J. Klier1, M. Johannsen2, R. Schönfelder3, R. Eichenauer4, F. König5, C. Doehn6, 1UPK, Praxis für Urologie, Köln, 2 Praxis für Urologie, Berlin-Spandau, 3Praxis für Urologie, Hamburg, 4Urologikum Hamburg, Praxis für Urologie, Hamburg, 5ATURO, Praxis für Urologie, Berlin 6Urologikum Lübeck, Praxis für Urologie, Lübeck
16. Februar 2018
Wirtschaftliche Betrachtung der ambulanten Chemotherapie am Beispiel des Prostatakarzinoms
Kann man heute im Bereich der Kassenmedizin überhaupt Geld mit der ambulanten
uroonkologischen Durchführung einer Chemotherapie verdienen? Oder sollte man diese besser unter finanziellen Aspekten als „Liebhaberei“ betrachten, die lediglich Kosten verursacht, aber eben wenig Einkommen generiert?
Lohnt sich heute im GKV-Bereich überhaupt die ambulante uroonkologische Durchführung einer Chemotherapie – oder verursacht diese lediglich Aufwand und Kosten, aber kaum Einkommen?
Die ambulante Uroonkologie ist mit einer Vielzahl an Qualitätsanforderungen an den Therapeuten und seine Mitarbeiter sowie insbesondere die hygienischen, strukturellen und räumlichen
Rahmenbedingungen behaftet (siehe Onkologie-Vereinbarung). In unserer Betrachtung gehen wir davon aus, daß all diese Dinge bereits gegeben sind. Wir beziehen uns in diesem Artikel auf die nüchterne Sichtweise von Ausgaben und Einnahmen. Etwaige Kosten zur Erlangung, als auch Aufrechterhaltung der Zulassung zur Durchführung der ambulanten Chemotherapie im GKV-Bereich fließen in unserer
Betrachtung nicht ein. Ebenso werden die Unterschiede der einzelnen KVen in der Möglichkeit der Abrechnung nicht vollständig dargestellt, da regional zu unterschiedlich.
Während das gesetzliche Wirtschaftlichkeitsgebot mit den Kriterien der „ausreichenden“, „zweckmäßigen“
und „nicht mehr als notwendigen“ Leistung allein medizinische Gesichtspunkte in den Blick nimmt, verlangt der Begriff „wirtschaftlich“ auch eine Betrachtung der Kosten. Bei intuitiver Betrachtung verlangt der Begriff der Wirtschaftlichkeit dabei eine Abwägung zwischen Kosten und Nutzen. So einleuchtend dieser Ansatz der Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebotes ist, so schwierige Folgefragen wirft er doch auf: Die Abwägung von Kosten und Nutzen ist ethisch höchst problematisch, weil sie voraussetzt, dass die Angemessenheit von Kosten für einen bestimmten medizinischen Nutzen in Euro quantifiziert
wird. Diese Fragen zu beantworten ist nicht nur Aufgabe des Arztes, sondern auch der Gesellschaft und Politik.
Im folgenden seien die durchschnittlichen Kosten einer urologischen Praxis in einer deutschen Großstadt dargestellt. Hierbei bilden wir drei Kostengruppen: Allg. Raumkosten (Kaltmiete, Strom, Wasser, Gas, Reinigung, Raumkosten, Sondermüllentsorgung), spezielle Praxiskosten (Büromaterial,
Praxisversicherungen, EDV/Software, Telefon) und Personal (Arzthonorar, Arzthelferinnen). Die jeweiligen Kostenstrukturen wurden dann von den Jahreskosten auf die Monatskosten, die Arbeitstage, Stunden und zu guter Letzt auf die Minute heruntergebrochen. Wir gingen dabei von 21 Arbeitstagen im Monat aus (Tab. 1, 2).
Tab. 1: Personalkosten.
Nummer Schlüssel 1
Jahr
12 Monate
21 Arbeitstage
10 Stunden
60 Minuten Personal
1 1-1 Arzt 2015/16 179.274,00
€
14.939,50
€ 711,40 € 71,14 € 1,19 €
Personal
2 1-2
Arzthelferinnen (2 MFA's, 1
Azubi)
90.206,88
€
7.517,24
€ 357,96 € 44,75 € 0,75 €
Tab. 2: Allgemeine Raumkosten und spezielle Praxiskosten.
Nummer Schlüssel Jahr Monat
Arbeitsminuten pro Monat
12.600 Raum 1 2-1 Miete
(Kaltmiete)
33.780,00
€
2.815,00
€
0,223 € pro Minute Raum 2 2-2 Strom 2.196,00
€
183,00
€
0,015 € pro Minute Raum 3 2-3 Wasser 209,02 € 17,42 € 0,001 € pro
Minute Raum 4 2-4 Gas 200,87 € 16,74 € 0,001 € pro
Minute Raum 5 2-5 Reinigung 5.400,00
€
450,00
€
0,036 € pro Minute Raum 6 2-6 Versich./Müll
etc
7.015,11
€
584,59
€
0,046 € pro Minute Raum 0 2-0 Raumkosten
ges. 0,323 € pro
Minute
Allgemein
1 3-1 Büromaterial 200,00
€
0,016 € pro Minute Allgemein
2 3-2 Versicherung3.158,04
€
263,17
€
0,021 € pro Minute Allgemein
3 3-3 EDV/Softw. 2.073,44
€
172,79
€
0,014 € pro Minute Allgemein
4 3-4 Telefon 948,48 € 79,04 € 0,006 € pro Minute Allgemein
5 3-5 0,00 € 0,000 € pro
Minute Allgemein
6 3-6 0,00 € 0,000 € pro
Minute Allgemein
0 3-0 Allgemeine
Kosten 0,057 € pro
Minute
Dabei wird davon ausgegangen, daß die durchschnittliche Arbeitszeit des selbständigen Arztes mit 10 Std./Tag abzubilden ist und administrative Tätigkeiten und Arztbriefe einschliesst. Hausbesuche fanden keine Berücksichtigung. In dem Honorar der Arzthelferinnen fließen alle Honorare der Angestellten ein. In diesem Beispiel bei einer Einzelpraxis zwei voll ausgebildete MFAs und eine Auszubildende.
