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Archiv "Dem Präsidenten zum Sechzigsten" (29.01.1976)

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Bericht und Meinung

LAUDATIO

Dem Präsidenten zum Sechzigsten

Lieber Herr Seweringl

Sie schauen nunmehr auf sechs Jahrzehnte Ihres Lebens zurück.

Das ist ein bedeutender Anlaß, um Bilanz über ein Leben zu ziehen, das bis heute Erfolge und Erfüllung sah, das Ihnen aber auch alle La- sten und Sorgen brachte, ohne die sich ein wirklich erfülltes Leben nicht denken läßt.

Ihre Geburt fiel 1916 in die schwe- ren Tage des Ersten Weltkrieges;

Ihre Jugend verlebten Sie in einer historischen Epoche unseres Lan- des, die durch wirtschaftliche Kri- sen, soziale Not und politische Un- sicherheit gekennzeichnet war. Da der Mensch eine wesentliche Prä- gung in seinen jungen Jahren er- fährt, werden nicht zuletzt Erfah- rungen und Eindrücke während der Weimarer Republik Ihren späteren Einsatz und Ihre langjährige Ver- pflichtung für das Gemeinwohl be- gründet haben. Doch zunächst traf der Abschluß Ihres Studiums mit dem Beginn des Zweiten Weltkrie- ges zusammen, dem Sie, bis zu Ih- rer Dienstunfähigkeit 1942 als Sol- dat, danach als helfender Arzt für die unter den Kriegseinwirkungen leidende Bevölkerung ihren Tribut zollen mußten.

Nach dem Kriege und nach einer weiteren klinischen Ausbildung auf Ihrem Fachgebiet übernahmen Sie im Landkreis Dachau unter weiter- hin sehr schwierigen Bedingungen die Verantwortung für die medizini- sche Versorgung der Bevölkerung, indem Sie neben Ihrer Praxis ein Krankenhaus errichteten, das die damals grassierenden Infektions- und Mangelkrankheiten sowie chronischen Erkrankungen der Be- völkerung bekämpfte und das Sie schließlich bis 1970 als Chefarzt führten.

Mit diesem kurzgefaßten Rückblick über Start- und Lebensbedingun- gen während der ersten Hälfte Ih- res Lebens möchte ich sehr betont

zum Ausdruck bringen, daß Ihnen das Leben in keiner Phase etwas geschenkt hat oder leicht für Sie gewesen ist. Ihre Eltern konnten nur unter großen persönlichen Ein- schränkungen und Opfern Ihnen das Medizinstudium ermöglichen.

Wahrscheinlich ließen die ersten Abschnitte Ihres Lebens Sie eine Berufung erkennen, die ihre Voll- endung in Ihren heutigen Aufga- ben und Positionen findet.

Den Menschen, die Sie kennen und ehren, brauche ich Ihre Erfolge im ärztlichen und außerärztlichen Raum nicht aufzuzählen, brauche ich Ihre zahlreichen persönlichen Auszeichnungen im eigenen Land und im Ausland nicht zu nennen.

Ich möchte statt dessen jene Merk- male Ihrer Persönlichkeit und Ihrer Tätigkeit besonders herausstellen, die ich als wesentlich ansehe. Sie haben nämlich nicht nur als Arzt überdurchschnittliche Leistungen erzielt, Sie haben sich außerdem schon sehr früh der berufspoliti- schen Vertretung Ihrer ärztlichen Kollegen gewidmet.

Auch wenn Sie anfänglich Ihre Auf- gabe darin sahen, für Ihre Fachkol- legen die notwendige Anerkennung im freiberuflichen Raum zu er- kämpfen und die Vorherrschaft des öffentlichen Gesundheitsdienstes gerade im pulmologischen Bereich auf das zweckmäßige Maß zurück- zuführen, damit die Pulmologie als Fach eine Basis erhielt, so hat sich doch aus dieser Aufgabe Ihre Be- reitschaft entwickelt, Verantwortung in der ärztlichen Berufspolitik zu übernehmen und in dieser Verant- wortung über Ihren eigentlichen Wirkungskreis im Lande Bayern hinaus die Berufspolitik in der Bun- desrepublik und im europäischen Ausland, aber auch die weltärztli- che Deontologie erkennbar zu ge- stalten.

