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2014
https://archive.org/details/rechtsgutachtenOOblun
fot.
Rechtsgutachten
über die
Ansprüche der Prioritäts-Actien
der Gesellschaft der
Vereinigten Schweizerbahnen
gegenüber den Stammactien derselben.
Hü
Von
Prof. Dr. Bluntschli, Geheimerath.
Brugg.
Druck
vonFISCH, WILD &
Co.1873.
A. Thatsächliehe Verhältnisse.
1)
Im
April1857 wurde
die Actiengesellschaft derVereinigten Schweizerbahnen(Union
Suisse) dadurch gebildet, dass sich drei bisher getrennte Eisenbahngesellschaften:a) die St. Gallisch-Appenzellische,
b) die Schweizerische Südostbahngesellschaft, c) die Glattthalbahngesellschaft
unter sich einigten
und gemeinsam
mit derReunion
financiere in Paris über die Bildungund
über die Statuten der genanntenneuen
Actiengesellschaft sich vereinbarten.Das
Gesellschafts-Capitalwurde
auf 46,972,000 Fr. festgesetzt, in 93,944 Actien zu500
Fr. abge- theilt (Statuten Art. 6).Der
Sitzund
das Domicil der Gesellschaftist St. Gallen (Art. 3).
Alle Actien haben einen gleichen Rechtsantheil an
den
Activen der Gesellschaftund
andem Gewinne
desUnternehmens
, nachAbzug
jedoch allerKosten und
eingegangenen Verpflichtungen.Die
Actionäre sind nur bis aufdenCapitalbetragjeder Actie verpflichtet"(Art. 11). „Die Actien sind untheilbar"
und
„ihre Rechteund
Ver- pflichtungengehen
auf den Inhaber über" (Art. 15und
16).Die Generalversammlung, welche „die
Gesammtheit
der Actio- näre repräsentirt" (Art. 16), hat folgende Verrichtungen:1) Sie
nimmt
dieRechnungen
ab, verhandelt über dieselbenund
genehmigt sie nach Ermessen.2) Sie bestimmt die Dividenden.
3) Sie ernennt die Mitglieder des Verwaltungsrathes.
4) Sie entscheidet überdie Vorschläge für
Erwerbung und
Ver- äusserung vonImmobilien, welche nicht unter den inArt.38
Absatz 6und
8 bezeichneten, (d. h. denzum
Bahnbetrieb gehörigen) inbegriffen sind.—
4—
5) Sie rathschlagt
und
entscheidet über Vorschläge für zumachende
Anleihen, für Errichtung vonZweiglinien oderfür Verlängerung der Bahn, fürErwerbung
neuer Concessionen;
ebenso über Vorschläge, welche Verträge mitandern Gesell- schaften für die
Verpachtung
oderErwerbung
ihrer Linienund
ihre Einschüsse für die Vereinigung oder Fusion mit denselbenzum Gegenstand haben
; über Vorschläge zurAb-
änderung der Statuten, zurVermehrung
des Gesellschafts- Capitals oder zur Auflösung der Gesellschaft.6) Sie entscheidet
im Weitern
über alle Vorschläge, welche ihr zur Vollziehung der gegenwärtigen Statuten vorgelegtwerden müssen,
endlich, innert denSchranken
derselben, über alle Interessen der Gesellschaft (Art. 23).Die
Artikel24 und 25
der Statuten enthalteneinige Beschrän-kungen
mitBezug
auf Antragstellungund
Beschlussfassung über die unterNummer
5 des Art.23
bezeichneten Gegenstände.Der
Verwaltungsrath besteht aus24
Mitgliedern. 18 Mitgliederwerden
von derGeneralversammlung
aus den in denKantonen
St. Gallen, Graubündten, Zürich
und
Glaruswohnenden
x4.ctionären, 6 Mitglieder aus den ausserhalb dieserKantone wohnenden
Actio- nären gewählt.Für
die ersten vier Jahre sollen diese 6 Mitglieder unmittelbarvon
derReunion
financiere in Paris gewähltwerden
(Art. 36).
Die
so gewählten Mitglieder bilden „ein permanentes Comite zu Paris" (Art. 39),können
schriftlichabstimmen und
ver- handeln durch Correspondenz mitdem
Verwaltungsrath in St.Gallen (Art. 29). Jede Fusion mit andern Eisenbahnlinien, jedesBegehren
oder jedeAnnahme
einerneuen
Concessionund
jede Erweiterung der bestehenden Concessionen dürfen nur dannan
die Generalver-sammlung
gebrachtwerden
,wenn
zuvor sowohl die Mehrheit der in der Schweizwohnenden
Mitglieder des Verwaltungsraths als die Mehrheit des französischenComite
ihreZustimmung gegeben
haben (Art. 39).Für
die eigentliche Geschäftsführung wird einDirections- Comitevon
5 Mitgliedern aus der Mitte des Verwaltungsraths von diesem gewählt (Art.43
ff.).5
Art. 52.
„Während
der Bauausführung und bis zur Vollendung und Betriebs-Eröffnung" (der dreiBahnen)
ist jede Actio zu einem jährlichen Zinsbezug von 5 °/o auf die geleisteten Einzahlungen be- rechtigt. Siewerden
ausdem
Ertrag der zeitweilig angehigten Gelder, aus demjenigen der in Betrieb gesetztenBahnstreckenund
nöthigen-falls aus
dem
„Gesellschafts-Capital" bestritten.Art. 53.
„Nach
der Betriebseröffnung der genannten Balmlinien wird alljährlich ein Generalstatus der Activen und Passiven derGe-
sellschaft
aufgenommen.
Diese Vermögensübersicht wirdderjeweilenim Monat
Mai stattfindendenGeneralversammlung
der Actionäre vor- gelegt."Art. 54.
„Aus dem
Ertrage derUnternehmung werden
zu- vörderst die Unterhalts-und
Betriebskosten derBahnen
, die Ver- waltungsauslagen, die Zinsenund
die Tilgung der allfälliggemachten
Anleihen, wie überhaupt alle Lasten der Gesellschaft bestritten."Art. 55. „Sobald alle vereinigten
Bahnen
in Betrieb gesetzt seinwerden,
sind vondem
jährlichen Ertragsüberschuss, nachBe-
streitung der
im
vorstehenden Artikel erwähnten Lasten,zum
Voraus zu verwenden:1) Ein Betrag zu Bildung eines Reservefonds für unvorher- gesehene Ausgaben, welcher Betrag jedoch 5 °/o des Rein- ertrages nicht übersteigen darf.
2)
Fünf vom Hundert
des Gesellschafts-Capitals, als Betrag der semesterweise für die Actien zu bezahlenden Dividende von jährlichen 5 °/o.Der
Ueberschuss des Jahresertrages wird ebenfalls unter die Actien vertheilt."Art. 56.
„Der
Betrag der in Gemässheit des vorstehenden Artikels zu vertheilenden Dividenden wird, auf Vorschlag des Ver- waltungsrathes, durch dieGeneralversammlung
in ihrer ordentlichen Sitzungvom Monat
Mai festgesetzt."Für
Rechtsstreitigkeiten der Actionäre, desVerwaltungsrathsund
der Directionsmitglieder unter einanderwar
anfangs durch Art. 62 der6
—
Statuten das schiedsrichterliche Verfahren angeordnet worden. Diese
Bestimmung wurde
jedocham
22.Mai 1861
durch Beschluss derGeneralversammlung
dahin abgeändert, dass alle derartigenStreitig- keiten, welche Angelegenheiten der Gesellschaft betreffen, „durch den ordentlichen Richter abgeurtheiltwerden"
sollen.2. Eine Prüfung der finanziellen Verhältnisse der* Gesellschaft, welche zur Zeitder
Anwesenheit
desHerrn Hentsch,
Mitgliedes des Pariser Comite,im
Januar 185vorgenommen
wurde, ergab ein Deficit von 11,299,380 Fr. 56 Cent,und
stellte dasBedürfniss einerneuen
Capitalbeschaffung heraus.Die
Gesammterstellungskostenwurden
auf 75,600,000 Fr. berechnetund
die Capitalmittel der Gesellschaft betrugen an Actienund
Obligationen nur etwa 61 Mill.Das
PariserComite, welches durch <Jiese bedenklicheEntdeckung
sehrunangenehm
überrascht wurde, schickte eines seinerberathenden Mitgliederund
den Ingenieur Michel nach St. Gallen,um
eine Unter- suchung derUrsachen
dieses bedeutendenDeficitsvorzunehmen und
inGemeinschaft mit
den
schweizerischen Mitgliedern desVerwaltungs- raths die Interessen der Gesellschaft zu erwägen. Zugleich empfahl es dringend Ersparnisse. (Protok. v. 25., 27., 29. Januar 1859.)Wie
gross damals die Verlegenheitund
dieSpannung
war, zeigte sich daraus, dass dasHaus
Rothschild in Paris, welches beidem Unternehmen
stark betheiligt war,und
welches dieWechsel
der Gesellschaft zu honoriren pflegte, derselben den Credit kündigteund
erklärte, eswerde neue
Tratten nichtannehmen. Die
Direction in St. Gallen sah sich in Folge dessen genöthigt, die Hülfe des Pariser Comite's dringend nachzusuchen. (Depeschevom