Die bestehenden Raumkosten wurden von den Jahresgesamtkosten dann auf die monatlichen Kosten, sowie minütlichen Kosten heruntergebrochen, um für die spätere Kalkulation möglichst genaue Angaben machen zu können.
Demgegenüber stellten wir die möglichen Abrechnungspositionen im GKV-System gemäß der Onkologie- Vereinbarung, woraus sich der mögliche Gewinn der Chemotherapie berechnet. Grundsätzlich sei in unserem Beispiel davon auszugehen, daß bei dem Patienten eine Chemotherapie mit 10 Zyklen Docetaxel 75 mg/m2 im 3-wöchigen Intervall durchgeführt wurde. Hierbei wird der Patient über 2 Quartale
behandelt.
In unserer Praxis werden durchschnittlich 3 Aufklärungsgespräche veranschlagt. Dies liegt daran, daß ein Teil der Patienten auf Zuweisung anderer urologischer Praxen erfolgt. Dabei muß mit dem Patienten zunächst ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden, was bei dieser speziellen Fragestellung naturgemäß mit einem größeren Zeitaufwand verbunden ist. Anzumerken ist, daß in unserem Praxisalltag diese zeitintensiven Gespräche oft an das Ende der Sprechstunde gelegt werden, um nicht in einen zeitlichen Druck zu geraten.
Der Ablaufplan der Chemotherapie orientiert sich an den Erfordernissen des Good Clinical Pathway und erfüllt damit auch die Kriterien einer Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001. Inwieweit wöchentliche
Laborkontrollen erfolgen müssen, bleibt der Entscheidung und Verantwortung des einzelnen Kollegen überlassen. Wir stellen in diesem Beispiel quasi die optimale medizinische Versorgung des Patienten dar.
Damit ergeben sich für einen durchschnittlichen Prostatakarzinompatienten Kosten in Höhe von € 508,85, verteilt auf 2 Quartale, bedeutet Kosten in Höhe € 254,42/Quartal.
Setzen wir dem Aufwand nun die dafür vorgesehenen Abrechungsmöglichkeiten gegenüber, so ergibt sich ein klares Bild, welche Einkommenssituation sich aus der Durchführung einer ambulanten
Chemotherapie ableitet. Für die Durchführung einer ambulanten Chemotherapie sieht das GKV-System gemäß der Onkologievereinbarung lediglich die Abrechnung der Ziffer 86516 (Zuschlag für intravasale Tumortherapie) vor. Diese wird aktuell mit € 255,56 vergütet. Hierbei halten wir uns streng an die Vorgaben der Onkologievereinbarung: Die Abrechnung der Grundpauschale und auch der
Konsultationsziffern gelten der allgemeinen Grundversorgung zum einen und der onkologischen Betreuung von Patienten mit soliden Tumoren im Besonderen. Daher dürfen diese auch nicht als Einkommensberechnung einer Chemotherapie berücksichtigt werden!
Somit stehen € 255,56 an Einnahmen € 254,42 an Ausgaben pro Quartal gegenüber, entsprechend einem Gewinn von € 1,13 pro Quartal.
Es fällt einem Arzt mit hohem persönlichen Engagement bei seiner Arbeit mit dem ihm anvertrauten Patienten schwer zu verstehen, dass die Vergütung einer hochkomplexen Leistung, behaftet mit einem nicht unerheblichen Haftungsrisiko, gerade mal kostendeckend ist. Somit wird klar, daß man mit der Chemotherapie selbst als Schwerpunktpraxis kaum größere Summen verdienen kann. Erst in der Summation mit der Meldung ans Krebsregister, ggf. Einbringung der Patienten in Studienregister im Rahmen der Versorgungsforschung ist ein gewisses Einkommen zu generieren, jedoch wiederum nur mit weiterem Aufwand.
Der IQUO hat sich im letzten Jahr neu aufgestellt, um die Wissenschaftlichkeit, aber auch die Honorierung uroonkologischer Leistungen in der Breite zu verbessern. Mittels eines neu entwickelten
Dokumentationstools wird zukünftig die digitale Meldung in das gesetzlich vorgeschriebene Krebsregister und gleichzeitig auch die Basisdokumentation der onkologischen Patienten einer Praxis dokumentiert und honoriert werden können. Überdies bekommt die uroonkologische Versorgungsforschung durch diese Plattform dringend nötige Impulse. Niedergelassene Urologen schaffen somit ein Vorzeigeprojekt, welches bisher in noch keiner medizinischen Fachgesellschaft so vollumfänglich abgebildet ist.
Lesen Sie den ausführlichen Text unter www.med4u.org/12879
IQUO e.V.
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