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Archiv "Gentherapie: Steiniger Weg bis zur klinischen Anwendung" (27.11.1998)

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iele Krankheiten entstehen durch die Fehlfunktion von körpereigenen Zellen. Die Gentherapie versucht, pathologische Zellfunktionen durch „Umprogram- mierung“ der Zellen zu korrigieren und so die Ursache der Erkrankung zu beheben. Wie Prof. Bernd Groner (Frankfurt/Main) auf einem israelisch- deutschen Symposium im Georg-Spey- er-Haus in Frankfurt am 29.

Oktober darlegte, treten hier- bei zwei fundamentale Proble- me auf: Wie können die zu behandelnden Zellen effizient transduziert werden, also mit einem bestimmten Gen „repa- riert“ werden, und wie können sie in vivo selektiv erreicht wer- den? Das Spektrum potentiel- ler Anwendungen der Genthe- rapie reicht von Erbkrankhei- ten über Krebs bis zu neurode- generativen Erkrankungen wie Morbus Parkinson. Um die benötigte genetische Informa- tion in die Zielzellen einzu- schleusen, werden Proteinkon- strukte und genetisch modifi- zierte virale Vektoren erprobt.

Fusionsproteine zur zielgerichteten Genübertragung

Fusionsproteine bieten den Vorteil, daß keine Viren benötigt werden und somit ei- nige Risiken wie eine Muta- genese, die durch Insertion der Virus-DNA ausgelöst wird (insertionelle Mutagenese), Rekombination des Vektors oder ein virämischer Schock ausgeschlossen sind. Priv.-Doz. Dr. Winfried Wels (Frankfurt/Main) und Mitarbeiter konstruierten ein Fusionsprotein, das mehrere funktionelle Komponenten von verschiedenen Proteinen enthält

(Grafik, oberer Teil). Das 65 kDa große Protein soll folgende Eigen- schaften erfüllen: Erkennung der Ziel- zelle, erleichteter Eintritt in das Zyto- plasma der Zielzelle und Transport der gewünschten DNA in die Zelle durch Anheftung an das Fusionspro- tein. Erkannt wird die Zielzelle – in diesem Fall handelt es sich um Tumor- zellen – mit einer scFv-Region.

Hierbei handelt es sich um die variable antigenbindende Region ei- nes monoklonalen Antikörpers.

Nachdem das Protein am Ober- flächenantigen der Zielzelle gebun- den hat, wird es in vielen Fällen durch Endozytose von der Zelle in Endoso-

men aufgenommen. Eine Protein- domäne des Exotoxins A fördert den Austritt aus dem Vesikel in das Zyto- plasma, bevor dessen Inhalt verdaut wird. Nun tritt die mit Polylysin ge- schützte DNA, die an eine DNA-Bin- dungsstelle des Fusionsproteins ge- koppelt ist, ins Zytosol der Zelle über und kann exprimiert werden (Gra- fik). Bei dieser Technik ist nur eine transiente, das heißt nur einige Tage andauernde Expression des gewünschten Moleküls möglich. Wels erläuterte, daß dies für eine Tumorvakzinie- rung ausreichend ist.

Im Gegensatz zu Antigen- präsentierenden Zellen fehlt Tumorzellen das Membran- protein B7, welches mit dem Transmembranprotein CD28 der T-Zelle interagiert und so als zweites Signal – neben der Bindung des T-Zellrezeptors mit dem Antigen – zur Akti- vierung der T-Zelle führt. Wels hofft, durch Einführung des B7-Proteins in humane Ade- nokarzinomazellen eine zyto- toxische T-Zellantwort aus- zulösen. Zytotoxische T-Zel- len benötigen für die Lyse le- diglich das Antigen ohne das für die Aktivierung notwen- dige B7-Protein. So sollten, nachdem einmal die Immun- antwort mit Hilfe des einge- schleusten Gens ausgelöst wor- den ist, Tumorzellen mit dem entsprechenden Antigen elimi- niert werden.

