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Archiv "Akustikusneurinome: Behandeln oder abwarten?" (24.07.2009)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 30⏐⏐24. Juli 2009 505

M E D I Z I N

S

oll man Vestibularisschwannome beobachten, operieren oder bestrahlen? Diese und weitere Fragen zu den auch Akustikusneurinome genannten Tu- moren beschäftigten die mehr als 600 Teilnehmer des Europäischen Schädelbasiskongresses im April in Rot- terdam.

Sven-Eric Stangerup, Gentofte Universität, Kopen- hagen, berichtete über Untersuchungen zur Verbrei- tung und zur natürlichen, unbeeinflussten Entwick- lung dieser Tumoren. Der Inzidenzanstieg in Däne- mark über die letzten 26 Jahre – derzeit etwas mehr als 1/100 000 Einwohner pro Jahr – ließ sich auf die großzügigere Anwendung der Magnetresonanztomo- grafie (MRT) zurückführen. Interessanterweise hatte sich das mittlere Alter der Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose dennoch nicht verringert. Eine Erklärung für diese Beobachtung war, dass zunehmend auch bei Menschen im höheren Lebensalter ein MRT veranlasst wird.

Durch die Zusammenführung der Daten fast aller Patienten des Landes in einer Datenbank konnten Stangerup und sein Team zeigen, dass über einen mitt- leren Beobachtungszeitraum von dreieinhalb Jahren KONGRESSBERICHT

Akustikusneurinome:

Behandeln oder abwarten?

Steffen Rosahl

17 Prozent der kleinen, intrakanalikulären Schwanno- me und 29 Prozent der in den Kleinhirnbrückenwinkel reichenden Tumoren gewachsen waren. Bei längerer Betrachtung über fünf Jahre waren bereits 45 Prozent der Tumoren im inneren Gehörgang größenprogre- dient.

Mikro- und radiochirurgische Therapie

Bei einem abwartenden Verhalten („wait and scan“-Man- agement) über zehn Jahre würden 45 Prozent der Pa- tienten mit kleinen, intrameatalen Tumoren ihr funktio- nelles Hörvermögen auf der betroffenen Seite verlieren, also ein deutlich höherer Prozentsatz als bei einer akti- ven Verfahrensweise mit hörerhaltender Mikro- oder Radiochirurgie. Die dänische Gruppe empfahl daher, auch kleine Tumoren zu behandeln, wenn ein Tumor- wachstum nachgewiesen und eine realistische Chance zur hörerhaltenden Therapie gegeben ist.

In der Haukeland Universität in Bergen behandelt oder beobachtet man nahezu alle norwegischen Patien- ten mit Akustikusneurinomen. Die dortige Gruppe aus Medizinern und Wissenschaftlern widmet sich vor al- lem dem Thema Lebensqualität für die Patienten mit oder ohne Behandlung. Per Møller beschrieb, dass die mikro- und radiochirurgische Behandlung kleiner und mittelgroßer Tumoren (< 25 mm) relativ risikoarm ist.

Die Ergebnisse der Radiochirurgie stufte er in Bezug auf die funktionelle Integrität des Nervus facialis, die Hör- erhaltung und die Lebensqualität nach radiochirurgi- scher Behandlung statistisch signifikant besser ein als nach einer Operation.

Das Symptom Schwindel hat sich in allen Untersu- chungen der Norweger als entscheidender Faktor für die Lebensqualität herausgestellt – unabhängig davon, ob eine Behandlung erfolgte oder nicht. Auch die Funktion des Gesichtsnervs und das Geschlecht beeinflussten die durch den Patienten empfundene Lebensqualität statis- tisch signifikant. Innerhalb einer Nachuntersuchungs- zeit von zwei Jahren musste einer von 68 Patienten, die mit dem GammaKnife bestrahlt worden waren, operiert werden, weil der Tumor weiter wuchs.

Møller fasste zusammen, dass man für Vestibularis- schwannome mit einer Größe von < 20 bis 25 mm in Bergen primär eine radiochirurgische Behandlung anbietet. Bei einer Untergruppe von Patienten mit persistierendem Schwindel wird allerdings eine pri- märe mikrochirurgische Intervention in Betracht ge- zogen.

