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Kandidatengenuntersuchungen zum Gilles de la Tourette Syndrom

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Academic year: 2021

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Aus dem Medizinischen Zentrum für Nervenheilkunde des Fachbereichs Medizin der Philipps-Universität Marburg in Zusammenarbeit mit dem Philipps-Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Marburg

Geschäftsführender Direktor: Prof. Dr. J.-Chr. Krieg Klinik für Neurologie

Direktor: Prof. Dr. W. Oertel

Kandidatengenuntersuchungen zum

Gilles de la Tourette Syndrom

I

NAUGURAL

-D

ISSERTATION

zur

Erlangung des Doktorgrades der gesamten Humanmedizin

dem Fachbereich Medizin der Philipps-Universität Marburg

vorgelegt von

Sarah Schönian aus Braunschweig

(2)

Angenommen vom Fachbereich Medizin der Philipps-Universität Marburg am: 19. Juli 2007

Gedruckt mit Genehmigung des Fachbereichs Dekan: Prof. Dr. B. Maisch

Referent: PD Dr. O. Bandmann Korreferent: Prof. Dr. K.-H. Grzeschik

(3)

Inhaltsverzeichnis I

I

NHALTSVERZEICHNIS

I Allgemeiner Teil... 1

1. Einleitung ... 1

1.1 Epidemiologie und Klinik des Gilles de la Tourette Syndroms ... 1

1.2 Pathophysiologische Überlegungen zum GTS – die Dopaminhypothese ... 7

1.3 Genetik des Gilles de la Tourette Syndroms... 9

1.3.1 Zwillings- und Familienstudien ... 9

1.3.2 Segregationsanalysen ... 10 1.3.3 Chromosomale Anomalien... 11 1.3.4 Kopplungsanalysen... 13 1.3.5 Assoziationsstudien ... 14 2. Methodik ... 18 1. Patienten ... 18 2. Methoden ... 19

2.2.1 DNA-Extraktion aus Vollblut... 19

2.2.2 DNA-Konzentrationsbestimmung und Verdünnung ... 20

2.2.3 Agarosegelelektrophorese ... 21

2.2.4 Polymerasekettenreaktion ... 22

2.2.5 Statistische Methoden... 24

II Spezieller Teil ... 28

A. Untersuchungen auf gemeinsame genetische Suszeptibiliätsfaktoren bei GTS und ADHD ... 28 1. Einleitung ... 28 1.1 Dopamin-Transporter-Gen (SLC6A3)... 30 1.2 Dopamin-ß-Hydroxylase-Gen (DßH) ... 34 1.3 Dopamin-D4-Rezeptor-Gen (DRD4) ... 35 1.4 Dopamin-D5-Rezeptor-Gen (DRD5) ... 37 1.5 DXS7-Locus ... 38 1.6 Fnu4H1-Restriktionsfragmentlängen-Polymorphismus (RFLP) im Exon 8 an Position 941 des Monoaminoxidase-A-Gens (Xp11.23-p11.4) ... 39

1.7 30bp-Repeat-Polymorphismus im Monoaminoxidase-A-Gen ... 41

(4)

Inhaltsverzeichnis II

2.1 Polymerasekettenreaktion (PCR) ... 42

2.2 Enzymverdau zur Testung auf Restriktionsschnittstellen- Polymorphismen (RSPs) ... 43

2.3 Fluoreszenz-markierte Fragmentlängenanalyse ... 45

3. Ergebnisse ... 49

3.1 ETDT zum 40bp–Repeat-Polymorphismus im SLC6A3-Gen ... 49

3.2 ETDT zum Taq1-Polymorphismus der Dopamin-β-Hydroxylase (DßH) ... 51

3.3 Der Tandemduplikations-Polymorphismus im DRD4-Gen... 52

3.4 Der (CA)n Dinucleotid-Repeat-Polymorphismus im DRD5-Gen ... 53

3.5 Dinucleotid-Repeat-Polymorphismus (DXS7-Locus) auf dem X Chromosom ... 53

3.6 ETDT zum Fnu4H1-RFLP im Monoaminoxidase-A-Gen (MAO-A) ... 53

3.7 ETDT zum MAO-A-Gen –uVNTR... 53

4. Diskussion – gemeinsame genetische Suszeptibilitätsfaktoren bei GTS und ADHD ... 53

B. HLA-DRB Genotypisierung beim Gilles de la Tourette Syndrom ... 53

1. Einleitung ... 53

1.1 Das HLA System ... 53

1.2 Immunologische Aspekte in der Pathogenese des GTS ... 53

1.3 Fragestellung ... 53

2. Methodik ... 53

2.1 HLA-DRB Genotypisierung − PCR-SSO Verfahren zur Bestimmung von HLA-DRB Allelen... 53

3. Ergebnisse ... 53

4. Diskussion – HLA-DRB Genotypisierung bei GTS-Patienten ... 53

C. Die chromosomalen Marker D2S139, D8S1988, D11S1377 als Indikatoren für mögliche Suszeptibilitätsregionen bei GTS ... 53

1. Einleitung ... 53 2. Methodik ... 53 2.1 Polymerasekettenreaktion ... 53 2.2 Fragementlängenanalyse ... 53 3. Ergebnisse ... 53 3.1 Der D2S139 Marker ... 53 3.2 Der D8S1988 Marker ... 53 3.3 Der D11S1377 Marker ... 53

4. Diskussion – Re-evaluation der Marker D2S139, D8S1988, D11S1377 bei GTS-Patienten in einer „non-inbred“ Population ... 53

(5)

Inhaltsverzeichnis III

III Abschließende Diskussion ... 53

1. Gen versus Genotyp/Umweltinteraktion ... 53

2. Der Kandidatengen-Ansatz... 53

3. Allel-Assoziationsstudien... 53

IV Schlussbetrachtung ... 53

V Zusammenfassung... 53

VI Literaturverzeichnis ... 53

Verzeichnis der akademischen Lehrer ... 53

Danksagung ... 53

(6)

Abkürzungen IV

A

BKÜRZUNGEN

ADHD Attention Deficit Hyperactivity Disorder

bp Basenpaar

DSM-III-R Diagnostic and Statistical Manual of mental disorders DNA Desoxy-Ribonukleinsäure

DAT Dopamintransporter

DßH Dopamin-Beta-Hydroxylase DNTPs Desoxynukleosidtriphosphat DRD Dopaminrezeptor

ELISA Enzyme-Linked Immunosorbent Assay ELPHA Enzyme Linked Probe Hybridization Assay ETDT Extended-Transmission-Disequilibrium-Test

FAM Fluorescein-Addition-Monomer, Carboxy-Fluorescein FITC Fluorescein-5-isothiocyanat

GTS Gilles de la Tourette Syndrom HEX Hexachlorofluorescein

HHR Haplotype Relative Risk

HHRR Haplotype-based Haplotype Relative Risk HLA Humanes-Leukozyten-Antigen

HPLC High-performance liquid chromatography kb Kilobasen

MAO-A Monoaminoxidase A

OCD Obsessive Compulsive Disorder OD Optische Dichte PCR Polymerasekettenreaktion PET Positronenemissionstomographie POD Peroxidase RFLP Restriktionsfragmentlängen-Polymorphismus RSP Restriktionsschnittstellen-Polymorphismus SNPs Single Nucleotide Polymorphism

SPECT Single Photon Emission Computed Tomography SSCP Single-Strand Conformation Polymorphism SSO Sequenzspezifische Oligonukleotid-Sonden

(7)

Abkürzungen V STOBs Child or Adult Schedule for Tourette and other Behavioural

Disorders

TDT Transmissions-Disequilibrium-Test TMB Tetramethylbenzidin

(8)

I Allgemeiner Teil 1

I A

LLGEMEINER

T

EIL

1. Einleitung

1.1 Epidemiologie und Klinik des Gilles de la Tourette

Syndroms

Im Jahre 1885 veröffentlichte Georges Gilles de la Tourette (1857-1904) einen zweiteiligen Artikel in dem er 9 französische Männer und Frauen beschrieb, die an der Erkrankung litten, die später seinen Namen tragen sollte (Gilles de la Tourette 1885; Goetz, Klawans 1982). Zuvor hatten bereits andere Autoren ähnliche Fälle beschrieben, so auch der französische Neurologe Itard, der 1825 über den Fall der Adligen Marquise de Dampierre berichtete. Dieses Mädchen entwickelte im Alter von 7 Jahren motorische und vokale Tics (Riederer et al. 2002). Gilles de la Tourette stellte mit seinem Bericht die erste vollständige und sehr anschauliche Charakterisierung der „Maladie des Tics“ dar. Die Hauptmerkmale der Erkrankung beschrieb er als sich wiederholende unkontrollierte Bewegungen und Geräusche, sowie als das Ausstoßen von unanständigen Lauten und Flüchen. Obwohl er versuchte die Erkrankungen deutlicher zu charakterisieren und von anderen Bewegungsstörungen abzugrenzen, herrschte Verwirrung über ihre Klassifizierung. Lange Zeit wurde das Gilles de la Tourette Syndrom (GTS) dem breiten Spektrum der Hysterien zu geordnet (Lajonchere et al. 1996).

Ursprünglich wurde angenommen, dass GTS relativ selten auftritt (Robertson et al. 2000). Es existieren jedoch auch höhere Prävalenzschätzungen von 299 pro 10.000 (Manson et al. 1998), die wahrscheinlich auf den unterschiedlichen Ausprägungen und dem Schweregrad der Erkrankung beruhen. Hanna et al. konnten in einer groß angelegten Studie an 1142 Schülern in Texas eine

(9)

I Allgemeiner Teil 2 Prävalenzrate von 0.7% ermitteln (Hanna et al. 1999). Derzeit gilt eine Prävalenzrate von 1/1.000 für Jungen und 1/10.000 für Mädchen als allgemein anerkannt (Klug 2003). GTS konnte in allen Kulturen, Ländern und Rassen sowie sozialen Schichten diagnostiziert werden (Staley et al. 1997; Robertson 2000).

