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Archiv "Psychiatrie im Allgemeinkrankenhaus" (08.05.1975)

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THEMEN DER ZEIT:

Psychiatrie im

Allgemeinkrankenhaus

FORUM:

Eine Erhebung zur spezifischen Wirksamkeit potenzierter Arzneimittel

BRIEFE AN DIE REDAKTION

BEKANNTMACHUNGEN:

Kassenärztliche Bundesvereinigung:

8. Nachtrag zum Vertrag zwischen dem Vorstand der Deutschen Bundesbahn und der KBV über die Heilbehandlung

der durch Dienstunfall verletzten

Bundesbahnbeamten Vereinbarung zwischen dem Vorstand der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten und der KBV über die Änderung der Anlagen A (Honorarvereinbarung) und B (Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten) Kassenarztsitze

PERSONALIA

FEUILLETON:

Vernunft und Narrheit

Die Lage der psychisch Kranken in unserer Gesellschaft beschäftigt seit Anfang der siebziger Jahre nicht mehr allein die medizinische Fachwelt, sondern führt zuneh- mend auch zu der öffentlich erho- benen Forderung nach einer Re- form der Psychiatrie, einer Reform, die der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenheilkunde (DGPN) im Jahre 1970 als eine „vordringliche Aufga- be unserer Gesundheits- und So- zialpolitik" bezeichnete.

Wie also soll die von Häfner als

„nationaler Notstand" charakteri- sierte Situation der psychiatrischen Krankenversorgung verbessert werden? Wie soll die „Reform der Psychiatrie" inhaltlich aussehen?

Der Schwerpunkt der stationären psychiatrischen Versorgung liege

— so stellte der Berliner Senator für Gesundheit und Umweltschutz im Jahr 1973 fest — weiterhin bei den psychiatrischen Großkrankenhäu- sern. Sie stellen in Berlin 65 Pro- zent aller psychiatrischen Betten.

Ein schrittweiser Abbau komme nur in Frage, wenn sich die Funktions- fähigkeit kleinerer Behandlungsein- heiten außerhalb der Großkliniken praktisch erwiesen habe, so daß eine im Prinzip angestrebte ge- meindenahe Therapie psychisch Kranker nur langfristig und schritt- weise verwirklicht werden könne.

Spezielle Möglichkeiten einer ge- meindenäheren psychiatrischen Ver- sorgung der Bevölkerung hat der Weltkongreß für Psychiatrie in York

Psychiatrie

im Allgemeinkrankenhaus

Ein Erfahrungsbericht

Jürgen Götte

Der folgende Beitrag basiert auf den Erfahrungen einer psychia- trischen Station im Städtischen Auguste-Viktoria-Krankenhaus in Berlin, die der Autor leitet. Der Verfasser legt Möglichkeiten und Probleme einer auf zeitgemäße wissenschaftlich-psychiatrische Er- kenntnisse eingestellten stationären Therapie innerhalb eines Allge- meinkrankenhauses dar. Der organisatorische Aufbau und das The- rapieprogramm der Station ergeben sich aus der Notwendigkeit, Patienten mit den unterschiedlichsten Erkrankungen gemeinsam zu behandeln. Es wird einerseits die Bedeutung psychiatrischer Abtei- lungen außerhalb der großen Nervenkliniken als ein Schritt hin zu einer gemeindenäheren psychiatrischen Versorgung hervorgehoben, andererseits die Bedeutung psychiatrischer Abteilungen für das All- gemeinkrankenhaus selbst.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 19 vom 8. Mai 1975 1361

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Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen

Psychiatrie im Allgemeinkrankenhaus

Tabelle 1: Behandelte Patienten (November 1972- Dezember 1973)

Alter (Jahre)

Neurosen Abhängigkeit Psychosen

männlich -20

21-30 31-40 41-50 51-60 61-70

-20 21-30 31-40 41-50 51-60 61-70

2 10 7 2 1 1 weiblich

4 7 8 0 1 0 43

(Großbritannien) 1974 erörtert. Er empfahl als Alternative zum psychiatrischen Großkrankenhaus den Ausbau ambulanter Dienste und psychiatrischer Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern. Beson- ders die Hospitalisierungsrate der psychisch Kranken soll damit zum Absinken gebracht werden.

