte, empfiehlt die IJV eine paritätische Vertretung des Berner Juras und des Juras, um den beiden Regionen das gleiche politische Ge- wicht zu verleihen.10)Die IJV hat das Wirtschaftsforschungsinstitut der Universität Neuenburg (IRENE) beauftragt, abzuschätzen, wie das Budget des neuen Kantons aussehen könnte. Das Gutachten kommt zum Schluss, dass das von der IJV vorge- schlagene Modell eines aus sechs Gemeinden bestehenden Kantons finanziell machbar wäre und eine Steuersenkung erlauben würde.11)

2.2.2 Der Ansatz «Status quo plus»

Die IJV weist darauf hin, dass der Lösungsansatz des «Status quo plus» die beste- hende institutionelle Situation betrifft, die verbessert werden soll. Von den neun Lösungsmöglichkeiten, die im Laufe der Studie untersucht wurden, wurde letztlich nur dieser Ansatz berücksichtigt.

Der Ansatz «Status quo plus» ist von der Ausgestaltung her variabel und könnte innerhalb der durch den institutionellen Rahmen des Kantons Bern vorgegebenen Grenzen auf modulare Weise realisiert werden. Dabei kämen vier Schwerpunkte in Betracht:

– Schaffung einer Koordinationsplattform (anstelle einer allfälligen regionalen Teil- konferenz des Berner Juras), die es erlaubt, unter der Federführung des Bernju- rassischen Rats mittels einer konzertierten Diskussion zwischen den Gemeinden und dem BJR eine klare und glaubwürdige Politik zu erarbeiten.

– Verringerung der Zahl der Gemeinden in beiden Regionen: In einer ersten Phase (5 Jahre) soll die Zahl der Gemeinden in beiden Regionen auf je zehn reduziert werden; die langfristige Zielsetzung (20 Jahre) sieht drei Gemeinden im Berner Jura und drei Gemeinden im Kanton Jura vor.

– Mögliche Erweiterung der Befugnisse des BJR, dies vor allem im Hinblick auf eine verstärkte direkte Partnerschaft zwischen dem Berner Jura und dem Kanton Jura, wobei die Erweiterung je nach Bereich unterschiedlich ausfällt.

– Eröffnung institutioneller Perspektiven auf Ebene des Jurabogens, des Berner Juras und des Kantons Jura, wobei diese Gemeinwesen gemeinsam Überlegun- gen über die Machbarkeit eines Jurabogen-Kantonsgebildes einleiten sollten, dessen Umrisse noch definiert werden müssten, das aber zumindest den Kanton Neuenburg umfassen würde.

10)IJV-Zwischenbericht III vom 14. März 2008, S. 40, http://www.aij.ch/, Rubrik «Dokumente auf Deutsch»

11)IJV-Schlussbericht, Teil 2, Ziffer 1.3, S. 11 f.

Dieser Ansatz bedingt, dass der BJR mit weiteren Befugnissen ausgestattet wird, damit er mit den Partnern, die an dieser institutionellen Öffnung interessiert sind, diskutieren und verhandeln kann. Er ist ausserdem als Ansprechpartner für andere Kantonsregierungen direkt in ein interkantonales strategisches Abstimmungsorgan einzubeziehen.

2.2.3 Die beiden Ansätze im Vergleich und Schlussfolgerungen der IJV

In ihrer Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile der beiden Lösungsansätze stellt die IJV fest, dass sich keine der beiden Lösungen politisch gesehen von selbst auf- drängt, obwohl nach einer Sachverhaltsevaluation die Lösung eines neuen, aus sechs Gemeinden bestehenden Kantons Vorteile aufweist.12)Sie präzisiert, dass «die politische Beilegung des Jurakonflikts [...] nicht mit der Einrichtung der einen oder anderen institutionellen Form erreicht werden kann. Die politische Lösung des Jura- konflikts liegt vielmehr in der Fähigkeit der beiden Regionen, ihre Eigenheiten ge- genseitig zu respektieren, den interjurassischen Dialog fortzusetzen und eine offene und klare demokratische Debatte über die Zukunft der interjurassischen Gemein- schaft zu führen. Mit ihrem Beitrag zur öffentlichen Diskussion und ihrem demokra- tischen Entscheid an der Urne werden die Bürgerinnen und Bürger beider Regionen selber eine politische Lösung des Jurakonflikts herbeiführen.»13)

Zu den Empfehlungen, die die IJV in ihrem Schlussbericht vorlegte, zählte auch jene, die Arbeiten der IJV im Rahmen einer interaktiven Informationsphase vorzu- stellen, da die IJV bis zu diesem Zeitpunkt selbstständig, aber im geschlossenen Kreis gearbeitet hatte. Die IJV bat die beiden Kantonsregierungen ausserdem, zu gegebener Zeit über die Zweckmässigkeit und die Modalitäten einer allfälligen Volksbefragung zu befinden, und machte einen Vorschlag für eine Interjurassische Charta zur Einhaltung der demokratischen Grundsätze.14)

2.2.4 Verabschiedung des IJV-Schlussberichts

Gemäss Geschäftsordnung der IJV wurde der Schlussbericht der IJV mit der dop- pelten Mehrheit der beiden kantonalen Delegationen verabschiedet (mit 11:1 Stim- men in der jurassischen Delegation und 8:4 Stimmen in der bernischen Delegation).

2.2.5 Minderheitsbericht

Die fünf Mitglieder der IJV, die den IJV-Schlussbericht ablehnten (nachstehend:

Versammlungsminderheit), haben als Zusatz zum Schlussbericht einen Minder- heitsbericht vorgelegt.15) Die Versammlungsminderheit kritisiert insbesondere die Tatsache, dass die Wirkungen des Sonderstatuts nicht wirklich untersucht wurden

12)Vgl. Fussnote 9

13)IJV-Schlussbericht, Teil 4, Kapitel C, Ziffern 16 und 17, S. 41

14)IJV-Schlussbericht, Teil 4, Kapitel D–F, Ziffern 19 und 24, S. 41, sowie Kapitel G, S. 42

15)Nachtrag zum Schlussbericht, Bericht der Versammlungsminderheit vom 22. April 2009, http://www.aij.ch/, Rubrik «Dokumente auf Deutsch»

(6)

und dass die IJV nur die Schaffung gemeinsamer Institutionen als Lösung sieht, die der interjurassischen Gemeinschaft dient. Die Versammlungsminderheit widersetzt sich «jeglicher Volksbefragung, die dem Berner Jura aufgezwungen wird und die seinen eigenen Willen nicht respektieren würde. Sie ist davon überzeugt, dass die betroffene Bevölkerung heute noch immer entschieden gegen irgendeine institutio- nelle Annäherung zum Kanton Jura ist. Die Folgen eines Kraftaktes wären für die Region verheerend.»16)Und schliesslich verlangt sie, dass das «interjurassische Dos- sier» dem Bernjurassischen Rat (BJR) übertragen und der Gesamtauftrag der Inter- jurassischen Versammlung (IJV) überprüft werde.

2.3 Interaktive Informationsveranstaltungen

Im November 2009 kamen die beiden Kantonsregierungen unter der Ägide des Bundesrates dem Antrag der IJV nach, im Berner Jura und im Kanton Jura interakti- ve Informationsveranstaltungen durchzuführen.17) Das Hauptziel dieser Veranstal- tungen bestand darin, die Debatte rund um den Schlussbericht zu erweitern, indem die Bevölkerung und die politischen Akteure des Berner Juras und des Kantons Jura direkt über die Ergebnisse der IJV-Studie informiert und die verschiedenen Meinun- gen dazu angehört werden.

Alle Veranstaltungen fanden wie vorgesehen in einem konstruktiven Klima statt, wobei sie nicht auf einen aussergewöhnlichen Zulauf stiessen. Die IJV hat vom 6. Januar bis 4. Mai 2010 insgesamt 20 interaktive Informationsveranstaltungen durchgeführt, an denen rund 1000 Leute teilnahmen. Es kann festgestellt werden, dass sich die meisten Fragen, die in diesem Rahmen gestellt wurden, auf die Durch- führung einer Konsultation der Bevölkerung der Region bezogen. In der Bilanz, die sie über diese Informationsphase zieht, unterstreicht die IJV, «dass es möglich war, in aller Ruhe, im Geist des interjurassischen Dialogs und in einem Klima der Tole- ranz und des gegenseitigen Respekts über das Juradossier zu diskutieren und zu debattieren. Es handelt sich hierbei um ein grundlegendes Element des Prozesses.