Bis heute existiert kein klinischer oder genetischer Test als ein eindeutiges diagnostisches Kriterium des GTS. Motorische und vokale Tics sind das Hauptmerkmal dieser Erkrankung. Meist beginnen sie plötzlich einschießend, dauern nur kurz an und kehren meist einem stereotypen Muster folgend nach kurzer Zeit wieder. Die Anzahl, Frequenz, Schweregrad und Komplexität der Tics wechseln charakteristischerweise mit der Zeit („waxe and wane“). Sie können zeitweise unterdrückt werden, sind beeinflussbar, nehmen unter Stress zu und unter Ablenkung sowie unter Konzentration ab und sistieren im Schlaf (Jankovic 1997). Charakteristische Bewegungen für einfache Tics sind Augenblinzeln, Kontraktionen von Nacken- und Schultermuskeln, abrupte Kopfbewegungen (motorische Tics) sowie Schniefen, Schnarchen und Bellen (vokale Tics). Von einfachen Tics werden komplexe motorische und vokale Tics unterschieden, die vom Charakter her langsamer ablaufen und zum Teil wie beabsichtigt wirken können (Riederer et al. 2002). Beispiele für komplexe motorische Tics sind Grimassieren, Berühren von Personen oder Gegenständen und Sprünge (siehe auch Tabelle 2). Als komplexe vokale Tics können auch die neuropsychologischen Störungen Echolalie1 und Koprolalie2 beobachtet werden (Lees et al. 1984). Diese haben jedoch keine weitere Bedeutung für die Diagnosestellung und treten seltener auf.

Viele Patienten berichten vor dem Auftreten der Tics über ein Vorgefühl, das als Kribbeln oder Spannungsgefühl beschrieben werden kann oder auch mit dem Drang gleich niesen zu müssen verglichen werden kann. Mit Ausführung des Tics wird dieses Gefühl gelöst.

1 Echolalie = wörtlich oder leicht abgewandelte Wiedergabe gesprochener oder gehörter Wörter

und Sätze ohne Rücksicht auf Inhalt und Situation.

(10)

I Allgemeiner Teil 3 Tabelle 1: Beispiele für einfache motorische und

vokale Tics

Einfache motorische Tics Komplexe motorische Tics

Augenblinzeln Hand-und Armdrehen

Augenzwinkern Berührtics Grimassieren Echopraxie Kopfrucken Kopropraxie Kopfschütteln Schulterzucken Rumpftics (nach Hebebrand et al.1998)

Tabelle 2: Beispiele für komplexe motorische und vokale Tics

Einfache vokale Tics Komplexe vokale Tics

Hüsteln Schreie Räuspern Echolalie Grunzen Koprolalie Bellen Schneuzen Piepsen Summen (nach Hebebrand et al. 1998)

Für eine exakte Diagnosestellung müssen folgende, von der amerikanischen Gesellschaft für Psychiatrie entworfene DSM-IV-(Diagnostic and statistical manual of mental disorders. 4th ed. 1994) Kriterien erfüllt sein:

A. Multiple motorische Tics und mindestens ein vokaler Tic treten im Verlauf der Erkrankung auf, jedoch nicht unbedingt gleichzeitig.

B. Die Tics treten mehrmals täglich (gewöhnlich anfallsweise), entweder fast jeden Tag oder intermittierend in einem Zeitraum von über einem Jahr auf. In diesem Zeitraum gab es keine tic-freie Phase, die länger als drei aufeinander folgende Monate dauerte.

(11)

I Allgemeiner Teil 4 C. Die Störung führt zu starker innerer Anspannung oder verursacht in

bedeutsamer Weise Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.

D. Der Beginn liegt vor dem 18. Lebensjahr.

E. Die Störung geht nicht auf die direkte körperliche Wirkung einer Substanz (z.B. Stimulantien) oder eines medizinischen Krankheitsfaktors (z.B. Huntingtonsche Erkrankung oder postvirale Enzephalitis) zurück.

Das mittlere Erkrankungsalter des GTS liegt typischerweise bei 7 Jahren, wobei die Symptome häufig mit motorischen Tics beginnen. Der Beginn der vokalen Tics ist bei einem mittleren Symptombeginn von 11 Jahren etwas später (Robertson 2000). Dabei überwiegt, wie bereits von Gilles de la Tourette festgestellt, das männliche Geschlecht mit einem Verhältnis von 3-4:1.

Differentialdiagnostisch ist das GTS von drei weiteren Tic-Störungen, die im DSM-IV, dem amerikanischen Klassifikationssystem für psychiatrische Erkrankungen, beschrieben sind, zu unterscheiden. Bei diesen handelt es sich um chronische Tic-Störungen, transiente Tic-Störungen und „nicht näher bezeichnete Tic-Störungen“. Im Rahmen von chronischen Tic-Sörungen kommen entweder nur motorische oder nur vokale Tics vor, die wie beim GTS über ein Jahr hinweg persistieren müssen. Dagegen werden Tic-Störungen, die nur wenige Monate bestehen als transiente Tic-Störungen bezeichnet. „Nicht näher bezeichnete Tic-Störungen“ umfassen solche Tic-Störungen, die sich nach dem 18. Lebensjahr manifestieren. Darüber hinaus ist das GTS auch von anderen Bewegungsstörungen abzugrenzen, die mit einer tic-ähnlichen Symptomatik einhergehen können. Zu nennen sind hier Dystonien, die jedoch kontinuierlicher auftreten, meist langsamer ablaufen und in der Regel nicht unterdrückbar sind. Auch gehört die Chorea Huntington zu den Differentialdiagnosen des GTS, die Bewegungsstörung tritt jedoch hauptsächlich kontinuierlich auf. Schließlich kann eine tourette-ähnliche

(12)

I Allgemeiner Teil 5 Symptomatik auch symptomatisch als Folge eines zerebralen Insults, einer Enzephalitis oder eines Schädel-Hirn-Traumas auftreten (Riederer et al. 2002). Die Definition des GTS ist in verschiedener Hinsicht problematisch, insbesondere da der Schweregrad nur unzureichend spezifiziert ist (Hebebrand et al. 1998, Klug 2003). So werden leichtere Verlaufsformen von Außenstehenden und sogar vom ausgebildeten Personal kaum bemerkt. Demgegenüber ist die volle Ausprägung des GTS ein sehr schweres, das tägliche Leben stark beeinträchtigendes Krankheitsbild.

Charakteristisch für das GTS ist seine Komorbidität mit anderen neuropsychiatrischen Erkrankungen. So wurde neben Zwangsstörungen (OCD = Obsessive-compulsive disorder), einem hyperkinetischem Syndrom (im angelsächsischen Sprachgebrauch „attention deficit/hyperactivity disorder“ = ADHD), Depressionen, Angststörungen und Persönlichkeitsstörungen (Robertson 2000) auch Autismus unter Tourette-Patienten beschrieben (Singer 2000). Insgesamt weisen nur etwa 11-12% der GTS Patienten keine Assoziationen mit weiteren psychiatrischen Erkrankungen auf (Freeman et al. 2000).

Tabelle 3: Häufigkeiten der Komorbiditäten bei GTS Assoziierte Krankheit Häufigkeit

ADHD 50-75% Zwangsstörungen 30-65%

Lernschwierigkeiten 23-24% Affektive Störungen 20-23%

Angststörungen 19% (nach Riederer et al. 2002)

Das genaue Verhältnis von GTS und assoziierten Erkrankungen ist unklar, es trägt jedoch dazu bei, dass sich das klinische Bild von GTS sehr variationsreich darstellt und die Diagnosestellung durch die unterschiedlichen Komorbiditäten zusätzlich erschwert wird.

(13)

I Allgemeiner Teil 6 Das GTS wird als lebenslange Erkrankung angesehen, dennoch ist sein Verlauf sehr variabel. Er wird geprägt durch das Auftreten neuer und das Verschwinden alter Tics. Daneben können tic-freie Phasen auftreten, deren Dauer unterschiedlich lang sein kann. Leckman et al. konnte zeigen, dass der Höhepunkt des Ticschweregrades im Alter zwischen 8 und 12 Jahren liegt, dem anschließend eine stetige Symptomabnahme folgt. Der Beginn der Symptome in der Pubertät, sowie ihr Schweregrad konnten jedoch keinen Hinweis über den Verlauf und den Schweregrad der Tics im weiteren Krankheitsverlauf geben (Leckman et al. 1998).

Die pharmakologische Behandlung des GTS ist nach der Schwere der Symptome und ihrer funktionellen Beeinträchtigung für den Patienten ausgerichtet. Keine der bis heute erhältlichen Therapien ist kurativ, sondern nur symptomatisch, wobei ein Teil der Patienten, insbesondere solche mit einem komplexen Symptomspektrum, gar nicht auf eine Therapie ansprechen. Aus diesen Gründen und aufgrund der regelmäßig auftretenden Nebenwirkungen, ist eine pharmakologische Therapie gut abzuwägen. Die gängigsten Pharmaka der Therapie motorischer und vokaler Tics sind klassische Neuroleptiker wie Pimozide, Haloperidol, Sulpirid und Tiaprid, die unter anderem D2-Rezeptoren blockieren. Auch finden atypische Neuroleptiker, wie Risperidon und Clozapin, ihren Einsatz. Daneben existieren Therapiestudien mit unterschiedlichsten Substanzen wie D1-D3 Rezeptoragonisten (Pergolid), Cannabinoiden, Baclofen und Botulinumtoxin, die alle einen positiven Einfluss auf die Ticsymptomatik zeigen, jedoch immer nur eine geringe Patientenzahl einschliessen (Singer 2000; Robertson 2000).

Insgesamt ist die Behandlung des GTS multidisziplinär ausgerichtet. Sie umfasst neben der medikamentösen Behandlung eine intensive Betreuung der Patienten im Rahmen von psychologischen Therapien, wie Entspannungstechniken, Biofeedbackverfahren und kognitiven Therapie-ansätzen (Klug et al. 1999).

(14)

I Allgemeiner Teil 7

1.2 Pathophysiologische Überlegungen zum GTS – die

Dopaminhypothese

Gilles de la Tourette nahm an, dass kein pathophysiologisches Korrelat für GTS existiert. Die komplexe Klinik des GTS erleichtert keinen eindeutigen Schluß auf die neuroanatomischen Lokalisationen, die bei GTS beteiligt sein könnten. Als Ursache des GTS werden unter anderem Funktionsstörungen im Bereich der Basalganglien und/oder des cerebralen Cortex angenommen. Diese Annahmen basiert auf dem Wissen, dass die Basalganglien wesentlich an der Initiation von Willkürbewegungen beteiligt sind. Darüber hinaus stellen bekannten Bewegungsstörungen, wie das Parkinson Syndrom und die Chorea Huntington, Beispiele dar, in deren Pathogenese Störungen der Basalganglien eine wesentliche Rolle spielen. Tierexperimente in deren Rahmen gezielte Läsionen in den Basalganglien stereotypen Bewegungen zur Folge haben, geben weitere Hinweise auf eine Beteiligung der Basalganglien in der Pathogenese des GTS. Volumetrische MRT Untersuchungen können Größenunterschiede im Putamen und der lentikulären Region bei GTS Patienten im Vergleich zu Kontrollen feststellen (Singer 1994). PET und SPECT Analysen bei GTS Patienten deuten ebenfalls Funktionsstörungen im Bereich der Basalganglien an. So ist der cerebrale Blutfluss im Bereich der Basalganglien und des Frontallappens bei GTS Patienten reduziert (Singer 1994).