Therapeutische Bedingungen An dieser Stelle wird über eben eine solche psychiatrische Station innerhalb eines Allgemeinkranken- hauses berichtet. Die "Station 7 unten" ist eine von vier Stationen der Neurologisch-Psychiatrischen Abteilung des Städtischen Augu- ste-Viktoria-Krankenhauses (AVK) in Berlin. Das AVK hat gegenwärtig insgesamt 979 Betten für sieben verschiedene Fachabteilungen und versorgt besonders die Berliner Bezirke Schöneberg, Friedenau und Steglitz. Die Aufnahmekapazi- tät unserer Station beträgt 25 Pa- tienten - ebenso die der psychia- trischen "Nachbarstation 7 oben".

Der organisatorische Aufbau und

1 6 4 2 0 0

2 1 2 0 0 0 18

0 7 2 0 1 1

0 1 0 2 2 1 17

das Therapieprogramm unserer Station haben sich aus der Not- wendigkeit ergeben, Patienten mit den unterschiedlichsten psychiatri- schen Erkrankungen aufnehmen und behandeln zu sollen, nämlich neurotisch und psychosomatisch, abhängig sowie psychotisch Kran- ke. Die Tabelle 1 gibt Auskunft über die Zusammensetzung der auf der Station in der Zeit von November 1972 bis Dezember 1973 behandel- ten Patienten, aufgegliedert nach Alter, Geschlecht und Art der Er- krankung. Man kann der Tabelle 1 also auch entnehmen, daß es sich um eine gemischte Station handelt.

Das Durchschnittsalter der Patien- ten belief sich auf 32,4 Jahre (Män- ner 31 ,5; Frauen 33,3). Das Alter der Patienten lag zwischen 16 und 67 Jahren. Das Hauptgewicht unse- rer Arbeit lag also auf den 20- bis 40jährigen; es wurde aber auch noch eine Reihe jüngerer Patienten behandelt, was zeitweise der The- rapie auf unserer Station einen ju- gendpsychiatrischen Akzent verlieh und entsprechend hohe Anforde- rungen an uns stellte1}.

1362 Heft 19 vom 8. Mai 1975 DEUTSCHES ARZTEBLATI'

Der Tabelle ist ferner zu entneh- men, daß nicht nur eine diagno- stisch eingeengte Krankengruppe behandelt wird, sondern im Prinzip eine Präselektion hinsichtlich der Diagnose nicht durchgeführt wird.

So werden z. B. auch neuro-psych- iatrische Notfallpatienten bei uns (im Delir, im Asthmastatus usw.) aufgenommen.

Therapeutisches Programm

Wir gehen davon aus, daß in der Psychiatrie die psychosozialen Ent- wicklungsbedingungen für die Ver- ursachung und den Ausbruch von Erkrankungen mit entscheidende Bedeutung haben. Wir möchten in diese Aussage ausdrücklich auch die psychotischen Erkrankungen einschließen, deren Verlauf, wie z. B. Schulte-Tölle betonen, nicht allein durch eine Eigengesetzlich- keit der Krankheit bestimmt sei, sondern besonders von der Art der psychotherapeutischen Anfangsbe- mühungen abhänge. Entsprechend der oft sogar entscheidenden Be- deutung psychosozialer Bedingun- gen muß in der Psychiatrie folgen- des im Vordergrund stehen:

..,.. die Behandlung mit seelischen

Mitteln und [>

Tabelle 2: Verteilung der Berufsgruppen (1973)*) Berufsgruppe

Angestellte und Beamte Arbeiter

Schüler und Studenten Rentner

Selbständige Insgesamt

Anteil 40%

37%

11 Ofo

10%

2%

100%

•} in einem festen Arbeitsverhält- nis befanden sich 80 Prozent

·der Patienten, 20 Prozent waren

hingegen ohne Arbeit.

'} Den Hauptteil der psychotisch Kranken und alterspsychiatrischen Patienten, die im AVK zu versorgen sind, nimmt unse-

re,. Nachbarstation 7 oben" auf und bil-

det für unsere Arbeit die notwendige Erweiterung der therapeutischen Skala.

(3)

~ die Ausrichtung auf eine soziale Rehabilitation.

