• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Forschung: Totenruhe vs. Sicherheit" (03.12.1993)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Forschung: Totenruhe vs. Sicherheit" (03.12.1993)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Seite eins

Pflegeversicherung

In der Sackgasse?

D

er Dauerstreit um die ge- plante gesetzliche Pflege- versicherung nimmt kein Ende. Nachdem die Bemühungen, im Vermittlungsausschuß zwi- schen Bundestag und Bundesrat im ersten Anlauf (am 23. Novem- ber) doch noch einen Kompromiß zu finden, gescheitert waren, gerät das ganze Projekt unter immensen Zeitdruck oder droht völlig zu scheitern.

Dennoch werden die Chan- cen einer inzwischen eingesetzten Kommission (der wievielten ?) aus 14 Vertretern der Koalitionsfrak- tionen, der SPD-Fraktion sowie der Länder und der Bundesregie- rung, das Projekt doch noch in trockene Tücher zu bringen, völlig unterschiedlich beurteilt. Der Vorsitzende der Arbeitnehmer- gruppe in der CDU/CSU-Bun- destagsfraktion, Heribert Schar- renbroich, sieht noch Spielraum.

Dagegen hat der SPD-Sozialex- perte Rudolf Dreßler bereits auf- gesteckt. Seiner Ansicht nach steckt das 30 Milliarden DM trächtige Projekt ohnedies in ei- ner Sackgasse. Eine Denkpause, ein neuer Anlauf und eine Verta- gung auf einen späteren Zeit- punkt wären dem Chef-SoPo der SPD, die für eine Pflegeversiche- rung als Volksversicherung plä- diert, gerade recht.

Bei solchen Auspizien darf gerätselt werden, ob wahltaktische Strategie dahinter steckt oder ob es ans „Eingemachte" der Opposi- tion geht. Die SPD sieht über- haupt keinen Kompensationsbe- darf der Mehrkosten zugunsten der Arbeitgeber. Aber auch sonst gibt es noch Knackpunkte: Die be- schlossene 20prozentige Kürzung der Lohnfortzahlung an zehn Fei- ertagen will die SPD nicht hinneh- men. Einen oder zwei Feiertage

zugunsten der Pflege zu opfern und eventuell nur 10 Prozent Fei- ertagslohn zu streichen, ist für die SPD auch eine Zumutung.

Die SPD will die Gesamtbe- völkerung einschließlich der Be- amten und Selbständigen in die Pflichtversicherung rekrutieren.

Auch müßte die Beitragsbemes- sungsgrenze 1 900 DM höher an- gesetzt werden, als die Koalition plant. Auch die Leistungshöhe ist der SPD zu gering und nicht mehr als eine Grundsicherung (was ge- rade die Koalition mit Rücksicht auf die Kosten und Beiträge will).

Dann ist es nur noch ein neben- sächlicher Dissens, daß die SPD für eine duale Finanzierung der Pflegeinvestitionen plädiert (Ko- alition: Monistik), um Länder und Gemeinden aus ihrer bisherigen Einstandspflicht für die Pflege/So- zialhilfe (8 Milliarden DM) nicht vorschnell zu entlassen... HC

Forschung

Totenruhe vs. Sicherheit

D

as Institut für Rechtsme- dizin der Universität Hei- delberg hat seit 1975 Crash-Tests mit Leichen durchge- führt. Etwa 150 bis 200 Körper von Erwachsenen sind bei diesen Versuchen eingesetzt worden.

Dazu kommen jene Crash-Tests mit Körpern verstorbener Kinder, über die die Bild-Zeitung berich- tet hat.

Wer sich umhört, erfährt, daß diese Versuche mit Leichen in der Fachwelt seit langem bekannt sind. Jeder Autofahrer hat die Er- gebnisse in Gestalt von „mehr Si- cherheit" im Auto genutzt — und nicht darüber nachgedacht, wel- cher Preis für die Sicherheit zu zahlen ist. Wenn jetzt jedermann peinlich berührt ist, dann ist da auch eine gute Portion Scheinhei- ligkeit mit im Spiel. Dennoch — die Bilder in der Bild-Zeitung und

die eigenen Bilder im Kopf lassen sich nicht einfach mehr beiseite schieben.

Leichen werden nicht nur bei Crash-Tests eingesetzt. Seit Jahr- hunderten dienen sie in der Ana- tomie der Forschung und der Leh- re. Die Begründung für Forschung an Leichen (und übrigens in ähnli- cher Weise für Forschungen an le- benden Tieren) ist immer die glei- che: die Toten (oder die Tiere) nützen den Lebenden. Die Quali- tät der Totenruhe ist gegenüber der Lebensqualität der Lebenden von minderer Bedeutung. Das heißt: Wenn wir wissenschaftli- chen Fortschritt und Sicherheit beim Autofahren verlangen, dann werden wir uns damit vertraut ma- chen müssen, daß auch makabre Versuche gemacht werden müs- sen. Forschung und Industrie wer- den erklären müssen, ob der Nut-

zen es rechtfertigt, die Totenruhe zu stören. Jeder, der für sich und seine Angehörigen das Beste will, hier: ein möglichst unfallfreies Le- ben, wird sodann die harte Frage, ob er auch bereit ist, den Preis zu zahlen, ehrlich beantworten müs- sen.

Der Respekt vor dem Tod, die Achtung der Totenruhe sind uns Menschen angeboren. Wenn wir daran denken, der eigene Va- ter, die eigene Frau, die Tochter würde bei Crash-Tests zugunsten der Automobilsicherheit einge- setzt, dann schaudert uns. Die El- tern der in Heidelberg verwand- ten toten Kinder haben, versichert die Universität, den Versuchen zugestimmt. Gewiß in der Hoff- nung auf den Nutzen für die Le- benden, aber bestimmt auch mit einem schalen Gefühl. Das bleibt.

Norbert Jachertz Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 48, 3. Dezember 1993 (1) A1-3181

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Wenn ab Januar 1992 das Bun- despersonenbeförderungsgesetz den Krankentransport wie geplant nicht mehr regelt, gäbe es für sämtli- che private Krankentransport- und

Überhaupt kritisierten die SPD- regierten Länder die Tatsache, daß entgegen der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern die Ko- alitionsentwürfe zustimmungsfrei konzipiert

Statt dessen soll an der Illusion festgehal- ten werden, daß die Krankenkassen auf Dauer eine hochstehende, im- mer teurer werdende Vollversorgung auf Krankenschein bieten

Auch eine dritte Konstellati- on könnte schnell aus der „Ko- alition der Gewinner" eine „Ko- alition der Verlierer" werden las- sen.. Die SPD könnte gerade in der Sozial-

Aber nicht nur im Iran, sondern in der gesamten islamischen Welt ermöglichen Internet, SMS und Twitter der jungen Generation eine Auseinandersetzung mit Politik, Reli- gion

Anmerkungen: Die Beurteilung erfolgt nach § 34 BauGB – Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile. Ausschnitt aus

Anmerkungen: Kostheim 1961/03 Plan nach dem Hessischen Aufbaugesetz, der nur Bau- und Straßenfluchtlinien festsetzt. Im Übrigen erfolgt die Beurteilung nach § 34 BauGB –

Denn unter der Bedingung signifikanter ordnungspolitscher Differenzen zwischen den ost- und westdeutschen Teilgesellschaften ist es deren Führungsgruppen nicht möglich, die Normen