Veränderungen im Bereich neuronaler Transmissionsmechanismen, insbesondere Veränderungen oder Läsionen im Dopaminsystem, werden ebenfalls als pathophysiologisches Korrelat für GTS angesehen.

Die Dopaminwirkungen im ZNS sind vielfältig: unter anderem Steuerung der extrapyramidal-motorischen Abläufe, Vermittlung des Brechreizes in der Area postrema, Hemmung der Prolaktinfreisetzung im Hypophysenvorderlappen. Weiterhin ist seine spezifische Wirkung von seinen entsprechenden Dopaminrezeptoren abhängig, die unterschiedlich im ZNS verteilt sind.

(15)

I Allgemeiner Teil 8 Die größte dopaminerge Zellgruppe ist die Pars compacta der Substantia nigra. Sie ist in das Verschaltungssystem derjenigen Hirnzentren eingebunden, die die Motorik beeinflussen. Damit ist sie an der Kontrolle und Modulation von Bewegungsimpulsen und –abläufen wesentlich beteiligt.

Weitere Gruppen dopaminerger Neurone finden sich in kleinen Kernen des Mesencephalons und des Diencephalons. Die Aufgabe dieser Zellgruppen besteht im Diencephalon unter anderem in der Regulation endokriner sowie anderer vegetativer Abläufe. Gruppen mesencephaler dopaminerger Neurone haben Projektionen in das limbische System. Dort scheinen sie bei der Beeinflussung psychischer Vorgänge eine Rolle zu spielen (Trepel 1995).

Vom Cytoplasma aus wird Dopamin durch vesikuläre Monoamintransporter in synaptischen Vesikeln transportiert, bevor es auf entsprechenden Reiz hin über die Nervenendigung ausgeschüttet wird.

Fünf verschiedene Dopamin Rezeptoren (D5) werden unterschieden. D1-ähnliche Rezeptoren (D1 und D5) üben ihre Wirkung aus indem sie die Adenylatzyklase via G-Proteine stimulieren. Dagegen inhibieren D2-ähnliche Rezeptoren (D2A, D2B, D3 und D4) die Adenylatzyklase mittels G-Proteinen. Der Dopaminabbau erfolgt durch Wiederaufnahme des Dopamins in die Nervenendigung via spezieller Transporter. Das intrazelluläre Dopamin wird durch die Monoaminoxidase (MAO) zu Homovanillin-Mandelsäure oxidativ desaminiert3. Extrazelluläres Dopamin wird mittels der Catecholamin-O-Methyltransferase (COMT) methyliert.

Die Dopaminhypothese bei GTS nimmt an, dass ein Überangebot von Dopamin besteht oder GTS auf Grund von überempfindlichen post-synaptischen Dopaminrezeptoren (zunehmende Anzahl oder erhöhte Affinität) entsteht. Eine weitere Hypothese schlägt eine Dopaminüberinnervation im Striatum von GTS Patienten vor. Diese Hypothese basiert auf Untersuchung an postmortalem Gehirngewebe von GTS Patienten, hier konnte eine signifikant vermehrte Anzahl von striatalen präsynaptischen Dopamintransportern festgestellt werden (Singer 1991; Singer 1994).

3 Desaminierung = Abspaltung von NH

3 aus Aminen durch Elemination, Oxidation oder

(16)

I Allgemeiner Teil 9 Weitere Faktoren, die Dopamin mit der Pathophysiologie von GTS in Zusammenhang bringen sind unter anderem die therapeutischen Effekte von D2-Rezeptor-Antagonisten, wie Haloperidol und Fluphenazin in der Therapie des GTS, sowie die Reduktion der Tics durch Substanzen, die die Dopaminsynthese blockieren oder eine Akkumulation von Dopamin in präsynaptischen Speichervesikeln verhindern. Dagegen führen Substanzen, die eine Zunahme der dopaminergen Aktivität veranlassen (L-Dopa, Amphetamine) zu einem Tic-Ausbruch. Weiterhin kommt es zu einem Wiederauftreten von Tic´s nach Absetzen der Neuroleptika.

Aus den hier dargestellten Gründen könnten Veränderungen im Dopaminstoffwechsel bzw. an Dopaminrezeptoren und -transportern zum Ausbruch des GTS führen.

1.3 Genetik des Gilles de la Tourette Syndroms

Bereits Gilles de la Tourette selbst erkannte den erblichen Charakter der Erkrankung. Unterstützt wird diese Annahme vor allem durch Ergebnisse von Zwillings- und Adoptionsstudien, durch Untersuchung großer Familien mit klar erblichem GTS, sowie durch epidemiologische Studien. Darüber hinaus geben molekular- und zytogenetische Befunde Hinweis auf die Beteiligung genetischer Faktoren bei der Entstehung des GTS.

1.3.1 Zwillings- und Familienstudien

Zwillingsstudien bei GTS zeigten eine Konkordanzrate von 50-70% bei monozygoten (MZ) Zwillingen verglichen mit 10% bei dizygoten (DZ) Zwillingen. Wurden chronische Tic-Störungen in die Untersuchung mit eingeschlossen erhöhten sich die Konkordanzraten auf 75-95% bei MZ, dagegen aber nur auf etwa 20% bei DZ (Alsobrook und Pauls 1997). Sechs Familienstudien konnten zeigen, dass GTS familiär gehäuft auftritt (Pauls 2003) und unter Berücksichtigung chronischer Tic-Störungen insgesamt einem autosomal-dominantem Erbgang zu folgen scheint (Alsobrook und Pauls 1997). Zudem zeigten die meisten epidemiologischen Studien, dass auch GTS außerhalb dieser großen Familien familiär gehäuft auftritt. Die Analysen von Hebebrand et

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I Allgemeiner Teil 10 al. belegten dies, demnach weisen 10% der Väter und 4% der Mütter von jungen GTS-Patienten selbst ein GTS auf (Hebebrand et al. 1997).

1.3.2 Segregationsanalysen

Segregationsanalysen sind statistische Verfahren die den Vererbungsmodus einer Erkrankung identifizieren sollen. Initial wurde angenommen, dass ein einziger genetischer Locus an der Entwicklung von GTS beteiligt ist. Der durch mehrere Studien favorisierte autosomal-dominante Erbgang von GTS konnte durch Seuchter et al. nicht bestätigt werden (Seuchter et al. 2000).

Nachfolgende Untersuchungen zeigten, dass dem GTS ein weitaus komplexeres Vererbungsmuster zu Grunde zu liegen scheint. Demnach wird ein gemischter Vererbungsmodus, bestehend aus einem Hauptlocus in Kombination mit einem multifaktoriellen Hintergrund angenommen. Der Hauptlocus und die genetischen Suszeptibilitätsfaktoren scheinen intermediär vererbt zu werden. Dies würde bedeuten, dass bei heterozygoten Genträgern die Krankheit mit einer bedeutend geringeren Wahrscheinlichkeit ausbricht, als bei homozygoten Genträgern, bei denen die Erkrankung so gut wie immer zum Ausbruch kommen würde (Hasstedt et al. 1995; Walkup et al. 1996).

Basierend auf der Beobachtung, dass GTS/Ticstörungen sowohl gehäuft auf mütterlicher als auch auf väterlicher Seite von Indexpatienten auftreten, wurden GTS-Familien auf eine bilineale Vererbung hin untersucht. Dieser Vererbungsmodus geht davon aus, dass von beiden familiären Seiten ein Beitrag zur Ausprägung der Erkrankung geliefert wird und würde einen rezessiven oder polygenetischen Erbgang implizieren (Singer 2000). Beobachtet werden konnte, dass der Schweregrad der Erkrankung höher war wenn beide Elternteile eines GTS-Patienten erkrankt waren (Kurlan et al. 1994). Zusätzlich wurde der Einfluss des elterlichen Geschlechts auf die Ausprägung der Erkrankung beim Kind diskutiert. Das Phänomen des „genomic imprinting“ beinhaltet, dass die Expression eines Gens vom Geschlecht des Elternteils abhängt, das sein Allel an das Kind weitergibt. Lichter et al. konnten demzufolge feststellen, dass eine Vererbung mütterlicherseits bei den Indexpatienten ein größere Komplexität der motorischen Tics zeigte, eine Vererbung väterlicherseits war assoziiert mit zunehmenden vokalen Tics, einem

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I Allgemeiner Teil 11 früheren Beginn der vokalen Tics im Verhältnis zu den motorischen und bedeutend ausgeprägteren ADHD-Verhaltensstörungen (Lichter et al. 1995). Eapen et al. konnten einen früheren Krankheitsbeginn beobachten, wenn GTS von mütterlicher Seite her vererbt wurde (Eapen et la.1997).

Auch wenn diese Aspekte keinen eindeutigen Hinweis auf die Entstehung von GTS liefern, deuten sie doch an, dass das Geschlecht des Elternteils, welches die Krankheit beziehungsweise ein Suszeptibilitätsallel vererbt, Einfluss auf den Phänotyp von GTS haben könnte.

1.3.3 Chromosomale Anomalien

Auch wenn die meisten GTS-Patienten unauffällige Karyotypen aufweisen, (Robertson und Trimble 1993) existieren einige Befunde über chromosomale Aberrationen, die ebenfalls eine genetische Komponente bei GTS vermuten lassen und darüber hinaus einen Schlüssel in Bezug auf die Lokalisation eines GTS-Gens liefern könnten. So wurde ein Patient mit GTS beschrieben, der eine de novo Duplikation auf dem langen Arm des Chromosomen 7 trägt (dup (7)(q22.1-31,1). Die Sequenzierung des 7q31 Bruchpunktes ergab, dass die „Wiederanordnung“ innerhalb eines neuen Gens namens „inner mitochondrial membrane peptidase 2-like“ (IMMP2L), - benannt nach dem gleichartigen Gen IMMP2 in Hefezellen - statt fand (Petek et al. 2001). Interessanterweise sind mitochondriale Proteine mit dem Auftreten neurodegenerativer Erkrankung assoziiert, beispielsweise mit der Friedreich Ataxie (Graeber und Muller 1998; Leonard und Schapira 2000), auch wird ihre Beteiligung an neuropsychiatrischen Erkrankungen angenommen (Whatley et al. 1996).