Eine Vielzahl humaner Adenokarzinomazellen über- exprimiert das Transmembranpro- tein ErbB2 (ein Subtyp des type 1 growth factor receptor) stark, womit ein spezifisches Antigen vorhanden wäre. Dieser experimentelle Ansatz konnte in In-vitro-Versuchen bereits erfolgversprechend getestet werden.

A-3073

M E D I Z I N KONGRESSBERICHT

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 48, 27. November 1998 (53)

Gentherapie

Steiniger Weg bis zur klinischen Anwendung

V

Grafik

Zellerkennung Translokation DNA-Bindung

Plasmid-DNA

Prozessierung Bindung an den Zielrezeptor

Komplexbildung

Internalisierung

Translokation des Komplexes

Zellkern

Das Fusionsprotein besteht aus drei funktionellen Proteindomänen, um die DNA spezifisch in die Zielzelle zu schleusen. (Abbildung mit freundlicher Ge- nehmigung von Priv.-Doz. Dr. Winfried Wels)

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Virale Vektoren

Dr. Israel Steiner(Jerusalem) ar- beitet mit genetisch modifiziertem Herpes-simplex-Virus Typ 1 (HSV1).

Hierbei ist es von besonderem Vor- teil, daß HSV1 gut charakterisiert ist, die nicht essentiellen Gene bekannt sind und bis zu 30 Kilobasen (kb) an Fremd-DNA in das Virus einge- schleust werden können. Das HSV1- Virus kann eine latente Infektion un- abhängig von der Virusreplikation aufrechterhalten. Spezifische geneti- sche Steuerungselemente (Promoto- ren) sind hierfür verantwortlich, und mittlerweile sind zwei Promotoren bekannt, die eine latente Expression in Neuronen steuern. Es wird ver- sucht, die Promotoren mit anderen Genen zu koppeln, um beispielsweise einen Mangel von Neurotransmittern im Gehirn zu kompensieren. Steiner geht davon aus, daß es bald Vektoren geben wird, die die dopaminerge Si- gnaltransduktion bei Morbus Parkin- son stabilisieren können.

Klinische Studie in greifbarer Nähe

Bei der septischen Granulomato- se, einem angeborenen Immundefekt, besteht eine Mutation im Enzymkom- plex der phagozytotischen Nikotina- mid-Adenin-Dinukleotid-Phosphata- se-(NADPH-)Oxidase. Die Folge hiervon ist eine verminderte Mikro- bizidie der Phagozyten. Betroffene Kinder müssen sich einer Dauer- behandlung mit intrazellulär wirk- samen Antibiotika unterziehen. Dr.

Manuel Grez(Frankfurt/Main) stell- te ein Projekt vor, bei dem die Stammzellen mit einem retroviralen Vektor infiziert wurden, um die Akti- vität der NADPH-Oxidase wieder herzugestellen. Grez und Mitarbei- tern ist es gelungen, in In-vitro-Versu- chen mit Stammzellen betroffener Patienten bis zu 50 Prozent der Enzymaktivität wieder herzustellen.

Humane Stammzellen von Patienten mit septischer Granulomatose wur- den mit dem modifizierten Virus in vitro infiziert. Nachdem die Stamm- zellen in die entsprechenden Blut- zellen ausdifferenzierten, konnte die rekonstituierte Enzymaktivität be- A-3074

M E D I Z I N

KONGRESSBERICHT/FÜR SIE REFERIERT

(54) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 48, 27. November 1998

stimmt werden. Aus Studien mit he- terozygoten Anlageträgern ist be- kannt, daß bereits zehn Prozent der Enzymaktivität ausreichen, um einen wirksamen Infektionsschutz gegen Mikroorgansimen zu erreichen, wo- mit die in vitro erreichte Effizienz von 50 Prozent ausreichend wäre. Er- gänzend zu diesen Versuchen wurden humane Stammzellen mit dem retro- viralen Vektor infiziert und in immu- no-inkompetente NOD/SCID-Mäuse transplantiert. Nach sechs Wochen konnte in acht von neun Mäusen eine Expression der durch das Virus ein- geschleusten Information von 6 bis 57

Prozent nachgewiesen werden. Mit diesen Experimenten wurde demon- striert, daß sich Stammzellen mit aus- reichender Effizienz in vitro infizie- ren lassen und daß diese Zellen in vi- vo das gewünschte Protein exprimie- ren und die DNA an sich ausdiffenen- zierende Zellen weitergegeben wird.