Gemäß dieser Erkenntnis beinhaltet das Therapieprogramm unserer Station einerseits die gezielt anzu- wendende psycho- und soziothera- peutische Gruppenarbeit sowie Ei nzelgespräche, andererseits kann die ebenso gezielt anzuwen- dende medikamentöse Therapie durchgeführt werden. Im einzelnen läßt sich dieses Therapiepro- gramm wie folgt beschreiben:

1. Psychotherapie, und zwar im Sinne von tiefenpsychologischen und/oder psychagogischen Einzel- gesprächen sowie psychotherapeu- tischer Gruppenarbeit Für die un- terschiedlichen Erkrankungen sind auch unterschiedlich strukturierte Gruppen indiziert. Wir arbeiten mit zwei psychoanalytisch orientierten Gruppen - einerseits für abhängig Kranke, andererseits für neurotisch Kranke - sowie mit einer grup-

pendynamisch-interaktioneilen Gruppe. Alle drei Gruppen finden je zweimal wöchentlich für 90 Minuten statt. Zusätzlich gibt es mittwochs eine aufgaben-/

objektzentrierte interaktioneile Gruppe, nämlich im Wechsel Sta- tionsversammlung (" Meckerstun-

de") und Beschäftigungstherapie-

gruppe.

2. Soziale Rehabilitation: Kurz gesagt handelt es sich hierbei um die Lösung von Problemen des so- zialen Umfeldes des Patienten, vor allem hinsichtlich Familie, Woh- nung und Beruf. Das heißt in der Praxis für uns: Versuch der Einbe- ziehung von Angehörigen in die Therapie durch häufigen persönli- chen Kontakt sowie andererseits die Klärung der beruflichen Situa- tion der Patienten.

3. Andere, überwiegend nonverba- le Therapieformen wie Beschäfti- gungstherapie, Krankengymnastik (einschließlich physikalischer The- rapie) sowie Musiktherapie. So werden die Probleme der Material- bearbeitung und der Zusammenar- beit mit anderen einzeln und im Rahmen von zweiwöchig stattfin- denden objekt- und aufgabenzen-

trierten interaktioneilen Gruppen besprochen. Es hat sich gezeigt, daß die präverbale Aussage im Rahmen der Beschäftigungsthera- pie und der Musiktherapie gerade für die auf eine frühinfantile Ebene regredierten Patienten oft einzige Ausdrucksmöglichkeit ist. Die Krankengymnastik, die einzeln und vor allem in zweimal wöchentlich stattfindenden Gruppen durchge- führt wird, dient ebenso wie die physikalische Therapie (Kohlen- säurebäder, Fichtennadelbäder, Massagen usw.) neben der Körper- stabilisierung auch der Stärkung des Körperbewußtseins einschließ- lich der Körpergrenzen.

4. Die medikamentöse Therapie:

Die Anwendung von Medikamenten findet bei uns gezielt und immer nach informierend-aufklärendem Gespräch mit dem Patienten statt.

Wir wenden Medikamente in Einzel- fällen zur Ermöglichung und Unter- stützung der psychotherapeuti- schen Behandlung an; wir wenden sie als längerfristige Medikation bei psychotisch Kranken an; wir wenden sie in allen Notfallsituatio- nen an.

Wenn wir nun dieses Therapiepro- gramm im Verlauf - von der Auf- nahme bis zur Entlassung eines Patienten - betrachten, so lassen sich zumindest zwei Stadien der Therapie unterscheiden:

~ die symptomatische Therapie und

~ die strukturelle Therapie.

Die symptomatische Therapie ei- nes Patienten mit einem heftigen Angstsyndrom wird vorwiegend medikamentös sein und macht ei- nen Gesprächskontakt oft über- haupt erst sinnvoll möglich. Es zeigt sich dann mitunter erst nach dem Abklingen eines solchen aku- ten Zustandes die Persönlichkeits- struktur des Patienten, nun wird man sich erneut die Art der weite- ren Therapie überlegen müssen. Wir sehen sowohl die Diagnose als auch die Therapie dynamisch; an- ders ausgedrückt: Wir stellen einer flexiblen Diagnostik flexible Thera- piestrategien zur Seite.

Dieses breite Spektrum unserer psychiatrischen Arbeit hat den Zu- sammenschluß aller Mitarbeiter im Sinne der Zielsetzung einer psych- iatrisch-therapeutischen Gemein- schaft erforderlich gemacht. ln den zweimal wöchentlich stattfinden- den Mitarbeiter-Kontrollgruppen wird unser Verhalten den Patienten (und teilweise auch uns selbst) ge- genüber besprochen, reflektiert und notwendigenfalls korrigiert.