Die IJV stellt ebenfalls fest, dass die ganze Problematik nicht mehr heftige emotio- nale Reaktionen auslöst oder zu einer Massenmobilisierung der Bevölkerung führt.

Sie wird mehr und mehr als politisches Thema wahrgenommen, das man in aller Ruhe ansprechen kann.»18)Aufgrund dieser Feststellung hat die IJV die beiden Kan- tonsregierungen erneut eingeladen, die Zweckmässigkeit einer Volksabstimmung zur Regelung der Jurafrage zu betrachten.

16)Minderheitsbericht, Ziffer 5, S. 9

17)Gemeinsamer Auftrag vom 2. November 2009, http://www.rr.be.ch, Rubrik «Regierungs- rat» -> «Politische Zukunft des Berner Juras» -> «Dokumente»

18)Studie über die institutionelle Zukunft der interjurassischen Region, Bericht der Interjuras- sischen Versammlung vom 30. Juni 2010 über den Ablauf der interaktiven Informations- veranstaltungen, http://www.aij.ch/, Rubrik «Dokumente auf Deutsch», Teil 4, S. 28 f.

3. Reaktionen auf den Schlussbericht der IJV und Zusatzstudie 3.1 Erklärung des Regierungsrates

Der Regierungsrat hat am 19. August 2009 eine Erklärung zum Bericht der Interju- rassischen Versammlung über die institutionelle Zukunft der interjurassischen Re- gion verabschiedet.19)Diese wurde dem Grossen Rat in der Septembersession 2009 vorgelegt.20) Angesichts der Bedeutung des IJV-Schlussberichts erachtete es der Regierungsrat als unabdingbar, dem Grossen Rat alle nützlichen Informationen zukommen zu lassen und ihn anzuhören, bevor über das weitere Vorgehen im Nachgang der IJV-Studie entschieden würde. Der Regierungsrat folgte der Auffas- sung, wonach der Verbleib des Berner Juras im Kanton Bern im Interesse der betrof- fenen Region, des Kantons und der ganzen Schweiz sei. Er anerkennt, dass die Zu- sammenarbeit innerhalb des Jurabogens ausgebaut werden müsse, denkt aber, dass dies auch ohne Änderung der Kantonsgrenzen machbar sei. Ohne sich bereits für eine der beiden von der IJV beantragten Varianten entscheiden zu wollen, stellte er fest, dass das Modell «Status quo plus» dieser Auffassung am nächsten kom- me.21) Der Regierungsrat hat seinen Willen bekräftigt, die Interessen Biels und Leubringens, ihrer welschen Bevölkerung und ihrer Zweisprachigkeit zu berücksich- tigen, da man nicht über die institutionelle Zukunft des Berner Juras diskutieren könne, ohne allen Folgen dieses Problems, und insbesondere jenen, die Biel betref- fen, Rechnung zu tragen. Der Regierungsrat hat sich ausserdem zugunsten der Durchführung interaktiver Informationsveranstaltungen gemäss den Vorschlägen der IJV ausgesprochen, legte aber diesbezüglich Bedingungen fest: Die Information müsse vollständig und differenziert sein, die Beziehungen zwischen dem Berner Jura und Biel müssten thematisiert und die finanziellen Betrachtungen der IJV rela- tiviert werden. Die Teilnahme der Kantone, des BJR und der Bieler Behörden an den Informationsveranstaltungen müsse gewährleistet werden.22)

Die Debatte im Grossen Rat23)hat gezeigt, dass die Absichten der Regierung bei den Parteien grossmehrheitlich auf Zustimmung stossen. Der Verbleib des Berner Juras im Kanton Bern und die Beibehaltung der kantonalen Zweisprachigkeit sind breit abgestützt. Dies gilt auch für die Notwendigkeit, den interjurassischen Dialog fortzu- setzen und die Zusammenarbeit auf Jurabogenebene zu stärken. Die Option des

«Status quo plus» geht in diese Richtung. In mehreren Voten wurde zudem darauf insistiert, dass die Behörden und Institutionen von Biel und Leubringen fortan in die Folgearbeiten einbezogen werden müssen.

19)RRB Nr. 1387, http://www.rr.be.ch, Rubrik «Regierungsrat» -> «Politische Zukunft des Ber- ner Juras» -> «Dokumente», Erklärung des Regierungsrates

20)Tagblatt des Grossen Rates, Septembersession 2009, S. 844 ff.

21)Erklärung, S. 2 und 15

22)Erklärung, S. 2

23)Tagblatt des Grossen Rates, Septembersession 2009, S. 844 bis 852

(7)

3.2 Stellungnahme des Bernjurassischen Rats

Der BJR hat am 25. Mai 2011 zu den Anträgen der IJV über die institutionelle Zu- kunft der interjurassischen Region Stellung genommen. In seinem Bericht24)analy- siert der BJR die Ergebnisse, Möglichkeiten und Grenzen des Sonderstatuts, dies in Ergänzung zu den Arbeiten der IJV, die sich nur auf die Wirkungen der direkten Partnerschaft, die sich aus den gemeinsamen interjurassischen Institutionen erge- ben, bezogen. Seine Beurteilung des Sonderstatuts und von dessen Tätigkeiten fällt positiver aus als die der IJV. Das Sonderstatut habe es erlaubt, die Situation des Berner Juras innerhalb des Kantons Bern sowie bei den Beziehungen zu seinen Nachbarn wesentlich zu verbessern. Weitere Verbesserungen innerhalb des beste- henden rechtlichen Rahmens bzw. mittels Gesetzesänderungen seien indessen möglich.

Der BJR hat die beiden Lösungsansätze der IJV eingehend geprüft und jedes einzel- ne Element im Detail verglichen. Das von der IJV im Rahmen des «Status quo plus»

vorgeschlagene Modell müsse angesichts der Möglichkeiten und Grenzen des heu- tigen Statuts bezüglich Koordinationsplattform und Erweiterung der BJR-Kompeten- zen angepasst werden. Würde man sich für einen neuen, aus sechs Gemeinden bestehenden Kanton entscheiden, müssten gross angelegte Gemeindefusionen an- geordnet werden, und zwar auch gegen den Willen einiger Gemeinden. In seiner abschliessenden Würdigung spricht sich der BJR eher für den Ansatz «Status quo plus» aus.

Und schliesslich hat der BJR auch geprüft, ob es angezeigt ist, eine Empfehlung zur Durchführung einer Volksabstimmung über die institutionelle Zukunft des Berner Juras abzugeben.25)Der BJR ist sich seiner Verantwortung gegenüber der bernjuras- sischen Bevölkerung bewusst und lehnt die Idee eines Volksentscheids zu den Ar- beiten der IJV nicht a priori ab. Eine Abstimmung sei indessen nur gerechtfertigt, wenn sie tatsächlich die politische Beilegung des Jurakonflikts zur Folge habe. Die Durchführung einer Abstimmung hänge von der Fähigkeit der Regierungen der Kantone Bern und Jura ab, sich über die Modalitäten und Bedingungen zu einigen, mit denen dem Jurakonflikt effektiv ein Ende gesetzt werde. Der BJR hat daher be- schlossen, erst nach den entsprechenden Gesprächen zwischen den beiden Kan- tonsregierungen abschliessend Stellung zu beziehen. Der BJR hat den Wunsch ge- äussert, dass die Verhandlungen innert nützlicher Frist, möglichst bis Ende 2011, abgeschlossen werden.

24)BJR, Bericht des Institutionsausschusses vom 25. Mai 2011 zu den Anträgen der Inter- jurassischen Versammlung in Bezug auf die institutionelle Zukunft der interjurassischen Region, http://www.aij.ch/, Rubrik «Dossier institutionnel» -> «Etat du dossier» (nur auf Französisch)

25)Empfehlung des Institutionsausschusses vom 25. Mai 2011 in Bezug auf eine Volksab- stimmung – Zusatz zum Bericht zu den Anträgen der Interjurassischen Versammlung in Bezug auf die institutionelle Zukunft der interjurassischen Region, http://www.aij.ch/, Rub- rik «Dossier institutionnel» -> «Etat du dossier» (nur auf Französisch)

3.3 Studie über die Beziehungen zwischen dem Berner Jura und Biel

Parallel zu den interaktiven Informationsveranstaltungen und im Zuge der regie- rungsrätlichen Erklärung wurde die Staatskanzlei mit einer Studie über die Bezie- hungen zwischen dem Berner Jura und Biel sowie über die allfälligen Folgen eines Wegfalls des Berner Juras aus dem Kanton Bern beauftragt.