Aufgrund dieser positiven Er- gebnisse ist für Mitte bis Ende 1999 ei- ne klinische Studie an zunächst zehn Erwachsenen geplant. Prof. Hoelzer von der Abteilung Hämatologie/On- kologie des Universitätsklinikums in Frankfurt/Main ist der Leiter dieser Studie. Dr. Stephan Mertens

In den USA wird zur Zeit dar- über diskutiert, wie weit ein Freitod mit ärztlicher Hilfe (physician-assi- sted suicide) gesetzlich zugelassen werden soll oder darf. Im Bundesstaat Oregon gibt es bereits ein entspre- chendes Gesetz, nachdem das oberste Gericht den Bundesstaaten das Legis- lativrecht zuerkannt hatte. Als Argu- mente für einen Freitod mit ärztlicher Hilfe wird angeführt, daß die letzten Tage oder Wochen des Lebens „die teuersten“ seien und daß eine Verkür- zung dieses letzten Stadiums die Ko- sten des Gesundheitswesens mehr oder weniger senken könnte. Ob die- se Annahme richtig ist, dem sind die Autoren aus Boston und Salt Lake Ci- ty nachgegangen.

Da es in den Vereinigten Staaten mangels entsprechender Vorschriften keine brauchbaren statistischen Un- terlagen gibt, wurden die vorliegen- den Zahlen aus den Niederlanden (von 1995) auf die USA extrapoliert.

Dies ergäbe, daß jährlich 62 000 Amerikaner, falls es gesetzlich über- all erlaubt wäre, um einen ärztlich un- terstützten Freitod nachsuchen wür- den. Nach den niederländischen Sta- tistiken beträgt die durchschnittliche Lebensverkürzung knapp 3,3 Wo- chen – der Einfachheit halber gingen die Autoren von vier Wochen aus. In diesen letzten Lebenswochen kostet die Versorgung etwas mehr als 10 000 Dollar (1996). Die Einsparung betrü-

ge also insgesamt 627 Millionen Dollar – weniger als 0,07 Prozent der Gesamtkosten des amerikanischen Gesundheitswesens. Die Autoren be- tonen, daß dies schon eine hohe Schätzung sei, weil sie dabei einige die Kosten drückende Faktoren nicht eingerechnet haben. So sind sie bei- spielsweise nur von den Kosten für Krebspatienten ausgegangen, haben die geringeren Kosten für Patienten, die ihr Leben in einem Hospiz been- den, nicht berücksichtigt und haben andererseits auch die zusätzlichen Kosten vernachlässigt, die durch rechtliche Auseinandersetzungen entstehen können. Auf der anderen Seite sind die oft erheblichen Kosten nicht berücksichtigt, die den Famili- enangehörigen entstehen können, insbesondere dann, wenn die Patien- ten nicht versichert sind – sie können in der letzten Woche zwischen 10 000 und 20 000 Dollar liegen. Die Zulas- sung des ärztlich unterstützten Frei- tods für unheilbar kranke Patienten würde dem Gesundheitswesen also keine spürbare finanzielle Entlastung

bringen. bt

Emanuel EJ, Battin MP: What are the potential cost savings from legalizing physician-assisted suicide? N Engl J Med 1998; 339: 167-172.

Dr Emanuel, Center for Outcome and Policy Research, Division of Cancer Epi- demiology and Control, Dana-Farber Cancer Institute, 44 Binney St., Boston, MA 02115, USA.

Ist der Freitod mit ärztlicher Hilfe ein

Geschenk an die Solidargemeinschaft?

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