3. Februar1859.)
Das
Pariser Comite beriethnun
in sechs Sitzungen (17—
22.März
1859) ausführlich, in welcherWeise
das benöthigte Capitalvon
12 Millionen Fr. zu beschaffen seiund
eskam
damals schon wesentlich auf den Plan, derdann
zurAusführung
gelangte.Es
—
7—
sollten zugleich Obligationen und Prioritätsactien in hinreichender Zahl ausgegeben werden. Die Zahl der Prioritätsactien zu
500
Fr.sollte jedoch 28,000 Stück nicht übersteigen
und
das Obligationen- Capital sollte nicht grösser sein als das Capital der Prioritätsactien.Vorerst sollten 25,000 Stück Prioritätsactien (actions privilegiees) ausgegeben werden, welche mit den Stammactien dieselben Rechte, aber
überdem
für dasCapital und
für dessenInteressen
zu 5 °/o ein Privilegium vor den Stammactiengemessen
sollen. Erstwenn
sie
„un
interetannuel
de 5 °/o sur lessommes
versees" d.h. einejährliche Verzinsung von
5 °/o erhalten haben werden, soll der Mehrbetrag der Dividenden zugleich anStamm- und
Prioritätsactien vertheilt werden. Diese 25,000 Stück Prioritätsactien sollen so er-worben
werden, dass 20,000 Stückalte Actien, inFolge Nachzahlung von je 100 Fr. auf das Stück in 25,000 Prioritätsactien verwandelt werden. Jeder Prioritäts-Actionär sollteüberdem
eine Obligationvon500
Fr.zum
Cursevon 270
Fr.und
mit Zinsanspruch von 15 Fr.also 3 °/o des Nominal-Capitals
übernehmen und
einzahlen. (Protok.des Pariser Comite
vom
17. bis 22.März
1859.)Von
Seite des schweizerischen Verwaltungsrathswurden nun
zweiMitglieder, der Präsident desselben,Herr
Wirth-Sandund Herr
Schulthess-Rechberg
nach Paris abgeordnet,um
mitdem
Pariser Comite die Finanzverhältnisse zu besprechen.Am
28.März 1859
beschloss der Verwaltungsrath in St. Gallen einstimmig,dem
Finanzplane des Pariser Comite's zuzustimmen.Das
Vorzugsrecht der Prioritätsactien wird in diesem Beschlüsse so formulirt:
„Nachdem
der Verwaltungsrath die Vollmachtvon
derGeneral-versammlung
der Actionäre erlangthat,schreiteter sofortzurAusgabe
:
von 25,000 Prioritätsactien, welche vor den gewöhnlichen Actien noch einen
Bauzinsgenuss
bis 30. Juni 1860, sowie nach Entrichtung der Obligationenzinse aus einem allfälligen Ueberschusse derEinnahmen
denBezug
einer Prioritäts-dividende
bis auf 5%
haben."—
8—
Bei der Formulirung der Anträge an die
Generalversammlung
aberwurde
der Artikel 5 genauer,im
Anschluss an die Beschlüsse des Pariser Comite, folgendermaassen gefasst:Art. 5. „Les actions nouvelles privilegiees ont droit a
un
divi-dende annuel de 5 °/o sur le montant des versements effectues, soit
.
25
fcs. par action privilegiee completement liberee.Le
dividende de 5 °/o sera preleve sur les revenus nets de la compagnie apres deduction dessommes
necessaires pour le service, des interets des obligations, sans prejudice des mesures a prendre pour leur amor- tissement regulier et avant que les actions de capital ne puissent toucher aucun dividende.Les
actions privilegiees recevrontlememe
dividende que les actions de capital si le dividende est superieur ä 5 °/o."
Der
Generaldirector,Herr Wirth-Sand,
berichtete darüberam
20. April
1859
an das Pariser Comiteund
bemerkte, erhabe indem Entwurf
desselben nur zwei Redactionsveränderungen angebracht:1) habe er den
Ausdruck „recevront"
in „ont droit ä" dess- halb umgeändert, weil die Prioritätsactien thatsächlich die 5 °/o nur dann erhaltenkönnen und
werden,wenn
die erforderlicheSumme
vorhanden sei.
Man könne
ihnen daher nicht versprechen, dass sie wirklich alle Zeit 5 °/o erhalten werden, sondern nur dass sie einen privilegirtenAnspruch
darauf haben.2) hat er das
Wort
„interet" (Zins) in dasWort
„dividende"verwandelt, weil nicht eine fixe
und
bestimmteSumme
bezahlt,sondern weil unter die Prioritätsactien eine unbestimmte
Summe,
wie sie ausdem Reingewinne
sich ergeben werde, zur Vertheilungkomme: „On
ne paye pas unesomme
fixe et determinee, mais on partage (divise) parmi les Actionnaires privilegies unesomme
inde- termineecomme
eile resultera des recettes nettes."Er
machte daraufaufmerksam,
dass dieseAenderungen
mit Art. 7 besserim
Einklänge seien, inwelchem
biszum
30. Juni ein fester Zinsvon
5 °/o versprochen werde.-
9Um
die schweizerischen Actionäre, die mit diesen Verhältnissen weniger vertrautund
leicht aufzuregen seien (un peu ombrageux) völlig in's Klare zu setzen über das Vorrecht der Prioritätsactien, sei ausdrücklich hinzugefügt worden, dass die 5%
vondem
Rein-gewinn bezahlt werden, nach
Abzug
der Kosten für die Obligationen- zinse und der Amortisationund
bevor die Stammactien irgend eine Dividendebekommen
dürfen. (Act. X.)Das
Pariser Comite genehmigte durch Beschlussvom
28. April 1859 die vorgeschlageneFassung
des Artikels 5.Am
30. April setzte derVerwaltungsrath seine Anträge an die Generalversammlung definitiv fest. Sie entsprechen vollständigdem
vorher erörterten Finanzplane
und
den letzten Vereinbarungen über Art. 5. (Act. B. 7.und
Y. a.und
Y. b.)3)
Am
10. Mai1859
fand die entscheidendeGeneralversammlung in St. Gallen statt. DieGeneralversammlung nahm einstimmig
auf den Berichtund
das Gutachten des Verwaltungsrathes hin folgenden Beschluss in 8 Artikeln an:„Die
Generalversammlung der Gesellschaft der Vereinigten Schweizerbahnen beschliesst:„Art. 1.
Der
Verwaltungsrath der Gesellschaft istbevollmächtigt,„eine
genügende Anzahl von
Prioritätsactienund
Obligationen aus-zugeben, um
sich dadurch dieSumme
von 12,000,000 Fr. zu ver- schaffen, mit derBeschränkung
jedoch, dass die Zahl der Prioritäts-„actien, mit Vorrang vor den alten (Stammactien) die von 28,000
„a
500
Fr. nicht übersteigen,und
die gegen Obligationen empfan-genen Summen
nicht grösser sein sollen, als der Betrag des privi-„legirten
und
nicht privilegirten Actiencapitals."„Art. 2.
