A-1056
S P E K T R U M AKUT
(4) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 18, 1. Mai 1998
Schweigegelder
Vorwürfe gegen
Wissenschaftler
W
issenschaftler“ sollen Schweigegeld gefor- dert haben, wenn sie nachteilige Ergebnisse zurückhalten. Mehrere Hersteller von Le- bensmittel- und Körperpflegemitteln sehen sich einer neuen und besonders subtilen Form der Erpressung ausgesetzt. In der letzten Zeit habe es einige Fälle ge- geben, in denen deutsche Firmen offen zu einer Zah- lung einer Art „Schweigegeld“ aufgefordert worden seien, erläuterte der Bochumer Patentanwalt Josef Schneiders vor der Wissenschaftspressekonferenz in Bonn. In einem Fall hätten sich „sogenannte Wissen- schaftler“ bei sechs Firmen mit der offenen Drohung gemeldet, angebliche Untersuchungsergebnisse über Gesundheitsgefahren oder Umweltgiftbelastung ih- rer Produkte zu veröffentlichen. Schneiders wollte die Namen der betroffenen Firmen und Produkte we- gen laufender Ermittlungen nicht nennen.E
s betreffe aber die „Großen der Branche“, von denen zwischen 100 000 und 500 000 DM gefordert worden seien. Unklar seien bislang noch die Motive für die Geldforderungen. Zwar ver- fügten die Personen meist über eine wissenschaftli- che Ausbildung bis hin zur Promotion, die ihnen of- fenbar den Zugang zu Daten und Meßmethoden er- laube, doch ob das Geld – wie behauptet – tatsächlich dazu dienen soll, weitere Forschung zu finanzieren, ließe sich nicht sagen. Bislang lasse sich jedenfalls keine Verbindung zu seriösen Forschungsinstituten herstellen, sagte Schneiders. Daß die Unternehmen mit dem Problem jetzt an die Öffentlichkeit gingen, sei auch eine Reaktion auf die wiederholten Erpres- sungsversuche durch Vergiftung von Lebensmitteln.D
eshalb nehme man in den Unternehmen sol- che Drohungen sehr ernst, auch wenn die an- geblichen Untersuchungen in keinem Fall von seriösen Fachleuten überprüft worden seien.„Wenn solche Nachrichten einmal kursieren, dann sind ihre Folgen nur mit großer Mühe wieder aus der Welt zu schaffen, selbst wenn sie frei erfunden sind“, sagte Schneiders. Verschärft werde das Problem da- durch, daß chemische Analyse-Methoden heute so sensitiv geworden seien, daß man „praktisch jedes Umweltgift in jedem Lebensmittel finden kann“, er- gänzte der Chemiker Peter Krauß (Universität Tü- bingen). Entscheidend für die Gesundheit sei aber nicht, ob eine Substanz nachgewiesen werden könne, sondern in welchen Mengen sie gefunden werde. So- lange dieses Prinzip nicht zum Allgemeinwissen gehöre, befürchtet Kraus, „läßt sich mit jedem Meßwert leicht Verwirrung stiften“. Klaus Koch