Außerdem erfolgt fachliche Infor- mation sowie Weiterbildung. Zu- sätzlich finden die Mitarbei- ter-Nachbesprechungen der täglich ablaufenden oben genannten The- rapiegruppen statt. Sie dienen der Information des Personals sowie der Supervision der Gruppenleiter.

Aufnahmekriterien

Wie bereits eingangs geschildert, werden auf unserer Station Patien- ten mit den unterschiedlichsten psychiatrischen Erkrankungen be- handelt. Es hat sich aber im Ver- lauf unserer Arbeit gezeigt, daß ein zu starkes Übergewicht von be- stimmter Krankheitsrepräsentanz bereits ablaufende therapeutische Prozesse und bestehende Grup- penstrukturen im antitherapeuti- schen Sinne beeinflussen können.

Daraus ergibt sich für uns die Not- wendigkeit, gewisse Aufnahmekri- terien anzuwenden. Unsere Station kann beispielsweise 25 Patienten aufnehmen. Der größte Teil wird von niedergelassenen Ärzten ein- gewiesen, kommt über unsere Ret- tungsstelle oder andere Fachab- teilungen unserer Klinik. Die Auf- nahme bei uns erfolgt möglichst nach "orientierenden" Vorgesprä- chen, wobei einerseits der Patient die Gelegenheit hat, die Räumlich- keiten und auch ein Stück der At- mosphäre der Station kennenzuler- nen. Andererseits versuchen wir zu klären, ob der Patient einen mehr- wöchigen Klinikaufenthalt auf sich nehmen will und kann. Hiervon bil- den akute psychiatrische Notfall- situationen selbstverständlich eine Ausnahme. Hierbei richten sich die Möolichkeiten einer Aufnahme nach den augenblicklichen Gege- benheiten unserer Station. Wir sind DEUTSCHES ARZTEBLA'IT Heft 19 vom 8. Mai 1975 1363

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Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen

Psychiatrie im Allgemeinkrankenhaus

bemüht, etwa folgende Verteilung innerhalb der Patientengruppe an- zustreben:

..,.. 50 Prozent neurotisch Kranke, ..,.. 30 Prozent abhängig Kranke

und

..,.. 20 Prozent psychotisch Kranke.

Wir gehen davon aus - und teilen dies auch in den Vorgesprächen den Patienten mit -, daß neuro- tisch Kranke eine mindestens zweimonatige, abhängig Kran-

ke eine mindestens dreimonatige stationäre Therapie akzeptieren sollten. Innerhalb dieses Zeitrau- mes gilt es, wenigstens zwei we- sentliche Phänomene therapeu- tisch in den Griff zu bekommen und zu bearbeiten, nämlich:

..,.. die Widerstandsphänomene und ..,.. die Hospitalisierungsphänomene

des Patienten.

Wenn man sich in psychiatrische Therapie begeben muß - noch dazu in eine stationäre Therapie -, ruft dieses bei den meisten Men- schen starke Widerstände hervor, die intra- und extrapsychisch be- dingt sind. Erfahrungsgemäß ist es sehr viel leichter, einen Menschen dazu zu bewegen, sich auf einer psychiatrischen Station in einem Allgemeinkrankenhaus aufnehmen zu lassen statt in einer Nervenkli- nik. Wird ein Patient bei uns aufge- nommen, so ist es ganz verständ- lich, daß er Bedenken, Zweifel und auch Widerstände gegen die psychiatrische Therapie hat. Er hatte aber zumindest so viel Ver- trauen und Hoffnung, daß er über- haupt zu uns gekommen ist. Wir sind uns bewußt, daß sich der Pa- tient vom Personal relativ abhängig macht, und wir versuchen, sein Vertrauen dadurch zu erwidern, daß wir seine Hilflosigkeit anneh- men, aber nicht mißbrauchen. Wi- derstände beim Patienten versu- chen wir zunächst zu umgehen, dann abzubauen bzw. auch nach und nach bewußt zu machen.

