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Archiv "Richtlinien für die Warteliste und für die Organvermittlung" (18.02.2000)

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Die Anzahl übertragbarer Orga- ne von Verstorbenen ist begrenzt und deckt nicht den heutigen Bedarf an Organtransplantaten. Das Transplan- tationsgesetz vom 5. November 1997 versucht daher in besonderer Weise, eine möglichst gerechte Verteilung dieser Organe zu erreichen.

Für die Vermittlung der bei toten Organspendern entnommenen Orga- ne an geeignete Empfänger bestimmt das Transplantationsgesetz, dass sie anhand von Wartelisten durch eine Vermittlungsstelle nach Regeln er- folgt, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft ent- sprechen, insbesondere nach Erfolgs- aussicht und Dringlichkeit (§ 12 Ab- satz 3 Transplantationsgesetz [TPG]).

Der behandelnde Arzt hat Patienten, bei denen die Übertragung vermitt- lungspflichtiger Organe medizinisch angezeigt ist, mit deren schriftlicher Einwilligung unverzüglich an das Transplantationszentrum zu melden, in dem die Übertragung vorgenom- men werden soll (§ 13 Absatz 3 TPG).

Die Transplantationszentren ha- ben zur Vorbereitung der Organver- teilung Wartelisten der zur Transplan- tation angenommenen Patienten zu führen und unverzüglich über die An- nahme eines Patienten zur Organ- übertragung und eine Aufnahme in die Warteliste zu entscheiden.

Diese Aufnahme in die Warteliste ist danach keine bloße unverbindliche Vormerkung, sondern nach dem Transplantationsgesetz ein formeller Akt und notwendige Bedingung für die Vermittlung eines Organs. Sie er- folgt nicht nach Belieben des Trans- plantationszentrums. Die Aufnahme- entscheidung, die den Patienten zur Transplantation zulässt oder ihm den Weg dafür verschließt, erfolgt viel- mehr anhand bestimmter vorgegebe- ner Kriterien. Sie richtet sich, wie die spätere Vermittlung eines Organs, nach Regeln, die dem Stand der Er- kenntnisse der Medizin entsprechen,

insbesondere – wie das Gesetz formu- liert (§ 10 Absatz 2 Nr. 1 und 2 TPG) – nach Notwendigkeit und Erfolgsaus- sicht einer Transplantation.

Die von den deutschen Trans- plantationszentren geführten Warteli- sten sind von der Vermittlungsstelle als eine einheitliche Warteliste für je- des Organ zu behandeln. Diese Warte- liste ist für die Vermittlungsstelle ver- bindlich, anhand der eingangs schon genannten Kriterien hat die Vermitt- lungsstelle bei ihren Entscheidungen von ihr auszugehen. Alle Patienten auf den Wartelisten sind dabei gleich zu behandeln.

Näheres über die Regeln für die Aufnahme in die Warteliste und für die Vermittlungsentscheidung enthält das Transplantationsgesetz über die genannten allgemeinen Kriterien hin- aus nicht. Es hat vielmehr der Bundes- ärztekammer in seinem § 16 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 5 die Aufgabe übertragen, für die Regeln zur Auf- nahme in die Warteliste und für die Organvermittlung den Stand der Er- kenntnisse der medizinischen Wissen- schaften in Richtlinien festzustellen.

Der Vorstand der Bundesärzte- kammer hat nach Vorbereitung durch ihre unter Berücksichtigung von § 16 Absatz 2 zusammengesetzte ständi- ge Kommission Organtransplantation am 13. November 1999 Richtlinien für Wartelisten und für die Organvermitt- lung beschlossen. Dabei hat die Ärzte- kammer drei Richtlinien für Warteli- sten und zwar je eine zur Nieren- und Nieren-Pankreas-Transplantation, zur Lebertransplantation sowie zur Herz-, Herz-Lungen- und Lungen-Trans- plantation aufgestellt. Für die Organ- vermittlung sind es fünf Richtlinien, und zwar je eine für die Nierentrans- plantation, die Lebertransplantation, die Herztransplantation, die Herz- Lungen-Transplantation, die Lungen- und die Pankreas-Transplantation.

Als Gründe für die Aufnahme in die Warteliste werden jeweils Indika- tionen für die Transplantation genannt.

Bei der Niere ist es das nicht rückbil- dungsfähige, terminale Nierenversa- gen, das zur Erhaltung des Lebens eine Dialysebehandlung erforderlich macht oder in Kürze erforderlich machen wird. Bei der Leber werden unter ande- rem Leberzirrhosen, cholestatische Le- bererkrankungen, genetische und me- tabolische Erkrankungen sowie akutes Leberversagen und bösartige Lebertu- moren genannt.