Die mit der Durchführung dieser Studie26)beauftragte «Communauté d'études pour l'aménagement du territoire» (CEAT) der ETH Lausanne kommt zum Schluss, dass die Reform der dezentralen kantonalen Verwaltung (Aufhebung der Amtsbezirke zugunsten grösserer Verwaltungskreise) zu einer Stärkung der Position Biels als Hauptort sowie zu einer Erweiterung und gleichzeitig zu einer Verwässerung der Zweisprachigkeit auf eine ganze Region geführt habe. Die Gründung einer aus den Verwaltungskreisen Berner Jura, Seeland und Biel bestehenden Regionalkonferenz würde dazu beitragen, die Stellung Biels inmitten dieser Region, deren Wirtschaft ein wichtiges Element und deren Zweisprachigkeit ihr eigentliches Fundament wä- ren, zu untermauern.27)

Mit dem Wegfall des Berner Juras aus dem Kanton Bern würde im Verwaltungskreis Biel eine französischsprachige Minderheit von rund 18 000 Personen verbleiben, das wären weniger als zwei Prozent der Kantonsbevölkerung. Für den Kanton Bern und für die Stadt Biel wäre es sehr schwierig, die zweisprachigen Strukturen aufrechtzu- erhalten. Die politischen Massnahmen, die der Kanton Bern zugunsten seiner fran- zösischsprachigen Minderheit ergreifen würde, wären ausschlaggebend, da gewisse bestehende institutionelle Minderheitsschutzmassnahmen in ihrer heutigen Form nicht beibehalten werden könnten (z.B. Sitzgarantie im Regierungsrat, Deputation im Grossen Rat). Ohne Fortsetzung einer kantonalen Willenspolitik hätte die verblei- bende französischsprachige Minderheit weder das Gewicht noch die Mittel, die Wahrung ihrer Interessen langfristig zu gewährleisten. Eine Reorganisation des öffentlichen Dienstes würde wahrscheinlich zu einer Entwicklung in zweierlei Rich- tungen führen: zur Aufhebung oder Verringerung der kleinsten, in Biel angesiedel- ten Verwaltungseinheiten, die auch den Berner Jura bedienen und vom neuen Kan- ton übernommen würden, während die grösseren Einheiten (z.B. Spitäler, Kliniken, Hochschulen, Bildungseinrichtungen) wahrscheinlich in Biel oder an anderen Orten des neuen Kantons zusammengefasst würden.28)

26)Quelles perspectives pour Bienne et son bilinguisme? Examen des éventuelles consé- quences d’un départ du Jura bernois du Canton de Berne, Schlussbericht vom April 2011, http://www.caf-bienne.ch/, Rubrik «Bases légales et documents» (nur auf Französisch)

27)CEAT-Schlussbericht, S. 1 f. (nur auf Französisch)

28)CEAT-Schlussbericht, S. 2. (nur auf Französisch)

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4. Absichtserklärung des Regierungsrates und des jurassischen Staatsrates

4.1 Zweck und Gegenstand

2011 haben sich die Juradelegationen des bernischen Regierungsrates und des jurassischen Staatsrates mehrmals getroffen. Sie haben das weitere Vorgehen im Zusammenhang mit den Anträgen der IJV diskutiert und sich über die Modalitäten für die Durchführung einer Volksabstimmung in den betroffenen Regionen geeinigt.

Am 20. Februar 2012 haben die Regierungen der Kantone Jura und Bern eine Ab- sichtserklärung unterzeichnet, in der sie den gemeinsamen Willen zur politischen Lösung des Jurakonflikts bekräftigen.29)

Diese Regierungsvereinbarung befürwortet die gleichzeitige Durchführung von zwei Volksabstimmungen im Kanton Jura und im Berner Jura. In beiden Abstimmungen geht es darum, ob ein Verfahren zur Gründung eines neuen, aus dem Gebiet des heutigen Berner Juras sowie aus dem Gebiet des heutigen Kantons Jura bestehen- den Kantons eingeleitet werden soll.

Im Kanton Jura wird über eine Änderung der Kantonsverfassung abgestimmt. Ge- genstand der Änderung ist ein neuer Artikel 139 mit folgendem Wortlaut: «Le Gou- vernement est habilité à engager un processus tendant à la création d'un nouveau canton couvrant les territoires du Jura bernois et de la République et Canton du Jura, dans le respect du droit fédéral et des cantons concernés.»30)

In der Verwaltungsregion Berner Jura wird den Stimmberechtigten folgende Frage zur Abstimmung vorgelegt: «Wollen Sie, dass der Regierungsrat unter Beachtung des Bundesrechts und der betroffenen Kantone ein Verfahren zur Gründung eines neuen, aus dem Berner Jura und dem Kanton Jura bestehenden Kantons einlei- tet?»31)

Bei den gleichzeitig stattfindenden Volksabstimmungen32)wird somit nicht über die Gründung oder Nichtgründung eines neuen Kantons abgestimmt werden, sondern einzig und allein darüber, ob das zur Gründung eines neuen Kantons erforderliche Verfahren eingeleitet werden soll oder nicht. Die Stimmberechtigten der beiden betroffenen Regionen sind also nur aufgerufen, sich über den Start eines Vorhabens zu äussern. Angesichts der Besonderheit dieser kantonsübergreifenden Abstim-

29)Absichtserklärung vom 20. Februar 2012 zur Durchführung der Volksabstimmungen über die institutionelle Zukunft der interjurassischen Region im Kanton Jura und im Berner Ju- ra, http://www.rr.be.ch, Rubrik «Regierungsrat» -> «Politische Zukunft des Berner Juras» ->

«Dokumente»

30)Artikel 3 der Absichtserklärung, «Die Regierung ist ermächtigt, unter Beachtung des Bun- desrechts und der beiden betroffenen Kantone ein Verfahren zur Gründung eines neuen, aus dem Berner Jura und dem Kanton Jura bestehenden Kantons einzuleiten.»

31)Artikel 3 der Absichtserklärung

32)Artikel 5 der Absichtserklärung

mung haben sich die beiden Kantonsregierungen darauf geeinigt, den Inhalt der Abstimmungserläuterungen zu koordinieren.33) Es wird wichtig sein, das Vorhaben genau zu beschreiben und auf die Anträge und Schlussfolgerungen der IJV in ihrem Schlussbericht vom 22. Mai 2009 zu verweisen.34)

Die Absichtserklärung sieht im Übrigen vor, dass beide Kantonsregierungen die Verfahren koordiniert durchführen. Sollte ein Kantonsparlament die Vorlage ableh- nen, würden die Kantonsregierungen Gespräche aufnehmen, um sich über das weitere Vorgehen zu einigen.35)

Beide Kantonsregierungen verpflichten sich ausserdem, alles in ihrer Macht Ste- hende zu tun, um zu gewährleisten, dass die Abstimmungskampagnen in einem ruhigen und fairen Klima stattfinden, und die Bekanntgabe der Abstimmungsergeb- nisse sowie ihre offiziellen Verlautbarungen zu koordinieren.36)

Die Regierungsvereinbarung sieht ebenfalls vor, dass die Gemeinden in einem zwei- ten Schritt ihr Recht geltend machen können, über ihre Zugehörigkeit zu einem der beiden Kantone zu bestimmen.37) Der Berner Regierungsrat verpflichtet sich, auf Gesuch einer bernjurassischen Gemeinde hin, das innert zwei Jahren nach den Abstimmungen eingereicht werden sollte, dem Grossen Rat geeignete Rechtsgrund- lagen vorzulegen, um die Durchführung von kommunalen und kantonalen Abstim- mungen zu ermöglichen, bei denen es um den Übertritt der fraglichen Gemeinden zum Kanton Jura geht bzw. umgekehrt um den Verbleib der fraglichen Gemeinden im Kanton Bern, falls sich der Berner Jura mehrheitlich für die Teilnahme an der Gründung eines neuen Kantons entschieden haben sollte. Form und Inhalt der für einen solchen Fall nötigen Rechtsgrundlagen werden indessen heute noch nicht definiert. Der Regierungsrat verpflichtet sich, diese auf Gesuch einer bernjurassi- schen Gemeinde hin innert nützlicher Frist zu erarbeiten. In der Absichtserklärung wird eine solche Möglichkeit für jurassische Gemeinden nicht erwähnt, da dies kei- nem Bedürfnis entspricht und bisher kein diesbezügliches Gesuch gestellt worden ist.