Den
Inhabernvon
(alten) Stammactien wird dasRecht
„eingeräumt werden, einen Theil derselben, in
dem
Verhältnisseund
„zu denjenigen Bedingungen, welche der Verwaltungsrath festsetzen
„wird, in neue Prioritätsactien umzuwandeln."
„Art. 3. Die neuen Prioritätsactien
gemessen
die gleichen„Rechte
und
Prärogativen, wie die übrigen Gesellschaftsactien,—
10—
„namentlich mit
Bezug
auf die Stimmberechtigung an den General-„Versammlungen.
"
„Art. 4.
Dem
auf den Prioritätsactien einbezahlten Capitale ist„das Privilegium vor demjenigen der Stammactien zugesichert."
„Art. 5. Die Prioritätsactien haben
Anspruch
auf eine jährliche„Dividende von 5 °/oauf
dem
Betrage der geleistetenEinzahlungen,„nämlich Fr.
25
für jede vollständig liberirte Prioritätsactie. Diese„Dividende
von
5 °/o ist aus den Nettoeinnahmen der Gesellschaft,„nach
Abzug
derjenigenSummen,
welche für die Verzinsung der„Obligationen
und
die Amortisation nachMaassgabe dervon derGe-
sellschaftübernommenen
Verpflichtungen erforderlich sind, vorab„und ehe die Stammactien zu einem Dividendenbezug gelangen
„können, zu entheben. DiePrioritätsactien
werden
die gleiche Divi-dende
beziehen, wie die Stammactien,wenn
diese Dividende 5 °/o„übersteigt."
„Art. 6.
Es
dürfen von der Gesellschaft keine andern Actien„ausgegeben werden, welche den
neuen
Prioritätsactienim Range
„voranstehen."
„Art. 7. Bis
zum
30. Juni1860
wird den Inhabern von Prio- ritätsactien der Zins auf den einbezahltenSummen
ä 5%
per Jahr„ausbezahlt."
„Art. 8.
Die
Gesellschaft behält sich jederzeit das Recht vor,„die Prioritätsactien pari (nämlich mit
500
Fr. per Actie) zurück-„zubezahlen, aber erst,
nachdem
sie es den Inhabern dieser Titel„während
dreiMonaten
freigestellt haben wird, siegegen Stamm-
„actien umzutauschen.
"
Diese Beschlüsse
wurden
auch in den ausgegebenen Prioritäts- actienscheinen wörtlich abgedruckt, sowohl in deutscher als in fran- zösischer Sprache.Der
Art. 5 des französischen Textes unterscheidet sichvondem
oben mitgetheiltenTexte
nur dadurch, dass dieWorte
:
„avant que les actions de capital
ne puissent toucher
aucun divi-dende" in die
Worte
„avantque les actions de capital aienttouche
aucun dividende" verwandeltworden
sind.—
11-
4) In
dem
französischen Prospecte, durch welchen die Actionäre von den gefassten Beschlüssen in Kenntniss gesetztund
eingeladen wurden, Prioritätsactien zu zeichnen,wurden
die obigen Artikel des Beschlusses vollständigund
wörtlichaufgenommen.
Indem
deutschen Prospecte dagegenwurde
nur auf den Beschluss der Generalver-sammlung vom
10. Mai verwiesenund
derVorzug
der Prioritäts- actien vor den Stammactien mit folgendenWorten
geschildert:„Die auszugebenden Prioritätsactien
gehen
den gewöhnlichen (Stamm-)Actien mit einem Dividendenbezugvon
5 0/o perJahr voranund
beziehen,wenn
die Dividende der Stammactien 5 °/o übersteigt, dieselbe in gleichem Betrage.Ausserdem
ist ihnen biszum
30. Juni1860
der Bauzins von 5 °/o per Jahr zugesichert;im
Uebrigengemessen
sie die gleichen Rechteund
Prärogative wie dieStamm-
actien, namentlich in
Bezug
auf dieStimmgebung
in den General- versammlungen." (Act. D.)5)
Im
Februar1860 bemerkt
der Generaldirector in St. Gallen, dass der Wortlaut des deutschen Prospectus mitBezug
auf die Vor- rechte der Prioritätsactien missdeutetwerden könne und
fragt das Pariser Comiteum
seineMeinung
an.Das
Pariser Comite spricht sich durch seinen Beschlussvom
14. Februar über die vorgelegte
Frage
folgendermassen aus:2. Interets a payer
aux
actions privilegiees. Interpretation du Prospectus.—
II est de droitque les interets düsaux
actions privi- legiees soyent integralement payes avant qu'aucune repartition de fonds puisse avoir lieu entre les actions de capital.Oes titres d'actions emportent avec
eux un
privilege qui ne s'exercepas seulement dans les limites d'une periode determinee et sur les produits de cette periode, mais qui au contraire doit s'exer- cer ä quelque epoque que ce soit sur l'ensemble des produits reunis dumoment
oü ces produits sont constates. C'est ä dire que sur les revenus d'exploitation toutes lessommes
qui restent ä lacompagnie, apres defalcation faite:
1° des frais de l'exploitation de toute sorte ;
—
12—
2° des capitaux necessaires au service des emprunts, amortisse- ments eompris,
seront appliquees jusqu'ä düe concurrence au
payement
integral ou complementaire des interets düs sur les actions privilegiees soit pour l'annee courante soit pour les annees precedentes et de teile sorte qu'iln'yaura lieu ä repartitionde fonds pourles actions de capital que lorsquelesvingt cinqfrancsannuels düsaux
actions privilegiees auront ete integralementpayes pour toutesles annees ecouleesetpour l'annee courante.Le
texte du Prospectus ayantpu
etremal
interprete, le comitepense qu'il serait bonde faire a la prochaineassembleegenerale une declaration qui donne tout eclaircissement a ce sujet." (Act. E.)Am
20. Februar1860
berichtete die Greneraldirectiondem
Ver- waltungsrathe überdiese Sacheund
theilte die Ansichten des Pariser Comite's mit.In
jenem
Berichte wird gesagt:„Es
ist (in der betreffenden Stelle des deutschen Prospectus) unentschieden gelassen, ob,wenn
die Dividende der Prioritätsactien in einem Jahre unter 5 °/o ausfiele,
während
sie in einem späteren Jahre 5 °/o übersteigen würde, für jenes Jahr oder jene Jahre mit einer mindern Dividende, es bei dieser sein Verbleiben habeund
die Prioritätsactien-Inhaber nichts weiteresmehr
verlangen dürfen, oder ob ein allfälliger Ausfall auf der fraglichen Dividende den Inhabern der Prioritätsactien gut ge- schriebenund
dann bei einer in der Folge grösseren Dividende als 5 °/o auf den Prioritätsactien der Ueberschuss derselben dazu zuverwenden
sei,um
den Inhabern solcher Actien die früher nicht voll ausbezahlteund
ihnen gut geschriebene Dividende bis auf Fr.25
nachzuvergüten, eheund
bevor den Stammactien eine Dividende bestimmtwerden
dürfe.Bei der
Abstimmung
des Verwaltungsraths sprachen sich vier Mitglieder für die Ansichten des Pariser Comite's aus.Aber
für die entgegengesetzteAnsicht, dass den Prioritätsactien nur einVorzugs- recht auf die jeweilen von Jahr zu Jahr sich ergebende Dividende anzuweisen sei, fanden sich nur zweiStimmen
entschlossen.—
13—
Die Majorität wünschte, bevor sie sich entscheide, erei ein Gutachten einer juristischen Autorität über die Rechtsansprüche der Prioritätsactien einzuholen. (Act. F.)