Die Tatsache, daß Sie mit Recht als ausgezeichneter Fachmann der

Prof. Dr. med. Hans Joachim Sewering vollendet am 30. Januar sein 60. Le- bensjahr Foto: Bohnert + Neusch

Aus- und Weiterbildung, der Be- treuung und Schulung des ärztli- chen Nachwuchses und der Sozial- medizin gelten, macht deutlich, wie sehr Sie das Arzttum noch in para- celsischem Verständnis begreifen, wie sehr Sie also dem Grundsatz folgen, daß der Arzt allumfassend tätig sein muß, daß sich der Arzt über seinen eigenen fachspezifi- schen Raum hinaus um die sozial- genetische und die sozial-wirksa- me Einbindung des Patienten in seine private und seine berufliche Umwelt kümmern muß. Diese para- celsische Konzeption über die ärzt- liche Tätigkeit ist mit der zuneh- menden Spezialisierung selten ge- worden. Anforderungen, Belastun- gen und Erwartungen zwingen uns eigentlich alle, uns auf einen Fachbereich zu konzentrieren und zahlreiche Details exakt zu wissen, dabei aber leicht zu übersehen, daß dem uns als Patient gegen- übertretenden Menschen oft bes- ser geholfen wäre, wenn wir ihn weniger medizinisch-spezialisiert als anthropologisch-ganzheitlich verstehen und ansprechen könn- ten. Die Patienten suchen auch im Arzt den sich ihrer als Mensch an- nehmenden Partner, der sie in der

240 Heft 5 vom 29. Januar 1976

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Stichworte zur Tätigkeit

des Präsidenten der Bundesärztekammer und des

Deutschen Ärztetages

Hans Joachim Sewering wurde am 30. Januar 1916 in Bochum geboren.

Von 1934 bis 1941 studierte er — mit einjähriger Unterbrechung we- gen des Wehrdienstes — Medizin an den Universitäten München und Wien. 1941 erhielt er die Bestallung als Arzt und promovierte zum Dok- tor der Medizin.

Seit 1951 gehört Hans Joachim Se- wering dem Vorstand der Kassen- ärztlichen Vereinigung Bayerns an;

Anfang 1972 wurde er zu deren Vor- standsvorsitzenden gewählt. Mit- glied der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung ist er seit 1952. Während die- ser Zeit hat er maßgeblich an der Gestaltung und Fortentwicklung des Kassenarztrechts — vor allem auch des Vertragsrechts — mitgewirkt.

Seit 1955 ist er Präsident der Baye- rischen Landesärztekammer. Im gleichen Jahre wurde Sewering auch Mitglied des Vorstandes der Bundesärztekammer, von 1959 bis 1973 als deren Vizepräsident, seit Oktober 1973 als Präsident der Bun- desärztekammer und des Deutschen Ärztetages. Seit sechzehn Jahren ist er in der Bundesärztekammer für die ärztliche Weiterbildung zustän- dig. Die Weiterbildungsordnung, welche der Deutsche Ärztetag 1968 verabschiedete, wurde maßgeblich von ihm gestaltet. Der Bundesmini- ster für das Gesundheitswesen hatte ihn 1965 in die Sachverständigen- kommission für die Erarbeitung der neuen Approbationsordnung für Ärz- te berufen; der Sachverständigen- kommission beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung gehört er seit 1973 an. Jeder, der an ir- gendeiner Steile der ärztlichen Selbstverwaltung tätig ist, weiß, wie- viel Arbeit im Sinne der Kollegen- schaft und zum Nutzen der Patien- ten mit diesen Ehrenämtern verbun- den ist, die keine „Vereinspöst- chen" sind, sondern den Einsatz ei- nes Mannes bis zum Rande seiner Kraft verlangen.