Als Indikation für eine Herztrans- plantation wird das terminale Herzver- sagen angeführt, das anhand bestimm- ter Stadien der Herzinsuffizienz und im Einzelnen genannter Befunde be- stimmt wird. Besondere Indikationen gelten für die Herz-Lungen-Transplan- tation. Alle Patienten auf der Warteli- ste sind in regelmäßigen Abständen auf ihre Transplantationseignung und -not- wendigkeit zu überprüfen.

Als Gründe für die Ablehnung ei- ner Aufnahme in die Warteliste werden Krankheiten angeführt, die einen Transplantationserfolg kurz- oder län- gerfristig gefährden, so unter anderem nicht kurativ behandelte bösartige Er- krankungen, klinisch manifeste Infekti- onserkrankungen, HIV-Infektionen, schwerwiegende Erkrankungen ande- rer Organe. Beim Herzen sind es unter anderem ferner eine akute Lungenem- bolie, fortgeschrittene irreversible Nie- ren- oder Leberinsuffizienz, bestehen- der schwerer Nikotin-, Alkohol- oder sonstiger Drogen-Abusus, unzurei- chende Compliance.

Bei der Beurteilung der Kontrain- dikationen soll stets der körperliche und seelische Gesamtzustand eines Pa- tienten gewürdigt und eingeschätzt werden. Die Abschätzung der vom Ge- setzgeber vorgegebenen Kriterien

„Notwendigkeit und Erfolgsaussicht“

kann dabei im Einzelfall außerordent- lich schwer sein, beide Charakteristika sind bei vielen Kranken mit termina- A-385

M E D I Z I N KOMMENTAR

Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 7, 18. Februar 2000

Richtlinien für die Warteliste und für die Organvermittlung

Hans-Ludwig Schreiber Axel Haverich

I. III.

II.

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lem Organversagen diskrepant. So wei- sen viele Betroffene mit einem hohen Grad der Notwendigkeit eine ausge- sprochen schlechte Prognose nach Transplantation auf und umgekehrt.

Dieser Sachverhalt weist auf den auch mit Wirksamwerden dieser Richtlinien hohen Grad der ärztlichen Verantwor- tung bei der Entscheidung zur Aufnah- me auf die Warteliste hin.

Mit der Aufnahme von „Nikotin-, Alkohol- oder sonstiger Drogen-Abu- sus“ als derzeitige Kontraindikationen wird aber auch die Verantwortung des potenziellen Organempfängers für ei- nen möglichst langfristigen Transplan- tationserfolg verdeutlicht. Diese ver- meidbaren gesundheitlichen Risiko- faktoren sollen daher vor Aufnahme auf die Warteliste abgestellt sein. Die Verantwortung gilt selbstverständlich auch für die Zuverlässigkeit bei der Einhaltung von Behandlungsrichtlini- en, Arztbesuchen und Medikamenten- einnahme (Compliance).

Weil der längerfristige Trans- plantationserfolg einschneidend ge- schmälert wird, gelten lebensbedrohli- che und nicht behandelbare Maligno- me international als Kontraindikation zur Transplantation. Derzeit gilt auch eine HIV-Infektion als Kontraindikati- on, da nach internationaler Literatur eine negative Beeinflussung des Krankheitsverlaufes unter der notwen- digen Immunsuppression nach Organ- transplantation zu erwarten ist. Für alle Transplantationen heißt es jedoch am Schluss der Richtlinien, dass diese nicht als starre Festlegung zu sehen sind, son- dern nach Beratung durch eine Ethik- kommission klinische Studien möglich sind, um den Fortschritt der Transplan- tationsmedizin zu fördern.

Um den im Gesetz genannten Al- lokationskriterien zu genügen, werden sowohl Erfolgsaussicht als auch Dring- lichkeit bei den Regeln zur Organver- mittlung anteilmäßig berücksichtigt.

Auch für diese Kriterien gilt, dass sich im Einzelfall diametrale Gegensätze ergeben können. Für die Vermittlung werden daher indizielle Kriterien in Prozentsätzen genannt, um ein ausge- wogenes Verhältnis an Transplantatio- nen bei wenig dringlichem Zustand und

großer Erfolgsaussicht und den beson- ders dringlichen Indikationen mit häu- fig jedoch schlechter Prognose nach Transplantation zu gewährleisten. Hin- zu kommt die hohe Dringlichkeit für Einzelfälle, in denen eine lebensbe- drohliche Situation vorliegt. Grundle- gende Voraussetzung ist für alle Orga- ne die Blutgruppenkompatibilität.