Neben diesem Befund wurden die folgenden Translokationen beschrieben: 7;18 (t(7;18)(q22; 22.3) und 1;8 (t(1;8)(q21.1;q22.1) (Boghosian-Sell et al. 1996; Matsumoto et al. 2000). Letztere hat ihren Bruchpunkt mit 8q22.1, genau in dem Bereich, in dem Marker in deutlicher Assoziation mit GTS in einer afrikanischen Population gefunden worden waren. Kopplungsanalysen in anderen GTS-Familien ergaben jedoch negative Befunde für Marker, die in diesen Regionen lokalisiert sind. Patienten mit zytogenetischen Aberrationen zeigten außer GTS zusätzlich andere Störungen. Alle Patienten hatten

(19)

I Allgemeiner Teil 12 unterschiedlich ausgeprägte dysmorphe Zeichen und waren zum Teil auch mental retardiert.

Gerike et al. beschrieben eine allgemein erhöhte Brüchigkeit der Chromosomen von GTS-Patienten (Gerike et al. 1995; Gerike et al. 1996). Diese Befunde wurden jedoch bisher von keiner anderen Arbeitsgruppe überprüft.

Erst kürzlich identifizierten Abelson et al. einen Patienten mit GTS und ADHD der eine de novo Inversion auf Chromosomen 13 [inv(13) (q13.1;q33.1)] besaß. Die Inversion führte zur Identifikation einer Mutation in einem Gen, genannt „Slit and Trk-like family member 1“ (SLITRK1). Das Gen SLITRK1 wird unter anderem im Cortex, Hippocampus sowie den Basalganglien exprimiert, Regionen die an der Entstehung von GTS beteiligt zu sein scheinen. SLITRK1 kodiert für ein Transmempranprotein mit zwei leuzinreichen repetitiven Motiven in seiner extrazellulären Domäne.

174 weitere GTS-Patienten wurde anschließend auf eine Mutation im SLITRK1-Gen untersucht. Ein Patient mit GTS und ADHD wurde gefunden bei dem eine Ein-Basenpaar Deletion in der kodierenden Region zu einer Rasterverschiebung führte. Daraus resultierte ein verkürztes und somit funktionsloses Protein. In einer Analyse von 3600 Kontroll-Chromosomen konnte die Mutation nicht gefunden werden.

Darüber hinaus konnten zwei weitere nicht verwandte GTS-Patienten mit einer Mutation in der Nähe von SLITRK1 gefunden werden, die zu einer Veränderung der Bindungsstelle für ein kurzes mRNA Molekül führte. In Kontroll-Chromosomen zeigte sich diese Variante nicht.

Schließlich wurde der Einfluss von SLITRK1 sowie der Rastermutation auf neuronales Wachstum untersucht. Festgestellt werden konnte, dass SLITRK1 das Wachstum von Dendriten zu fördern scheint und die Rastermutation wahrscheinlich zu einem Verlust dieser Funktion führt (Abelson et al. 2005).

Für die Identifizierung eines Suszeptibilitätsgens für GTS wurden bisher zwei Methoden favorisiert: Kopplungsanalysen und Assoziationsstudien.

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I Allgemeiner Teil 13 Kopplungsanalysen haben das Ziel Gene von unbekannter Lokalisation ausfindig zu machen und Vererbungsmuster innerhalb von Familien zu identifizieren. Eine Kopplung beschreibt die Tatsache, dass Gene oder andere DNA-Sequenzen aufgrund ihrer räumlichen Nähe gemeinsam vererbt werden. Kopplung bezieht sich nicht auf bestimmte Allele, sondern auf Genloci. Es wird untersucht, ob innerhalb einer Familie ein genetischer Marker4 überzufällig häufiger mit einer Erkrankung vererbt wird. Es werden sogenannte modellbasierte von modelfreien Kopplungsanalysen unterschieden. Ersteren liegt ein bestimmtes Vererbungsmodell zugrunde, dagegen ist bei Letzteren keine Spezifikation des genetischen Modells notwendig.

Assoziationsstudien stellen eine Alternative zur Kopplungskartierungen in Familien dar. Eine Assoziation bezeichnet das gleichzeitige Vorkommen von Allelen an verschiedenen Genloci. Ziel ist herauszufinden, ob eine statistische Assoziation zwischen einer Krankheit und einem genetischen Marker besteht. Dabei wird die Häufigkeit des genetischen Markers (Allel) unter Patienten und Kontrollen verglichen. Wird eine Assoziation beobachtet, kann vermutet werden, dass eine Beziehung zwischen dem genetischen Marker und dem möglichen Krankheitsgen besteht.

1.3.4 Kopplungsanalysen

Alle bisher durchgeführten Kopplungsanalysen wurden in Kooperation mit den Mitgliedern des Tourette Syndrome Association (TSA) International Consortiums durchgeführt. Insgesamt konnten 31 Familien und 800 Markerloci untersucht werden. Unter der Annahme, dass es sich bei GTS um eine genetisch homogene Erkrankung handelt, die genetischen Parameter, die aus den Segregationsanalysen entnommen wurden, korrekt waren und alle chronischen Tic in Zusammenhang zu GTS stehen, konnten mehr als 95% des Genoms ausgeschlossen werden (Pauls 2003).

4 Ein genetischer Marker ist eine polymorphe DNA oder eine Proteinsequenz, die von einem

(21)

I Allgemeiner Teil 14 Im Gegensatz zu Kopplungsanalysen in Familien scheint der Einsatz betroffener Geschwisterpaare vielversprechender zu sein, da diese Methode keine Annahmen über den zugrunde liegenden Vererbungsmodus erfordert. So führte die TSA die erste systematische genom-weite Kopplungs-Analyse mit polymorphen Markern in 76 Familien mit 110 betroffen Geschwisterpaaren (sib-pairs) durch (TSA 1999). Leider blieb diese Untersuchung jedoch erfolglos. Lediglich zwei Regionen (4q und 8p) zeigten „multipoint maximum-likelihood scores (MLS) von > 2.0 eine leichte Tendenz, doch erreichten sie keine statistische Signifikanz; d.h. MLS >3.0. Daneben führten Barr et al. einen Genom-Scan in sieben Familien durch, wobei zwei Regionen (19q13.3 und 5p13-q11.2) ein interessantes Ergebnis ergaben (Barr et al. 1999).

Ein weiterer Genom Scan wurde von Simonic et al. in einer isolierten südafrikanischen Population von GTS-Patienten durchgeführt. Es konnte eine statistisch signifikante Assoziation zu einigen chromosomalen Markern (p<10-2– 10-5) ausgemacht werden (Simonic et al. 1998; Simonic et al. 2001).

Mérette et al. führten eine Kopplungsanalyse in einer großen französisch-kanadischen Familie mit 127 Mitgliedern durch. Insgesamt waren 20 Familienmitglieder definitiv an GTS erkrankt, 20 weitere Mitglieder hatten andere Ticstörungen. Unter Annahme einer autosomal-dominantem Vererbung von GTS konnte eine genom-weite Untersuchung mit Einsatz von rund 25 Markern eine Kopplung zu 11q23 mit einem LOD-Wert5 von 3.24 identifizieren (Mérette et al. 2000). Interessanterweise handelte es sich hier um einen der Marker, der auch bei Simonic et al. ein signifikantes Ergebnis erbrachte.

1.3.5 Assoziationsstudien

Assoziationsstudien wurden bisher hauptsächlich in Form von Kandidatengen-untersuchungen6 durchgeführt.

Als eines der ersten Kandidatengene wurde unter anderem das DopaminD2 -Rezeptor (DRD2) Gen untersucht. Comings et al. postulierten, dass der DRD2-

5 Lod-Wert = ein Maß für die Wahrscheinlichkeit einer genetischen Kopplung zwischen zwei

Loci. Ist der Wert größer als +3, wird das oft als Kopplung interpretiert. Ein Wert –2 gilt meist als Beleg dafür, dass die beiden Loci nicht gekoppelt sind (Strachan und Read 1996).

6 Kandidatengene sind Gene, die aufgrund ihrer bekannten Eigenschaft als potentieller Locus

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I Allgemeiner Teil 15 Gen Locus als ein Suszeptibilitätsgen an der Expression von GTS beteiligt zu sein scheint. In einer einfachen Fall-Kontroll-Studie konnte eine signifikante Assoziation zwischen GTS und dem A1 Allel des Taq I Restriktionsfragment-längen-Polymorphismus (RFLP) am DRD2-Gen Locus festgestellt werden. Das Allel A1 wurde an 45% der GTS Patienten weitergegeben, im Vergleich zu 25% bei den Kontrollen (Comings et al. 1991). Nöthen et al. überprüften diese Untersuchung in 61 Familien bestehend aus einem erkrankten Kind und zwei nicht-erkrankten Elternteilen, das Ergebnis konnte nicht repliziert werden, das Allel A1 wurde in beiden Gruppen gleich häufig weiter weiterverebt (0.22) (Nöthen et al. 1994).

Grice et al. untersuchte den Dopamin-D4-Rezeptor (DRD4) Gen Locus auf ein Kopplungsungleichgewicht zwischen dem 7R Allel eines Variable Number of Tandem Repeat Polymorphismus (VNTR) in Exon 3 des Gens und GTS. Tatsächlich wurde das 7R Allel überzufällig häufig von Eltern an erkrankte Kinder vererbt (p < 0.002 ) Grice et al. schloss daraus, dass der DRD4-Gen Locus ein Susceptibilitätsgen für GTS darstellt oder in einem Kopplungsungleichgewicht mit einem anderen unbekannten Susceptibilitäsgen steht (Grice et al. 1996). Hebebrand et al. überprüfte daraufhin diesen Befund in einer weiteren Assoziationsstudie an 4 Polymorphismen am DRD4-Gen Locus. Er untersuchte auch den VNTR Polymorphismus in Exon 3. Die Studie wurde an 102 GTS-Trios, bestehend aus einem erkrankten Kind und zwei nicht-erkrankten Elternteilen durchgeführt. Keiner der zwei-seitigen Transmissions Disequilibrium Tests (TDT)7 der untersuchten Polymorphismen ergab p-Werte < 0.05. Für das 7R Allel waren 58 Eltern heterozygot, 32 Mal wurde es an die erkrankten Kinder weitergegeben und 26 nicht weitervererbt (Hebebrand et al. 1997).