In den letzten beiden Jahrzehnten hat sich Hans Joachim Sewering in- tensiv mit Fragen der Gesundheits- vorsorge und der Krankheitsfrüher- kennung befaßt: mit der Vorberei- tung umfassender ärztlicher Betreu- ungsmaßnahmen für Schwangere und der Schaffung der Vorausset- zungen für die Durchführung der Ju- gendarbeitsschutzuntersuchungen, der Krebsvorsorge für Frauen und Männer, der Kindervorsorgeuntersu- chungen und der Diabetes-Früher- kennung. Nicht vergessen sei auch sein besonderer Einsatz für die Krebsnachsorge. Beispielhaft ist schließlich auch sein Anteil an der Münchner Krankenhausreform. Auch dem Ausbau und der Durchführung der ärztlichen Fortbildung widmete und widmet Kollege Sewering be- sondere Aufmerksamkeit. Seine ei- genen Referate und Publikationen liegen im Bereich der ärztlichen Fortbildung, der Weiterbildung der Ärzte, des ärztlichen Berufsrechts sowie der Sozialmedizin und hier insbesondere der Gesundheitsvor- sorge. 1968 wurde Sewering vom Bayerischen Staatsminister für Un- terricht und Kultus zum Honorarpro- fessor der Sozialmedizin und ärztli- chen Rechts- und Berufskunde er- nannt; seine Vorlesungen hält er an der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität München.

Als ärztlicher Berufspolitiker ist Se- wering auch international hervorge- treten: Seit Beginn der Mitarbeit der deutschen Ärzteschaft im Ständigen Ausschuß der Ärzte der Europäi- schen Gemeinschaft gehört er der deutschen Delegation an. Von 1965 bis 1968 war er Generalsekretär die- ses Gremiums. Im Weltärztebund vertritt er seit 1959 die deutsche Ärzteschaft als Delegationsleiter, und seit sieben Jahren gehört er dem Vorstand des Weltärztebundes, seit 1971 als Schatzmeister an.

Bekanntlich haben alle Sektoren seines Wirkens längst hochverdien- te Anerkennung erfahren: Bereits 1962 fand sein Wirken öffentliche Würdigung durch die Verleihung des Bayerischen Verdienstordens, 1974 durch die Verleihung der Baye- rischen Staatsmedaille für soziale Verdienste. 1966 erhielt er den Grad eines Cavaliere und 1970 den Grad eines Commendatore des Verdienst- ordens der Italienischen Republik.

Nach der Verleihung des Verdienst- kreuzes Erster Klasse der Bundesre- publik Deutschland 1969 wurde Se- wering bereits 1975 mit dem Großen Bundesverdienstkreuz ausgezeich-

net. B/K

Die Information:

Bericht und Meinung

medizinisch-fachlichen Versorgung richtig leitet, der sie aber auch nach der in Spezialmaßnahmen aufgelösten ärztlichen Behandlung in ihre sehr komplexe Umwelt ver- ständnisvoll zurückführt.

So stelle ich für mich fest, daß Sie diese Aufgaben nach paracelsi- schen Kriterien beispielhaft gelöst haben. Daher ist es nicht von un- gefähr, daß man Sie in die verant- wortliche Repräsentanz der deut- schen Ärzteschaft hineinwählte.

Ihr Weg war durch Ihre menschli- chen und fachlichen Qualitäten be- stimmt, die stärker waren als die ungünstigen Ausgangsbedingun- gen, die ich am Anfang skizziert habe. Und nur angemerkt sei die für jedes erfolgreiche und erfüllte Leben geltende Selbstverständlich- keit, daß Ihnen auch ungerechte und unqualifizierte Kritik nicht er- spart blieb und daß diese Kritik sich nicht davor scheute, auch die sehr persönlichen Bereiche Ihres Lebens zu berühren. Mit Bewunde- rung habe ich immer wieder beob- achtet, wie Sie Schicksalsschläge und unbegründete Kritik nicht ein- fach abzuschütteln suchten, son- dern sie als läuternde Ereignisse auffaßten, an denen man nicht zerbricht, sondern wächst.

Wir haben nun beide in den letzten Jahren trotz zeitweilig kontroverser Meinungen eine gemeinsame Poli- tik vertreten. Daher hoffe ich, daß es uns beiden gelingt, unter Ihrer Führung die deutsche Ärzteschaft in den gesellschaftspolitischen Veränderungen der Gegenwart da- vor zu bewahren, die persönliche Verantwortung gegenüber dem ein- zelnen Menschen und der Gesell- schaft zu verlieren und durch einen staatlichen Dirigismus ersetzt zu sehen. Ich hoffe darüber hinaus, daß wir Ärzte einsichtig genug sind, uns in dieser sich wandeln- den Gesellschaft kooperativ zu ver- halten, ohne die Substanz unserer ärztlichen Ethik zu vermindern.

In diesem Sinne wünsche ich uns weiterhin eine gute Zusammenar- beit.

Ihr Horst Bourmer

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 5 vom 29. Januar 1976

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