Abbildung:

Darstellung verschiedener Stadien (T1 bis T4) der Akustikus- neurinome (aus: Moskopp D,

Wassmann H [Hrsg.]: Neuro- chirurgie.

Stuttgart, New York: Schat- tauer 2005; 464.

Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Schattauer GmbH, Stuttgart)

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506 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 30⏐⏐24. Juli 2009

M E D I Z I N

Auch Jeremy Rowe, National Centre for Stereotactic Radiosurgery, Sheffield, berichtete über eine zuneh- mend konservative Haltung bei der Behandlung von Vestibularisschwannomen in Großbritannien. Die Mikro- chirurgen würden häufiger Teile des Tumors in situ be- lassen, um diese nachfolgend mit MRT zu beobachten oder gleich sekundär einer radiochirurgischen Therapie zuzuführen.

Ziel der präzisen stereotaktischen Bestrahlung (GammaKnife oder Linearbeschleuniger) ist es, einen Wachstumsstopp des Tumors herbeizuführen. Das war offenbar auch in mehr als 95 Prozent der Fälle über ei- nen inzwischen längeren Beobachtungszeitraum von mehreren Jahren möglich. Durch die hohe Rate der Hör- erhaltung (75 Prozent) und geringe Nebenwirkungen auf andere Hirnnerven wurde die erreichte Lebensqua- lität (SF-36) für die Patienten als gut bewertet.

Marcos Tatagiba, Neurochirurgische Universitätskli- nik Tübingen, stellte Fälle von Patienten vor, bei denen es möglich war, große Akustikusneurinome vollständig mikrochirurgisch zu entfernen, ohne die Funktion des Nervus facialis oder des Hörnervs dauerhaft negativ zu beeinträchtigen. Die Lebensqualität sei bei den meisten Patienten durch den Tumor, nicht durch dessen Behand- lung eingeschränkt. Wissenschaftliche Nachuntersu- chungen und Umfragen zu den Ergebnissen der sehr aufwändigen Operations- und Monitoringtechnik be- lohnten in vielen Fällen den Einsatz der Chirurgie.

Die Entscheidung über die Wahl der Behandlungs- methode steht sicher auch mit den Erfahrungen und Er- gebnissen an der eigenen Klinik im Zusammenhang.

Sind bei einer Untergruppe dieser Tumoren die funktio- nellen Ergebnisse von Radio- und Mikrochirurgie ver- gleichbar gut, dann sollte man überlegen, ob man dem betroffenen Patienten eine Bestrahlung des Vestibularis- schwannoms überhaupt anrät.

Diskussion

Kees Graamans, Universität Nijmegen, und der Autor dieses Berichts, Steffen Rosahl, Helios Klinikum, Er- furt, hatten für die Diskussion problematische Fälle aus dem eigenen Patientenkollektiv zusammengestellt und eine Abstimmung über das bevorzugte Management per Funk vorbereitet. Daraus entwickelte sich ein lebhafter Diskurs, in dem sich ein relativ breiter Konsens für drei wesentliche Forderungen an das moderne Management dieser speziellen Tumoren fand:

1. Ein Klinikum, das die Herausforderung der Be- handlung von Vestibularisschwannomen über- nimmt, sollte über alle Optionen der Therapie be- ziehungsweise Beobachtung verfügen, um Patien- ten umfassend beraten zu können.

2. An diesen Einrichtungen bedarf es erfahrener, ta- lentierter und gut ausgebildeter Behandler.

3. Es sind eine detaillierte Erfassung aller Fälle und die ehrliche Analyse der Ergebnisse aller drei Stra- tegien erforderlich.

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des In- ternational Committee of Medical Journal Editors besteht.

Anschrift des Verfassers Prof. Dr. med. Steffen Rosahl Klinik für Neurochirurgie HELIOS Klinikum Erfurt GmbH Nordhäuser Straße 74, 99089 Erfurt E-Mail: steffen.rosahl@helios-kliniken.de

Conference Report: Acoustic Neuroma: Treatment or Observation?

Dtsch Arztebl Int 2009; 106(30): 505–6 DOI: 10.3238/arztebl.2009.0505

The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt-international.de

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