Cavallini et al. untersuchten eine Val-158-Met Substitution im Catecholamin-O-Methyltransferase (COMT) Gen bei 52 GTS-Patienten sowie 63 gesunden Kontrollen.

7 TDT-Test = Familien werden ausgewählt, in denen erkrankte Probanden mindestens einen für

Allel M1 heterozygoten Elternteil haben. Verglichen werden die weitergegebenen und nicht weitergegebenen elterlichen Allele.

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I Allgemeiner Teil 16 Die Val-158-Met Substitution hat eine besondere Bedeutung, da dieser Polymorphismus mit einer drei bis vierfach niedrigeren COMT-Enzymaktivität einher geht. Die Folge davon ist, dass Personen die homozygot für die Val-58-Met Substitution sind, niedrigere COMT-Spiegel aufweisen und folglich daraus eine höhere L-Dopa-Konzentration im Gehirn resultiert. Interessanterweise konnten bei Zwangsstörungen überzufällig viele homozygote Personen für die Val-158-Met Subsititution festgestellt werden. Zwangsstörungen sind mit GTS assoziiert. Ein Assoziation zwischen dem COMT Polymorphismus und GTS konnte jedoch nicht festgestellt werden (p = 0.878). In biochemischen Studien konnten erniedrigte Serotoninspiegel und sein Metabolite in subkortikalen Gehirnregionen von GTS-Patienten beobachtet werden. Im Rahmen der Studie von Cavallini et al. wurde auch ein 44-bp Insertions/Deletions-Polymorphismus innerhalb der Promotorregion des Serotonintransportergens untersucht. Der Polymorphismus hat eine niedrigere Transkriptionsrate für den Serotoninrezeptor (5-HTT) zur Folge. Auch bei diesem Polymorphismus konnte keine Assoziation zu GTS festgestellt werden (Cavallini et al. 2000).

Der spezielle Teil dieser Dissertation gliedert sich in drei Abschnitte. Der erste Teil, Kapitel A., untersucht gemeinsame genetische Susceptibilitätsfaktoren bei GTS und ADHD. Von allen psychiatrischen Erkrankungen, die in Komorbidität mit GTS auftreten, ist ADHD eine der Häufigsten. Molekurargenetische Untersuchungen bei ADHD konnten deutliche Assoziationen zwischen einigen Polymorphismen und ADHD festgestellt. Die klinischen Beobachtungen legen gemeinsame genetische Grundlagen nahe. Da bisher noch keine Studie existiert, die gemeinsame genetische Susceptibilitätsfaktoren bei GTS und ADHD untersucht hat, werden die Polymorphismen, die bei ADHD eine deutliche Assoziation zeigten, in der vorliegenden Arbeit bei GTS auf eine Assoziation überprüft.

Im zweiten Teil, Kapitel B., wurde eine HLA-DRB Genotypisierung bei GTS-Patienten und ihren Eltern vorgenommen. In der Literatur sind Fälle beschrieben, die über den Ausbruch von Ticstörungen und GTS im Anschluss

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I Allgemeiner Teil 17 an eine Streptokokkeninfektion berichten. Darüber hinaus konnten bei einigen Patienten Antinukleäre-Antikörper gegen den Nucleus caudatus nachgewiesen werden. Die Moleküle des Humanen Leukozyten Antigen Systems (HLA-System) sind entscheident für die Entwicklung einer effektiven Immunantwort. Bei einer ganzen Reihe von Autoimmunkrankheiten konnte eine Assoziation zu einem oder mehreren HLA-Allelen beobachtet werden. Um eine mögliche Beteilungen des Immunsystems in der Pathogenese des GTS zu untersuchen, wurde das Humane Leukozyten Antigen System ausgewählt und eine HLA-DRB-Genotypisierung bei GTS-Patienten vorgenommen.

In einer isolierten afrikanischen Population konnte eine Assoziation zwischen chromosomalen Markern und GTS festgestellt werden. Bisher wurden die Relevanz dieser Ergebnisse noch nicht in einer typisch deutschen gemischten Population überprüft. Der dritte Teil untersucht daher diese chromosomalen Marker in einer deutschen Population von GTS-Patienten.

Im Folgenden wird die allgemeine Methodik, die im Rahmen jeder Untersuchung angewendet wurde, dargestellt.

(25)

I Allgemeiner Teil 18

2. Methodik

1. Patienten

Es wurden 87 Patienten mit Gilles de la Tourette Syndrom (GTS) sowie ihre Eltern durch die Abteilungen für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universitätskliniken Frankfurt/Main, Köln, Mannheim und Marburg in den Jahren 1991-1994 rekrutiert (German collaborate TS research group). Patienten mit bekannten Tics wurden durch ihre Hausärzte kontaktiert. Sie führten Familienstudien durch und evaluierten diese entsprechend den DSM III-R8 Kriterien für GTS. Das mittlere Alter der Patienten betrug 13.9±4.8 Jahre. 24 Patienten waren jünger als 10 Jahre und 9 Patienten waren älter als 20 Jahre. Das mittlere Erkrankungsalter der Patienten lag bei 6.3±2.6 Jahren.

DSM-III-R Kriterien wurden eingesetzt um GTS und Zwangsstörungen bei Patienten und ihren Familienmitgliedern zu diagnostizieren. Weiterhin basierte die Diagnosestellung auf der neurologisch-psychiatrischen Untersuchung der Patienten, erhältlichen Krankenakten sowie den Ergebnissen der deutschen Version des „Child or Adult Schedule for Tourette and other Behavioural Disorders“ (STOBs, zur Verfügung gestellt durch Prof. D. Pauls, Yale University). Für die psycho-pathologische Einschätzung der Patienten wurden die Interviews altersabhängig entweder direkt mit den Patienten (Alter > 15 Jahre) oder mit den Eltern (meist der Mutter) durchgeführt.

Die psychiatrische Evaluation der Familienmitglieder wurde mittels des STOBS durchgeführt. 82 (94%) Mütter und 70 (81%) Väter wurden interviewt. Die restlichen Eltern konnten an den Interviews nicht teilnehmen, da sie entweder von der Familie getrennt lebten oder verstorben waren. Die Patienten wurden durch vier Ärzte der Kinder- und Jugendpsychiatrie, die zuvor eine intensive

8 DSM-III-R = Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (Diagnostisches und

Statistisches Handbuch Psychischer Störungen). Klassifikationssystem für psychische Erkrankungen, herausgegeben von der American Psychiatric Association, 1987.

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I Allgemeiner Teil 19 Einführung in die diagnostischen Kriterien der angewandten Tests (DSM-III-R und STOBS) erhielten, interviewt. In regelmäßigen Konferenzen wurden alle Patienten sowie ihre Familienmitglieder vorgestellt und besprochen. Kam es unter den Mitgliedern der Konferenz hinsichtlich der Hauptdiagnose nicht zu einer Übereinstimmung, so wurde die Diagnose mehrheitlich beschlossen. Unsicherheiten hinsichtlich der Klassifikation der Ticstörungen entstanden insbesondere durch fehlende Informationen bezüglich des Beginns der Tics sowie der Dauer der Ticphasen. In diesem Fall wurde die Diagnose „nicht näher bezeichnete Ticstörung“ gestellt; insbesondere wenn es sich um ältere Patienten mit Augenzwinkern als Ticstörung handelte und der Patient nicht sicher sagen konnte, ob die Ticstörung vor dem 21 Lebensjahr begonnen hatte. Weitere diagnostische Probleme entstanden bei der Unterscheidung komplexer motorischer Tics von Zwängen oder anderen motorischen Phänomenen.

Abschließend wurden die diagnostizierten Fälle mit GTS und/oder Zwangsstörungen blind einer erneuten Diagnosefindung unterworfen. Festgestellt werden konnte, dass die initial gestellte Diagnose für GTS und Zwangsstörungen gut mit der wiederholten Diagnosestellung übereinstimmte (Hebebrand et al. 1997; Seuchter et al. 2000; Klug 2003).

2. Methoden

2.2.1 DNA-Extraktion aus Vollblut

Zur DNA-Gewinnung diente venöses Vollblut. Die Gewinnung der DNA erfolgte aus kernhaltigen Zellen, in vorliegendem Fall aus Lymphozyten. Dazu wurden die Zellen vom Plasma getrennt, die Erythrozyten lysiert und die kernhaltigen Leukozyten durch Zentrifugation gesammelt. Die DNA wurde anschließend aus dem Chromatin extrahiert, indem durch die Wirkung von Enzymen, Salzen und organischen Lösungsmitteln alles übrige Material (Proteine) entfernt wurde. Die DNA wurde mittels BACC-2 Verfahren extrahiert.

2.2.1.1 Materialien

Nucleon BACC 2 Kit for Blood & Cell Cultures (Amersham RPN 8502)

Inhalt: Reagenz A (Extraktions Kit), Reagenz B, Natriumperchlorat, Silica. Chloroform, Ethanol absolut.

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I Allgemeiner Teil 20 Vom Reagenz A wurde ein Zweiliteransatz mit einer Verdünnung von 1:3, d.h. 500ml Reagenz A +1500ml Aqua dest., angefertigt.

2.2.1.2 Protokoll

1. Es wurden 3-10ml Vollblut in einem 50ml Polypropylen Röhrchen (Greiner Labortechnik) bis auf 40ml mit Reagenz A aufgefüllt und für vier Minuten gut durchmischt.

2. Anschließend fünf Minuten bei 1300g zentrifugiert.

3. Der Überstand wurde verworfen. Das Pellet in 2ml Reagenz B resuspendiert, gründlich gemischt und mit Einmalpasteurpipetten in 5ml Röhrchen überführt.

4. Zugabe von 500µl Natriumperchlorat, einige Sekunden gemischt.

5. Zugabe von 2ml Chloroform, für 10min gemischt und für 2min bei 800g zentrifugiert.

6. 300µl Silica wurden tropfenweise resuspendiert und vier Minuten bei 1400g zentrifugiert.

7. Der Überstand wurde vorsichtig in neue 50ml Röhrchen überführt und mit kaltem Ethanol absolut ausgefällt (ca. 2ml).

8. Mit einem sterilen Glasstab wurde die gewonnene DNA in ein neues Röhrchen überführt und in 500µl 1X TE-Puffer gelöst.

9. Die DNA-Stammlösung wurde bei –70°C aufbewahrt.

2.2.2 DNA-Konzentrationsbestimmung und Verdünnung

1. 10µl der DNA-Stammlösung wurden in 90µl destilliertem Wasser aufgelöst (1:10).

