A 556 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 13|
28. März 2014Das Leser-Forum
andere Interpretationen möglich. Eine sachliche Diskussion findet nicht statt . . . Schade, dass der Weltärztebund sich hier vor einen Karren spannen lässt. Wenn die- se Stellungnahme auch mehrheitlich ver- abschiedet wurde, muss sie nicht von je- dem Arzt/jeder Ärztin übernommen wer- den. Eigenes Denken ist erlaubt!
Dr. Ilse Schütze, 03172 Guben
SEXUELLE ORIENTIERUNG
Homosexualität gehört zur natürlichen sexuel- len Orientierung und bedarf keiner Therapie – so die eindeutige Stellungnahme des Weltärz- tebundes (DÄ 6/2014: „Variationsvielfalt jen- seits der Pathologie“ von Lieselotte Mahler).
Überfällig
Nach der politischen Entkriminalisierung durch Aufhebung des § 175 StGB jetzt die überfällige Entpathologisierung durch den Weltärztebund. Thomas Mann sagt in sei- nen späten Tagebüchern, es sei ihm „bis zur Verachtung unbegreiflich“, dass ir- gendjemand nicht gleich ihm die Schön- heit kraftvoller Männer über alles stelle.
Michael Maar zeigt 1995 in seiner sensa- tionellen Dissertation, wie Hans Christian Andersen in „Die kleine Seejungfrau“ sei- ne Homosexualität verarbeitet hat und wie sein Leidensgenosse Thomas Mann exakt die entsprechenden Textstellen sofort er- kannt und in seiner Andersen-Ausgabe an- gestrichen hat, und welche Spuren sich bis in den „Zauberberg“ verfolgen lassen.
Thomas Mann wusste, wovon die Jung- frau in Männerkleidern zu schweigen hat- te. „Männerfantasien“ finden sich von Winckelmann bis Thomas Mann, die un- terschiedlichen Reaktionen darauf eben- falls: Von Goethes Verteidigung der gleichgeschlechtlichen Liebe in seiner Winckelmann-Schrift bis zu Heinrich Hei- nes berüchtigten Invektiven gegen den ho- mosexuellen Grafen August von Platen.
Heine, der sich seiner eigenen korrekten Männlichkeit nie ganz sicher war, fand Homosexualität im gleichen Sinn anma- ßend wie den Geburtsadel. Gleichheit hieß auch: gleicher Sex für alle.
Dass Homosexualität „nie soziokulturell beeinflussbar ist“, ist umstritten. Magnus Hirschfeld zum Beispiel sieht 1904 in
„Berlins Drittes Geschlecht“ in den Athle- tenvereinen und Soldatenbündnissen Brut- stätten für Homosexualität. Ausführlich beschreibt er die berühmten Soldatenstri- che in Berlin, London und St. Petersburg.
. . . Homosexualität als „frei gewählter Le- bensstil“ zu bezeichnen, ist keine „offene Diskriminierung“, wie die Autorin meint, sondern die politisch korrekte Erklärung homosexueller Interessenverbände, nach- dem alle Versuche einer naturwissen-
schaftlichen Erklärung (Hormontheorie, Homosexuellen-Gen u. a.) gescheitert wa- ren. Homosexualität sei ein selbst gewähl- ter subkultureller Lebensstil, heißt es seit- dem. Daran schließt sich an, dass man für Kinder, insbesondere Jungen, in der Erzie- hung eine „nichtidentitäre“ Sozialisation anstreben sollte, damit ihnen in der Puber- tät die Adaption von verschiedenen Identi- täten verfügbar ist. Die Herausbildung ei- ner sexuellen Identität müsse bewusst ver- mieden werden. Zu finden in Veröffentli- chungen des Deutschen Jugendinstituts und der Heinrich-Böll-Stiftung, zu hören von progressiven Schulpädagogen.
Dr. med. Rolf Klimm, 83093 Bad Endorf
Fragen unerwünscht
Mit zunehmender Bedrückung sehe ich, wie der berechtigte Widerstand gegen tat- sächliche Diskriminierung von Homose- xuellen sich als Diktatur über das Denken und Fühlen der gesamten Bevölkerung entpuppt. Im Namen der Toleranz und Vielfalt hat jetzt jeder und jede Homose- xualität als normal, natürlich und gut zu finden. Von oben nach unten wird die Uni- form des Regenbogens angeordnet.
Ein echter Dialog, ein Abwägen, ein Fra- gen und Hören ist offensichtlich uner- wünscht.
Nein, in einer Eilpetition (warum die Ei- le?) wird eine einseitige Stellungnahme veröffentlicht und Widerspruch abge- würgt. Therapien, die Menschen mit dem Wunsch nach Veränderung begleiten, be- kommen ihre Anführungsstriche und wer- den verunglimpft; schon das Ansinnen qualifizierter Therapeuten, solche Beglei- tung anzubieten, wird verurteilt. Homose- xuell Empfindende haben sich einbahn- straßenmäßig mit ihrer Orientierung abzu- finden. Da ist Schluss mit Toleranz.
Dabei gibt es durchaus Forschungsergeb- nisse und Lebensberichte, die zeigen, dass in manchen Fällen Veränderung möglich ist. Nie wird eine Heilung versprochen – das wird nur immer wieder behauptet, um diese Therapeuten dann als Lügner ab- stempeln zu können.