6)
Das
vondem Herrn
Jäger in Brugg, damaligen Präsidenten des schweizerischen Bundesgerichts, Obergerichtspräsident Dr. Finsler in Zürichund
Cantonsgerichtspräsident Sailer inWyl
erstattete Rechtsgutachtenvom
8.März 1860
sucht die Rechtsansicht zu begründen:
„dass,
wenn
die Dividende auf den Prioritätsactien in einem Jahr unter 5 °/o ausfiele,während
sie in einem späteren Jahre 5 °/o übersteigen würde, die Prioritätsactien für jenes Jahr oder jene Jahre einer minderen Dividende sich mit einer minderen Dividendebegnügen müssen und
nichts weitermehr
verlangen dürfen." (Act. A.2)7)
Es
standen so zwei deutlichausgesprocheneMeinungen
ein- ander gegenüber: die des Pariser Comite's, welches mit der Praxis vertraut, den Finanzplan entworfenund
in der Hauptsache die Be=Stimmung
über das Vorzugsrecht der Prioritätsactien vorgeschlagen hatte,und
dieangegebenen
schweizerischen Juristen.Der Generalversammlung
von1860 wurde
kein Antrag zur Beschlussfassung vorgelegtund
auch späterkam
es zu keiner Ent- scheidung innerhalb der Actiengesellschaft.Dagegen wurde
bei späterenneuen
Emissionen von Prioritäts- actien in den Jahren 1861und
1863 der alte Wortlaut des Art. 5 einfach wiederholt, ohne weitere Erklärung.Da
die Rentabilität der Eisenbahn sehr gering war, so konnten lange Zeitüberhaupt keineDividenden, auch nicht an die Prioritäts- actionäre vertheilt werden.Die Frage war
daher nicht practisch geworden, so lange dieser Zustand fortdauerte.Erst die Bilanz des Jahres 1871 ergab einen Activ-Saldo, wel- cher eine Dividende von 12 Fr. 50. Cent, für die Prioritätsactien verstattete.
_
14-
Von
da anbekam
die Streitfrage eine practische Bedeutung.Sie bedarf daher einer
Lösung,
sei es durch einen Rechtsspruch,sei es durch einen Vergleich zwischen den Inhabern der Prioritäts- actien einerseits
und
den Stammactien anderseits.B. Rechtliche
Erwägungen
und Beurtheilung.1.
Zins und Dividende.
Um
dieFrage
zu entscheiden, ob derAnspruch
der Prioritäts- actien nach den Grundsätzen über Zinsschulden oder nach denen über Vertheilung der Dividende zubestimmen
oder ob eineCom-
bination der beiderlei Grundsätze gerechtfertigt sei, ist es nöthig, den Gegensatz
von
Zinsund
Dividende vorerst in seiner Schärfe zu betrachten.Wenn
wir heuteund
in diesemZusammenhang
von Zins spre- chen, sodenken
wir nicht an die ursprünglicheund
ältereBedeu-
tung desWortes =
census,wonach
Zinse überhaupt alle periodisch, insbesondere jährlich wiederkehrenden Leistungen von Geld oder Früchten genannt wurden, welcheJemand
aus irgendeinem
Rechts- grund an den Zinsherrn zu entrichten hatte, wie z. B. der Eigene den Leibzins an den Leibherrn, derHof
hörige den Grundzins an den Gutsherrnund
sogar vieleEigenthümer von Häusern
oder land- wirtschaftlichen Grundstücken anden
Gerichts- oder Vogteiherrn.Mit diesen älteren Zinsen
haben
die heutigen Capitalzinse nichtsgemein
als dieperiodisch wiederkehrende
fixirteLeistung
in
Geld
oderFrüchten.
Die
heutigen Zinse entsprechen vielmehrdem, was
dieRömer
usura oder usurae nannten,und
setzenimmer
eineCapitalschuld
voraus, anwelche sich dieZins schuld
anschliesst. Die ursprüngliche Ausbildungdes Zinses in diesem Sinneist indem Darlehenszinse,
dem
alten foenus, zu erkennen, welcher vondem
Schuldner, der eine Capitalsumme Geldes zu beliebigerBenutzung und Verwendung
empfangen
hatte, als Gegenleistung für diesenGebrauch
jährlich—
15—
oder monatlich zu zahlen versprochen hatte.
Der
Zins bestand dann in so viel Procentendes Capitals, als nach Uebereinkunft der Contra- hentendem Gebrauchswerte
des Capitals ungefähr entsprach.Der
Schuldnermochte
immerhin mitdem
Capital für sich einen grösserenGewinn
zu erzielenhoffen. DieserGewinn
verblieb ihm, wie er den Verlust tragen musste,wenn
dieBenutzung
des Capitalsihm
nicht so viel abwarf, als die Zinsschuld betrug.Der
Gläubiger begnügte sichim
ersteren Falle mitdem
versprochenen Zins, aber er forderte denselben auchim
letzteren Fall, wenngleich der wirkliche Gebrauchs- werth des Capitals sich geringer gezeigt hatte, als derim
Zinseangenommene
Gebrauchswerth.Offenbar Hess sich ein ganz analoges Verhältniss auch ohne Darlehen
und
ohne Zinsverabredung noch inmanchen
andernFällen als wohlbegründet erkennen.So kam
es, dass die Gerichte öfters vonAmts wegen
(ex officio judicis) auf Zinsschuld erkannten, z. B.wenn
der Schuldner einerSumme
Geldes mit derZahlung
zögerte und dadurch den Gläubiger in die Unmöglichkeit versetzte, sein Capital anzulegenund
vielleicht Darlehenszinse davon zu beziehen.Im Zusammenhang
mit dieserweiterenAnwendung kam
der römische BegriffUsurae aufund
verdrängte das alte Foenus.Wie
schon dasWort
zeigt,und
alte Schriftsteller ausdrücklich erklären, bezeichnet derAusdruck
den „Gebrauchswerth des Capitals."*)Der juristische
Begriff des Zinses hält sich heute noch an den so erweiterten Bereich seinerAnwendung. Er
versteht unter Zinsen die in bestimmten Procenten einer, in einerSumme
ver- tretbarerSachen
bestehenden Capitalschuld bemessene, periodisch wiederkehrende oder doch nach der Zeitdauer berechneteund
in Geld oder in andern vertretbarenSachen
bestehende Nebenschuld,*)
Am
deutlichsten Isidor Orig. lib.V. cap. 25: „Usura est incrementumfoenoris, abusuaeris creditinuncupata," und bei Varro deLinguaLat.lib.IV.
:
„ex usu usura dicta." In der älteren Sprache bezeichnet usura den Gebrauch
selbst, z.B. bei Cicero Tuscul.I. 39: „Natura dedit usuram vitae, tamquam pe- cuniae, nulla praestituta die," später den fixirten Gebrauchswerth.
— 16 —
welche
dem
Gebrauchswerthe des Capitals als Gegenleistung ent- spricht. In derheutigen Praxis hat sich der Begriff vorzüglich dess- halb gegenüberdem
alten römischen noch erweitert,indem
heute sich die Zinsverpflichtung eher als bei denRömern
auch ohne be- sondern Zinsvertragvon
selber versteht.Immer
aber denkt die Jurisprudenzund
dieGesetzgebung
an eineSchuld sowohl eines Capitals
als desentsprechenden Zinses.
Vgl. z. B.
Savigny System
desRom.
Rechts VI. S. 124 ff.v.
