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Archiv "Standpunkt: Konzentration" (08.07.2005)

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A

A1984 Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 278. Juli 2005

S T A T U S

Ä

rzte müssen immer wie- der Entscheidungen tref- fen, bei denen Ziel- und Wertekonflikte auftreten. Da- zu zwei Beispiele:

>Ein Patient will weiterhin an Marathonläufen teilneh- men, obwohl der Arzt ihm dringend davon abrät. Soll der Arzt dem Patienten gegenüber energisch werden (und so mög- licherweise einen Patienten verlieren) oder sich dem Willen des Patienten beugen, um Är- ger zu vermeiden. Klein beige- ben könnte man in diesem Fall auch dahingehend interpretie- ren, dass der Arzt seinen ärztli- chen Pflichten nicht nach- kommt – so interpretierte ein Kardiologe mit Praxis in Dres- den diese Situation.

> Aus wirtschaftlichen Gründen sollte ein Berliner Augenarzt seine Auszubilden- de eigentlich nicht überneh- men,weil er es sich nicht leisten kann. Der Arzt fühlt sich je- doch sozial verantwortlich für die junge Frau. Auch im Hin- blick auf eine optimale Patien- tenbetreuung wäre es sinnvoll, das Praxisteam um eine Helfe- rin zu erweitern.

Eine Regel, wie Ärzte in sol- chen Situationen „richtig“ ent- scheiden, kann es es nicht ge- ben.Angenommen, die Patien- tenorientierung genießt auf der subjektiven Werteskala für den Arzt höchste Priorität. Er will dem Marathonmann „rei- nen Wein“ einschenken und die Auszubildende überneh- men. Dies wäre ökonomisch unvernünftig (eventuell auch den Patienten gegenüber, weil auch sie ein Interesse an der

Weiterexistenz der Praxis ha- ben). Und wenn dem Arzt das Vertrauen zu den Mitarbeite- rinnen wichtig ist: Was, wenn durch einen Fehler der Mitar- beiterin die Gesundheit eines Patienten gefährdet würde?

Die Beispiele zeigen, wie wichtig es ist, bei den Entschei- dungskriterien keinen Wert zu verabsolutieren und die Situa- tion zu berücksichtigen, in der eine Entscheidung zu fällen ist.

Bleibt die Frage, ob es ein Ent- scheidungsraster gibt, das den Arzt bei komplexen Entschei- dungen unterstützt.

Ziel- und Wertekonflikte sind etwas Normales und soll- ten deshalb nicht überbewertet werden. Sie stellen den Arzt vor besondere Herausforde- rungen, sind aber kein Grund,

sich von ihnen zerreiben zu las- sen oder gar eine Entschei- dungsschwäche auszubilden.

Nur eines ist schlimmer, als ei- ne falsche Entscheidung zu treffen: nämlich gar keine zu treffen. Zumal die Frage, ob ei- ne Entscheidung angemessen war, immer erst mit zeitlichem Abstand zu beantworten ist.

Ein Arzt, der sich diese Einstel- lung erarbeitet, befreit sich von der Last der „perfekten“ Ent- scheidung.

Ein „Entscheidungskreis- lauf“ kann helfen, Ziel- und Wertekonflikte zu lösen:

1.

Zu Beginn definiert der Arzt die Problemstellung auf Basis der Faktenlage. Gerät er wegen der schlechten ökono- mischen Situation unter Ent- scheidungsdruck, muss er den wirklichen Gründen auf die Spur kommen – nur dann kann er begründet feststellen, ob ihm etwa eine Personalent- scheidung weiterhilft.

2.

Der Arzt legt für sich per- sönlich fest, welche Folgen sei- ne Entscheidung mindestens haben muss. Ist die Problem- stellung ökonomisch begrün- det, wäre eine Option: „Meine Entscheidung muss dazu führen, dass ich meine Kosten mindestens um zehn Prozent senke.“ Beim Marathonmann lautet die Mindestanforde- rung: „Meine Entscheidung muss dazu beitragen, dass

sich der Mann keiner akuten gesundheitlichen Gefährdung aussetzt.“

3.