Intensive Untersuchungen

Anfangs finden intensive Untersu- chungen des Patienten statt, die

sich kaum von denen auf anderen Stationen im Allgemeinkranken- haus unterscheiden:

1. Laboruntersuchungen, 2. Röntgen,

3. EKG, 4. EEG,

5. körperliche Untersuchungen, 6. Untersuchungen

Fachabteilungen usw.

auf anderen unserer Klinik 7. Psychiatrische Explorationen Eventuell draußen eingenommene Medikamente werden oft zunächst unverändert weiter verabreicht. ln den ersten zwei Wochen gehen die Patienten noch nicht zu den thera- peutischen Gruppengesprächen (wenn nicht ausnahmsweise an- ders vereinbart); es finden nur Ein- zeigespräche statt. Eine Annähe- rung an den Patienten versuchen wir vorwiegend über nonverbale Mittel zu erreichen. Wir haben die Beobachtung gemacht, daß im all- gemeinen der Patient anfangs überwiegend zum Ausagieren neigt. Wir versuchen, dem eine kontrolliert durchgeführte, über- wiegend nonverbale Interaktion mit ihm entgegenzusetzen. Konkret ist damit gemeint: Ansprechen seiner gesunden Ich-Anteile, gefühlsmäßi- ges Akzeptieren des Patienten, Of- fenheit im Verhalten dem Patienten geoenüber, wichtige praktische Hilfen für den Patienten usw. Wir versuchen also, für ihn ein psychi- sches und soziales "Mit-Ich" zu sein. Später wird dann diese Annä- herung an den Patienten von unse- rer Seite aus zunehmend mit ver- balen Mitteln geführt. Die direkten psychotherapeutischen Methoden wie Einzel- und Gruppengesprä- che treten dann in den Vorder- grund. Hierbei wird auch versucht, die Abhängigkeit des Patienten vom Personal bewußt zu machen und in Beziehunq mit den inneren psvchischen Grundproblemen des Patienten zu setzen. Die Bearbei- tunq der Abhänqiokeitsproblematik und der dann auch bevorstehenden 1364 Heft 19 vom 8. Mai 1975 DEUTSCHES ARZTEBLA'IT

Abschiedssituation (Entlassung) soll auch den Hospitalisierungser- scheinungen entgegenwirken und diese im Therapieprozeß sogar nutzbar machen .

Entlassungskriterien

Als Kriterien der Enliassung sehen wir an:

a) Abnahme des subjektiven Lei- densdruckes;

b) objektivierte zunehmende psy- chische Stabilisierung einschließ- lich Festigung der sozialen Rolle;

als besondere Parameter dienen klinische Beobachtung, Entwick- lung eigenschöpferischer Aktivitä- ten, Verlauf der Belastungsurlaube, Psychodiagnostik, Soziogramm;

c) Um-/Neugestaltung des sozialen Umfeldes (Familien-, Berufssitua- tion und Wohnverhältnisse);

d) Einsicht in die Notwendigkeit der außerklinischen Nachbetreuung bzw. Weiterbehandlung und deren Organisation.

Sind diese Kriterien erfüllt, können wir die stationäre psychiatrische Therapie des Patienten als erfolg- reich abgeschlossen ansehen. Nun schließt sich die bereits während des klinischen Aufenthaltes einge- leitete außerklinische Therapie an.

Therapeutische Kette

Wir gehen also davon aus, daß die stationäre, psychiatrische Therapie nur als ein - wenn auch wichtiger - Ansatz für die nachstationäre Therapie anzusehen ist. Zu diesem Zweck ist es für uns erforderlich, vielfältige Verbindungen zu außer- klinischen Institutionen zu unter- halten. So haben wir beispielswei- se monatliche Meetings mit ver- schiedenen halbstationären, halb- ambulanten sowie ambulanten Einrichtungen innerhalb von Berlin.

Dabei sprechen wir hauptsächlich über gemeinsame Patienten.

Wünschenswert wäre es, wenn ein Teil der erwähnten nachstatio- nären Einrichtungen unserer Klinik unmittelbar angegliedert wären. l>

(5)

Durch ungezielte Verteilung von Vordrucken über zwei Zeitschriften („Allgemeine Homöopathische Zeitschrift" und „Erfahrungsheil- kunde") sowie mit einem — „Pe- riodikum" genannten — Rundbrief wurden Ärzte angesprochen, von denen angenommen werden konnte, daß sie Erfahrung auf dem Gebiet potenzierter (homöopathischer) Arz- neimittel besitzen und eventuell be- reit waren, eine entsprechende Er- klärung abzugeben.

Von rund 3000 Vordrucken kamen im Laufe von zwei Monaten über 500 an die Absender zurück, was ein sehr gutes Ergebnis ist, wenn man bedenkt, wie häufig Zeitschrif- ten zunächst ungelesen beiseite gelegt werden.