Vangerow Pandekten
§ 76.Arndts Pandekten
§ 207.Windscheid Pandekten
§ 259.Der wirthschaftliche
Begriff der Zinsen geht weiter als der juristischeund
hat unterUmständen
auch rechtlicheWirkungen
er- zeugt. In wirthschaftlichem Sinne wird unbedenklich auch dann von Zinsim
Anschluss an ein Capital gesprochen,wenn
zwar eine eigent- liche Capital-und
Zinsschuld nicht vorhanden ist, aber sachlich das Capital als eineSumme
Geldes, in Folge des Geschäftsbetriebes eine jährliche (monatliche)dem
Gebrauchswerthe des Geldes ent- sprechende Frucht ineinem
bestimmten Procentsatze Geld erzeugt.Wenn
der Capitalist dieregelmässig wiederkehrendenEinkünfte, die er vondem
Selbstgebrauch,dem Umsatz
seines Capitalsim Verkehr
gewinnt, mitdenen
vergleicht, die er vondem
Darlehens- schuldner inForm
des Zinses erhält oder erhalten kann, so nennt er beidesCapitalzins, und
unterscheidetdenselben vondem
zweifel- hafterenund
wechselndenUntern ehmergewinn
(den Arbeitslohn desUnternehmers
inbegriffen), denim
ersten Fall er selbermachen
will, den
im
zweiten Fall der Darlehensschuldner macht.Die
Unterscheidung zwischen Zinsunä Unternehmergewinn
istwirthschaftlich richtig
und
für eine genaueRechnungsführung
un- entbehrlich.Es
ist fürden
Gewerbetreibenden überhauptden
Unter-nehmer
nöthig, es sich selber klar zumachen,
ob er nur so vieloder
mehr
verdiene, als der übliche Zinsfuss des Capitals beträgt.Würde
er höchstens ebenso viel erwerben, so hätte seine Arbeit—
17—
keinen andernErfolg gehabt,, als
wenn
er sein Capital einem-Andern
dargeliehenund
diesemdie Arbeit überlassen hätte.Er würde
über-dem
die Gefahr des Capitalverlustes inhöherem Maasse
auf seine Schulterngenommen
haben, als beieinem Darlehen
mit Versiche- rung.Für
dieseBerechnung
ist es ganz gleichgültig, ob der Unter-nehmer
miteigenem
oder mitfremdem
Capital arbeitet.Das
Capitalistin beiden Fällen geeignet, Zins hervorzubringen. Inbeiden Fällen
muss
derselbe Zins berechnet werden.In der kaufmännischen
Buchführung
wird daher das eigene Ca-pital des
Unternehmers
ganz ebenso wie das entlehnte Capital alseine Schuld des Geschäftes
aufgeführt.Ebenso
wird oft in denHauptbüchern
auch derübliche Zinsfuss
des eigenenCapitals als eineGeschäftsschuld
verrechnet wie die Zinsvergütung, welche an fremde Gläubiger bezahltwerden
muss. Erstwas darüber
hi
n
au
sverdientworden
ist, wirddann
alswahrer Geschäfts- gewinn
betrachtet.Allerdings ist das keine
wahre
Capital-und
Zinsschuld, weil nur Eine Person,und
nicht einvon dem
Schuldner verschiedener Gläubiger vorhanden ist.Der
Inhaber des Geschäftes ist zugleich Capitalist, Zinsbezügerund
Zinszahler.Würde
er in Concurs ge- rathen, so könnte er nicht mit den übrigen Geschäftsgläubigern für seine Capital- oder Zinsforderung an das Geschäft concurriren.Die
in den
Büchern
in Sollund Haben
erscheinende Schuld hat nur dieBedeutung
einerrechnungsgemässen
fingirten Schuld, nicht einer wirklichen Schuld.Dennoch können
sich an diese wirthschaftliche Berechnungs- schuld, die immerhin aufsachlichen Verhältnissen
beruht, auch rechtlicheWirkungen
knüpfen.Das
wird vorzüglich klar,wenn
dieDividende und
derReingewinn
den Zinsen gegenüber treten.Die
Dividende,
d. h. das zurVertheilungunter mehrere Theil-nehmer
eines Geschäftskommende Einkommen,
setzt eineGesell- schaft
voraus, welche aufgemeinsame Rechnung
eineUnternehmung
betreibt.
Am
deutlichsten zeigt sie sich in der Actiengesellschaft.2
—
18—
Sie ist insofern mit
dem
Zins verwandt, als sie auch in jährlichen Procenten des Capitals bestimmt wirdund
gleich den Zinsen fürden
Capitalisten, der sie bezieht, eineVermögensvermehrung
zur Folge hat.Aber
sie unterscheidet sich vondem
Zinse dadurch, dass sie nichtzum
voraus fixirtwerden
kann, sondernvon
dem.Rechnungsergebniss des betriebenen Geschäftes abhängig ist, also
wesentlich auf dem Unternehmer- und Geschäftsgewinn
beruhtund
daher erstnach der Jahresrechnung und
nichtzum
voraus zubestimmen
ist.Wenn
keinGewinn gemacht
wird, sokann
indem
betreffenden Jahre auch keine Dividende bezahlt werden.Sodann
unterscheidet sich die Dividende vondem
Zinse dadurch, dass jene nach Verhältniss der Actien zur Vertheilungkommt,
dieserdagegen
nothwendig ein eingezahltes Capital voraus- setzt, nach dessen Grösse er berechnet wird.Indem
die Actionäre sich zurErwerbs
-Actiengesellschaft ver- einigen,— und
das ist der gewöhnliche Fall—
speculiren sie auf Dividende, nicht auf Zins, ganz ähnlich, wie Einzeln-Unternehmer eines Erwerbsgeschäfts.Zwar geben
sie ihr Capital der Gesell- schaftund
ihrerVerwaltung
hinund
arbeiten nicht persönlich beidem
Geschäftsbetriebe mit; aber sie rechnen aufGewinn und nehmen
die
Chance
des Verlustes auf sich. Sie wissenund
wollen, dass ihr Actiencapital—
als Grundcapital der Gesellschaft—
den Gesell- schaftsgläubigern vollund
ganz hafte. Sie verzichten daher auch auf jede Verzinsung ihres eingeworfenen Capitals, welche ausdem
Grundcapital selber
und
nicht ausdem
Geschäftsgewinn bezahlt würde.Nur wenn
die Jahreseinnahme einen Ueberschuss nachweist über dieAusgaben und Unkosten
des Geschäfts, d. h. nurwenn
ein
Geschäftsgewinn
alsDividende
zurVertheilung gelangt, sonst nicht, erhalten sie eineRente
vondem
in Actien angelegten Capital, also nicht inForm
des ständigen Zinses, sondern derwech-
selnden Dividende.Es
ergibt sich daraus für die Actionäre die Regel: Sie habenkeine Zins forderung,
sondernAnspruch auf Dividende.