2. Die optische Dichte (OD) wurde bei 260nm bestimmt (die Absorption wurde mit der von H2O als Standard verglichen – Eine OD-Einheit entspricht einer DNA-Konzentration von ∼ 50 µg/ml – Die Konzentration der DNA-Stammlösung (µg/ml) wurde als OD260• 10 • 50 berechnet). 3. Dann wurde die OD bei einer Wellenlänge von 280nm bestimmt und die

Ratio OD260 : OD280 berechnet, (eine Ratio von <1.65 wäre ein Hinweis auf eine Proteinkontamination und würde eine weitere Aufreinigung der Probe erforderlich machen).

(28)

I Allgemeiner Teil 21 4. Nach der Photometrischen Konzentrationsbestimmung wurde die DNA mit

Aqua bidest auf 25 µg/ml verdünnt.

5. Anschließend wurden die Aliquots bei – 20°C gelagert (Preuße 2001).

2.2.3 Agarosegelelektrophorese

Der Erfolg jeder PCR wurde mittels Agarosegelelektrophorese überprüft. Aufgrund ihres Phosphatrückgrates sind die Nukleinsäuren negativ geladen und wandern in einem elektrischen Feld von der negativen Kathode zur positiv geladenen Anode. Agarose oder Polyacrylamid fungieren hierbei als Trägermedium, in dem die Moleküle separiert werden. Im Trägermedium zeigen die kleineren Nukleinsäuremoleküle ein schnelleres Wanderungsverhalten als die größeren. Dies beruht auf der konzentrationsabhängigen Netzstruktur der Trägermedien. Da die Nukleinsäuren im Agarosegel nicht sichtbar sind, müssen sie zur Analyse sichtbar gemacht werden. Hierfür wurde Ethidiumbromid eingesetzt, das unter UV-Anregung fluoresziert und zwischen die jeweiligen Basenpaarungen eingebaut wird. Die Nukleinsäuren emittieren somit unter UV-Anregung langwelliges Licht, durch das sie sichtbar gemacht werden.

2.2.3.1 Materialien

Blue Juice Gelladepuffer: 3x1ml, Verdünnung 1:4. Firma: Invitrogen Größenstandard: 100 bp DNA Ladder. Verdünnung 1:10. Firma: Sigma SYBR Gold: 500µl. Firma: Molecular Probes

SEAKEM Agarose (FMC) oder Nursive Agarose. Firma Biozyme 10X TBE- Puffer: Verdünnung 1:10. Firma: Invitrogen.

2.2.3.2 Protokoll

Für ein 2% Gel wurde 3g Agarose mit 150ml 1X TBE-Puffer gemischt und in der Mikrowelle aufgekocht bis die Agaroselösung ganz klar war.

Die Agarose wurde aus der Mikrowelle genommen und unter laufendem Wasserhahn auf ca. 50°C abgekühlt.

(29)

I Allgemeiner Teil 22 Die Agarose wurde möglichst blasenfrei in eine abgedichtete Gelform gegossen. Ein Kamm wurde in das Gel zur Aussparung von Taschen eingesetzt. Das Gel wurde bei Raumtemperatur getrocknet.

In der Zwischenzeit wurden 2µl des verdünnten Gelladepuffers in 200µl Cups vorgelegt und jeweils 5µl des PCR-Produktes* hinzu pipettiert und vorher gut gemischt.

Der Kamm wurde entfernt und das Gel mit der Gelform in eine mit 1X TBE-Puffer gefüllte Gelkammer gesetzt. In die erste Tasche des Gels wurde der Größenstandard geben, dann die PCR-Produkte aufgetragen und das Gel bei 100-110 V (5-10 V/cm) ca. 2 Stunden laufen gelassen.

Anschließende wurden die Banden unter UV-Licht sichtbar gemacht.

*wenn der Enzymverdau auf das Agarosegel aufgetragen wird, so ist zu empfehlen 12-15µl des Reaktionsgemisches einzusetzen, um sicher zu gehen, dass die geschnittenen Banden unter dem UV-Licht gut sichtbar werden. Dabei kann 1µl des konzentrierten Gelladepuffers verwendet werden.

2.2.4 Polymerasekettenreaktion

Die Polymerasekettenreaktion (PCR = polymerase chain reaction) ist eine sehr effiziente Methode, um selektiv spezifische DNA-Sequenzen in vitro zu amplifizieren (Mullis et al. 1992). Benötigt wird eine kleine Menge der zu vermehrenden DNA sowie zwei Oligonukleotide, so genannte Primer, die jeweils komplementäre Sequenzen zu je einem der DNA-Stränge aufweisen. Die Primer umrahmen den zu amplifizierenden Bereich auf der DNA. Sie haben in der Regel eine Länge von 20-25 Nukleotiden und binden in einer Hybridisierungsreaktion an die komplementären Sequenzen auf der DNA.

Zu Beginn der PCR muß die DNA in Einzelsträngen vorliegen. Dies wird durch Hitzedenaturierung bei 91°C bis 95°C erreicht. Nun können die Oligonucleotide an die entsprechenden Zielsequenzen hybridisieren. Die Primeranlagerung (Annealing) verläuft bei Temperaturen zwischen 50°C bis 60°C Grad und muß für jede PCR neu ermittelt werden. Das im Reaktionsgemisch enthaltenen Enzym Taq-Polymerase beginnt mit der Synthese der komplementären

(30)

DNA-I Allgemeiner Teil 23 Stränge aus den außerdem im Gemisch enthaltenen Desoxy-nukleotidtriphosphaten (dNTPs). Die Synthese (Extension) läuft bei Temperaturen von 70°C bis 75°C ab. Ein alter Strang dient dabei jeweils als Vorlage für einen neuen Strang.

Die Schritte, Denaturierung, Annealing und Extension bilden einen Reaktionscyclus, der in der Regel nur wenige Minuten dauert. In der Praxis werden 25-30 Cyclen durchlaufen, so dass es zu einer expotentiellen Zunahme der DNA-Moleküle kommt. Nach 30 Cyclen können demnach 109 DNA-Moleküle entstehen, in der Regel sind es jedoch 106 bis 107.

Die PCR läuft in automatisierten Thermocyclern ab. Sie ermöglichen eine exakte Kontrolle der einzelnen Schritte.

Die aus der Literatur entnommenen Primersequenzen sind in dem entsprechenden Kapitel unter Methodik zu finden.

2.2.4.1 Materialien

Alle Primer, bis auf die Primer der Fragmentanalyse, wurden von der Firma MWG synthetisiert. Die Primer wurden getrocknet geliefert und mussten entsprechend ihrer Konzentration zu einer Stammlösung von 100ρmol/µl verdünnt werden. Aus der Stammlösung wurde eine Primergebrauchslösung in einem Verhältnis von 1:10 in 200µl angesetzt. Als Verdünnungsmedium wurde HPLC-Wasser verwendet.

Die Primer für die Fragmentanalyse synthetisierte die Firma Applied Biosystems. Sie lieferte sie im getrockneten Zustand. Die Firma empfahl die fluoreszenzmarkierten Vorwärtsprimer nach Ansatz der Stammlösung entsprechend der gewünschten Verdünnung zu aliquotieren, so dass bei Nachschub die aliquotierte Primerstammlösung nur noch mit 180µl H2O verdünnt werden musste (1:10). Aus Reinheitsgründen wurden alle Primer mit HPLC-Wasser angesetzt.

Weiterhin wurde verwendet: PlatinumPCR SuperMix der Firma Invitrogen Folgende Bestandteile waren in dem SuperMix enthalten:

Anti-Taq DNA Polymerase Antikörper, Mg2+, Desoxyribonucleotid Triphosphate, rekombinante Taq DNA Polymerase [22 U/ml rekombinate Taq DNA

(31)

I Allgemeiner Teil 24 Polymerase mit Platinum® Taq Antikörper, 22mM Tris-HCL (ph 8,4), 55mM KCL, 1.65mM MgCl2, 220 µM dGTP, 220µM dATP, 220µM dTTP, 220µM dCTP, sowie Stabilisatoren].

2.2.4.2 PCR-Ansatz und Konditionen

Die Proben liefen auf dem GeneAmp PCR System 9700 (PE) der Firma Applied Biosystems.

Der PCR Ansatz (Tabelle 6) wurde in einem Eppendorftube angesetzt und in 200µl PCR-Tubes der Firma Greiner bio-one verteilt.

Tabelle 4: PCR Ansatz pro Cup (25µl)

Komponenten Volumen Platinum Supermix 23µl

Primer F+R 1µl (d.h. je 0.5µl)

DNA 1µl

PCR-Programm:

Initiale Denaturierung 94°C, 5 min

94°C, 30 sek

X* Zyclen Annealingtemp.**, 30 sek 72°C, 30 sek

Finale Extension 72°C, 10 min***

Kühlung 4°C, ∞

*Die Anzahl der eingesetzten Zyclen sind Tabelle 7 in Kapitel A.2.1 und Tabelle 26 in Kapitel C.2.1 zu entnehmen, **ebenso die entsprechenden Annealingtemperaturen. ***An dieser Stelle wurden die PCR-Konditionen der Fragmentlängenanalyse-PCR (siehe Kapitel A.2.1) modifiziert: die Zeit wurde von 10 min. auf 60 min. erhöht.

Anschließend wurden die PCR-Produkte bei 4°C bzw. bei –70°C gelagert.

2.2.5 Statistische Methoden

Um zu entscheiden, ob ein Ergebnis der untersuchten Marker eine statistische Relevanz zeigt, wurde das Verfahrensprinzip üblicher statistischer

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I Allgemeiner Teil 25 Hypothesentests eingesetzt. Dabei wurde eine Nullhypothese formuliert, die davon ausgeht, dass es keinen überzufälligen Unterschied zwischen den beobachteten und den erwarteten Ereignissen gibt (H0). Die Gegenhypothese besagte, dass tatsächlich ein Unterschied besteht (H1). Mittels eines statistischen Test (McNemar9) wurde aus den erhobenen Daten eine Prüfgröße errechnet und der dazugehörige p-Wert bestimmt. Der p-Wert ist die Wahrscheinlichkeit, dass unter der Annahme, die Nullhypothese sei wahr, die Teststatistik den beobachteten oder einen extremeren Wert annimmt (Bender 2001). Er kann auch als Irrtumswahrscheinlichkeit bezeichnet werden und besagt die Wahrscheinlichkeit, mit der man sich irrt, wenn man die Nullhypothese ablehnt. Ist der p-Wert also die Wahrscheinlichkeit, dass man sich irrt, wenn man die Nullhypothese ablehnt sehr klein, kleiner als das vor Studienbeginn festgelegte Signifikanzniveau α, so kann H0 verworfen werden. Das Ergebnis wird als statistisch signifikant bezeichnet. Das Signifikanzniveau wurde bei den vorliegenden Untersuchungen bei α = 0.05 festgelegt.