4.2 Folgen der Abstimmungen

Die Auswirkungen der Abstimmungen hängen von deren Ergebnis ab. Zwei Szena- rien kommen in Betracht:38)

33)Artikel 6 der Absichtserklärung

34)Artikel 3 der Absichtserklärung

35)Artikel 12 der Absichtserklärung; dieser Fall könnte beispielsweise eintreten, wenn die Gesetzesvorlage vom Grossen Rat oder nach einem Referendum von den Stimmberech- tigten des Kantons Bern abgelehnt würde.

36)Artikel 7 und 8 der Absichtserklärung

37)Artikel 9 der Absichtserklärung

38)Artikel 10 der Absichtserklärung

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4.2.1 Annahme 1

Sind beide Bevölkerungsgruppen damit einverstanden, ihren jeweiligen Kantonsre- gierungen den Auftrag zu erteilen, ein Verfahren zur Gründung eines neuen Kantons einzuleiten, hat dies folgende Konsequenzen:39)

– Beide Kantonsregierungen unternehmen unverzüglich die Schritte zur Gründung eines neuen Kantons. Sie verfassen eine interkantonale Vereinbarung, die das weitere Verfahren regelt. Die Vereinbarung sieht die Wahl eines Verfassungsrats vor. Sie wird in beiden Kantonen dem obligatorischen Referendum unterstellt.

Nach bernischem Recht handelt es sich um eine Vereinbarung mit Verfassungs- rang gemäss Artikel 61 Absatz 1 Buchstabe c und d KV: Einerseits ist sie nicht mit der Verfassung vereinbar (Bst. c), weil diese keine Bestimmungen enthält, mit welchen der Übertritt einer Region des Kantons Bern in einen anderen Kanton geregelt wird; andererseits stellt ein solcher Übertritt eine Kantonsgebietsände- rung dar, die wie jede Verfassungsänderung (Bst. d) der obligatorischen Volks- abstimmung unterworfen ist. Nehmen beide Kantonsbevölkerungen die Verein- barung an, führen die beiden Kantonsregierungen im Berner Jura und im Kanton Jura die Wahl eines Verfassungsrats durch.

– Der Verfassungsrat erarbeitet die Verfassung des neuen Kantons. Der Verfas- sungsentwurf wird der betroffenen Bevölkerung zur Genehmigung vorgelegt.

Stimmt diese der Vorlage zu, wird sie der Bundesversammlung zur Genehmi- gung vorgelegt.

– Die Gemeinden des Berner Juras können innert zwei Jahren nach den Abstim- mungen gemäss Artikel 3 und 4 der Absichtserklärung den Regierungsrat darum ersuchen, dem Grossen Rat Rechtsgrundlagen vorzulegen, welche die Durchfüh- rung von Gemeindeabstimmungen über den Verbleib dieser Gemeinden im Kan- ton Bern ermöglichen.

4.2.2 Annahme 2

Lehnt mindestens eine der beiden regionalen Bevölkerungsgruppen es ab, ihrer Kantonsregierung den Auftrag zu erteilen, ein Verfahren zur Gründung eines neuen Kantons einzuleiten, hat dies folgende Konsequenzen:

– Beide Kantonsregierungen nehmen zur Kenntnis, dass die Bevölkerung keine Gründung eines neuen, aus dem heutigen Berner Jura und dem heutigen Kanton Jura bestehenden Kantons will.

– Die Gemeinden des Berner Juras können innert zwei Jahren nach den Abstim- mungen gemäss Artikel 3 und 4 der Absichtserklärung den Regierungsrat darum ersuchen, dem Grossen Rat Rechtsgrundlagen vorzulegen, welche die Durchfüh- rung von kommunalen und kantonalen Abstimmungen über den Übertritt dieser Gemeinden zum Kanton Jura ermöglichen. Die beiden Kantonsregierungen leiten

39)Vgl. Verfahrensschema unter www.rr.be.ch (Register «Regierungsrat» -> Rubrik «Politische Zukunft des Berner Juras» -> «Verfahren»

gegebenenfalls das Verfahren für einen Kantonswechsel dieser Gemeinden ge- mäss Artikel 53 Absatz 3 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenos- senschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101) ein.

4.3 Abschluss der Verfahren

Der Jurakonflikt im Sinne der Vereinbarung vom 25. März 1994 gilt als gelöst, wenn die in der Absichtserklärung beschriebenen Verfahren abgeschlossen sind. Die Ver- einbarung vom 24. März 1994 wird dann unwirksam, und die Interjurassische Ver- sammlung wird aufgelöst. Kommt es zu keiner Kantonsneugründung, werden die interjurassischen Beziehungen im Sinne der freundeidgenössischen Grundsätze fortgeführt. Beide Kantonsregierungen führen den qualitativ hochstehenden Dialog weiter.40)

5. Grundzüge der Neuregelung

Die bernische Gesetzgebung kennt keine Bestimmung, die es ermöglicht, eine Volksabstimmung nur in einer Verwaltungsregion durchzuführen.41)

Das Sonderstatutsgesetz (SStG) kennt regionale Wahlen zur Bestimmung der Mit- glieder des Bernjurassischen Rats (BJR) (Art. 3 bis 5 SStG) sowie die Regionalinitia- tive, mit der die bernjurassischen Stimmberechtigten eine Initiative lancieren kön- nen, deren Begehren im Zusammenhang mit der Identität, der sprachlichen oder der kulturellen Eigenart des Berner Juras stehen muss (Art. 54 bis 58 SStG).42)Es sieht jedoch keine regionale Abstimmung vor. Im Falle einer Regionalinitiative findet eine kantonale Abstimmung statt. Weder die Kantonsverfassung noch die Gesetzgebung über die politischen Rechte43)erwähnen die Möglichkeit von regionalen Abstimmun- gen.

Um es den Stimmberechtigten der (Verwaltungs-)Region Berner Jura zu ermögli- chen, über die institutionelle Zukunft der interjurassischen Region abzustimmen,

40)Artikel 11 der Absichtserklärung

41)Artikel 110a Absatz 4 KV und Artikel 149 des Gemeindegesetzes vom 16. März 1998 (GG) (BSG 170.11) lassen regionale Abstimmungen zu, wobei diese nicht in den Perimetern der Verwaltungsregionen gemäss Anhang 2 des Gesetzes vom 20. Juni 1995 über die Organi- sation des Regierungsrates und der Verwaltung (Organisationsgesetz, OrG [BSG 152.01]) stattfinden; ausserdem gelten sie nur für die Zusammenarbeit der Gemeinden auf regiona- ler Ebene. Diese Bestimmungen gelten somit nicht im Zusammenhang mit der Zugehörig- keit einer Verwaltungsregion zum Kanton.

42)Die Frage der Verfassungsmässigkeit der Regionalinitiative war am 28. Januar 2002 Ge- genstand eines Rechtsgutachtens von Prof. Andreas Kley und am 21. Januar 2003 Gegen- stand eines kritischeren Gutachtens von Prof. Ulrich Zimmerli. Vgl. auch den Vortrag des Regierungsrates an den Grossen Rat betreffend das SStG, Tagblatt des Grossen Rates, Junisession 2004, Beilage 16, S. 26.

43)Gesetz vom 5. Mai 1980 über die politischen Rechte (GPR) (BSG 141.1), Dekret vom 5. Mai 1980 über die politischen Rechte (DPR) (BSG 141.11) und Verordnung vom 10. Dezember 1980 über die politischen Rechte (VPR) (BSG 141.112)

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muss demzufolge eine ausdrückliche Rechtsgrundlage erlassen werden. Das SStG ist dafür geeignet, die erforderlichen Bestimmungen aufzunehmen.