-
19—
Am
schärfsten ist hier durch Art.217
des deutschen Handels- gesetzbuches die Folgerung ausgesprochenworden:
„Zinsen von bestimmter
Höhe
dürfen für die Actionäre nichtbedungen
noch ausbezahltwerden
; es darfnur dasjenige unter sie vertheiltwerden
,was
sich nach der jährlichen Bilanz,und wenn im
Gesellschaftsvertrage die Innehaltung eines Reserve-Capitals bestimmt ist, nachAbzug
desselben als reiner Ueberschuss ergibt."Holländisches
Handelsgesetzbuch Art. 49.Preussisches
Gesetz von 1843, § 17.Zürcherisches
Gesetzbuch §1358
vgl. mit § 1352.Bernisches
Gesetzvon
1860, Art. 16.Renaud,
Actiengesellschaften, § 66.Wenn
dessenungeachtet die Capitalistenund
Kaufleute häufigvon Verzinsung
desActiencapitals und von Zinsen
spre- chen, welche die Actionäre vorerst zu beziehenhaben
, bevor sieden Antheil an
dem
eigentlichenGewinn
vertheilen, so hat dieser Sprachgebrauchund
diese feinere Unterscheidung doch einen guten Sinn. Sie folgen dabeidem wirthschaft liehen
Begriffe desZinses und
unterscheiden denselbenvon dem
eigentlichenUnter- nehmer- und Geschäftsgewinn,
der dann erst eintritt,wenn
der Ueberschuss der Jahres
-Einnahme
über dieAusgabe den
üb- lichen oderangenommenen
Zins der eingeworfenenCapitalsummen
übersteigt. Diese Unterscheidung
macht
sichdenn
auch in derBuch- führungund
Rechnungsstellung geltend,und
esknüpfen
sich daran mancherlei rechtliche Folgen.Wir
erhalten dann einen Doppelsinn desReingewinnes,
jenachdem
die Verzinsung des Actiencapitals in demselben inbegriffen ist odervon
demselben abgezogen wird,und demgemäss
auch eineDoppelbedeutung
derDividende
a) insofern in ihr der Zinsbestandtheil inbegriffen ist, Dividende
im
weiteren Sinn (Zinsdividende inbegriffen) oder— 20 -
b) insofern sie erst nach
Abrechnung
des Zinsbestandtheiles darüber hinaus aus vertheiltemGewinne
besteht:Dividende im enger
nSinn,
auchSuper dividende
genannt.Eine sehr gewöhnliche rechtliche
Anerkennung
dieses Unter- schiedes ist dieBestimmung
vieler Statuten von Actiengesellschaften>
dass sogenannte
Tantiemen,
sei es an die Directorenund Ge-
schäftsführer der Gesellschaft, sei es an die Aufsichts- oder Ver- waltungsräthe, zuweilen auch an dieGründer
der Gesellschaft, nicht schonvon dem Reingewinn im
ersten, sondern erstvon dem
Rein-gewinn im
zweiten Sinne, also nur dann bezahltwerden
sollen,wenn
eine sogenannte Superdividende vorhanden istund
nicht,wenn
die Dividende höchstens
dem
Bestandteile des Zinses gleichkommt.Die Tantieme
hat nichtsvom
Gebrauchswerth des Capitals in sich,sondern dient lediglich, den
Werth
derUnternehmung
oder der Ar- beitim
Geschäftsbetrieb oder der Aufsichtund
Oberleitung zu ver- güten.Daher kann
sie richtig nurdann
versprochenund gegeben
werden,wenn
eine Superdividende möglich ist.In
Einem
Falle hat sich dieRechtsbildungund
dieGesetzgebung
genöthigt gesehen,den
Actionären trotz aller juristischenBedenken,
sogar einenAnspruch
aufZinse
für die eingezahlten Beträge zu- zugestehen, nicht inForm
der Dividende, sondernim
Gegensatze zur Dividende, bevor eine Dividende bezahltwerden
kann.Wenn
nämlich grössere
Unternehmungen
wie z. B. Eisenbahnen einemehr-
jährige Vorbereitung erfordern, bevor der Betrieb beginnen kann,und
bevor daher ein Geschäftsgewinnund
eine Dividende möglichist, so
kann
der kleine Capitalist, dessenTheilnahme
an der Actien- gesellschaft unentbehrlich ist, nicht Jahre lang aufjeden Gebrauchs- werth seines eingeschossenen Capitals verzichten.Er
bedarfvielmehr derZinse zu seinem Lebensunterhalt. Wollteman
dieses Bedürfniss unbefriedigt lassen, so könnte er sich nicht betheiligenund
das ganzeUnternehmen wäre
unmöglich oder doch sehr erschwert.Man wäre
genöthigt,um
denBau
der Eisenbahn zu ermöglichen, Darlehens- schutden zumachen und
an fremde Gläubiger Darlehenszinse, viel-—
21—
leicht aus
Noth
höhere Zinse zu bezahlen, als an die Actionäre gegebenwerden
müsstcn.Das
Interesse derUnternehmung und
das Interesse derActionäre vereinigen sich daher,um
inder vorbereiten- den Periode, bis der Betrieb beginnenund
einenGewinn
abwerfen kann, daseinbezahlte Actiencapital zu verzinsen.
Allerdings wird dann von der Gesellschaft an ihre eigenenTheilnehmer
ein Zins bezahlt und es geschieht das in derHauptsache ausdem
Capital selber, welches sie einbezahlt haben, das noch keine Früchte erzeugen kann.Das
Capital der Gesellschaftwird daherum
den Betrag dieser Zinse vermindert.Aber
wirthschaftlich lässt sichdieEinrichtung recht- fertigen.Es
sind das nothwendigeUnkosten
der Capitalbeschaffung.Auch
das deutsche Handelsgesetzbuch, welcheswährend
des Betriebs jede Zinszahlung an die Actionäre, die nicht in derForm
derDividende geschehen kann, strenge untersagt, hat sich genöthigt gesehen, diese
Ausnahme
zu gestatten.Art.
217
Schlusssatz:„Jedoch
können
fürdenim
Gesellschaftsvertrageangegebenen
Zeitraum, welchen die Vorbereitung desUnternehmens
biszum Anfange
des vollen Betriebes erfordert, den Actionären Zinsen von bestimmterHöhe gegeben
werden."Auch
dieVereinigten Schweizerbahnenwaren
genöthigt, diesem Bedürfnisse ihrerActionärewährend
desBaues Rechnung
zu tragen.Der
Artikel 52 der Statuten sichert ihnen bis zur Betriebseröffnung 5 °/o Zinse zu vondem
eingezahlten Actiencapital.2.
Wirtschaftliche und rechtliche Natur der Prioritäts- Actien, verglichen mit Prioritätsobligationen und
Stammactien.
So
lange das Stammcapital der Actiengesellschaft genügt,um
die
Unternehmung
zu sichern, bedarf es keiner künstlichen Mittel,um
neues Capital herbeizuziehen.Wenn
die Aussichten auf gute Erträgnisse günstig sind, aber das Geschäft eine Erweiterung seiner— 22 —
Capitalkräfte erfordert, so lässt sich diesem Bedürfniss leichtabhelfen, sei es durch Darlehen, welche contrahirt werden, sei es durchEmis- sion einer
neuen
Serievon
Actien ohne alle Privilegien. Jene Dar- lehen pflegtman Prioritätsobligationen
zu nennen,wenn
sie inForm
von gleichmässigen Stückenund
in gleichartigen verzinslichen.Schuldscheinen ausgegeben werden.
Da
die Inhaber dieser Obli- gationenGläubiger,
nicht aber wie die Actionäre,Theilnehmer
der Actiengesellschaft sind, so haben sie auch
keinen Anspruch auf Dividende,
sondern nur einebestimmte Zinsforderung,
welche ganz unabhängig ist von der jeweiligen Jahresbilanzund
inallen Fällen gleichmässig fällig wird, habe die
Unternehmung Gewinn
oder Verlust abgeworfen.Dass
dieses Darlehnscapital,wenn
die Gesellschaft genöthigt wird, zuliquidiren, zurückbezahltwerden
muss, bevor (priusquam) die Actionäre einen Theil ihres Capitals zurück-nehmen
dürfen, ist selbstverständlich.—
Mit Rücksicht auf diesenVorzug
der Darlehnscapitalien vor denActiencapitalienwurden
jenePrioritäten
oderPrioritätsobligationen
genannt.Wenn dagegen
das Actiencapital nicht ausreichtund
die Be- schaffung von weitern Capitalien inForm
von Obligationen oder einerVermehrung
der Stammaktien schwierig erscheint,dann
bedarf es künstlicher Reizmittel,um
das unentbehrliche Capital herbei- zulocken. In solcherNoth wurden
die sogenanntenPrior
itäts-actien
erdachtund
in die Praxis eingeführt.Man
suchte dieVor-
theile derPrioritätsobligationen
wenigstenszum
Theil zubewahren und
damit dieVortheile
derActien
zu combiniren;und
durch das Anerbieten dieser zweifachen Vortheile die Capitalisten zu neuer Einzahlung von Capitalien zu bewegen.Da
die Capitalisten einregelmässiges Zinserträgniss
von ihrem Capital zu erhaltenwünschen,
worauf ihre Jahreseinnahme hauptsächlich beruht, welche hinwieder die Grundlage ihrerlaufendenAusgaben
bildet, so musste irgendwie dafür gesorgtwerden,
dass das Capital, welches sienun
einzahlen sollten, auch einen ent- sprechenden Jahreszins abwirft. In dieser Hinsicht mussten sie den— 23 —
Prioritätsgläubigern möglichst gleichgestellt werden.
Daher
die Be- stimmung, dass unter die Stammactionäre keine Dividende vertheiltwerden
dürfe,bevor
die Prioritätsactien so vielaus dem Jahres- gewinn der Gesellschaft erhalten haben,
alsdem üblichen Zinse
für ihreCapitalien gleichkam.