Bei der Niere wird der Grad der Übereinstimmung der HLA-Merkma- le mit bis zu 40 Prozent gewichtet. Die Mismatch-Wahrscheinlichkeit, das heißt die anhand der Verteilung der HLA-Merkmale in der Bevölkerung errechnete Wahrscheinlichkeit ein weitgehend in den HLA-Merkmalen übereinstimmendes Organ zu bekom- men, wird auf zehn Prozent in Ansatz gebracht. Die HLA-Übereinstimmung lässt einen längerfristigen Transplanta- tionserfolg erwarten.

Indiz für die steigende Dringlich- keit ist die Wartezeit. Sie beginnt be- reits mit dem ersten Tag der Nierener- satztherapie und wird bis zu sechs Jah- ren mit 30 Prozent bewertet. Mit 20 Prozent wird die Ischämiezeit in An- satz gebracht. Die Konservierungszeit bis zur Implantation soll wegen der bei möglichster Kürze besseren Erfolge mit diesem Faktor zur Geltung kom- men, wenn die Organübertragung in der gleichen der für die Organ- entnahme gebildeten Regionen erfol- gen kann. In Einzelfällen, in denen eine lebensbedrohliche Situation vorliegt, beziehungsweise absehbar ist, besteht eine besondere Dringlichkeit (high ur- gency). Diese Fälle sollen so gewichtet werden, dass sie innerhalb von sechs Wochen transplantiert werden können.

Für die Pankreastransplantation gilt, dass einer kombinierten Nieren- Pankreas-Transplantation Vorrang vor einer isolierten Nieren- beziehungswei- se Pankreastransplantation eingeräumt wird. Wenn beim Pankreasspender ei- ne HLA-Typisierung rechtzeitig vor- liegt, erfolgt die Allokation nach der HLA-Kompatibilität, sonst in Abhän- gigkeit von der Wartezeit.

Bei der Leber werden vier Dring- lichkeitsstufen gebildet. Die erste Stufe bilden die Fälle hoher Dringlichkeit, wenn ohne Transplantation der Tod in wenigen Tagen droht. Innerhalb der High-urgency-Patienten wird zunächst die Ischämiezeit und danach die Warte- zeit berücksichtigt. Stufe II bildet die

chronische Lebererkrankung mit aku- ter Dekompensation; in Gruppe III werden Fälle chronischer Lebererkran- kung mit, in Gruppe IV solche Erkran- kungen ohne Komplikationen einge- ordnet. Für Patienten der Stufen III und IV sollen zwei Drittel der verfüg- baren Organe zur Verfügung stehen.

Wartezeit (40 Prozent) und Konservie- rungszeit (20 Prozent) sind innerhalb der Stufen zu berücksichtigen. Für die Aufnahme in die Dringlichkeitsstufen I und II wird bei der Vermittlungsstelle eine Auditgruppe gebildet, die sich je- weils aus drei Mitgliedern verschiede- ner Transplantationszentren zusam- mensetzt und mit Mehrheit entschei- det.

Eine solche Auditgruppe besteht auch für die Allokation von thorakalen Spendeorganen (Herz sowie Herz und Lunge).

Innerhalb der High-urgency-Pati- enten wird zunächst die Ischämiezeit und danach die Wartezeit berücksich- tigt. Im Übrigen werden beim Herzen die Wartezeit mit 80 Prozent sowie die Konservierungszeit mit 20 Prozent berücksichtigt. Für jedes Organ wurde das relative Gewicht von Dringlichkeit, Wartezeit und Ischämiezeit (in Pro- zent) so vorgegeben, dass nach Umset- zung in ein Punktesystem mittels elek- tronischer Datenverarbeitung ein aus- gewogener Algorithmus zur Allokati- on entsprechend der gesetzlichen Vor- gaben „Dringlichkeit und Erfolgsaus- sicht“ zu erwarten ist.

Für die Berücksichtigung der Isch- ämiezeit ist in den Richtlinien aus- drücklich eine Überprüfung innerhalb von zwei Jahren im Rahmen der Qua- litätssicherung vorgesehen. Die Ständi- ge Kommission Organtransplantation der Bundesärztekammer hat eine gene- relle Prüfung der Richtlinien nach ei- nem Jahr beschlossen.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2000; 97: A-385–386 [Heft 7]

Anschrift der Verfasser Prof. Dr. jur. Dr. med. h.c.

Hans-Ludwig Schreiber Prof. Dr. med. Axel Haverich Ständige Kommission Organtransplantation der Bundesärztekammer

Herbert-Lewin- Straße 1 · 50931 Köln A-386

M E D I Z I N KOMMENTAR

Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 7, 18. Februar 2000 IV.

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