Die beantragte Änderung sieht eine formellgesetzliche Grundlage vor, die die Bür- gerinnen und Bürger der Verwaltungsregion Berner Jura ermächtigt, sich in einer Volksabstimmung darüber zu entscheiden, ob sie den Regierungsrat beauftragen wollen, das Verfahren einzuleiten, das für die Gründung eines neuen, aus dem Ber- ner Jura und dem Kanton Jura bestehenden Kantons erforderlich ist. Der Regie- rungsrat wird beauftragt, diese regionale Abstimmung nach den für kantonale Ab- stimmungen geltenden Vorschriften durchzuführen. Alle Stimmberechtigten des Berner Juras werden vom Regierungsrat genehmigte Abstimmungserläuterungen erhalten, in denen alle nötigen Informationen enthalten sein werden, damit sie in Kenntnis aller Tatsachen abstimmen können.44)

6. Erlassform

Die Kantonsverfassung hat dem Berner Jura ein Sonderstatut gewährt, insbesonde- re, um es ihm zu erlauben, aktiv am kantonalen politischen Leben teilzunehmen (Art. 5 Abs. 1 der Verfassung des Kantons Bern vom 6. Juni 1993) (KV, BSG 101).

Der Regierungsrat ist der Ansicht, dass die bernjurassischen Bürgerinnen und Bür- ger beim Jurakonflikt befugt sein müssen, sich an der Urne für diejenige Lösung zu entscheiden, die sie für ihre institutionelle Zukunft als zweckmässig erachten. Die Einführung der für die regionale Volksabstimmung erforderlichen Rechtsgrundlage stützt sich demzufolge auf das Sonderstatut (Art. 32 Abs. 2 SStG), und die entspre- chenden Bestimmungen müssen im SStG verankert sein.

Ziel und Zweck der SStG-Änderung ist es nicht, dem Berner Jura ein neues, ständi- ges politisches Recht zu gewähren. Die im Schlussbericht der IJV in Aussicht gestell- te Volksabstimmung ist ein besonderer und einmaliger Fall in der Ausübung von politischen Rechten.

Prof. Dr. Pierre Tschannen hat die Verfassungsmässigkeit einer Änderung des SStG zur Schaffung der Rechtsgrundlage für eine regionale Volksabstimmung untersucht.

Er kommt in seinem Gutachten vom 10. Januar 201145)zum Schluss, dass eine in einem Gesetz (im vorliegenden Fall im SStG) verankerte Rechtsgrundlage ausreicht, um die Durchführung einer einmaligen regionalen Abstimmung – so wie sie in der Absichtserklärung vorgesehen ist – zu begründen. Er hält fest, dass die Abstimmung nicht die Änderung des Kantonsgebiets im Sinne von Artikel 61 Absatz 1 Buchsta- be d KV betrifft, sondern nur die Frage, ob der Regierungsrat das Verfahren einleiten soll, das es den Kantonsbürgerinnen und Kantonsbürgern ermöglichen könnte, zu einem späteren Zeitpunkt über die allfällige Gründung eines neuen Kantons gemäss

44)Vgl. auch Erläuterungen in Kapitel 4.1.

45)Prof. Dr. Pierre Tschannen, Ordinarius für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Bern, Avenir institutionnel de la région interjurassienne, question de la base légale/Rechts- grundlage für eine eventuelle Volksabstimmung im Berner Jura. Beurteilung der Verfas- sungskonformität, Bern, 10. Januar 2011, Gutachten im Auftrag der Staatskanzlei des Kan- tons Bern.

den Vorgaben der IJV zu entscheiden. Mit anderen Worten: Es geht in gewisser Weise um die Frage, ob auf den von der IJV vorgeschlagenen Lösungsansatz einge- treten werden soll oder nicht. Verglichen mit dem Regionalinitiativrecht, das den Bernjurassierinnen und Bernjurassiern in Artikel 54 bis 58 SStG gewährt wird, ist die Erstellung einer Rechtsgrundlage für die Durchführung einer regionalen Abstim- mung aus rechtlicher Sicht von geringerer Tragweite. In Bezug auf ihren materiellen Anwendungsbereich betrifft die Rechtsgrundlage die Identität des Berner Juras und deckt sich somit mit jenem des SStG.

Der Gutachter stellt fest, dass das Sonderstatut zum Ziel hat, innerhalb des Kantons die Identität der bernjurassischen Bevölkerung zu bewahren, ihre sprachliche und kulturelle Eigenart zu stärken sowie zur Stärkung des kantonalen Zusammenhalts beizutragen (Art. 1 Abs. 1 Bst. a und Abs. 3 SStG). Es kann somit problematisch erscheinen, wenn man eine regionale Abstimmung bewilligt, die zur Gründung eines neuen Kantons führen könnte, indem der Berner Jura vom Kanton Bern abge- trennt würde. Geht man davon aus, dass Artikel 5 KV die Bewahrung der innerkan- tonalen Kohäsion zwingend vorschreibt, lässt die Auslegung dieser Verfassungsbe- stimmung gemäss Prof. Tschannen keinen eindeutigen Schluss zu. Dass sich die regionale Abstimmung jedoch auf eine Eintretensfrage und nicht auf die Gründung eines neuen Kantons bezieht, lässt den Schluss zu, dass es keinen massgeblichen Normenkonflikt mit Artikel 5 KV gibt.46)Stellt man sich hingegen auf den Standpunkt, Artikel 5 KV schreibe den Kohäsionszweck nicht zwingend vor, so ist die mit der vorliegenden Gesetzesänderung beantragte Rechtsgrundlage insoweit unproblema- tisch, als sie nur gerade mit anderen SStG-Bestimmungen in Konkurrenz tritt. Die neuen SStG-Bestimmungen bezüglich der regionalen Abstimmung stellen somit Vorschriften dar, die vom Kohäsionsgrundsatz gemäss Artikel 1 Absatz 1 Buchsta- be a und Absatz 3 SStG abweichen, was zulässig ist.47)

7. Umsetzung

Die Umsetzung dieser Gesetzesänderung wird darin bestehen, die regionale Ab- stimmung in Absprache mit der Regierung des Kantons Jura durchzuführen. Für die regionale Abstimmung werden dieselben Modalitäten gelten wie bei einer kantona- len Abstimmung, allerdings mit zwei Ausnahmen: Sie wird nur im Gebiet der Ver- waltungsregion Berner Jura stattfinden, und nur die in kantonalen Angelegenheiten stimmberechtigten Bürgerinnen und Bürger mit Wohnsitz im Berner Jura werden daran teilnehmen können. Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer sind für diesen Urnengang stimmberechtigt, wenn ihre Stimmgemeinde in der Verwaltungs- region Berner Jura liegt. Die Vorschriften der Gesetzgebung über die politischen Rechte bezüglich der kantonalen Abstimmungen werden demnach sinngemäss für die regionale Abstimmung gelten. Der Erlass zusätzlicher Vollzugsbestimmungen sollte nicht nötig sein.

46)Gutachten Tschannen, Ziffer III. 4, S. 11.

47)Gutachten Tschannen, Ziffer III. 4, S. 12.

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8. Erläuterungen zu den Artikeln Artikel 58a (neu)

Für die institutionelle Zukunft des Berner Juras gibt es zwei grundlegende, von der IJV vorgeschlagene Wahlmöglichkeiten: die Aufhebung des Berner Juras durch Gründung eines neuen Kantons zusammen mit dem heutigen Kanton Jura oder aber das Weiterbestehen des Berner Juras nach dem Modell «Status quo plus».

Beide Optionen sind insofern miteinander verknüpft, als der Ausgang der ersten Option darüber entscheidet, was mit der zweiten Option geschieht: So wird die zwei- te Option hinfällig, wenn die erste Option obsiegt, und sie wird umsetzbar, wenn die erste verworfen wird.

Gemäss Artikel 53 Absatz 2 BV bedarf die Gründung eines neuen Kantons der Zu- stimmung der betroffenen Bevölkerung, der betroffenen Kantone sowie von Volk und Ständen. Im vorliegenden Fall sind zwei Bevölkerungsgruppen betroffen: die Bürgerinnen und Bürger des Berner Juras sowie die Bürgerinnen und Bürger des Kantons Jura. Sie müssen zuerst befragt werden, bevor sich die Kantone sowie Schweizer Volk und Stände äussern können.