Einen wirklichen Zins zu 5 °/o konnteman
ihnen freilich nicht zusichern,wenn
sienicht, wie die Inhaber der Prioritätsobligationen alsfremde Gläubiger
der Gesellschaft, sondern alsTheilnehmer
derselben betrachtetund
behandeltwerden
sollten.Man
sicherte ihnen aber denselbenBetrag—
den Zins im wirthschaftlichen Sinne—
in derForm
eines be- stimmten ebenso zu 5°/o berechnetenAbzuges
von derDividende oder eines eben solchenVorzugs
auf der Dividende in diesem Betrage zu.Ueberdem
sollten diese Prioritätsactien auch dieVorzüge
der Stammactien erhalten,indem
dieUnternehmung
auch zuihrer
Unternehmung gemacht wurde und
so in denVersammlungen
der Actionäre vollesStimmrecht und
überhaupt alleRechte der Theilnehmer
erhieltenund indem
sie ferner,wenn
in Zukunft dasUnternehmen
gedeihenund
ein höheres Erträgniss, als jenen Zinsbetrag abwerfensollte, auch an diesersteigenden Dividende
wieder ihren Antheilbekommen
sollten, wie die alten Actionäre.Diese Vortheile konnten aber den
neuen
Actionären nur unter derBedingung
zu Theil werden, dass die alten Actionäre ihnen eineprivilegirte Stellung
einräumtenund
mit ihrenAnsprüchen
auf Dividende auf so lange zurücktraten, bis die Prioritätsactionäre ausdem Gewinn
, d. h. in Dividendenform, ein Zinserträgniss für ihre Capitalien erhalten hatten.Das
Privilegium, welches die alten Actionäre (Stammactionäre) denneuen
Prioritätsactionären gewährten,war
die Prämie, welche jene an diese dafür bezahlten, dass dieselben in schwierigerLage
ihr Capital der
Unternehmung
zuwendeten. Siekonnten das in ihrem Interesse finden, weil sie damit dieUnternehmung
vorder Liquidation rettetenund
die Aussicht auf den künftigenGewinn
für spätere Zeiten auch für sich offen erhielten.—
24—
Dieses Privilegium konnte je nach
Umständen
in weiterem oder in beschränkteremUmfang
gewährt werden.Es
konnte sich1) auf das
Capital selber
beziehen, dasneu
eingezahltwurde, in derWeise
, dass bei künftiger Veräusserung desUnternehmens
oder bei allfälliger Liquidation desselben die Prioritätsactionäre für ihre Kapitalansprüche vor den Stammactionären befriedigtwerden
mussten—
oder nur auf dasZinserträgniss,
entweder2) so, dass die Dividendenansprüche der Prioritätsactionäre so weit sie auf ein jährliches Zinserträgniss berechnet
waren,
fort-während
von früheren Jahren eben so wievon dem
letztenJahre befriedigt sein mussten, bevor die Stammactionäre eine Dividendebekamen
; oder3) so, dass der Prioritätsanspruch auf
jede
einzelneJahres- dividende beschränkt wurde,
folglich wegfiel,wenn
in einem Jahre überhaupt keinGewinn
erzieltworden war
und keine Dividende (beziehungsweise nureinegeringereDividende)bezahltwerden
konnte.Es
leuchtet ein, dass das Verlangeu der Capitalisten einerjährlichen Einnahme,
welchedem
gewöhnlichen Capitalzinse gleichkommt, durch dieBestimmung
vonNummer
3 sehr unvoll- ständig berücksichtigt wird. Sogar dieBestimmung Nummer
2 sichert jeneForderung
nur insofern, als überhaupt eine Dividende erübrigt wird.Aber
sie befriedigt doch, so weit es nach der Sachlage möglichist, die
Wünsche
der Capitalisten.Daraus
folgt, dass sich dieneuen
Actionäre nicht leicht durch dieBestimmung
3, sondern nur durch dieBestimmung
2 angeregt fühlen werden, ihr Capitaldem
gefähr- detenUnternehmen
zuzuwenden.Die Natur der Verhältnisse also
macht
eineVerabredung im
Sinne vonNummer
2 offenbar weitwahrscheinlicher,
als einen Vertragim
Sinnevon Nummer
3. DieseAnnahme
wird durch die Praxis bestätigt.In einer grossen
Anzahl von
Statuten und Verträgen solcherUnternehmungen,
welche genöthigt waren, Prioritätsactien zu emitti- ren,ist ausdrücklich erklärt, dasswenn
in einem Jahre der Reinertrag— 25 —
nicht ausreiche, den Inhabern der Prioritätsactien die zugesicherte Dividende (Zinsdividende) zu gewähren, das Fehlende aus
dem
Rein- ertrag der folgenden Jahre ergänztwerden
solleund
dieStamm-
actionäreüberhaupt nichteher eine Dividende erhalten, als bis diese Nachzahlung vollständig geleistetworden
sei.In der Beilage A. finden sich genauere
Angaben
aus den Sta- tutenund
Verträgen von 15 deutschenEisenbahngesellschaften, welche Prioritätsactien emittirt habenund
ausdrücklich die Nachzahlung der in früheren Jahren nichtgenügend
befriedigtenAnsprüche
der Priori- tätsactien auf die zugesicherte Vorzugsdividende (Zinsdividende) an- ordnen. Dieselben sind in alphabetischerOrdnung
gesammelt. Die chronologische Reihenfolge ergibt folgende Beispiele:1. Niederschlesische
Zweigbahn
v. 1848. Nr. 11.2. Tilsit-Insterburg v. 1.
März
1863. Nr. 15.3. Ostpreussische
Südbahn
v. 1. Januar 1864. Nr. 13.4. Berlin-Görlitz v. 1. Juli 1864. Nr. 2.
5. Märkisch-Posen v. 1.
Mai
1867. Nr. 10.6. Nordhausen-Erfurt v. 1. Juli 1867. Nr. 12.
7. Halle-Sorau-Gubener Eisenbahn v. 1. Juli 1868. Nr. 7.
8. Berlin-Nordbahn v. 1. Juli 1868. Nr. 4.
9. Cottbus-Grossenhain v. 17. Juli 1868. Nr. 5.
10. Hannover-Altenbeck v. 6. Januar 1869. Nr. 8.
11. Breslau-
Warschau
v. 1. April 1870. Nr. 4.12. Altenburg-Zeitz v. 2. April. 1870. Nr. 1.
13.
Pommer'sche
Centraibahn v. 1.August
1870. Nr. 14.14. Crefeld-Kreis-Kempener Eisenbahnv. 12. Dezbr. 1870. Nr. 6.
15. Leipzig-Goschwitz-Meuselwitz v. 15.
Mai
1872. Nr. 9.Diesen 15 Fällen gegenüber sind mir in Deutschland nur drei Fälle bekannt geworden, in denen ausdrücklichbestimmt
worden
ist,dass die Prioritätsactien keinen
Anspruch
aufNachzahlung
für den Verlust zu erheben berechtigt seien, den sieinfrüherenJahren andem
zugesagten fixen Dividendenantheil (Zinsdividende)
gemacht
haben.Es
sind das— 26 —
1) Rechte Oderuferbahn
vom
23.November 1865
bei Saling Börsenpapiere, Berlin 1870. 71. S. 380. 381.2) Magdeburg-Halberstaedter Eisenbahn
vom
26. Juli1869
bei Saling S. 237.„Aus dem
Reinertrag erhalten die ActienLitt. B. (Prioritäts-Stammactien) eine Dividende bis 3V2°/q, die aus
dem Reingewinn
späterer Jahre nicht nachgezahlt zuwerden
braucht."3) Saalbahn, laut Berliner Börsenzeitung
vom
9. October 1872.In
den
Statuten ist ausbedungen, dass eineNachzahlung
nicht stattfinde.Yergl. Act. R.
Dazu kommt noch
4) die Schweizerische
Westbahn vom
Jahr1863
, welche die Prioritätsactien lediglich auf die einzelnen Jahresdividenden verweist,ohne
Verzicht der Stammactien auf Dividenden- bezug.Ich zweifle nicht, dass die Erfahrung in andern
Ländern
die- selbe sei, weil dieUrsachen
, welche dieAusgabe von
Prioritäts- actien veranlasst haben, überall dieselben sind,und
das Verlangen der Capitalisten auf ein regelmässiges jährliches Zinserträgnissvon
ihren Capitalien ebenso in der Natur derPrivatökonomie begründetist.
