Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Kaiserin-Friedrich-Stiftung
tion-pictures, Tonbildschauen, Ton- bändern, Vorlesungen, Demonstra- tionen, Lehrbüchern, Fallbespre- chung, Test und Evaluation. Jede Lösung müsse evaluiert werden, um den Erfolg zu sichern.
Verhalten von Dozenten
Der Erfolg hänge oft weniger von den Medien und mehr vom „Ver- halten der Dozenten" — Thema seines Referates — ab, meinte Dipl.-Psychologe Hans-Peter Rose- meier. Die vielen gezeigten Medien würden zur Zeit überhaupt noch nicht benutzt. Vielmehr dominiere der Vortrag. Deshalb müßten die Psychologie des Dozenten be- leuchtet und die heute so kümmer- liche Rolle der Rhetorik nicht nur aufgezeigt, sondern verbessert werden. Die neue Approbations- ordnung, der Lernzielkatalog und die Prüfung im Multiple-choice- Verfahren seien „doch ein Verküm- mern der medizinischen Theorie, wenn sie je eine Identität gehabt hat — hin zu einer Technologie, die keine vernünftige Basis hat"
(Beifall). Nach Witt sei dies die
„Exekution des Subjekts aus der Medizin".
In der medizinischen Fortbildung müsse der „Modellcharakter des Dozenten" und der „Beobachter- charakter des Hörers" betont wer- den; denn die Psychologie könne die Menschenkenntnis nicht erset- zen. Es sei kein Zufall, daß es noch keine systematische Untersuchung der Psychologie des Dozentenver- haltens gebe und die Rhetorik kei- ne Universitätsdisziplin sei. Viele Hochschullehrer seien zwar oft qualifizierte Schriftgelehrte, aber gelegentlich leider des Wortes nicht genügend mächtig. Rhetorik betreibe in München ein Kommu- nalpolitiker, in Karlsruhe der Inten- dant des dortigen Staatstheaters, in Berlin an der Technischen Uni- versität eine ältere Dame mit einem Videorecorder und in Niederbayern ein Dozent im HNO-Bereich, be- schränkt auf den Ausdruck der Sprechstimme. Nirgends gebe es eine Systematik.
Der Arzt als Dozent
Nach der Rogerschen Gesprächs- führung habe das Gespräch — und auch das Referat des Arztes stets Therapieform. Der Therapeut neh- me den Klienten an, höre ihm zu und verbalisiere. Die Problemlö- sung erfolge aber meist unter dem Druck wartender Patienten zu schnell und verführe zu Fehlhaltun- gen, zum „Vorgeben von Trö- stung".
Vier
Rednertypen
Anhand der vier Rednertypen — des extravertierten, introvertierten, hysterischen und pedantischen — zeigte Rosemeier die häufigsten Formen des Fehlverhaltens und riet den Dozenten, ruhig etwas Ag- gressivität zu zeigen, aber Modell, also Identifikationsobjekt, zu blei- ben. Sie sollten sich über ihre Gruppe nicht zu schnell eine Mei- nung bilden und vermeiden, von der Situation des letzten Vortrags auf den gerade beginnenden Schlüsse zu ziehen.
Anhand des Verhaltens der Teil- nehmer während des Referates von Dikau arbeitete Rosemeier den Rosenthal-Effekt heraus, skizzierte die milden und Kontrastfehler, ent- wickelte die Möglichkeit der Lern- psychologie und verhalf den Teil- nehmern zu der Chance, bis zur Sättigung auszuhalten, der „Annä- herung an das volle Behalten des Lernstoffs gegen Ende einer Dar- bietungssequenz, und diese Sätti- gung ist natürlich mit dem Begriff des Überlernens verbunden". Was danach komme, werde nicht mehr gespeichert, „prallt ab wie ein Ping-Pong-Ball".
„Irre gut?"
Eindringlich warnte Rosemeier vor dem verbreiteten Fehler, korrekt schreibend zu reden. Er analysierte die Position des Referenten und der Hörer, die Technik der Wort-
wahl, den Umgang mit Stilmitteln, Reiz- und Hochwertwörtern und verwies ironisch beispielsweise auf die Hochwert-Floskel: „Das ist ja irre gut."
Rosemeier produzierte sich als Vorbild, behielt seine Zuhörer stän- dig im Auge, kontrollierte sich und seine Wirkung ständig, spielte auf der Klaviatur der Rhetorik, Mimik und sensibilisierten Assoziation.
Er erinnerte daran, daß die Lern- geschwindigkeit am Anfang sehr hoch sei und dann nachlasse, si- gnalisierte dies den Teilnehmern, sorgte für ausreichendes feed- back, stilisierte die Hauptmittel der Rede, die Argumente und Affekte, checkte seine eigene Glaubwürdig- keit — „Da guckt jemand auf die Uhr, ein schlechtes Zeichen" — beeilte sich inhaltlich, sprach lang- samer, erheischte — die Abfolge:
Beginn, Kern, Schluß respektierend
— nochmals Aufmerksamkeit und Wohlwollen des Publikums, forder- te nach Mitteilung der Ziele, der Sachlage und Beweisführung die Übernahme seines Modells und er- lebte die Identifikation.
Prof. Heim: „Drei Sätze: Sie haben eine wunderbare Konversation über das Verhalten des Dozenten gewählt. Sie haben, glaube ich, manchem von uns als Dozenten ei- nen Spiegel vorgehalten. Herr Ro- semeier, Sie waren irre gut!" zel/DÄ
• Wird fortgesetzt
ZITAT
Wunschdenken
„Die Menschen von heute wünschen sich das Leben von übermorgen zu den Prei- sen von vorgestern"
Tennessee Williams
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 16 vom 17. April 1975 1137