Nur wenige Ärzte wurden direkt angeschrieben. Der Vordruck lau- tete:

„Erklärung

Auf Grund eigener ärztlicher Er- fahrung bestätige ich die spezifi- sche Wirksamkeit sogenannter po-

tenzierter (homöopathischer) Arz- neimittel. Ich bin approbierter Arzt."

Es folgte die Unterschrift, und um einen Stempelabdruck wurde ge- beten. Als Zusatzfragen folgten:

Approbationsjahr und Universität, Titel der Dissertation, Niederlas- sung als ... in ... bzw. Kranken- hausarzt in ... und die Selbstein- stufung: „Ich verwende potenzierte Arzneimittel: fast ausschließlich, häufig, gelegentlich oder selten."

Unter „spezifischer Wirksamkeit"

versteht man, daß durch Verabrei- chung eines entsprechenden, in diesem Falle potenzierten Arznei- mittels, eine im voraus erwartete Wirksamkeit eintritt. Es war von vornherein zu erwarten, daß eine solche „Erklärung" nur von Ärzten abgegeben werden würde, die eine Wirksamkeit solcher Arzneimittel mehrfach und auf Grund eigener Beobachtung bestätigen konnten, weshalb der Vordruck auch beson- ders auf die eigene ärztliche Erfah- rung hinwies. Dadurch wurde zwar einerseits der angesprochene Per- Schlußbetrachtung

Die hier beschriebene Station ar- beitet seit viereinhalb Jahren. Wir haben gelernt, daß der Aufbau ei- ner psychiatrischen Station inner- halb eines Allgemeinkrankenhauses, die sozial engagiert und dynamisch orientiert arbeiten muß, zunächst einmal die realen Bedingungen des direkten „Umfeldes", nämlich der Klinik selbst, zu berücksichtigen hat. Man muß sich also über die Auswirkungen der andersartigen Struktur einer solchen Station auf die übrige Klinik — und sogar auf die übrigen Stationen der Neu- ro-Psychiatrischen Abteilung — im- mer neu klarzuwerden versuchen.

Es gibt zwar Widerstände gegen die Psychiatrie ganz allgemein und im besonderen noch größere ge- gen eine Station, die sich im Inter- esse der therapeutischen Aufgabe zunehmend als Gemeinschaft zu verstehen versucht. Es gilt auch, solche Widerstände nicht nur zu erkennen, sondern sich diesen konkret entgegenzustellen, um im psychiatrischen Bereich die best- mögliche Patientenversorgung zu gewährleisten. Hierfür ist unserer Erfahrung nach ein klares Thera- piekonzept von wesentlicher Be- deutung. Aber es gibt auch die Er- fahrung, daß die ärztliche Zusam- menarbeit verschiedener Fachab- teilungen mit unserer psychiatri- schen Station im Rahmen der Ge- samtklinik konstruktiv im Sinne ei- ner bestmöglichen Patientenver- sorgung voranschreiten kann. Die Psychiatrie bereichert das Allge- meinkrankenhaus.

Literatur beim Verfasser

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Jürgen Götte Städtisches Auguste-Viktoria- Krankenhauses Berlin Neurologisch-Psychiatrische Abteilung

(Dirig. Arzt:

Dr. med. Alfred Deschauer) 1 Berlin 41

Rubensstraße 125

Eine Erhebung

zur spezifischen Wirksamkeit potenzierter Arzneimittel

Gottfried Büttner und Gerhard Repschläger

Um die Rechtsansprüche approbierter Ärzte und ihrer Patienten auf die freie Verfügbarkeit potenzierter (homöopathischer) Arzneimittel auch unter dem künftigen Arzneimittelgesetz rechtzeitig anzumelden, wurde zu Beginn des Jahres 1975 eine Erhebung durchgeführt. die nicht nur zeigt. daß diese Arzneimittel auf Grund ärztlicher Erfah- rung wirksam sind, sondern auch, in welch hohem Maße jene ap- probierten Ärzte, die über einschlägige Erfahrungen verfügen. in der täglichen Praxis davon Gebrauch machen. Einige weitere Tat- bestände konnten durch zusätzliche Fragen ermittelt werden, so daß über die soziologische Struktur dieser Ärztegruppe Aussagen gemacht werden können.

1366 Heft 19 vom 8. Mai 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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