Für Frankreich werden
wir einen Beleg für dieseAnnahme
in der Haltung
und Meinung
des Pariser Comite's finden, welches auf den Finanzplan der Vereinigten Schweizerbahnen einen ent- scheidenden Einfluss geübtund
die Emissionvon
Prioritätsactienim
Sinne des erweiterten Privilegsvon Nummer
2 beantragt hat.Für
die Auffassung derenglischen
Jurisprudenz in dieser Sache ist inhohem Grade
lehrreichund
interessant das Urtheil Vizekanzlers SirM. Page-Wood,
in Beilage B. ineinem
Prozess, der mitdem
gegenwärtigen Streit zwischen den Prioritäts-und
Stammactien eine auffallende Aehnlichkeit hat. Die grosse Nord- eisenbahngesellschaft inEngland
nämlich hatte sich genöthigt ge- sehen,während
desBaues
der Eisenbahn in den Jahren1846
bis—
27—
1848, weil die Einzahlungen der Actionäre nur langsam
und
unge-nügend
vollzogenwurden
, die bisherigen 25Pfund-Actien in zwei Halb-Actien, die differirten A.-Actienund
die privilegirten B.-Actien zu theilen von je 12 Pfund, 10 Shill., indem
Sinne, dass die be- reits volleinbezahlten Actien A. den einzuzahlenden ActienB. gegen- über eineprivilegirte Dividende
von 6 °/o garantirten. Die B.-Actien erhielten somit den Charakter von Prioritäts-Actien, die A.-Actien blieben Stammactien.Es
sollte nachdem
Zusatzpara- graphen 70 der Statuten „Alles,was
injedem
Jahre für Zinsenund
Dividendegewonnen würde,
vorAllem
für oder zu der Be- zahlungvon
Zins oder Dividende zu 6 °/o per Jahr auf den ein- gezahlten Betrag der sogenannten garantirten Halb-Actien bezahltwerden und
nur der Ueberrest,wenn
sich ein solcher ergibt, den sogenannten differirten Halb-Actien bezahltwerden
dürfen."In den ersten Jahren trug jedoch die Eisenbahn nicht so viel
Gewinn
ab,um
die 6 °/o an die B.-Actien bezahlen zu können.Zum
ersten
Male war
in den Jahren1854 und 1855
der Ertrag der Eisenbahn grösser als derAnspruch
der B.-Actien auf Dividenden- bezug von 6 °/o.Damals wurden
an die B.-Actien 6 °/ound
an die A.-Actienund
21,U °/o bezahlt.Erst
im
Jahre1858
entstand Streit zwischenden
Prioritäts- Actionären der garantirten B.-Actienund
der Direction, bezw.den
Stammactionärcn (differirte A.-Actien),indem
jene verlangten, esmüsse
erst ihrAnspruch
auf 6 °/o jährlichen Zins oder Dividende vollständig durch Nachzahlung für frühere Jahre befriedigt werden, bevor an die Actien A. eine Dividende ertheilt werde. Siebezogen
sich dabei auf ein früheresPräjudiz zu Grünsten der Prioritäts-Actien in Sachen
Henry
c. Nordeisenbahngesellschaft.Die beklagten Directoreri
und
A.-Actionäre (Stammactien) da-gegen
behaupteten, das Privilegium der B.-Actien beziehe sich nur auf die einzelnen Jahresdividenden, da die getheilten zweierlei Halb- Actien kein besseresRecht zusammen
habenkönnen
als vorher die vereinigten Ganz-Actien, d. h. aufJahresdividenden.
— 28 —
Der
Vizekanzler erklärte, dass der §70
der Stututen sich keineswegs sehr gutund
deutlich ausdrücke, aber dass trotzdem die Intention ganz klar sei, in ähnlicherWeise
wie bei andern Prioritäts- Actien—
er citirte ausserdem
FalleHenry
c. Nordeisenbahn auch den Fall Sturgegegen
die Ost-Union-Eisenbahn—
die Garantie für zugesicherten Zins- oder Dividendenbezugnicht auf einzelne Jahresgewinne de anno
inannum zu beschränken,
sondern
überhaupt
aufden Gewinn der Gesellschaft
indem
Sinne auszudehnen, dass zuvor dieAnsprüche
der Prioritäts- actien auf jährliche 6 °/o vollständig befriedigt seinmüssen,
bevor die Stammactien irgend eineDividende beziehen können.Der
Richter machte aufmerksam, dass derAusdruck
„Garantie zur Zahlung" auf dieseAbsicht hindeuteund
erklärte schliesslich, dass seitdem
Jahre1855
die B.-Actien für jährlich 6 °/o Dividende befriedigtwerden
müssen, bevor die A.-Actien irgend eineDividende erhalten können.Nur
soll es bei der Vertheilung der Jahre1854 und 1855
an die Actionäre A. verbleiben, da die Prioritäts-Actionäre B. damals keine Einsprachedagegen
erhobenund
jene die Dividendebona
fide be- zogen haben.Man
sieht, dass der englische Richter,obwohl
dieAusdrücke
der Statuten undeutlichwaren,
doch geneigt war, aus der Natur der Sache auf die Absicht der Contrahenten zu schliessen, dieGa-
rantie der Zinsdividende nicht je auf ein Jahr zu beschränken, son- dern ganz allgemein zu verstehen, so dass
Nachzahlungen
an die Prioritäts-Actionäregemacht werden
mussten.Beachtenswerth ist es, dass diese Entscheidung
am
31. Januar1859
durch die„Times"
veröffentlichtwurde,
d. h. in demselben Jahre, aber bevor das Verhältniss der Prioritätsactien zu denStamm-
actien der Vereinigten Schweizerbahnen geordnet wurde.
Nachträglich ist mir noch ein anderes englisches Urtheil des Obergerichts zur Kenntniss
gekommen
(siehe Beilage C), welches unsere Streitfrage ganz in derselbenWeise
entscheidetund
den Entscheid ausführlich motivirt.— 29 -
Der
Prozesswurde
in der Appellationsinstanz zwischen ITenry& Genossen
(Prioritäts-Actionäre) Klägerund
Appellatengegen
die Gross-Nord-Eisenbalmgesellschaft, Beklagteund
Appellanten geführtund
vondem
LordkanzlerCranwork
entschieden.Ein
Beamter
der Gesellschaft hatte dieselbe dadurch schwer geschädigt, dass er indem
Zeitraum von 8 Jahrenneben
ächten Actien eineAnzahl
falscherActien inUmlauf
brachteim Gesammt-
werth von230,000
Pfd. Sterl.Der
Betrugwurde im
Jahr1856
entdeckt. Die Gesellschaft beschloss nun, zurVermeidung
grösserer Uebel, die falschen Actien anzuerkennen, aber ebensoviel Actien anzukaufenund
zu annulliren, damit das Gesammtcapital wieder auf die ursprünglicheHöhe
vermindert werde.Das
halbe Jahreserträg- niss, dasam
31.December 1856
fälligwurde und
dieSumme
von 243,913 Pfd.Sterl. erreichte, sollte dazu verwendet werden. Eine Parlamentsacte ermächtigte die Gesellschaft zu dieser Operation.Die Gesellschaft hatte in verschiedenen Jahren Prioritätsactien mit
einem
Vorzugsrechteauf eine Dividendevon
5°/o (Zinsdividende) ausgegeben, ohne dassim
Uebrigen derUmfang
diesesVorzugs
genauer bestimmtworden
war.Die Prioritätsactien verlangten nun, dass bei der folgenden Vertheilung des
Gewinns im
Jahr 1857, bevor die Stammactien eine Dividende erhalten, der Verlust, den sie durch Nichtzahlung ihrer Zinsdividende erlitten hatten, ihnen vergütet werde.Die
Gesellschaft verweigerte das,indem
sie behauptete, jenerVorzug
finde seineBeschränkung
je in der einzelnen Halbjahrsdividendeund
eskönne
daher von Nachzahlung keineRede
sein.Der
Richter entschied zuGunsten
der Klägerund
zwar nicht bloss indem
Sinne, dass die Prioritätsactien einenAnspruch
haben auf den Mehrbetrag des Saldovom
Jahr1856
über dieSumme
hinaus, die zur