Anschließend hat der Arzt die Möglichkeit, mehrere Entscheidungsalternativen aufzustellen, die die Minimal- anforderungen erfüllen.

4.

Danach stehen die Ziel- setzungen im Mittelpunkt, die der Arzt in eine Rangord- nung bringt. Dabei kann er zwischen Muss- und Wunsch- zielen unterscheiden, die er auf die Entscheidungsalter- nativen bezieht.

5.

Nachdem der Arzt nochmals die Vor- und Nach- teile, die Chancen und Risiken der verbliebenen Entschei- dungsalternativen durchdacht hat, entscheidet er sich und lei- tet die Umsetzungsschritte ein.

Dieses zeitaufwendige Ver- fahren bietet die Möglichkeit, auch Werte und ethische Über- zeugungen zu berücksichtigen.

Dabei sollte sich der Arzt da- von lösen, Entweder-oder-Ent- scheidungen treffen zu müssen.

Sinnvoller ist ein Sowohl-als- auch-Denken, das davon aus- geht, dass Ethik und Gewinn weder unvereinbare Gegensät- ze sind, noch konfliktfrei mit- einander harmonisieren müs- sen. Die Werte des Arztes wer- den so zum Bestandteil der Diskussion um wirtschaftliche Rentabilität. Alfred Lange E-Mail: a.lange@medicen.de

Foto:Peter Wirtz

Der Gesetzgeber fordert eine Abrechnung der Kranken- hausleistungen nach DRGs und die Einhaltung von Min- destmengen. Der dadurch ausgeübte wirtschaftliche Druck auf die Krankenhäuser führt dazu, dass es zu einer Kon- zentration der Krankenhausbehandlung an weniger Orten kommen wird. Die Krankenhäuser gehören immer weniger Trägern. In den verbleibenden Kran-

kenhäusern wächst die Spezialisie- rung bis hin zur „Fließbandarbeit“.

Die damit einhergehende Konzentration kann zu verbes- serten Ergebnissen bei der Diagnostik und Therapie, aber auch zu empfindlichen Lücken bei der wohnortnahen Ver- sorgung führen. Die Arbeitsgemeinschaft für ArztRecht ap- pelliert an die Entscheidungsträger in den Krankenhäu- sern, die Spezialisierung patientenbezogen zu organisie- ren. Dies bedeutet, den Patienten mit seinem Behand- lungsablauf entsprechend der einheitlichen Natur der Er- krankung in das Zentrum der Bemühungen zu stellen. Im Hinblick auf die demographische Entwicklung darf die Menschlichkeit bei der Behandlung der älter werdenden Patienten nicht verloren gehen. Eine starre Spezialisierung,

welche die Humanität missachtet, bewirkt eine Gefähr- dung der Patienten. Ebenso risikoreich sind fachübergrei- fende Bereitschaftsdienste und Parallelnarkosen. Dies kann Straf- und Haftpflichtprozesse gegen Leitende Ärzte und Geschäftsführer von Krankenhäusern zur Folge haben.

Mit den Methoden des Riskmanagements sollten rechtzei- tig fachübergreifende Behandlungs- konzepte erarbeitet und umgesetzt werden. Gerade die Schnittstellen sind durch geeignete Zuständigkeitsregelungen eindeutig zu definieren. Spezialisierung und Konzentration sind un- bestritten notwendige Prozesse, deren Verwirklichungen aber nicht nur die Interessen der Patienten wahren, son- dern auch die Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter in den hiervon betroffenen Krankenhäu- sern berücksichtigen muss. Die Arbeitsgemeinschaft für ArztRecht rät den leitenden Abteilungsärzten, sich den An- forderungen an neue Organisationsformen im Kranken- haus nicht zu verschließen, sondern die neuen Strukturen aktiv mitzugestalten. Prof. Dr. med. Klaus Junghanns Arbeitsgemeinschaft für ArztRecht, Karlsruhe

Konzentration

S T A N D P U N K T

Ziel- und Wertekonflikte

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