A 750 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 14|
8. April 2011AUFBEREITUNG VON MEDIZINISCHEN EINMALPRODUKTEN
Ökonomischer Nutzen umstritten
Die Aufbereitung von Einwegprodukten gilt als Kostensenker. Verlässliche Daten hierzu fehlten bislang allerdings. Ein der EU-Kommission
vorgelegtes Gutachten belegt nun Einsparpotenziale in Millionenhöhe.
D
ie Aufbereitung von ausge- wählten medizinischen Ein- malprodukten nach einem validierten Verfahren trägt zur Kostensenkung und somit zur Wirtschaftlichkeit im Krankenhaus bei. Zu diesem Schluss kommt ein Gutachten des Zentrums für Krankenhausmanagement der Universität Münster unter Federfüh- rung des Gesundheitsökonomen Prof. Dr. rer. pol. Dr. biol. hom.Wilfried von Eiff.
Anlass der Kosten-Nutzen-Be- rechnung war ein Bericht der EU- Kommission zur „Wiederaufberei- tung von Medizinprodukten“ vom September 2010. Darin heißt es, dass die ökonomischen Vorteile der Wiederaufbereitung nicht hin - reichend belegt seien. Der Bericht basiert auf Untersuchungen eines von der EU-Kommission eingesetz- ten wissenschaftlichen Ausschusses (SCENIHR), der sich mit neuen Gesundheitsrisiken befasst.
Bislang gibt es keine europä - ische Regelung zur Wiederaufberei- tung von Medizinprodukten. Viel- mehr handhaben die 27 EU-Staaten dies völlig unterschiedlich. Die EU- Kommission prüft derzeit, ob har- monisierte Vorschriften erforderlich sind. Mit dem Gutachten der Ex - pertengruppe um von Eiff soll die Notwendigkeit einer Wirtschaft- lichkeitsstudie untermauert werden.
Das Papier liegt Gesundheitskom- missar John Dalli seit Februar vor.
Die im Gutachten vorgestellte Kos- ten-Nutzen-Berechnung bezieht sich auf Ablationskatheter, die bei circa 46 000 Patienten in Deutschland und etwa 165 000 Patienten in Europa jährlich zum Einsatz kom- men. Pro Eingriff werden dem Gutachten zufolge drei bis vier Katheter benötigt.
Während ein neuer, ungekühlter RF-Ablationskatheter das Kranken- haus durchschnittlich 1 190 Euro
koste, betrage der Preis für einen auf - bereiteten Katheter je Prozedur nur etwa 450 Euro, so die Ver- fasser des Berichts.
Für Deutschland be- laufe sich das Ein- sparvolumen demnach auf etwa 16,5 Millio- nen Euro, für ganz Europa seien es circa 59 Millionen Euro. „Das Beispiel macht deutlich, dass die Wiederaufbereitung von Einmalprodukten einen entscheiden - den Beitrag zum Abbau vermeid - barer Kosten leisten kann“, meint Gesundheitsökonom von Eiff. Aller- dings dürfe dies nur für solche Pro- dukte gelten, für die ein vali diertes Wiederaufbereitungsverfahren exis- tiere. Von Eiff weist überdies darauf hin, dass aus den erzielten Kosten- senkungen Investitionen getätigt werden können, die der Volkswirt- schaft und der medizinischen Ver- sorgungsqualität zugutekommen.
Für EU-einheitliche Verfahren
Der Europaabgeordnete und Medi- zinprodukteexperte Thomas Ulmer (CDU) hält die Schlussfolgerungen von van Eiff dagegen für zu weit - reichend: „Das Gutachten ist meiner Ansicht nach einseitig und lässt kei- nen allgemeingültigen Schluss zu, dass die Wiederaufbereitung vonEinmalprodukten generell Kosten einspart.“ Ulmer fordert, sowohl ein einheitliches validiertes Verfahren zur Aufbereitung in allen 27 EU- Mitgliedstaaten als auch eine gene- relle Deklarationspflicht für wieder- aufbereitete Produkte einzuführen.
„Patienten, Ärzte und Krankenhaus- personal müssen wissen, ob das Pro- dukt neu ist oder bereits verwendet wurde“, sagt der Europaparlamenta- rier. Ferner müssten Langzeitstudien zu möglichen gesundheitlichen Ri - siken durch wiederaufbereitete Pro- dukte durchgeführt werden. Der Europäische Dachverband der Me - dizinproduktehersteller, Eucomed, warnt ebenfalls vor einer potenziel- len Patientengefährdung durch die Wiederaufbereitung. Er fordert da- her ein generelles Verbot der Wie- deraufbereitung in Europa.
Risiken nicht ausgeschlossen
Gesundheitsrisiken durch die Ver- wendung von aufbereiteten Einmal- produkten sind auch dem SCENIHR- Bericht zufolge nicht auszuschließen.Allerdings seien bislang nur Einzel- fälle beschrieben worden, in denen es zum Beispiel zu toxischen und im- munologischen Reaktionen oder Be- hinderungen gekommen sei. Die Risiken seien womöglich auch nicht größer als bei nichtaufbereiteten Produkten. „Wir haben in Deutsch- land so hohe Sicherheitsvorschriften, dass nach vorausgehender Produkt- und Risikoanalyse zur Ermittlung der Möglichkeit der Wiederaufbe - reitung, produktspezifischer Verfah- rensfestlegung und sachgerechter Aufbereitung keine erhöhte Gefahr für die Patienten besteht“, betont da- gegen Prof. Dr. Axel Kramer, Mit- glied der Expertengruppe um von Eiff. EU-Kommissar Dalli hat auf das Gutachten noch nicht reagiert. ■
Petra Spielberg Neu oder wieder-
aufbereitet? Für Medizinprodukte wie Ablationskathe-
ter fordern einige Europaparlamenta-
rier eine generelle Deklarationspflicht.
Foto: BVMed