2.2.5.1 Allel-Assoziations-Analysen

Wie unter 1.3.5 beschrieben, bezeichnet eine Allel-Assoziation das gleichzeitige Vorkommen von Allelen an unterschiedlichen Genloci. Allel-Assoziations-Analysen untersuchen die statistische Assoziation zwischen einer Krankheit und einem genetischen Marker.

Assoziationsstudien können als klassische Fall-Kontroll-Studien oder aber als familienbasierte Assoziationsstudien durchgeführt werden. Bei Letzteren findet das so genannte Trio-Design Anwendung, das neben den erkrankten Kindern ihre Eltern als interne Kontrollen einsetzt. Damit werden Ergebnisverzerrungen, die durch das Phänomen der Populationsstratifikation entstehen können, umgangen.

9 McNemar-Test = statistischer Test für verbundene Stichproben, bei denen ein

Alternativmerkmal betrachtet wird. Untersucht wird, ob sich die Häufigkeiten in den Stichproben signifikant unterscheiden, dabei wird das Verhältnis des Unterschieds zwischen den beiden Stichproben betrachtet

(33)

I Allgemeiner Teil 26 Alle im Rahmen der vorliegenden Arbeit vorgestellten Kandidatengen-untersuchungen wurden als familienbasierte Assoziationsstudien in GTS-Trios durchgeführt.

2.2.5.2 Transmission Test for Linkage Disequilibrium (TDT)

Der im Rahmen von Assoziationsstudien zurzeit gebräuchlichste Test ist der TDT (Transmission Test for Linkage Disequilibrium; Spielman et al. 1993). Spielman et al. entwickelten ihn als einen Test für eine Assoziation, die entsteht wenn zwei Loci eng miteinander gekoppelt sind. Der TDT prüft, ob ein bestimmtes Allel überzufällig häufiger von den Eltern an das erkrankte Kind transmittiert wird. Dabei sind nur heterozygote elterliche Genotypen am Markerlocus für den TDT informativ. Eltern, die am Markerlocus homozygot sind ergeben dagegen keine Informationen, da sie immer das gleiche Allel an das Kind weiter vererben (Tabelle 5). Der TDT ist ein kombinierter Test auf Kopplung und Assoziation bzw. Kopplungsungleichgewicht10, der eine Kopplung nur aufdeckt wenn eine Assoziation vorhanden ist und umgekehrt. Wenn das untersuchte Allel > 50% an das erkrankte Kind transmittiert wird besteht gleichzeitig der Hinweis für eine Kopplung und ein Kopplungsungleichgewicht zwischen dem Markerallel und dem Krankheitslocus. Besteht keine Kopplung oder Assoziation zwischen dem genetischen Marker und der Krankheit bzw. dem Krankheitsallel ist eine Transmissionsrate von 50% zu erwarten.

Tabelle 5: Transmissions Disequilibrium Test (TDT) Nicht Transmittiert

Transmittiert M1 M2

M1 a b

M2 c d

(nach Spielman and Ewens 1996) TDT = ( b – c )2 / b + c

Ursprünglich wurde der TDT für biallele Marker konzipiert. Mit dem Einsatz multi-alleler Marker wurde eine Erweiterung des TDT erforderlich, da für jedes

10 Ein Kopplungsungleichgewicht beschreibt ein nichtzufälliges gemeinsames Vorkommen eng

benachbarter Loci. Es kann eine Ursache für eine Assoziation eines Krankheitslocus mit einem Markerlocus sein.

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I Allgemeiner Teil 27 Allel eines multi-allelen Markers die Wahrscheinlichkeit einer Assoziation mit dem Suszeptibilitätsallel am Krankheitslocus besteht. Sham und Curtis entwickelten den erweiterten Transmissions Disequilibrium Test [Extended Transmission Disequilibrium Test (ETDT)]. In der vorliegenden Arbeit wurde der ETDT eingesetzt (Sham und Curtis 1995).

Der ETDT testet, ob ein oder eine Gruppe von Markerallelen mit der zu untersuchenden Erkrankung assoziiert ist. Im Gegensatz zum TDT sind in dieser Situation drei Analysemethoden möglich:

1. Jedes Allel wird getrennt betrachtet. Untersucht wird, ob ein Allel von heterozygoten Eltern mehr oder weniger als 50% an das erkrankte Kind transmittiert wird. Für jedes Allel resultiert daraus ein Chi-Quadrat-Test mit einem Freiheitsgrad (df).

2. Genotypweise: Jeder heterozygote, elterliche Genotyp wird separat betrachtet, um festzustellen ob das eine oder andere Allel überzufällig häufig an ein erkranktes Kind weiter vererbt wird.

3. Allelweise: Im Rahmen dieses Tests wird untersucht, ob bestimmte Allele häufiger als andere transmittiert werden, kombiniert wird die Information aus allen Genotypen, die diese Allele aufweisen.

Die statistische Beratung sowie die Analyse und Auswertung der vorgenommenen Tests wurde durch das Insitut für Medizinische Biometrie und Statistik der Medizinischen Universität zu Lübeck vorgenommen.

(35)

II Spezieller Teil – Kapitel A 28

II S

PEZIELLER

T

EIL

A.

Untersuchungen auf gemeinsame genetische

Suszeptibiliätsfaktoren bei GTS und ADHD

1. Einleitung

Attention deficit hyperactivitiy disorder (ADHD) ist eine der häufigsten Erkrankungen in der Kinder und Jugendpsychiatrie; es betrifft 3-5% der Kinder und kommt zwei bis dreimal häufiger bei Jungen als bei Mädchen vor (Waldman et al. 1998). ADHD ist charakterisiert durch Unaufmerksamkeit, exzessive motorische Aktivität, Impulsivität und Ablenkbarkeit bei den betroffenen Kindern (American Psychiatric Association 1994). Ebenso wie bei GTS gibt es Hinweise, dass genetische Einflüsse einen bedeutenden Teil der Ätiologie von ADHD ausmachen (Waldman et al. 1998; Daly et al. 1999). Bisher bleibt auch hier der genaue Vererbungsmodus unbekannt. Es wird jedoch angenommen, dass ADHD polygenetisch bedingt ist, das bedeutet, dass eine große Anzahl von Genen, jedes mit relativ geringem Effekt, das Risiko an ADHD zu erkranken, erhöht (Waldman et al. 1998).

Von allen psychiatrischen Störungen, die in Komorbidität mit GTS auftreten, ist ADHD neben Zwangsstörungen eine der häufiger vorkommenden Erkrankungen. In früheren Untersuchungen konnten Zwangsstörungen und ADHD in 25-35% der Patienten mit GTS beschrieben werden (Walkup et al. 1995). Mittlerweile ist jedoch bekannt, dass insbesondere ADHD, im Vergleich zu 4-19% in der Normalbevölkerung (Taylor et al. 1998), mit einer weitaus größeren Variationsbreite und Häufigkeit von 21 bis 90% bei GTS-Patienten zu beobachten ist (Robertson und Eapen 1992). Die Symptome des ADHD manifestieren sich in der Regel 2-3 Jahre vor Auftreten der Tics (Comings and Comings 1988).

(36)

II Spezieller Teil – Kapitel A 29 Zwangsstörungen treten mit einer Häufigkeit von 30-65% bei GTS-Patienten auf (Riederer et al. 2002), wobei Zwangshandlungen und komplexe Tics oft nur schwer zu unterscheiden sind. Dennoch entwickeln etwa ein Drittel aller GTS- Patienten im Erwachsenenalter Zwangsstörungen (Hebebrand et al.1998). Einige Studien sehen sogar Zwangsstörungen als eine variable Expression des putativen GTS-Gens an (Pauls et al. 1991; Eapen et al. 1993) Pauls et al. konnten in diesem Zusammenhang feststellen, dass Familienangehörige von Patienten mit Zwangsstörungen ebenfalls gehäuft Tic-Störungen aufweisen (Pauls et al. 1995). Dagegen ergab die Studie von Hebebrand et al. keine erhöhte Rate von Zwangsstörungen bei Angehörigen von GTS-Patienten (Hebebrand et al. 1997).

Obwohl Hinweise für eine genetische Komponente in der Pathogenese von GTS existieren, gelang es allen bisher vorgenommenen molekulargenetischen Kandidatengenuntersuchungen nicht, eindeutige genetische Faktoren dieser Erkrankung zu identifizieren. Demgegenüber konnten bei ADHD eine Reihe von Polymorphismen, die in deutlicher Assoziation zu dieser Erkrankung stehen identifiziert werden:

− das 480 bp Allel des Dopamin-Transporter-Gens (SLC6A3); (Daly et al. 1999)

− ein Taq-Polymorphismus (Allel 2) des Dopamin-ß-Hydroxylase Gens (DßH); (Daly et al. 1999)

− eine 120 bp-Tandem-Duplikation (Allel 1) des Dopamin-D4-Rezeptor Gens (DRD4); (Seaman et al. 1999)

− das 148 bp Allel des Dopamin-D5-Rezeotor Gens (DRD5); (Daly et al. 1999; Barr et al. 2000) und

− das 157 bp Allel eines Dinukleotid-Repeat-Polymorphismus am DXS7-Locus; (Jiang et al. 2000)

Darüber hinaus wurde ein Restriktionsenzym und ein weiterer Polymorphismus beschrieben, die eine deutliche Assoziation zu Zwangsstörungen zeigten: − Fnu4H1 im Monoaminoxidase-A Gen (MAO-A); (Camarena et al. 2001) − ein 30 bp-Repeat Polymorphismus ebenfalls im MAO-A-Gen; (Deckert et al.

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II Spezieller Teil – Kapitel A 30 Die klinischen Überschneidungen von GTS und ADHD legen die Existenz gemeinsamer genetischer Risikofaktoren nahe. Diese Hypothese wurde jedoch auf molekulargenetischer Ebene bisher noch nicht systematisch untersucht. Aus diesem Grund soll in der vorliegenden Arbeit geprüft werden, ob einer der mit ADHD in Assoziation stehenden Polymorphismen ebenfalls mit GTS assoziiert ist.