In dieser Situation müssen sich die betroffenen Stimmberechtigten zunächst über die erste Option äussern. Sie können sich aber nicht direkt dazu äussern, d.h. für oder gegen die Gründung eines neuen Kantons abstimmen. Die Gründung eines neuen Kantons bedingt die vorgängige Ausarbeitung einer neuen Verfassung, der in einer Volksabstimmung zugestimmt werden muss. Die Vorbereitung einer neuen Kantonsverfassung ist eine komplexe und langwierige Arbeit, die nur unternommen werden kann, wenn sie einem klaren Volkswillen entspricht.48)Im Rahmen der Beile- gung des Jurakonflikts darf die Befragung der betroffenen Stimmberechtigten daher nur darauf abzielen, in einer ersten Phase zu bestimmen, ob der Volkswille besteht, dass ein Verfahren zur Gründung eines neuen Kantons eingeleitet werde. Gegen- stand der Volksabstimmung darf somit nicht die Gründung bzw. Nichtgründung eines neuen Kantons sein, sondern allein die Frage, ob die Regierungen der Kantone Jura und Bern diejenigen Schritte unternehmen sollen, die für die Ausarbeitung von Verfassungsgrundlagen erforderlich sind, damit sich die betroffenen Bevölkerungs- gruppen zu einem späteren Zeitpunkt über die Gründung eines neuen Kantons äus- sern können.

Die IJV hat in ihrem Schlussbericht das Konzept für einen neuen, aus dem Berner Jura und dem Kanton Jura bestehenden Kanton relativ detailliert skizziert. Sie hat festgestellt, dass ein neuer kantonaler Raum, der sich in der Nähe der grossen Wirt- schaftszentren der Schweiz und Europas befindet – gerade weil der Kanton Jura unter einem strukturellen Defizit leidet, der Berner Jura Bezüger von Finanzleistun- gen ist und die Zahl der Kantonsangestellten in beiden Regionen hoch ist –, nur errichtet werden könne, wenn er innovativ und dynamisch sei, um auch attraktiv zu

48)Dies zeigen die kantonalen Verfassungsbestimmungen bezüglich einer Totalrevision: Die Einleitung der Totalrevision der Kantonsverfassung wird durch das Volk beschlossen (Art. 129 Abs. 1 KV). Bei einer Initiative, die eine Totalrevision der Verfassung verlangt, sind 30 000 Unterschriften notwendig (Art. 58 Abs. 2 KV).

sein. Als zwingende Grundvoraussetzung für die Bildung eines neuen, existenzfähi- gen Kantons hat sich die IJV namentlich für eine grundlegende Reform der institu- tionellen und administrativen Strukturen sowie der Raumordnung (Reduktion der Zahl der Gemeinden) ausgesprochen.49)Es ist jedoch nicht möglich, vorgängig Be- dingungen festzulegen, an die sich der Verfassungsrat des künftigen Kantons bei der Erarbeitung der neuen Verfassung halten müsste. Angesichts der Handlungs- freiheit, die einzig durch die Einhaltung übergeordneten Rechts begrenzt ist und über die die Bürgerinnen und Bürger des neuen Kantons bei der Ausarbeitung ihrer neuen Verfassung verfügen müssen, würde es nicht angehen, ihnen die Realisie- rung des von der IJV empfohlenen Modells aufzuzwingen. Im Rahmen der regiona- len Abstimmung ist es somit nicht möglich, die Stimmberechtigten aufzurufen, sich über dieses Modell eines neuen Kantons (mit sechs Gemeinden) zu äussern.

Artikel 58a Absatz 1 SStG ruft die Bürgerinnen und Bürger der Verwaltungsregion Berner Jura auf, über die institutionelle Zukunft ihrer Region zu entscheiden. Der Wortlaut dieser Bestimmung ist insofern zwingend, als er es den Stimmberechtigten dieser Region nicht ermöglicht, sich der Abstimmung zu widersetzen. Er nennt den genauen Gegenstand der Abstimmung, d.h., ob der Regierungsrat beauftragt wer- den soll oder nicht, das Verfahren einzuleiten, das zur Gründung eines neuen Kan- tons führen könnte. Die Hoheitsgrenzen des neuen Kantons entsprechen denen der Verwaltungsregion Berner Jura und des Kantons Jura.

Absatz 2 nennt die Stimmberechtigten, die an die Urne gerufen werden sollen. Wer in kantonalen Angelegenheiten stimmberechtigt ist, wird in der Kantonsverfassung sowie im Gesetz vom 5. Mai 1980 über die politischen Rechte (GPR) (BSG 141.1) festgelegt: Das Stimmrecht in kantonalen Angelegenheiten steht allen Schweizer Bürgerinnen und Schweizer Bürgern zu, die im Kanton wohnen und das 18. Alters- jahr zurückgelegt haben, sofern sie nicht wegen Geisteskrankheit oder Geistes- schwäche entmündigt sind50)(Art. 55 KV, Art. 5 GPR). Weil es sich im vorliegenden Fall um eine regionale Abstimmung handelt, sind nur diejenigen Personen stimm- berechtigt, die ihren Wohnsitz in einer Gemeinde der Verwaltungsregion Berner Jura haben, d.h., die im Stimmregister einer bernjurassischen Gemeinde eingetra- gen sind. Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer sind ebenfalls stimmbe- rechtigt, sofern ihre Stimmgemeinde in der Verwaltungsregion Berner Jura liegt (Art. 7 GPR).

Artikel 58b (neu)

Die durch die Gesetzgebung über die politischen Rechte für kantonale Abstimmun- gen festgelegte Zuständigkeitsordnung gilt auch für die regionale Abstimmung. Es wäre auch möglich gewesen, die Durchführung der Abstimmung der für den Ver- waltungskreis Berner Jura zuständigen Behörde zu übertragen, d.h. dem Regie-

49)IJV-Schlussbericht, Teil 2, Kapitel 1, S. 9 ff.; vgl. auch Ziffer 2.2.1 dieses Vortrags

50)Im Zuge der Revision des ZGB zum Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht, die am 1. Januar 2013 in Kraft treten wird, werden vom Stimmrecht ausgeschlossen sein:

Personen, die wegen dauernder Urteilsunfähigkeit unter umfassender Beistandschaft ste- hen oder durch eine vorsorgebeauftragte Person vertreten werden.

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rungsstatthalter des Berner Juras, da der Urnengang auf Ebene der Region stattfin- det. Da bei diesem Vorgehen aber namentlich eine enge Koordination mit den Be- hörden des Kantons Jura sichergestellt sein muss, scheint es sinnvoller, auf diese Möglichkeit zu verzichten.51) Die enge Zusammenarbeit des Regierungsstatthalter- amts mit dem Regierungsrat, der Staatskanzlei und den Gemeinden, um ein rei- bungsloses Abstimmungsverfahren zu garantieren, ist wie bei jeder kantonalen Abstimmung eine Selbstverständlichkeit (Art. 68 bis 70 GPR).

Die Organisation der regionalen Abstimmung durch den Regierungsrat betrifft ins- besondere die Ansetzung des öffentlichen Urnengangs, die Aufsicht über die Durch- führung der Abstimmung sowie die Erwahrung der Abstimmungsergebnisse (Art. 14 und 67 GPR). In Abweichung von Artikel 16b Absatz 4 Buchstabe d des Gesetzes vom 8. November 1988 über den Grossen Rat (Grossratsgesetz, GRG) (BSG 151.21), Artikel 29 Buchstabe k der Geschäftsordnung für den Grossen Rat vom 9. Mai 1989 (GO) (BSG 151.211.1) und Artikel 77 Absatz 1 Buchstabe b GPR ist der Regierungsrat ausserdem für die Verabschiedung der Abstimmungsbotschaft zuständig, die den Stimmberechtigten zugestellt wird und die alle nötigen Informa- tionen über den Gegenstand und die Bedeutung der regionalen Abstimmung ent- halten muss. Die Vorbereitung des Botschaftsentwurfs wird der Staatskanzlei oblie- gen. Wie bereits weiter oben erwähnt (Ziff. 4.1), wird der Redaktion dieses Doku- ments besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden müssen, und sein Inhalt wird mit demjenigen der Abstimmungsbotschaft, die den Stimmberechtigten des Kan- tons Jura zugestellt wird, zu koordinieren sein.

Artikel 58c (neu)

Die Durchführung des regionalen Urnengangs bedarf keiner weiteren Bestimmun- gen, die von der kantonalen Gesetzgebung über die politischen Rechte abweichen oder diese ergänzen. Dieser Artikel enthält deshalb einen Verweis auf die besagte Gesetzgebung.

Ziffer II

Das Datum der regionalen Abstimmung wurde noch nicht angesetzt. Der bernische Regierungsrat und der jurassische Staatsrat beabsichtigen, die Abstimmungen im November 2013 durchzuführen. Die Kompetenzdelegation an den Regierungsrat gemäss Ziffer 1 garantiert die nötige Flexibilität, um die neuen Bestimmungen je nach Datum der regionalen Abstimmung rechtzeitig in Kraft zu setzen.

