Ärzte, Ärzte — weit über jeden Bedarf hinaus
1980 1990 2000
Berufstätige Ärzte in Tausend
Einwohner je berufstätiger Arzt
Quellen: Wissenschaftliches Institut der Ortskrankenkassen; Statistisches Bundesamt; Bundesärztekammer; IW-Berechnungen
hvd
Die Zahl der berufstätigen Ärzte ist in den vergangenen zehn Jahren um rund 40 Prozent auf knapp 140 000 gestiegen. Die Prognosen verschiedener wis- senschaftlicher Institute (unter anderem: Zentralinstitut für die kassenärztli- che Versorgung, Köln, Wissenschaftliches Institut der Ortskrankenkassen, Bonn-Bad Godesberg, und Institut für Gesundheits-Systemforschung, Kiel) haben für das Jahr 2000, wenn die Entwicklung so weiterginge, eine Verdop- pelung der Zahl der Humanmediziner auf 257 000 errechnet. Gemessen an der tatsächlichen Entwicklung der Hochschulzugänge (1981 waren es im Fach Humanmedizin 11 310!), dürfte diese Zahl zwar nicht ganz erreicht werden, doch liegt die tatsächliche Zahl von 227 000 berufstätigen Ärzten (ohne Zahnärzte) weit über dem für die Jahrhundertwende errechneten Bedarf. Bis zum Jahr 2000 werden voraussichtlich 177 000 Hochschulabgän- ger ins Berufsleben drängen. Abzüglich der aus dem Beruf ausscheidenden Ärzte bedeutet dies: Ein Arzt hätte dann in der Bundesrepublik Deutschland statistisch im Durchschnitt 249 (heute: 440) Einwohner zu betreuen iwd/DÄ
Die Information:
Bericht und Meinung NACHRICHTEN
Kongresse
der Bundesärztekammer:
Jüngere Teilnehmer
Vor hundert Jahren bestand ärztli- che Fortbildung darin, daß die Ärz- te eines begrenzten Bezirks sich am Mittwochnachmittag zusam- mensetzten und gemeinsam Zeit- schriften lasen. Die heutige Me- thode, wie sie in den Fortbildungs- kongressen der Bundesärztekam- mer praktiziert wird, ist nicht nur erheblich moderner, sie dürfte so- gar in ihrer Kombination von Vor- trag und Diskussion, wegen des engen Miteinanderlebens von Re- ferenten und Partizipanten wäh- rend zweier Kongreßwochen und der daraus entstehenden intensi- ven Kommunikation, ziemlich ein- malig sein.
So charakterisierte Professor Horst Bourmer als Vertreter des Vorstandes der Bundesärztekam- mer die Veranstaltung, die er eröffnete: den XIV. Frühjahrs-Fort- bildungskongreß der Bundesärz- tekammer und der österreichi- schen Ärztekammer in Meran. Ein Blick in den Saal vermittelte dabei den Eindruck, daß der natürliche Generationswechsel in der Ärzte- schaft auch die Teilnehmer der Fortbildungskongresse erreicht:
Man sah viele neue, jüngere Ge- sichter.
Wie immer bei diesem Meraner Kongreß gab Österreichs Ärzte- kammerpräsident Primarius Dr.
Richard Piaty Hinweise auf die ge- sundheitspolitische Entwicklung seines Landes. Hier ein paar Zah- len: Einem Ersatzbedarf von jähr- lich 500 Ärzten stehen zur Zeit jährlich 1000 Promotionen und in diesem Jahr 2800 Erstsemester gegenüber. „Wie wir dieses Pro- blem lösen sollen, wissen wir nicht."
Österreichs Krankenversicherung stehe vor dem Probiert, daß die hier zugrundeliegenden Arbeits- hypothesen — eine ständig wach- sende Wirtschaft und eine stati- sche Medizin — nicht mehr gege-
ben seien. Piaty äußerte die kon- krete Hoffnung, daß der Staat sich auf eine Basisversorgung zurück- ziehen und die Abdeckung des- sen, was unter und über dieser Basis liegt, der Eigenverantwor- tung des Bürgers überlassen wer- de (Anmerkung des Referenten: In Österreich ist ein praktizierender Arzt Gesundheitsminister).
Nur satirisch kommentierte hinge- gen Südtirols Ärztekammerpräsi- dent Dr. Leo Schuster die Lage in seinem Land: Der Meraner Kon- greß ersetze für ihn die Behand- lung in einem Gallen-Kurort. Seit der Reform des italienischen Ge- sundheitswesens gehe es den Tie- ren hier besser als den Menschen:
Sie können den Tierarzt ihres (bzw. ihres Besitzers) Vertrauens wählen, und das Kostenerstat-
tungssystem funktioniere in der Veterinärmedizin noch. Neben dem Jagdaufseher solle es in jeder südtiroler Gemeinde jetzt auch ei- nen Gesundheitsaufseher geben, man wisse nur noch nicht, wie der bewaffnet sein solle. Und zur Lage der italienischen Psychiatrie: „Wir leben in einer großen Zeit, in der alle psychiatrischen Kliniken ge- schlossen und die Menschen da- durch gleich geworden sind."
Mit dieser bissigen Bemerkung kennzeichnete Dr. Schuster die jüngste Vergangenheit. In einem der nächsten DÄ-Hefte werden al- lerdings Informationen darüber veröffentlicht werden können, wie die antipsychiatrische Psychia- triereform Professor Basaglias wieder rückgängig gemacht wer- den soll. bt Ausgabe A/B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 16 vom 23. April 1982 25