Im Folgenden werden die oben genannten Polymorphismen sowie die dazugehörigen Gene näher dargestellt.

1.1 Dopamin-Transporter-Gen (SLC6A3)

Der Dopamin-Transporter 1 (DAT1) ist ein Neurotransmittertransporter, der die Wiederaufnahme von freigesetztem Dopamin in präsynaptische Bereichen kontrolliert. Er gehört zu einer Familie von Na+ und Cl- abhängigen Transportern und besteht aus zwölf Transmembrandomänen mit einer extrazellulären Schleife zwischen der dritten und vierten Transmembran- dömane (Donovan et al. 1995). Das für den Transporter kodierende Gen (SLC6A3) ist auf dem kurzen Arm des Chromosomens 5 (5p15.3) lokalisiert und umfaßt mehr als 60 kb (Vandenbergh et al. 1992). Das SLC6A3-Gen enthält einen 40bp-Repeat-Polymorphismus im Bereich der 3´ nicht-kodierenden Region. Die Anzahl der Kopien des 3´ wiederholenden Elements variiert zwischen 3 (= 200 bp) und 11 (= 520 bp) Kopien, wobei 9 (440 bp) und 10 (480 bp) Kopien des 40bp-Repeats in der kaukasischen Bevölkerung am häufigsten vorkommen (Vandenbergh et al. 1992).

Bisher konnte keine „dopaminerge“ Erkrankung im Bereich der Region 5p, die den DAT1-Locus enthält, durch klassische genetische Studien identifiziert werden (Vandenbergh et al. 1992).

Im Tiermodel konnte an DAT1 Knockout Mäusen gezeigt werden, dass die Dopaminelemination aus dem synaptischen Spalt verlangsamt ist und die motorische Aktivität der Mäuse im Vergleich zu normalen Mäusen deutlich erhöht ist. Als Folge ergaben sich unterschiedliche Adaptationsmechanismen im Dopaminstoffwechsel. So zeigte sich ein reduzierter Dopamingehalt in den präsynaptischen Nervenendigungen, eine signifikante Downregulation der

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D1-II Spezieller Teil – Kapitel A 31 und D2-Rezeptorexpression auf den Zellen sowie ein Verlust der Tyrosinhydroxylase, die Dopamin zu Tyrosin abbaut (Giros et al. 1996).

Bisher sind die Mechanismen, durch die Allelvarianten in der VNTR Region die DAT1 Funktion verändern könnten, weitgehend unklar. Der Grund ist, dass der Polymorphismus in der 3´ nicht-kodierenden Region lokalisiert ist und somit Allelvarianten nicht direkt zu einer strukturellen oder funktionellen Veränderung im DAT1 Protein führen können. Andere Mechanismen müssen verantwortlich sein: VNTR Regionen könnten die Regulation der Transkription beeinflussen. Weiterhin wäre ein Effekt auf die Effizienz der Translation oder Stabilität der mRNA möglich. Schließlich könnten VNTR Regionen, die innerhalb der kodierenden Sequenz eines Gens liegen, die Funktion dieses Gens beeinflussen (Nakamura et al. 1998).

Michelhaugh et al. untersuchten, ob der SLC6A3 VNTR Polymorphismus die Transkription in dopaminergen Neuronen steigert. Das SLC6A3٭9R VNTR Allel wurde in eine immortalisierte dopaminerge Zelllinie sowie in Dopaminneurone von neugeborenen Ratten Mittelhirnen transfektiert. Es konnte eine gesteigerte Transkription des DAT1 beobachtet werden (Michelhaugh et al. 2001). Dagegen konnten Fuke et al. eine erhöhte DAT1 Expression in Assoziation mit dem ٭10R Allel feststellen (Fuke et al. 2001). Schließlich konnten Mill et al. in einer in vivo Untersuchung über eine Assoziation zwischen der Anzahl der *10R Allele und einer gesteigerten DAT1 Expression berichten (Mill et al. 2002). Insgesamt kamen diese und weitere in vitro Studien (Miller und Madras 2002) zu unterschiedlichen Ergebnissen bezüglich des Effektes der einzelnen Allele. Darüber hinaus stellten Heinz et al. in einer in vivo Untersuchung eine Assoziation zwischen *9R Allel und einem reduziertem DAT1 Protein Angebot fest (Heinz et al. 2000). Jacobsen et al. berichteten dagegen über eine Assoziation zwischen dem *10R Alle und einer Reduktion des DAT1 Proteins (Jacobsen et al. 2000). Die Untersuchungen kamen insgesamt zu widersprüchlichen Ergebnissen. Sie unterstützen jedoch die Hypothese, dass der SLC6A3 VNTR Polymorphismus die DAT1 Expression beeinflussen könnte.

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II Spezieller Teil – Kapitel A 32 Greenwood und Kelsoe untersuchten Promotor und Intronvarianten sowie den VNTR in Exon 15 hinsichtlich ihres Effektes auf die DAT1 Expression in einer dopaminergen Zelllinie. Ihr Ziel war es Regionen zu identifizieren, die an der Transkriptionsregulation des SLC6A3-Gens beteiligt sein könnten, sowie ggf. funktionelle Varianten enthalten, die zu neuropsychiatrischen Erkrankungen prädisponieren. Es konnte kein Effekt der 3´VNTR Region auf die Transkription des SLC6A3-Gens beobachtet werden. Dagegen schienen die Introns 9, 12 und 14 Enhancer Elemente zu enthalten, die die Expression um das 2-fache steigerten. Weiterhin zeigten sich Unterschiede in der Aktivität zwischen den einzelnen Haplotypen. Greenwood und Kelsoe kamen zu dem Schluß, dass die Kombination der Polymorphismen an einem Haplotyp sich auf die SLC6A3- Genexpression auswirken müßte (Greenwood und Kelsoe 2003).

Erst kürzlich untersuchten van Dyck et al. an 96 europäischen Amerikanern den Effekt des SLC6A3 VNTR Polymorphismus auf die DAT1 Expression. Der Genotyp am SLC6A3 Promoter VNTR Polymorphismus wurde bei allen Probanden bestimmt. Darüber hinaus wurden sie einer SPECT Analyse mit [123I]2-ß-Carbomethoxy-3ß-(4-iodophenyl)tropane(ß-CIT) zur Messung der striatalen DAT1 Protein Status unterzogen. Die Untersuchung ergab, dass Probanden, die das ٭9R Allel des VNTR Polymorphismus besaßen, einen signifikant erhöhten striatalen DAT1 Status aufwiesen, das heißt, dass das Dopamintransporterprotein vermehrt exprimiert wurde (van Dyck et al. 2005). Die Untersuchung deutet an, dass der Polymorphismus die SLC6A3-Gen Expression beeinflusst, indem die Transkription oder Translation oder aber die Stabilität der Messenger RNA verändert wird. Auch wäre eine Beeinflussung der DAT1 Proteinfunktion durch diesen Polymorphismus möglich. Darüber hinaus könnte der SLC6A3 VNTR Polymorphismus in einem Kopplungsungleichgewicht mit einem anderen Polymorphismus, der wiederum die SLC6A3-Gen Expression beeinflusst, stehen.

Verschiedene Studien deuten eine Assoziation zwischen dem SLC6A3 ٭10R Allel und ADHD an. So untersuchten Daly et al. 118 an ADHD erkrankte Kinder aus 111 Familien. 93 dieser Familien bildeten sog. Trios bestehend aus Mutter,

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II Spezieller Teil – Kapitel A 33 Vater und dem erkrankten Kind. 106 (90%) der Probanden zeigten den ADHD kombinerten Typ mit Aufmerksamkeitsstörungen und hyperaktiven/impulsiven Symptomen. Daly et al. konnten drei Allele feststellen, das 520 bp (= *11R), das 480 bp (= *10R) und das 440 bp (= *9) Allel. Das 480 bp Allel wurde dabei 148 Mal transmittiert und 121 Mal nicht transmittiert. Zur statistischen Analyse wurde die Haplotype-based Haplotype Relative Risk Methode (HHRR)11 sowie der Transmisson Disequilibrium Test (TDT) eingesetzt. Der TDT Test wurde für den kombinierten Subtyp an kompletten Trios durchgeführt und konnte ein Kopplungsungleichgewicht für das 480 bp Allel mit einem P-Wert von p < 0.005 feststellen (Daly et al. 1999).

Waldman et al. untersuchten 117 Familien deren Kinder an ADHD erkrankt waren. Wie in anderen Studien auch, war das ٭10R Allel das Häufigste (69%), gefolgt vom dem ٭9R Allel (29%). Das ٭10R Allel wurde als das „high risk“ Allel betrachtet, das ٭9R Allel sowie alle anderen wurden zusammengefaßt und als „low risk“ Allel bezeichnet. Zum einen wurde mittels des TDT auf ein Kopplungsungleichgewicht zwischen DAT1 und ADHD untersucht. Hier zeigte sich, dass das 480 bp Allel (Allel 3) überzufällig häufig von Eltern an erkrankte Kinder weitervererbt wurde und deutete eine Assoziation und Kopplung zwischen DAT1 und ADHD an. In einer weiteren Analyse wurden die einzelnen ADHD-Subtypen nach dem Schweregrad der Symptome unterteilt und erneut auf ein Kopplungsungleichegewicht zwischen DAT1 und den ADHD-Subtypen hin untersucht. Es zeigte sich ein Kopplungsungleichgewicht zwischen DAT1 und den ADHD-Subtypen bei jedem Symptomschweregrad. Der Grad des Kopplungsungleichgewichtes nahm mit dem Symptomschweregrad, insbesondere beim kombiniertem ADHD-Subtyp, zu. Darüber hinaus wurde in einer weiteren Analyse das Verhältnis der Anzahl der „high risk“ Allele (0, 1 oder 2) zum Grad der ADHD Symptome in Bezug gesetzt. Hier zeigte sich,

11 HRR-Test = Die Kontrollen bestehen aus den beiden Markerallelen, die die Eltern des

erkrankten Probanden nicht an ihn weitergegeben haben. In seiner einfachsten Form unterscheidet man weder zwischen für den Marker homozygoten oder heterozygoten Probanden noch zwischen erkrankten und nicht erkrankten Elternteilen (Strachan und Read 1996). Der HHRR-Test ist eine abgewandelte Methode des HRR-Tests; dazu siehe Terwilliger und Ott 1992.

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