Es ist keinesfalls bewiesen, dass Homose- xualität angeboren ist. Auch bei Men- schen, die sich „schon immer“ zum eige- nen Geschlecht hingezogen fühlten, sind
ENTEROBAKTERIEN
Immer häufiger werden Enterobakterien iso- liert, die eine Resistenz gegenüber Carbapene- men aufweisen (DÄ 46/2013: „Hochresistente Enterobakterien: Systematisches Screening ist notwendig“ von Christoph Lübbert, Norman Lippmann und Arne C. Rodloff).
Ergänzungen
Der Artikel weist wegen der beschränkten therapeutischen Option zu Recht auf die Gefahr von Infektionen durch Carbapene- mase-bildende Enterobakterien hin. Eben- so zu Recht wird die Notwendigkeit von Präventionsmaßnahmen betont. Hierbei wird das Screening, das heißt die Untersu- chung zur Identifikation asymptomati- scher Träger, zum Nachweis dieser Bakte- rien als eine wichtige Maßnahme heraus- gehoben.
Tatsächlich existieren in Deutschland ju- ristisch relevante Hinweise (§ 23 [3] In- fektionsschutzgesetz, §§ 5, 11 Biostoffver- ordnung) zum hygienischen Umgang mit den betroffenen Patienten und damit zur Prävention der Besiedlung und gegebe- nenfalls Infektion weiterer Patienten so- wie des medizinischen Personals in Form einer aktuellen KRINKO-Empfehlung so- wie einer demnächst aktualisiert erschei- nenden Technischen Regel für Biologi- sche Arbeitsstoffe. In der KRINKO-Emp- fehlung wird eine phänotypische und für das Alltagshandeln überaus hilfreiche Ein- teilung der multiresistenten Enterobakte- rien vorgenommen, die im Artikel von Lübbert et al. unerwähnt bleibt. Je nach- dem, ob die Enterobakterien noch emp- findlich gegen eine Substanzklasse der vier bakteriziden Erstlinientherapeutika Acylureidopenicilline + ß-Laktamaseinhi- bitor, Cephalosporine der 3. Generation,
B R I E F E
Carbapeneme und Chinolone oder durch- gängig resistent sind, werden sie als 3MRGN beziehungsweise 4MRGN Ente- robakterien bezeichnet. Carbapenemase- bildende Enterobakterien sind meist auch gegen Chinolone resistent und sind dann den 4MRGN-Stämmen zuzuordnen.
Unabhängig vom Resistenzstatus werden Enterobakterien in aller Regel über direkte oder indirekte Kontakte übertragen, so dass Standardhygienemaßnahmen (allem voran die Händehygiene) zur Übertra- gungsprävention ausreichen – wenn sie denn konsequent beachtet werden. Da die Bakterien nach einer Übertragung Patien- ten eher besiedeln als direkt infizieren, sind zudem spezifische Hygienemaßnah- men bei invasiven Handlungen zur Ver- hinderung einer endogenen Infektion strikt durchzuführen. Alle darüber hinaus ge- hende Maßnahmen wie das Screening und eine Isolierung besiedelter oder infizierter Patienten dienen einerseits der Verstär- kung der Aufmerksamkeit des Personals, andererseits der Prävention einer (in)di- rekten Übertragung zwischen verschiede-
nen Patienten in einem Raum. Nur aus dem letzten Aspekt lässt sich eine Plausi- bilitätsbegründung für das von Lübbert et al. geforderte systematische Screening ab- leiten. Dabei fehlen die tragfähigen Argu- mente zum Nutzen des Screenings auf der Basis von prospektiven Studien. Selbst für MRSA ist trotz einer ganzen Reihe solcher Studien der Nutzen des Screenings in der endemischen Situation noch umstritten, für 3MRGN und 4MRGN gibt es zu die- sem Thema solche Studien nicht. Dass hierbei für verschiedene Erreger Unter- schiede bestehen können, dokumentiert der sehr unterschiedliche Erfolg der hol- ländischen Kollegen in der MRSA- und MRGN-Prävention . . .
Das fehlende Wissen sollte Anlass geben, schleunigst Studien aufzulegen, die die Lücken schließen. Davon wird nicht nur das Problem des Screenings hinreichend geklärt, sondern auch die gesamte mikro- biologische Diagnostik profitieren.
Bis dahin kann in Ermangelung besser be- gründeter Handlungen ein Screening aus- schließlich in besonderen Risikosituatio-
nen durchgeführt werden, sprich bei Auf- nahme von Patienten auf Risikostationen (insbesondere in der Pädiatrie wegen der fehlenden Option einer Chinolontherapie), bei Ausbrüchen (die bei Kontakt-übertra- genen Erregern immer auf grundsätzliche Probleme beziehungsweise Fehler in der lokalen Hygiene hinweisen) sowie wenn die gesetzlich vorgeschriebene lokale In- fektionserregersurveillance (und nicht die asymptomatische Trägerprävalenz) ein ge- genüber der Region überdurchschnittli- ches Vorkommen oder eine innerhalb der Einrichtung ungünstige zeitliche Tendenz des Vorkommens von 4MRGN Enterobak- terien ausweist.
Literatur beim Verfasser
Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Andreas Podbielski, Institut für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene, Universi- tätsmedizin Rostock, 18057 Rostock
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