Die neuen Bestimmungen des SStG werden für den einmaligen Gebrauch erlassen.

Sobald die regionale Abstimmung vorbei ist, werden sie hinfällig und können auf- gehoben werden, sobald die Abstimmungsergebnisse definitiv sind. Die Ergebnisse sind definitiv, sobald sie vom Regierungsrat für gültig erklärt worden sind und keine Beschwerde eingereicht worden ist bzw. sobald allfällige Beschwerdeentscheide rechtskräftig sind. Die Ausserkraftsetzung erfolgt automatisch mit der Veröffentli- chung der endgültigen Ergebnisse im «Feuille officielle du Jura bernois» (Ziff. 2).

51)Absichtserklärung, Artikel 4 und 6

9. Verhältnis zu den Richtlinien der Regierungspolitik

(Rechtsetzungsprogramm) und anderen wichtigen Planungen

Die geplante Änderung des SStG wird weder in den Richtlinien der Regierungspoli- tik noch im Rechtsetzungsprogramm erwähnt. Die Folgearbeiten zum Schlussbe- richt der IJV und die institutionelle Zukunft der interjurassischen Region sind unter dem Titel «Zusammenhalt im Kanton Bern» jedoch Teil der übergeordneten Quer- schnittsthemen (Richtlinien der Regierungspolitik, Ziff. 2.3, S. 17).

10. Finanzielle Auswirkungen

Die wichtigsten finanziellen Auswirkungen ergeben sich aus der Durchführung der regionalen Abstimmung. Die Druck- und Versandkosten für die Abstimmungsbot- schaft, die zulasten des Kantons gehen, werden auf weniger als 10 000 Franken geschätzt. Der Gewohnheit entsprechend soll die regionale Abstimmung am glei- chen Tag stattfinden wie eidgenössische Abstimmungen (Art. 14 Abs. 2 GPR), wo- mit zusätzliche Fixkosten für den Kanton (z.B. Druck und Versand von Stimm- rechtsausweisen, Druck von Formularen, Informatikkosten) und für die Gemeinden (Kosten für den Versand des Abstimmungsmaterials, Antwortcouvert) vermieden werden können.

Weitere Kosten, die beim gegenwärtigen Stand der Dinge nicht bezifferbar sind, könnten entstehen, wenn spezielle Sicherheits- oder Aufsichtsmassnahmen getrof- fen werden müssten, um in einzelnen Gemeinden eine reibungslose Durchführung des Urnengangs zu gewährleisten (z.B. Sondereinsatz der Kantonspolizei oder Ein- satz von Personal der Staatskanzlei oder anderer Direktionen).

11. Personelle und organisatorische Auswirkungen

Die Vorlage hat keine personellen und organisatorischen Auswirkungen.

12. Auswirkungen auf die Gemeinden

Die Hauptauswirkung der Vorlage auf die Gemeinden ist, dass diese zur Mitwirkung bei der Durchführung der regionalen Abstimmung verpflichtet sind. Da damit zu rechnen ist, dass die Abstimmung gleichzeitig mit anderen eidgenössischen oder kantonalen Abstimmungen stattfindet, sollte der Mehraufwand, der mit der Ausmitt- lung der Ergebnisse des regionalen Urnengangs entsteht, gering bleiben.

13. Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 13.1 Direkte Auswirkungen

Die Vorlage hat keine direkten Auswirkungen auf die Wirtschaft.

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13.2 Indirekte Auswirkungen

Das vom Regierungsrat verfolgte Ziel ist die Beendigung des Jurakonflikts, indem der Bevölkerung der interjurassischen Region ermöglicht wird, demokratisch über ihre institutionelle Zukunft zu entscheiden. Sollte das mit dieser Vorlage angestrebte Ziel erreicht werden, würde es dazu beitragen, die Hemmnisse im Zusammenhang mit der Jurafrage zu eliminieren und so indirekt das Wirtschaftsklima im Berner Jura zu verbessern.

14. Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens

Das Vernehmlassungsverfahren fand vom 29. Juni bis 30. August 2012 bei insge- samt 73 Adressaten statt, von denen 34 geantwortet haben. Von diesen haben rund zwei Drittel keine Bemerkungen angebracht oder auf eine Stellungnahme verzichtet.

Rund zehn Vernehmlassungsteilnehmer haben sich zustimmend geäussert, zwei lehnen die Vorlage ab. Ausserdem gingen vier grundsätzliche Kommentare ein, zwei in Bezug auf die Gesetzesvorlage, zwei in Bezug auf den Vortrag.

Stellungnahme der Behörden

Beim Bernjurassischen Rat (BJR) sowie bei der Interjurassischen Versammlung (IJV) fällt die Vorlage auf Zustimmung.

Die Bieler Juradelegation (DBAJ), in welcher der Rat für französischsprachige Ange- legenheiten des zweisprachigen Amtsbezirks Biel (RFB) sowie die Gemeinden Biel und Leubringen vertreten sind, gibt keine Stellungnahme zur Gesetzesvorlage, aber eine solche zum Vortrag ab: Sie bittet darum, dass der Vortrag mit Angaben ergänzt werde, wie das Verfahren nach der regionalen Abstimmung weitergehen könnte.

Das Verwaltungsgericht schlägt bei Artikel 58a Absatz 2 eine terminologische Ände- rung vor (nur französischer Text) und lenkt die Aufmerksamkeit auf die möglichen Konsequenzen des begrenzten Personalbestands in der Abteilung für französisch- sprachige Geschäfte auf die Durchführung der Abstimmung, sollten die Vorberei- tung oder die Durchführung der regionalen Abstimmung eine Beschwerdewelle auslösen.

Die Koordinationsstelle für Gesetzgebung macht keine Bemerkungen zur Gesetzes- vorlage. In Bezug auf den Vortrag bittet sie um eine ergänzende Angabe dazu, ob eine spätere Abstimmung im Berner Jura über die Gründung eines neuen Kantons vorgängig eine Änderung der Kantonsverfassung erfordern wird.

Die Gesetzesvorlage und der Vortrag wurden entsprechend angepasst, um diesen Stellungnahmen Rechnung zu tragen.

Stellungnahme der politischen Parteien

Die Schweizerische Volkspartei (SVP) des Kantons Bern ist die einzige Partei, die ausdrücklich gegen eine erneute Abstimmung über die Kantonszugehörigkeit des Berner Juras ist. Sie macht geltend, dass die Jurafrage mit den Abstimmungen von 1974/1975 gelöst worden sei. Es dürfe nicht sein, dass diese Frage erneut gestellt

werde, nur weil eine Minderheit im Berner Jura die demokratischen Entscheide von 1975 nie akzeptiert habe. Die Vorlage sei auch abzulehnen, um die Zweisprachigkeit des Kantons zu gewährleisten. Das Vorgehen der beiden Kantonsregierungen, nach der ersten Gesamtabstimmung in einem zweiten Schritt den Gemeinden ein indivi- duelles Recht zur Bestimmung ihrer Kantonszugehörigkeit einzuräumen, sei ausser- dem absolut inakzeptabel.

Die Sozialdemokratische Partei des Kantons Bern (SP), die FDP.Die Liberalen des Kantons Bern (FDP), die Evangelische Volkspartei des Kantons Bern (EVP) und die Grünen des Kantons Bern stimmen dem Änderungsantrag zu und unterstützen die Absicht, eine Abstimmung über die politische Zukunft der interjurassischen Region durchzuführen.

Die Eidgenössisch-Demokratische Union des Kantons Bern (EDU) stellt sich nicht gegen die Vorlage, erachtet es aber als problematisch, dass nochmals über die Bil- dung oder Nichtbildung eines neuen Kantons abgestimmt werden soll, was nur die Gemüter unnötig aufheizen werde. Sollte dennoch ein neuer Kanton Jura entstehen, hätte der Kanton Bern mit den französischsprachigen Einwohnern von Biel ein gra- vierenderes Minderheitenproblem als heute mit dem ganzen Berner Jura.

Die Bürgerlich-Demokratische Partei des Kantons Bern (BDP) weist darauf hin, dass die «Jurafrage» mehr ein von bestimmten Politikern gepflegtes Problem als eine echte Sorge der Bevölkerung sei. Sie bedauert, dass die von beiden Seiten akzep- tierte demokratische Abstimmung von 1975 von den autonomistischen Kreisen nie respektiert wurde. Sie erklärt sich jedoch mit der Konsultation der bernjurassischen Bevölkerung einverstanden, lehnt jedoch jegliche individuelle Abstimmungen von Gemeinden kategorisch ab. In diesem Zusammenhang verlangt sie, dass die Geset- zesvorlage mit einer Bestimmung ergänzt werde, die individuelle Gemeindeab- stimmungen über ihre Kantonszugehörigkeit ausschliesst.

Der Regierungsrat hat vor, die Verpflichtungen, die er gegenüber der jurassischen Regierung mit der Unterzeichnung der Absichtserklärung vom 20. Februar 2012 eingegangen ist, einzuhalten. Es ist somit nicht möglich, der Meinung der SVP zu folgen. Was den Vorschlag der BDP angeht, individuelle Gemeindeabstimmungen zu verbieten, so kann auch dieser aus mehreren Gründen nicht berücksichtigt wer- den: Die vorliegende Vorlage betrifft nur die Durchführung einer regionalen Ab- stimmung im gesamten Berner Jura über dessen politische Zukunft. Es besteht kein direkter materieller Bezug zwischen der geplanten regionalen Abstimmung und allfälligen individuellen Gemeindeabstimmungen. Aufgrund des Grundsatzes der Einheit der Materie hat die Regelung, die nötig wäre, um allfällige individuelle Ge- meindeabstimmungen zu erlauben, in der vorliegenden Vorlage somit keinen Platz.

Das Sonderstatutsgesetz gilt für den Berner Jura als Ganzes und nicht für einzelne Gemeinden (Art. 1 Abs. 1 SStG). Eine Regelung für allfällige Abstimmungen auf Gemeindeebene sollte demzufolge nicht im SStG enthalten sein. Und schliesslich kann der kantonale Gesetzgeber nicht verhindern, dass eine Gemeinde ihren Über- tritt zu einem anderen Kanton verlangt, wenn sie dies will. Sollte ein solcher Fall eintreten, müsste der Grosse Rat die in seiner Zuständigkeit liegenden Massnahmen treffen.

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Stellungnahme von Organisationen und Verbänden

Viele der Organisationen und Vereinigungen, die sich geäussert haben, unterstützen die Vorlage oder verzichten auf eine Stellungnahme. Die Gemeindepräsidentenkon- ferenz des Berner Juras und Welschbiels begrüsst die Vorlage und die Absicht, die regionale Abstimmung 2013 durchzuführen, sodass eine Abstimmung über die Schaffung einer Regionalkonferenz 2014 stattfinden könnte, also noch rechtzeitig, um die Vorgaben des neuen kantonalen Kulturförderungsgesetzes einhalten zu können. Der Verband bernischer Burgergemeinden und burgerlicher Korporationen lehnt die Vorlage als einziger ab. Er ist der Ansicht, dass das vorgeschlagene Verfah- ren kaum zu einer Lösung des Jurakonflikts beitragen kann. Für Force Démocratique (FD) ist es nicht akzeptabel, dass der Kanton Jura in dieser Angelegenheit eine dau- ernde Verfassungsgrundlage schafft, während sich der Kanton Bern mit einer vorü- bergehenden Gesetzesgrundlage begnügt. FD ist überdies der Auffassung, es sei noch zu früh, in der Vorlage zu beantragen, auf eine zweite Lesung zu verzichten, und verlangt, dass dieser Antrag aus der Vorlage gestrichen werde. Die Landwirt- schaftskammer des Berner Juras steht der Durchführung einer neuerlichen Volksab- stimmung kritisch gegenüber, da die in den vergangenen Jahren in verschiedenen Bereichen aufgebaute interjurassische Zusammenarbeit darunter leiden könnte, wenn die politischen Präferenzen der einen oder anderen wieder Überhand nehmen und den konstruktiven Geist, der eine gewisse Zeit geherrscht habe, überschatten würden.

Dem Antrag, die Vorlage fallen zu lassen, kann wie weiter oben dargelegt (vgl. Stel- lungnahme der politischen Parteien) nicht stattgegeben werden. Auch der Antrag von Force Démocratique konnte nicht berücksichtigt werden (vgl. Ziff. 15).

Stellungnahme der Gemeinden

Abgesehen von Biel und Leubringen, die sich zusammen mit dem RFB geäussert haben (vgl. Stellungnahme der Behörden), haben die anderen Gemeinden, die eine Vernehmlassungsantwort eingereicht haben, auf eine Stellungnahme verzichtet.

15. Antrag

Dem Grossen Rat wird beantragt, nur eine Lesung durchzuführen. Umfang und Komplexität der vorliegenden Gesetzesänderung rechtfertigen keine zwei Lesungen.

Die Fristen des Rechtsetzungsverfahrens sind angesichts des Ziels, die regionale Abstimmung Ende 2013 durchführen zu können, ausserdem relativ knapp. Unter diesen Umständen ist es wünschenswert, dass die SStG-Änderung so rasch wie möglich durch den Grossen Rat verabschiedet werden kann.

Bern, 7. November 2012 Im Namen des Regierungsrates Der Präsident: Rickenbacher Der Staatsschreiber: Nuspliger

(15)

388/1

Gesetz 102.1

über das Sonderstatut des Berner Juras und über die französischsprachige Minderheit des zweisprachigen Amtsbezirks Biel (Sonderstatutsgesetz, SStG)

(Änderung)

Gesetz 102.1

über das Sonderstatut des Berner Juras und über die französischsprachige Minderheit des zweisprachigen Amtsbezirks Biel (Sonderstatutsgesetz, SStG)

(Änderung)

Der Grosse Rat des Kantons Bern, Der Grosse Rat des Kantons Bern,

auf Antrag des Regierungsrates, auf Antrag des Regierungsrates,

beschliesst: beschliesst:

I. I.

Das Gesetz vom 13. September 2004 über das Sonderstatut des Berner Juras und über die französischsprachige Minderheit des zweisprachi- gen Amtsbezirks Biel (Sonderstatutsgesetz, SStG) wird wie folgt geän- dert:

Das Gesetz vom 13. September 2004 über das Sonderstatut des Berner Juras und über die französischsprachige Minderheit des zweisprachi- gen Amtsbezirks Biel (Sonderstatutsgesetz, SStG) wird wie folgt geän- dert:

9a.(neu)Institutionelle Zukunft der interjurassischen Region 9a.(neu)Institutionelle Zukunft der interjurassischen Region

Abstimmung über die institu- tionelle Zukunft der interjuras- sischen Region

Art. 58a(neu) 1Die Stimmberechtigten der Verwaltungsregion Ber- ner Jura beschliessen in einer regionalen Volksabstimmung, ob sie den Regierungsrat beauftragen wollen, das zur Gründung eines neuen, aus dem Berner Jura und dem Kanton Jura bestehenden Kantons erforderliche Verfahren einzuleiten.

Abstimmung über die institu- tionelle Zukunft der interjuras- sischen Region

Art. 58a(neu) 1Die Stimmberechtigten der Verwaltungsregion Ber- ner Jura beschliessen in einer regionalen Volksabstimmung, ob sie den Regierungsrat beauftragen wollen, das zur Gründung eines neuen, aus dem Berner Jura und dem Kanton Jura bestehenden Kantons erforderliche Verfahren einzuleiten.

Antrag des Regierungsrates

2 Streichen.

Antrag der Kommission

2 Dieses Verfahren beschränkt sich auf eine regionale Abstimmung.

Antrag des Regierungsrates

2 Stimmberechtigt sind die in kantonalen Angelegenheiten Stimmbe- rechtigten mit Wohnsitz in der Verwaltungsregion Berner Jura sowie Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, deren Stimmgemein- de gemäss Artikel 5 des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 1975 über die politischen Rechte der Auslandschweizer1) in der genannten Ver- waltungsregion liegt.

2 Stimmberechtigt sind die in kantonalen Angelegenheiten Stimmbe- rechtigten mit Wohnsitz in der Verwaltungsregion Berner Jura sowie Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, deren Stimmgemein- de gemäss Artikel 5 des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 1975 über die politischen Rechte der Auslandschweizer1) in der genannten Ver- waltungsregion liegt.

1) SR 161.5 1) SR 161.5

und der Kommission

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